Exkursionsnotizen zur Mauerflora von Cornwall

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Transkript:

Exkursionsnotizen zur Mauerflora von Cornwall Contributions to the wall flora of Cornwall Dietmar Brandes 1. Einleitung Mauern stellen in großen Teilen von Europa einen quasi genormten Standortskomplex dar, dessen Flora insgesamt jedoch sehr vielfältig ist. Zur Differenzierung tragen in erster Linie das Klima, die verwendeten Baustoffe sowie kulturelle Traditionen bei. Da in vielen Regionen der Europäischen Union kaum noch traditionelle Stütz-, Begrenzungs- und Umfassungsmauern gebaut werden, steht die vergleichende Analyse durchaus unter Zeitdruck, weswegen hier auch auf ältere Exkursionsnotizen zurückgegriffen wird. Der Mauerstandort ist insbesondere im Hinblick auf Wasser und pflanzenverfügbare Nährstoffe limitiert. Die in den Fugen oder auf der Mauerkrone wachsenden Pflanzen müssen zudem den Winter ohne Frostschutz überdauern. Längerfristiger Wassermangel und Winterkälte sind im atlantischen Klimagebiet weniger stark ausgeprägt als in klimatisch kontinental geprägten Regionen. Daher sind Mauern in der atlantischen Region (Südwestengland, Bretagne, Nordspanien) besonders üppig bewachsen und gelten wegen des Vorkommens einiger verwilderter Zierpflanzen als besonders typisch. 2. Das Untersuchungsgebiet Das Untersuchungsgebiet umfasst Cornwall sowie seine alte Hauptstadt Exeter, die heute Hauptstadt von Devon ist. Das wintermilde und niederschlagsreiche Klima begünstigt insbesondere in windgeschützten Lagen die Kultur zahlreicher Arten aus der meridionalen, aber auch aus der australen Zone, wofür einige Gärten Cornwalls berühmt wurden. Für Bude an der Nordküste wird eine Niederschlagsmenge von 869 mm sowie eine mittlere Januartemperatur von 6,0 C und eine Jahresdurchschnittstemperatur von 10,6 C angegeben (commons.wikimedia.org, vidi 2013-12-27). Für die (Früh-)Sommermonate ist in Cornwall eine Niederschlagsdepression festzustellen. Nach Roloff & Bärtels (2006) gehört das Untersuchungsgebiet zur Winterhärtezone 9 für Gehölze. 1

3. Mauern (Cornish hedges) als typisches Element der Landschaft Die Landschaft in Cornwall ist durch Trockenmauern (sog. Cornish hedges) und Stützmauern geprägt. Die Tradition des Mauerbaus soll bis in das Neolithikum zurückreichen. Nach unbestätigten Angaben umfassen die Mauern in Cornwall eine Länge von insgesamt 48.000 km (Wikipedia Cornish hedge). Die freistehenden Mauern besitzen zwei vertikale Mauerflächen, zwischen denen sich Erde befindet. Für den Aufbau der Mauern wird gebietstypisches Gestein verwendet, was von Granit (in großen Quadern) bis zu geschieferten Gesteinen (mit Schieferplatten) variieren kann. Sowohl die Ortsbilder der alten Siedlungen als auch die Agrarlandschaft werden in Cornwall in hohem Maß von Mauern und ihrer Vegetation geprägt. Diesbezüglich ist Cornwall durchaus mit Weinberglandschaften im Mittelrheintal, an Mosel, Elbe, Rhone (Wallis) oder Genfer See zu vergleichen. Abb. 1: Von bewachsenen Trockenmauern (Cornish hedges) begrenzte Straße in Cornwall. 4. Die Flora der Mauern in Küstennähe Zu den in Mauerfugen der kleinen Orte verbreiteten indigenen Arten gehören insbesondere: Asplenium ruta-muraria (in Küstennähe anscheinend relativ selten) Asplenium scolopendrium ** Asplenium trichomanes 2

Buddleja davidii Campanula portenschlagiana Campanula poscharskyana** Cardamine hirsuta Catapodium rigidum Centranthus ruber** Cymbalaria muralis** Erigeron karvinskianus** Erysimum cheiri Dryopteris filix-mas Galium aparine Geranium robertianum Hedera helix** Oxalis articulata Parietaria judaica** Plantago coronopus (in Küstennähe) Polypodium vulgare s. l. Rubus fruticosus agg. Sagina procumbens Sedum dasyphyllum Soleirolia soleirolii** Taxus baccata juv. Umbilicus rupestris** Valerianella locusta Abb. 2: Umbilicus rupestris und Galium aparine an einer Trockenmauern in Cornwall. 3

Abb.3: Soleirolia soleirolii an einem Mauerfuß. Abb. 4: Trockenmauer mit Umbilicus rupestris und Cymbalaria muralis. 4

Abb.5: Struktur einer Trockenmauer bei Tintagel. Abb. 6: Centranthus ruber und Erigeron karvinskianus auf einer Mauerkrone. 5

Tab. 1: Cymbalaria muralis - Bestände vertikaler Mauerflächen Nummer der Aufnahme 1 13 31 2 5 6 7 8 Mauertyp U F S U S S S S Aufnahmefläche [m²] 2 8 4 10 4 1 4 1,5 Vegetationsbedeckung [%] 10 30 15 20 25 40 50 60 Artenzahl 3 6 5 6 5 5 5 4 Cymbalaria muralis 2.2 2.2 2.2 2.2 2.2 1.2 2.2 1.2 Soleirolia soleirolii.. 1.2 2.2 2.3 3.2 3.2 3.4 Parietaria judaica 1.1 2.2 + 2.1 1.2... Umbilicus rupestris.... 1.2 1.2 2.2 2.2 Centranthus ruber. 2.3. +.... Sedum cf. dasyphyllum.... +. 1.2. Sedum anglicum. 1.2..... 1.2 Tortula muralis... 1.2.... Polypodium vulgare s.l. 1.2...... Asplenium scolopendrium. +...... Tanacetum parthenium +....... Sonchus oleraceus.. +..... Valerianella locusta.. +..... Buddleja davidii... 2.1.... Dryopteris filix-mas..... 1.2 1.2. Cardamine hirsuta..... +.. Auf Mauerkronen wurden u.a. die folgenden Arten notiert: Bromus hordeaceus Calystegia sepium Campanula portenschlagiana** Cardamine hirsuta Catapodium rigidum Centranthus ruber** Cochlearia danica Coronopus didymus Dactylis glomerata Epilobium spec. Erigeron karvinskianus Hedera helix ** 6

Parietaria judaica Plantago coronopus Plantago lanceolata** Poa annua Rubus fruticosus agg. Saxifraga urbium Scrophularia scorodonia Sedum album Senecio vulgaris Smyrnium olusatrum Umbilicus rupestris** Abb.7: Erigeron karvinskianus, Campanula portenschlagiana und Centranthus ruber. 7

Abb.8: Saxifraga x urbium auf einer Mauerkrone. In den Fugen der senkrechten Ufermauern des River Valency in Boscastle fanden sich: Acer pseudoplatanus juv. Asplenium scolopendrium Centranthus ruber** Cerastium tomentosum Cochlearia danica Cymbalaria muralis** Dactylis glomerata Dryopteris filix-mas Eupatorium cannabinum** Fraxinus excelsior juv. Galium aparine 8

Hedera helix Parietaria judaica Soleirolia soleirolii Urtica dioica Vinca major Auf/an der römischen Stadtmauer sowie an der Kathedrale von Exeter, der ehemaligen Hauptstadt von Cornwall und heutigen Hauptstadt von Devon, fanden sich u.a.: Acer pseudoplatanus juv. Buddleja davidii juv. Centranthus ruber Cerastium fontanum Cymbalaria muralis Cystopteris fragilis Hedera helix Parietaria judaica Poa annua Rubus fruticosus agg. Sagina procumbens Sambucus nigra juv. Saxifraga tridactylites Senecio squalidus Senecio vulgaris Soleirolia soleirolii Sonchus oleraceus Taraxacum officinale agg. Veronica arvensis Auf Feldmauern (cornish hedges) außerhalb der Orte wurden die folgenden Arten notiert: Achillea millefolium Aira caryophyllea Anisantha sterilis** Dryopteris filix-mas Anthoxanthum odoratum Chaerophyllum temulum** Cirsium vulgare Cystopteris fragilis Daucus carota Digitalis purpurea** Galium aparine Galium mollugo Geranium lucidum Geranium robertianum Glechoma hederacea 9

Hedera helix** Heracleum mantegazzianum Jasione montana Leucanthemum vulgare Ononis repens Plantago lanceolata Plantago lanceolata Polypodium vulgare Potentilla anserina Potentilla reptans** Pteridium aquilinum Ranunculus ficaria Rubus fruticosus agg.** Sedum acre Sedum album Sedum anglicum Sedum dasyphyllum Silene dioica** Sonchus oleraceus Stellaria holostea Ulex europaeus** Umbilicus rupestris** Urtica dioica Vicia sepium 5. Flora der nitrophilen Säume vor den Mauerfüßen Vor Trockenmauern bzw. erdüberdeckten Mauern wachsen die folgenden Arten in nitrophilen Säumen: Allium triquetrum** Anthriscus sylvestris** Dryopteris filix-mas Fallopia japonica Geranium robertianum** Geum urbanum Hedera helix** Heracleum sphondylium Pentaglottis sempervirens Petasites fragans Primula vulgaris Silene dioica** Smyrnum olusatrum** Urtica dioica** 10

Smyrnium olusatrum (engl. alexanders ) ist eine zweijährige, ehemals als Gemüsepflanze kultivierte Art mediterran-atlantischer Verbreitung, die von den Römern nach England eingeführt wurde. Sie wird daher als Archäophyt eingestuft (Braithwaite et al. 2006). Die Art ist wintergrün, ihre derzeit zu beobachtende Ausbreitung könnte mit einer Folge von milden Wintern erklärt werden. Smyrnium olusatrum kann auf frischen und beschatteten Standorten üppige Bestände aufbauen, die im mediterranen Hauptverbreitungsgebiet zum Verband Alliarion triquetri innerhalb der scio- und nitrophilen Ordnung Urtico-Scrophularietalia peregrinae und damit zur Klasse Stellarietea gehören. Dies gilt für Katalonien und die Balearen (Bolos et a. 1970), für Ligurien (Brandes 1989), für Sardinien, Korsika, Latium und Sizilien (Biondi et al. 1989, Brullo & Marcenò 1985) oder für Istanbul (Brandes 2008). Während sich die Bestände im Hauptverbreitungsgebiet nach Biondi et al. (1989) zum Urtico caudatae-smyrnietum olusatri zusammenfassen lassen, wurden von der Küstenregion an der zentralen Adria Italiens und der französischen Kanalküste eigene Assoziationen beschrieben. Aufnahmen aus Cornwall sind in Tab. 2 zusammengestellt: Sie zeigen eine deutliche Zugehörigkeit zu den nitrophilen Saumgesellschaften der Klasse Artemisietea bzw. Galio-Urticetea. Stellarietea-Arten fehlen den untersuchten Symyrnium olusatrum-beständen weitgehend, wie Tab. 2 ausweist. Abb. 9: Smyrnium olusatrum-bestand an einer Trockenmauer. 11

Tab. 2: Smyrnium olusatrum-allium triquetrum-gesellschaft in St. Agnes (Nr. 16-20) sowie Smyrnium olusatrum-saum unter Acer pseudoplatanus in Tintagel (Nr. 23) Nummer der Aufnahme 15 16 17 18 19 20 23 Artenzahl 12 13 13 15 15 10 10 Smyrnium olusatrum 4.3 3.2 2.3 3.3 4.3 3.4 4.3 Allium triquetrum( D) 2.2 + 1.2 1.2 2.2 1.2. Geranium robertianum 2.2 1.2 1.2 2.2 2.3 2.3 +.2 Urtica dioica 3.2 3.3 3.3 2.2 2.2. 2.2 Galium aparine 1.2 1.2 3.4 3.3 1.2. 1.2 Silene dioica 1.2. 1.2 3.2 1.2 2.2 1.1 Lapsana communis. + 2.2 1.2 2.2 3.3. Fallopia japonica... + 1.2.. Antriscus sylvestris (D).. 1.2.... Chelidonium majus... 1.2... Chaerophyllum temulum...... 2.2 Sonchus oleraceus. + 1.1... + Anisantha sterilis... 1.2 2.2. 1.2 Hedera helix 1.2 1.2 1.2 + 1.2 2.2 1.2 Heracleum sphondylium. 1.1. 1.1 1.1 1.2. Rubus fruticosus agg. 2.2 2.2 2.2.... Ulmus minor juv. +.. + 1.1.. Cymbalaria muralis 1.2 1.2..... Poa trivialis 1.2.. 1.2.., Dryopteris filix-mas 1.1.... +. Taraxacum officinale agg.. +.. +.. Pteridium aquilinum.. 1.1 1.1... Dactylis glomerata.... +.2. +.2 Rumex acetosa. +..... Lamiastrum galeobdolon subsp. argentatum.. +.... Ranunculus repens.... 1.2.. Centranthus ruber..... +. Plantago lanceolata..... +. Unmittelbar vor Mauern gedeiht oft auch der Neophyt Pentaglottis sempervirens, der als Zierpflanze eingeführt wurde. Wie bei vielen anderen Pflanzen handelt es sich hierbei weniger um einen [thermischen] Spaliereffekt, als vielmehr um mechanischen Schutz vor Schäden durch Betreten und Befahren, da weder Fahrzeuge noch Fußgänger unmittelbar an einer Mauer entlangfahren bzw. -gehen. Es handelt sich daher um safe sites im Sinne von Harper (1977), die in diesem Falle nicht nur die Etablierung des Keimlings, sondern auch das Überleben der Pflanze erleichtern. 12

Abb. 10: Nitrophile Saumgesellschaft mit Smyrnium olusatrum und Anthriscus sylvestris. Abb. 11: Allium triquetrum. 13

Abb. 12: Pentaglottis sempervirens im Schutz einer Mauer. 6. Vergleich mit der Mauervegetation Mitteleuropas Die Trockenmauern prägen in Cornwall sowohl das Bild der kleinen Ortschaften (insbesondere im Außenbereich) wie auch der freien Landschaft. In den Siedlungen fällt die Üppigkeit des Mauerbewuchses auf, wobei immergrüne Arten wie Asplenium scolopendrium, Umbilicus rupestris, Hedera helix, Cymbalaria vulgaris, Sedum anglicum und Sedum div. spec. sowie Parietaria judaica auffallen. In den Ortslagen verwildern Zierpflanzen wie Campanula poschaskyana, Campanula portenschlagiana, Centranthus ruber und Erigeron karvinskianus sehr häufig. Es handelt sich bei ihnen um Chasmophyten zumeist mediterraner Herkunft, die auf Mauern in Mitteleuropa (noch) selten sind. Während also die Mauervegetation deutlich produktiver zu sein scheint, ist nach bisherigen Stichproben die Diversität eher geringer. Im unmittelbaren Schutz der Mauern entwickeln sich oft nitrophile Säume mit Smyrnium olusatrum, Allium triquetrum, Hyacinthoides non-scripta, Silene dioica und Pentaglottis sempervirens. Mauern in der Kulturlandschaft sind oft erdüberdeckt, auf ihnen häufen sich Ulex europaeus, Pteridium aquilinum, Rubus fruticosus agg., Hedera helix und Petasites fragans. Auch diese Arten zeigen größtenteils mediterran-atlantische Verbreitung. 14

Literatur Biondi, E., M. Allegrezza, R. Filigheddu (1989): Smyrnium olusatrum L. vegetation in Italy. Braun-Blanquetia, 3 (1): 219-222. Bolos, O. de, R. Molinier & P. Montserrat (1970): Observations phytosociologiques dans l ile de Minorque. - Acta geobot. Barcinonensia, 5: 1-1150. Braithwaite, M. E., R. W. Ellis & C. D. Preston (2006): Change in the British flora 1987-2004. London. IV, 382 S. Brandes, D. (1989): Spontane Vegetation von ligurischen Küstenorten. Braun-Blanquetia, 3 (1): 229-240. Brandes, D. (2008); Notizen zur Stadtflora von Istanbul (Türkei). URL: http://www.ruderalvegetation.de/epub/istanbul.pdf Brullo, S. & C. Marcenò (1985): Contributo alla conoscenza della vegetazione nitrofila della Sicilia. Colloques Phytosociologiques, 12: 23-148. Clement, E. J. & M. C. Foster (1994): Alien plants of the British Isles. London. XVIII, 590 p. Harper, J. L. (1977): Population biology of plants. 9th impr. 1994. London. XXIV, 892 p. Perring, F. H. & S. M. Walters (eds.)(1990): Atlas of the British flora. London. XXIII, 441 p. Roloff, A. & A. Bärtels (2006): Flora der Gehölze: Bestimmung, Eigenschaften und Verwendung. 2., neu bearb. Aufl. Stuttgart. 844 S. Adresse des Autors: Prof. Dr. Dietmar Brandes Arbeitsgruppe für Vegetationsökologie Institut für Pflanzenbiologie der Technischen Universität Braunschweig Mendelssohnstraße 4 38106 Braunschweig d.brandes@tu-bs.de 15