Allgemeines: Die Vogelgrippe (aviäre Influenza, avian influenza, bird flu ) tritt weltweit auf. Sie wird durch Viren ausgelöst und befällt normalerweise nur Vögel, selten Schweine. Geflügel scheint besonders anfällig zu sein. Vogelgrippe bei Geflügel kann sehr schnell das Ausmaß einer Epidemie (massenhaftes Auftreten einer Krankheit in einem begrenzten Gebiet und Zeitraum) annehmen. Bei Tieren gibt es zwei Formen der Vogelgrippe: Eine mild verlaufende, die sich bei Vögeln oft nur in reduzierten Legeraten äußert und, von sehr viel größerer Bedeutung, eine hochansteckende und rasch, bei nahezu 100% der erkrankten Tiere, tödlich verlaufende Form, die Geflügelpest (high pathogenic avian influenza). Sie wurde erstmals vor ca. 100 Jahren in Italien bemerkt. Die Geflügelpest breitet sich in einem Land von Tier zu Tier schnell durch große Virusmengen in den tierischen Ausscheidungen, auch durch verseuchten Staub oder die Luft aus. Aber auch verseuchte Gegenstände, wie Reifen, Schuhe etc. tragen die Viren weiter. Die Verbreitung in andere Länder erfolgt über den Handel mit Lebendgeflügel. Auch infizierte Wildvögel können die Viren über große Entfernungen weitertragen. Um die Ausbreitung der Vogelgrippe, einschließlich der Geflügelpest, zu verhindern, müssen erkrankte und Kontakt -Tiere umgehend und konsequent getötet, die Kadaver sicher entsorgt und Gebäude und Gegenstände sachgerecht desinfiziert werden. Die Ausbreitung soll weiterhin durch die Errichtung von Quarantänezonen eingedämmt werden. Breitet sich die Tierseuche in einem Land erst einmal weit aus, ist sie nur noch schwer zu kontrollieren. So war z.b. 1992 ein Ausbruch in Mexiko erst 1995 wieder völlig unter Kontrolle. Derzeitige Situation (Stand 29.01.2004): Seit Mitte Dezember 2003 berichten eine zunehmende Zahl asiatischer Länder vom Ausbruch der Vogelgrippe und Geflügelpest bei Hühnern und Enten. Ebenfalls betroffen sind zahlreiche Wildvögel und Schweine. Deutsches Rotes Kreuz, Berlin 2004 1
Eine derart weite, nahezu zeitgleiche Verbreitung der Tierseuche war noch nie da gewesen. Im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung besonders alarmierend ist der Nachweis der besonders ansteckenden Unterklasse (Subtyp) H5N1 der Vogelgrippe-Viren. H5N1 hat die Artengrenze ü- berschritten! In der Vergangenheit erkrankten nachweislich Menschen durch H5N1, genau wie in zunehmender Zahl jetzt in Vietnam und Thailand. Die Ü- bertragung der Geflügelpest erfolgte bisher immer vom Tier auf den Menschen. Was ist so bedenklich an der derzeitigen Situation? Gesundheitsbehörden weltweit sind alarmiert, da die meisten, nicht alle, der derzeitigen Ausbrüche der Geflügelpest in Asien durch den sehr ansteckenden und sehr krankheitserregenden Virus-Subtyp H5N1 ausgelöst wurden, der die Artengrenze überschritten hat. (s.o.) Noch größere Bedenken bestehen, dass die derzeitige Situation den Ausgangspunkt für eine neue Grippepandemie (Ausbreitung der Grippe (Influenza) über Länder und Kontinente hinweg) bei Menschen darstellen könnte. Es ist bekannt, dass Vogel-Grippeviren (avian influenza-viren) und Menschen-Grippeviren (human influenza-viren) genetisches Material austauschen können, sofern eine Person gleichzeitig mit der Vogel- und der Menschengrippe infiziert ist. Dies könnte zur Entwicklung einer völlig neuen und gefährlichen Unterklasse (Subtyp) des Menschen-Grippevirus führen, gegen die nur wenige oder gar keine natürlichen Abwehrkräfte beim Menschen bestehen. Deutsches Rotes Kreuz, Berlin 2004 2
Wenn die neue Virus-Subklasse genügend menschliche Gene beinhaltet, wird eine Übertragung von Mensch zu Mensch, anstelle vom Tier zum Mensch, möglich. Das wäre eine entscheidende Bedingung für den Start einer neuen Grippepandemie. Besonders alarmierend wäre die Situation, wenn sich durch die Übertragung von Mensch zu Mensch eine besonders schwere Grippeform mit hoher Sterblichkeit entwickeln würde. Genau dies war bei der großen Grippepandemie 1918/19 passiert. Ein komplett neuer Virus-Subtyp war entstanden und verbreitete sich innerhalb von 6-8 Monaten über die ganze Welt. Innerhalb der nächsten zwei Jahre kam es zu mehreren Ausbruchswellen, bei denen ca. 20-50 Millionen Menschen (die Zahlen variieren stark) verstorben sind. Gibt es beim jetzigen Ausbruch der Geflügelpest schon Beweise für eine Übertragung der Erkrankung von Mensch zu Mensch? Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ganz klar: nein! WHO Experten in Vietnam und Thailand unterstützen die dortigen Regierungen bei entsprechenden Überwachungsprogrammen und Studien, um Mensch zu Mensch Übertragungen frühzeitig zu erkennen. Weltweit arbeiten Netzwerke zur Influenzaüberwachung und -erforschung, sowohl der Vogelgrippe und Geflügelpest als auch der menschlichen Grippe, zusammen. Kam es bisher schon oft zur H5N1 Grippe - Erkrankung beim Menschen? Auch ganz klar: nein! Es gab bisher nur wenige Fälle. 1997 wurden erstmals 18 Fälle in Hongkong dokumentiert. Sechs Menschen verstarben. Ausgelöst wurden alle Erkrankungen durch engen Kontakt mit Vögeln (Tierhalter oder -händler); und alle bei gleichzeitigem Ausbruch der Geflügelpest durch H5N1. Im Februar und ab Dezember 2003 erkrankten erneut Men- Deutsches Rotes Kreuz, Berlin 2004 3
schen an H5N1 Geflügelpest. Eine Tier zu Mensch Übertragung wurde nachgewiesen. Sind alle derzeitigen Ausbrüche der Vogelgrippe/Geflügelpest für Menschen gleich gefährlich? Nein! Der Virus-Subtyp H5N1 hat derzeitig die größte Bedeutung für die Gesundheit der Menschen. Frühere Vogelgrippe-Ausbrüche durch andere Virus-Subtypen, bspw. in Taiwan, China oder Pakistan, waren für die Vögel weniger krankheitserregend und haben bisher noch nie zu Erkrankungen von Menschen geführt. Trotzdem ist es wichtig, auch die Erkrankungen der Vögel durch weniger gefährliche Virus-Subtypen schnell unter Kontrolle zu bekommen und ihre Ausbreitung zu verhindern. Forschungsergebnisse belegen, dass mindergefährliche Virus-Subtypen schnell, d.h. in ca. sechs bis neun Monaten, zu hochansteckenden Varianten mutieren können. Kann eine mögliche Grippepandemie (Mensch) abgewendet werden? Die WHO ist zuversichtlich. Überwachungsinstrumente und eine weltweite Zusammenarbeit wurden eingerichtet. Vorrangiges Abwehrinstrument ist die schnelle Erkennung von Vogelgrippeausbrüchen bei Tieren sowie ihre konsequente und schnelle Eindämmung, so dass möglichst wenig Menschen mit der Vogelgrippe in Kontakt kommen. Impfungen: Für Menschen gibt es derzeit keinen Impfstoff gegen H5N1 ausgelöste Grippe. Die Entwicklungszeit wird mit sechs bis neun Monaten angegeben. Gängige Impfstoffe gegen Influenza schützen nicht. Dennoch wird die Grippeimpfung, nicht nur in von Geflügelpest betroffenen Ländern empfohlen. Besonders in den betroffenen Ländern soll durch die Grippeimpfung das Risiko vermindert werden, dass H5N1 einen Menschen befällt, der gleichzeitig an der Grippe erkrankt ist. (s.o. Entstehung eines neuen Virus). Deutsches Rotes Kreuz, Berlin 2004 4
Therapie: Zurzeit stehen grundsätzlich zwei Medikamentenklassen zur Vorbeugung und Therapie der menschlichen Grippe zur Verfügung. Die Zulassung der Medikamente ist in den Ländern unterschiedlich geregelt. Es wird davon ausgegangen, dass diese Medikamente auch gegen Vogelgrippe bzw. Geflügelpest beim Menschen wirksam sind, egal durch welchen Virus-Subtyp sie ausgelöst wird. Derzeit laufen Studien über die Wirksamkeit dieser Medikamente gegen H5N1. Weiteres: Empfehlungen zu Fernreisen, zum Verhalten auf Reisen sowie zum Verzehr von Geflügel werden vom Auswärtigen Amt bzw. dem Verbraucherschutzministerium laufend aktualisiert. Das Robert Koch Institut stellt medizinische Informationen mit vielen Querverweisen zur Verfügung. Im Oktober 2003 hat der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Empfehlungen spezieller Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Infektionen durch den Erreger der Klassischen Geflügelpest herausgegeben. Vom April 2003 stammen Empfehlungen des Robert Koch Instituts zur Prophylaxe für und zum Management von gefährdeten Personen durch Geflügelpest. Diese Empfehlungen beziehen sich nicht auf die Virus-Subklasse H5N1, sondern auf andere Subklassen. Es ist zu erwarten, dass diese Empfehlungen aktualisiert werden. Quellen zum Weiterlesen: Robert Koch Institut (RKI), www.rki.de Weltgesundheitsorganisation (WHO), www.who.int Verbraucherministerium, www.verbaucherministerium.de Europäische Union, europa.eu.int Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS), www.baua.de Auswärtiges Amt, www.auswaertiges-amt.de Deutsches Rotes Kreuz, Berlin 2004 5