5 EMV-Maßnahmen in Gebäuden und Anlagen

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Transkript:

Mehr Informationen zum Titel 5 EMV-Maßnahmen in Gebäuden und Anlagen 5.1 EMV-gerechter Aufbau von iederspannungsversorgungs systemen DIPL.-IG. ATO KOHLIG Die elektrische Sicherheit von und in iederspannungsversorgungssystemen ist in den ormen der Reihe DI VDE 0100 seit Jahrzehnten geregelt. EMV-gerechte Installationsvorschriften finden seit einiger Zeit ihren iederschlag in dieser ormenreihe und müssen allen Errichtern und Planern kontinuierlich vermittelt werden. Denn ein EMV-gerechter Aufbau von iederspannungsversorgungseinrichtungssystemen und dem dazugehörigen Potentialausgleich ist mehr als normgerechte Erdung für den Berührungsschutz [1]. 5.1.1 Einleitung Aus Sicht der EMV dürfen keine Betriebsströme, auch keine Teilbetriebsströme (in DI VDE 0100-540 (VDE 0100-540):2012-06; IEC 60364-5-54:2011 Streuströme genannt) über das Schutzleiter-, Erdungs- und Potentialausgleichssystem fließen. Diese Forderung ist in einem geerdeten System nur mit einem T-S-System zu erreichen. ur so sind galvanische Verkopplungen mit anderen Stromkreisen und Kabelschirmen zu verhindern, und nur so kann die Stromsumme in Kabeln, Leitungen oder Schienensystemen annähernd auf null reduziert werden und somit die netzfrequenten Magnetfelder minimiert werden. Praxisgerechte Maßnahmen, die zum Erreichen dieser Ziele erforderlich sind, werden aufgezeigt. EMV-gerechter Potentialausgleich und die Auswahl des zweckmäßigen iederspannungsversorgungssystems tragen wesentlich zur Sicherstellung der EMV in Gebäuden und Anlagen bei. Die einheitliche Bezeichnung der Systeme wurde vor etwa 40 Jahren in der internationalen ormung entwickelt, um Missverständnisse zwischen den Sprachen und den bis dahin in den verschiedenen Ländern praktizierten Schutzmaßnahmen zu vermeiden. Bezüglich der Erdverbindung in Drehstromnetzen wurden diese in drei bedeutenden Systemen zusammengefasst (Tabelle 5.1):

132 5 EMV-Maßnahmen in Gebäuden und Anlagen a) Systeme, in denen ein Punkt des eutralleiters, meist in der ähe der speisenden Stromquelle, direkt geerdet ist und die der Betriebsmittel über Schutzleiter mit diesem Punkt verbunden sind: T-System, Variante T-S-System. b) Systeme, in denen ein Punkt des eutralleiters, meist in der ähe der speisenden Stromquelle, und die der Betriebsmittel mit anderen, d. h. von der Erdung des eutralleiters unabhängigen Erdern verbunden sind: TT-System. c) Systeme, in denen kein Punkt des Systems direkt geerdet ist, die der Betriebsmittel jedoch geerdet sind: IT-System. Tabelle 5.1 Beschreibung der iederspannungsversorgungssysteme Wie in Tabelle 5.1 bereits ersichtlich, wurden zur Klassifizierung die in Tabelle 5.2 aufgeführten Buchstaben eingeführt. Erster Buchstabe Beziehung des Systems zur Erde: T direkte Verbindung eines Punkts zur Erde I entweder alle aktiven Teile von Erde getrennt oder ein Punkt über eine Impedanz mit Erde verbunden Zweiter Buchstabe Beziehung der der elektrischen Anlage zur Erde: T direkt geerdet, unabhängig von der etwa bestehenden Erdung eines Punkts des Systems direkt mit dem geerdeten Punkt des Systems verbunden (in Wechselstromnetzen ist der geerdete Punkt im Allgemeinen der Sternpunkt oder, falls ein Sternpunkt nicht vorhanden ist, ein Außenleiter) Weitere anwendbare Buchstaben die Anordnung des eutralleiters und des Schutzleiters betreffend: S für die Schutzfunktion ist ein Leiter vorgesehen, der vom eutralleiter oder vom geerdeten Außenleiter getrennt ist C eutralleiter- und Schutzleiterfunktionen kombiniert in einem Leiter (-Leiter) Tabelle 5.2 Bedeutung der für die Systeme verwendeten Buchstaben. Die Bilder 5.1 bis 5.4 zeigen die Prinzipien und Bild 5.5 beispielhaft die Stromaufteilung in einem T-C- und T-S-System. Bild 5.5 zeigt, wie im T-S-System der eutralleiterstrom im isolierten eutralleiter verbleibt und zum Sternpunkt der Stromquelle zurückfließt, ohne andere Einrichtungen im Gebäude zu beeinflussen. Beim T-C-System teilt sich der eigentliche eutralleiterstrom auf den -Leiter und andere leitfähige Teile der Gebäudekonstruktion oder Installation auf. Die Eignung der verschiedenen Systeme unter EMV-Gesichtspunkten ist in Tabelle 5.3 zusammenfassend gegenübergestellt.

5.1 EMV-gerechter Aufbau von iederspannungsversorgungs systemen 133 Bild 5.1 T-C-System Bild 5.2 T-S-System Bild 5.3 TT-System Erder für Schutzleiter Bild 5.4 IT-System Erder für Schutzleiter

134 5 EMV-Maßnahmen in Gebäuden und Anlagen a) b) T-S-System T-C-System reduzierte umschlossene Fläche einer L L Schleife, z. B. gebildet von einer Versorgungsleitung oder (und) dem Metallschirm einer Signalleitung oder (und) dem Bezugsleiter einer Signalleitung, I die Betriebsmittel miteinander verbinden. I1 Betriebsmittel 1 I3 Betriebsmittel 1 Kabel oder Leitung, Signalübertragung I3 Betriebsmittel 2 Kabel oder Leitung, z. B. zur Signalübertragung Δu I7 I2 I6 I6 I Betriebsmittel 2 I5 I4 I6 I6 EMV-unverträglicher Schleifenstrom I Strom im eutralleiter eines T-S-Systems fremdes leitfähiges Teil, z. B. Gebäudekonstruktion oder Rohrleitung; beste Lösung beim T-S-System I5 fremdes leitfähiges Teil, z. B. Gebäudekonstruktion oder Rohrleitung; ungeeignete Lösung durch verzweigte eutralleiterströme beim T-C-System I1, I2,,, In verzweigte eutralleiterströme in einem T-C-System Bild 5.5 Vergleich von T-S- und T-C-Systemen

5.1 EMV-gerechter Aufbau von iederspannungsversorgungs systemen 135 r. Versorgung im Gebäude Anmerkung zur EMV 1 T-S T-S beste Lösung 2 T-C T-S brauchbar 3 T-C T-C ungeeignet 4 TT TT a) geeignet in Gebäuden mit eigenem Erder b) nicht bei Signalkabeln zwischen Gebäuden 5 IT IT IT-System für öffentliche Stromversorgung in Deutschland nicht üblich Tabelle 5.3 Eignungsübersicht der verschiedenen Systeme unter EMV-Gesichtspunkten 5.1.2 T-S-System Wie oben aufgezeigt, ist ein T-S-System die EMV-gerechte Lösung für geerdete Systeme. Aber auch hier ist Vorsicht geboten, vor allem wenn es sich um Systeme mit Mehrfacheinspeisungen handelt. In Systemen mit nur einer Einspeisung ist ein T-S-System einfach zu realisieren. Bild 5.6a und Bild 5.6b zeigen zwei gleichwertige Lösungen eines T-S-Systems mit einer Einspeisung durch einen Transformator auf. Schutzerde Haupterdungsschiene Bild 5.6a T-S-System bei Einspeisung durch einen Transformator

136 5 EMV-Maßnahmen in Gebäuden und Anlagen Schutzerdung Der -Leiter muss in seinem gesamten Verlauf isoliert verlegt sein, auch in den Schaltgerätekombinationen!! zentrale Erdverbindungsstelle des Systems Haupterdungsschiene Bild 5.6b T-S-System bei Einspeisung durch einen Transformator Bei der Planung und Ausführung von Mehrfacheinspeisungen sind einige Besonderheiten zu beachten, damit die eingangs formulierten EMV-Ziele erreicht werden können (Tabelle 5.4). Die Sternpunkte der Stromerzeuger dürfen nicht direkt mit Erde verbunden werden, sondern müssen isoliert in die iederspannungshauptverteilung (HV) geführt werden. Diese Leiter müssen nach den Regeln der ormenreihe DI VDE 0100 als -Leiter gekennzeichnet sein, da diese Leiter sowohl Betriebsstrom führen als auch eine Schutzfunktion haben. Die -Schiene darf in der HV und somit im gesamten System nur einmal an zentraler Stelle mit Erde verbunden werden. Der Schutzleiter darf nur an einer Stelle mit dem -Leiter verbunden werden. Der Schutzleiter darf öfters geerdet werden, es wird sogar empfohlen, diesen an möglichst vielen Stellen mit Erde zu verbinden. Beim Aufbau der Systeme muss die räumliche Ausdehnung der Anlage berücksichtigt werden, um die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen nicht zu beeinträchtigen. Tabelle 5.4 Maßnahmen, die bei der Realisierung von Mehrfacheinspeisungen zu berücksichtigen sind