technology print on demand Werner Baumhakl, 174 175
Neue Technologien tragen entscheidend zum Paradigmenwechsel im Design bei. Rapid Prototyping (RP) ermöglicht, dass Produzenten zunehmend durch Produktverleger, die im eigentlichen Sinn nicht mehr produzieren, abgelöst werden. Im Bereich der Lichttechnik forcieren OLEDs die Entwicklung der LED-Revolution: Die flächige, homo gene Lichtwirkung und zweidimensionale Struktur führen dabei zu einer zunehmend als formlos wahrgenommenen Erscheinung der Leuchtkörper und des Lichts. Das gezeigte Konzept führt beide revolutionären Technologien zusammen und untersucht deren Wirkungen und Erscheinungsformen im dreidimensionalen Objekt. Als Versuchsanordnung wurden Leuchtobjekte ent wickelt, die unabhängig von der Infrastruktur einer Produktionsstätte und dem tatsächlichen Bedarf ent sprechend entstehen können quasi als technology print on demand. technology print on demand Werner Baumhakl, Sieben Fragen, ein Interview mit der Journalistin und Redakteurin und Werner Baumhakl, Leiter des Instituts Industrial Design anlässlich seines Beitrags zum Forschungsprojekt OLED - Licht der Zukunft im Gewerbemuseum Winterthur. Was ist OLED und wie funktioniert es? Werner Baumhakl OLED, abgeleitet vom englischen Begriff organic light emitting diode, ist eine organische Leuchtdiode, die unter elektrischer Spannung Licht emittiert. Sie besteht aus mehreren Schichten zwischen denen Elektronen wandern und dabei Licht abgeben. Das besondere an OLED ist, dass diese weniger als einen Millimeter dünn sein können. Je nach Aufbau, kann das Trägermaterial eine Folie, eine hauchdünne Glasplatte, oder ein Aluminiumblech sein, in das die eigentliche OLED eingebettet ist. Entsprechend können OLED entweder flexibel oder starr sein. Im Vergleich zu herkömmlichen Leuchtdioden ist die Produktion von OLED kostengünstiger, da der Halbleiter künstlich aus organischen Verbindungen hergestellt und nicht aus seltenen, natürlichen Elementen gewonnen wird. Derzeit haben OLED noch eine geringere Lebensdauer als LED. OLED gibt es als monochrome, flächige Lichtquelle. Sie werden aber auch als Displays für Smartphones, Tablets oder Fernsehgeräte eingesetzt. Was sind die Vorteile von OLED gegenüber herkömmlichen Leuchtmitteln? Werner Baumhakl OLED zeichnen sich durch einen sehr geringen Stromverbrauch aus und funktionieren mit Niederspannung. Deshalb lassen sich gefahrlos Bauteile als Stromleiter verwenden und ermöglichen vielfältige Entwurfslösungen. Bereits genannt wurden die extrem dünne Aufbauhöhe und flächige Lichtwirkung, die mit anderen Leuchtmitteln nur mit Streuscheiben beziehungsweise Rastern erreichbar ist. Da sich die Lichtmenge auf eine Fläche verteilt, ist die Blendung weniger stark 176 177
Werner Baumhakl, technology print on demand als bei einer punktförmigen Lichtquelle. OLED haben eine sehr geringe Wärmetwicklung, was Anwendungen ermöglicht, die mit anderen Leuchtmitteln nicht ohne weiteres realisierbar sind. OLED sind also ihrem Wesen nach Lichtkacheln mit sehr geringer Bauhöhe. Sie lassen sich auch zusammenschalten oder gezielt ansteuern. Man kann OLED deshalb auch dynamisch miteinander verbinden, diese können, gekoppelt mit Sensoren, auf ihr Umfeld reagieren. Bereits heute sind erste kommerzielle Leuchten erhältlich. Aber auch in die Architektur integrierte Beleuchtungskonzepte und intelligent gesteuerte Lichtplanungen lassen sich realisieren. Der modulare Systemcharakter von OLED ist entsprechend wichtig. Wo steckt OLED noch in den Kinderschuhen? Werner Baumhakl Vergleichbar mit dem Start der LED-Leuchtmittel vor 15 Jahren, gibt es noch einiges tun. Wobei die Entwicklung rasant voranschreitet. Zur Zeit wird bei OLED stark an der Steigerung der Lichtausbeute geforscht. Die Lichteffizienz steigert sich jeweils im Halbjahresrhythmus deutlich. Ebenso wird an möglichen Formaten und Grössen gearbeitet, wobei die technischen Herausforderungen bezüglich Gleichmässigkeit und Fehlerfreiheit bei der Vergrösserung der Formate zunehmen. Sehr dünne Trägermaterialien, insbesondere Glas, machen gegenwärtig OLED-Anwendung noch relativ empfindlich, da diese leicht beschädigt werden können. Neben der Entwicklung der OLEDs selbst, wird an der Verbesserung und Miniaturisierung der Steuerungselemente gearbeitet. Mit grösserer Verbreitung und Prozesssicherheit werden dann entsprechend die Kosten sinken. Wie sieht es mit Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit aus? Stichwort graue Energie bei der Herstellung und Recycling? Werner Baumhakl Das lässt sich nicht ohne genaue Betrachtung beantworten: Das sogenannte Life Cycle Assessment (LCA [zu Deutsch: Lebenszyklusanalyse oder Ökobilanz]) befasst sich spezifisch mit den Umweltauswirkungen von Produkten und folgt dem Grundprinzip, Auswirkungen in Kategorien wie Produktion, Transport, Nutzung und Entsorgung zu unterteilen. Ohne genaue Angaben zu diesen Kategorien lassen sich mittels LCA keine verifizierbaren Aussagen machen. Die OLED Association spricht zwar von einer Green Screen Technologie, deren Herstellungsprozess einen geringe CO₂-Bilanz aufwei 178 179 Pendel- und Tischleuchte, Foto: Bernard René Gardel
Werner Baumhakl, technology print on demand sen soll, näher wird dies aber nicht spezifiziert. Fest steht, dass europäische Firmen aktuell die Produktion von Leuchtmitteln insbesondere von OLED auslagern. Entsprechend stark sind Produzenten im asiatischen Raum wie dies auch bei der LED- Technologie der Fall ist. Deshalb liegt die Annahme nahe, dass die Energiebilanz bezüglich Transport- und Vertriebswege, Herstellungsaufwand, ähnlich sein dürfte. Dabei wird der Aufbau der OLED als prinzipiell günstiger eingestuft als der von LED, bei denen sogenannte seltene Erden zum Einsatz kommen. Dies dürfte sich bei einer zukünftigen Massenfertigung in der Energiebilanz positiv auswirken. Gegenwärtig ist jedoch die Fertigung auf Grund der andauernden Prozessentwicklungen noch recht aufwändig. Wichtig ist in jedem Fall nicht nur den geringen Stromverbrauch zu betrachten, sondern eine Energiebilanz über den gesamten Lebenszyklus zu beurteilen, denn OLEDs können Vorteile nur dort ausspielen, wo auf Grund langer Betriebszeiten das Einsparpotential den Aufwand zur Herstellung deutlich übertrifft. In diesem Zusammenhang wäre auch das Entwickeln von gültigen Standards für Reparaturfreundlichkeit und Ersatz während eines möglichst langen Lebenszyklus ein wichtiger Beitrag. Zum Recycling liegen mir keine Angaben vor. Dieser Aspekt sollte bei der Entwicklung unbedingt eine markante Rolle spielen. Für die Ausstellung OLED-Licht der Zukunft haben Sie das Innovationspotenzial untersucht. Was ist das Ergebnis? Werner Baumhakl Die Ausstellung im Gewerbemuseum Winterthur fasst anschaulich den gegenwärtigen Stand der Entwicklung und Forschung zum Thema OLED zusammen. OLED eigen ist stets die flächige, relativ blendfreie Lichtwirkung. In der Ausstellung selbst gibt es Exponate, die von skulptural über sachlich funktional bis zu interaktiv gesteuerten Installationen die Bandbreite an technischen und gestalterischen Möglichkeiten austesten. Insbesondere als innenarchitektonische Komponente ermöglicht OLED neuartige Lösungen. OLED werden als integrierbarer Teil in der Architektur bei der Lichtplanung eine erweiterte Rolle spielen. OLED können beispielsweise bei der Einrichtung und Möblierung auf neuartige Weise in Regale oder in verschiedene Materialien flächenbündig integriert werden. Eine Auswahl von Musteranwendungen macht dies in der Ausstellung anschaulich. 180 Bausatzelement 2 Pendelleuchte, Foto: Bernard René Gardel Bausatzelement 2 Tischleuchte, Foto: Bernard René Gardel 181
Werner Baumhakl, technology print on demand Mich haben im Rahmen des Forschungsprojekts weniger die rein technischen Aspekte interessiert, als die Frage: Lässt sich eine Zukunftstechnologie wie OLED bereits heute einer breiten Schicht verständlich und zugänglich machen? OLED sehen zwar einfach und filigran aus, für den Betrieb ist aber im Hintergrund eine Menge Elektronik notwendig. Diese wird in der Regel versteckt, da sonst der Vorteil der Miniaturisierung aufgehoben wird. Die fast schattenfreie Beleuchtung ist interessant, wirkt aber bisweilen artifiziell. Im Mittelpunkt stand für mich nicht das Ausreizen der technischen Grenzen oder die maximale formale Reduktion, sondern die Erschliessung dieser neuen Technologie für den Nutzer: Gelingt es, dieser etwas steril wirkenden Lichtquelle Charakter mitzugeben? Dazu sollen die Objekte möglichst (selbst)verständlich wirken. So habe ich mit dem Konzept technology print on demand die Idee eines Bausatzes für OLED-Leuchten entwickelt, der auf Rapid Prototyping Technologien basiert. In wenigen Minuten kann man die Leuchten selbst zusammenbauen und dabei Schritt für Schritt nachvollziehen, wie diese funktionieren. Man setzt sich nicht einer hermetischen Technik aus, sondern gestaltet diese durch das eigene Machen. Einige Besucher des Museums haben in der Ausstellung geäussert, dass die Leuchten Leichtigkeit und Humor im Umgang mit der neuen Technologie ausstrahlen und sich damit von der technischen Anmutung anderer Exponate unterscheiden. Das hat mir gut gefallen. Es entspricht der gestalterischen Intention des Projekts. Leider liess sich ein wichtiger Teil des Konzepts das Selbstzusammenbauen in der Ausstellung nicht realisieren. Dadurch fehlt die Erfahrung die Leuchte zusammenzusetzen. Denn letztlich ist mein Beitrag neben der Auseinandersetzung mit OLED auch der Versuch, einen demokratischen Ansatz im Umgang mit technischen Produkten zu formulieren. Wie würde sich OLED bei Umbauprojekten eignen? Werner Baumhakl Ich denke die Anwendungen von OLED sind zwar noch in den Anfängen und beschränken sich zurzeit vor allem auf dekorative oder repräsentative Installationen, in absehbarer Zeit wird sich OLED aber sehr gut in die Architektur integrieren lassen. Ich gehe davon aus, dass die Lichtwirkung stärker im Mittelpunkt rücken wird als der Objektcharakter der Beleuchtung. Besonders interessant werden Einsatzbereiche sein, in denen eine dynamische Ergänzung von Tageslicht angedacht 182 183 Ansicht transluzente Lichtwirkung der Pendelleuchte, Foto: Werner Baumhakl
Werner Baumhakl, technology print on demand ist. So ist eine Integration der OLED in Einbauten, Wand- oder Deckenflächen fast unsichtbar möglich und eröffnet interessante Lösungen. Ganz praktisch liesse sich beispielsweise die Aufbauhöhe nachträglich abgehängter Decken bei Umbauten reduzieren, wobei die Lichtwirkung ähnlich wie bei einem Oberlicht wäre. Noch setzen aber Kosten und die erhältliche Technik Grenzen für solche Lösungen. Wie könnte OLED die Architektur verändern? Werner Baumhakl Sicher kann man nicht soweit gehen, dass deren Einsatz die Architektur revolutionieren wird. Aber OLED werden durch ihre speziellen Eigenschaften das Repertoire für den Architekten und Lichtplaner erweitern und im Zusammenspiel mit natürlichem Licht sowie anderen Lichtquellen ein neuartiges Instrument für die Schaffung qualitativer Beleuchtungssituationen in Räumen sein. Neben der Verwendung in Designanwendungen, wie Leuchten und bei Einrichtungsgegenständen, sehe ich gerade in der Verbindung mit natürlichem Tageslicht in der OLED-Technologie auch die Vorteile einer gleichmässigen und subtilen Beleuchtung. Aber auch bei Aussenanwendungen lassen sich wegen des geringen Stromverbrauchs, zum Beispiel in Verbindung mit Solarzellen, interessante Konzepte realisieren. Im öffentlichen Raum und an Fassaden könnten OLED auf Grund ihrer Eigenschaften ebenfalls ein grosses Potential haben. Sogar der Einsatz von durchsichtigen OLED in Fensterflächen, die bei Dunkelheit Licht spenden, ist technisch schon heute machbar. Und wer weiss, vielleicht wird uns die Technologie der OLED in der Zukunft auch Anwendungen bescheren, die gleichzeitig Display für Informationen und Beleuchtung sein werden. 184 185 Konzept-CAD-Darstellung Pendelleuchte, Darstellung: Werner Baumhakl Konzept-CAD-Darstellung Tischleuchte, Darstellung: Werner Baumhakl