Alpha Leadership- Konferenz Mai 2013, London Interview Nicky Gumbel mit Kardinal Christoph Schönborn



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Transkript:

1 Alpha Leadership- Konferenz Mai 2013, London Interview Nicky Gumbel mit Kardinal Christoph Schönborn Nicky Gumbel: Vor etwa 15 Jahren gab mir jemand das Buch mit dem Titel Loving the Church (Die Kirche lieben) von Kardinal Schönborn, mit geistlichen Übungen, die vor Papst Johannes Paul II gehalten wurden. Ich liebe dieses Buch, ich habe es inspirierend und begeisternd gefunden. Ich habe kaum geglaubt, dass ich jemals diesen Mann treffen werde. Jetzt habe ich das Privileg, diesen Mann zu interviewen und ihn bei dieser Konferenz zu haben. Er ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in der röm. kath. Kirche. Er ist verantwortlich für den Katechismus der kath. Kirche. Er ist der Leiter der kath. Kirche in Österreich und schon seit vielen Jahren Kardinal. Wir sind sehr froh, dass wir ihn bei dieser Konferenz haben. Er wurde ein echter Freund. Es ist interessant zu sehen, wie die Menschen auf seine Liebe, seine Wärme und seine Gegenwart reagieren. Ich hoffe, es ist nicht unpassend wenn ich sage, dass er ein wirklicher Freund wurde. Wir wollen jetzt Kardinal Schönborn ein herzliches Willkommen sagen! Wir sind so froh und geehrt, Sie hier bei uns zu haben - ein herzliches Dankeschön, dass Sie gekommen sind! Kardinal Schönborn: Ich bin sehr begeistert, hier sein zu dürfen es ist fantastisch! Ein großes Privileg für mich! NG: Lassen Sie mich beginnen, mit einem Blick auf Ihren persönlichen Hintergrund. Es ist so faszinierend für mich. Sie kommen aus einer adeligen Familie, wurden in einem Schloss geboren. In Ihrer Familie sind sehr interessante Leute. Es ist ein Wunder - es gab 8 Bischöfe in ihrer Familie und 3 Kardinäle. Erzählen Sie uns von der einen Familie, mit 5 Brüdern, die alle Bischöfe wurden. KS: Es ist nicht in unserem genetischen Code, dass wir alle Bischöfe wurden. Aber es ist eine Tatsache, dass in den letzten 200 Jahren alle, die Priester wurden, auch Bischöfe wurden. Ich habe versucht, dem zu entkommen, aber das ist mir nicht gelungen. Es gab drei Generationen von Bischöfen, die große Dinge für die katholische Kirche getan haben. Der erste lebte im 17. Jahrhundert. Er machte den Friedensvertrag von Westfalen, nach dem 30jährigen Krieg. Er war ein großer Freund der Protestanten. Er war sowohl katholischer Bischof als auch Kanzler des Reiches. Und er versuchte die Versöhnung. Sein Neffe wurde Bischof in Mainz und war auch Kanzler des Reiches. Er versuchte, die Länder aus dem Konflikt des Krieges heraus zu halten. Sein Spruch war: Unter dem Bischofsstab ist es friedlicher zu leben, als unter weltlichen Herrschern. Ich bin nicht sicher, ob das immer so ist. Und dann kam eine dritte Generation und da waren 5 Bischöfe in einer Generation. NG: Sie waren Fürst-Bischöfe. Können Sie uns sagen, was Fürst-Bischöfe bedeutet; sie waren auch Herrscher über das Land?

2 KS: Wie es damals in Frankreich, in Deutschland, im Römisch- Deutschen Reich üblich war, waren die meisten Bischöfe auch weltliche Herrscher. Die Diözese war auch ein weltlicher Staat. So waren sie Fürst-Bischöfe von Franken oder Fürst-Erzbischöfe von Trier oder Mainz. Sie waren weltliche und kirchliche Herrscher zugleich. Wie Sie wissen, hörte dieses System mit dem Ende des Römisch- Deutschen Reiches 1844 auf es ist gut, dass es zu Ende ging. NG: Ihr Vater war ein sehr tapferer Mann, war er nicht im Widerstand gegen die Nazis engagiert? KS: Ja. Mein Vater war ein Künstler, ein Maler und er hatte eine tiefgehende Opposition zum Nazi-Regime. Er ist nie ein Offizier in der deutschen Armee geworden. Normal wurden die Adeligen Offiziere, aber er verweigerte das. Die erste Gelegenheit nützte er, um aus der deutschen Armee zu desertieren und zur britischen Armee zu gehen. Er kam nach Deutschland mit der britischen Armee zurück. Ich sehe im Haus meiner Mutter die Fotografien von meinem Vater in britischer Uniform. NG: Da gab es noch Pazifismus in einer anderen Sache sie mussten fliehen? KS: Die meisten Leute auf der Insel ignorieren das Drama von 1945 in der Tschechoslowakei, als die gesamte deutsch-sprachige Bevölkerung ein Drittel der Gesamtbevölkerung vertrieben wurde. Die Tschechen haben dafür ein schönes Wort. Sie nennen das Ausladen im Gegensatz zu Einladen. So wurden wir aus unserer Heimat ausgeladen und wurden, durch die Gnade Gottes, frei von jedem weltlichen Besitz. Aber wir haben das Wichtigste dadurch gewonnen, wir erhielten die Freiheit. Meine Cousins von der tschechisch-sprachigen Seite einer ist Bischof in der Tschechischen Republik mussten bleiben. Sie haben auch alles verloren, inklusive die Freiheit. So denke ich, wir hatten den besseren Teil. NG: Erzählen Sie uns von Ihrem Glaubensweg. KS: Meine Familie war keine vorbildhafte katholische Familie, würde ich sagen, denn mein Großvater ließ sich scheiden und war viermal verheiratet. Mein Vater hat den Glauben nie praktiziert, meine Mutter praktizierte den Glauben auf traditionelle Weise. Religion spielte bei uns zu Hause keine wesentliche Rolle, eher intellektuell, nicht praktisch. Als ich 13 Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden. Ich habe mit 11 Jahren den Glauben entdeckt es wurde wirklich eine persönliche Beziehung zu Jesus. Ich habe den Glauben praktisch gelebt, ich wurde Ministrant, um nah am Pfarrleben zu sein. Ich erinnere mich, als ich so 13 oder 14 Jahre alt war, genau im Alter der Pubertät, habe ich zu meiner Mutter gesagt: Meine Heimat ist die Pfarre. Und ich hörte den Ruf zum Priesteramt schon sehr früh. Ich war 11 Jahre alt und ich erinnere mich gut an diesen Moment wo ich das erste Mal den Ruf zum Priesteramt hörte und unglaublicher Weise blieb es die ganzen Jahre über so. Mit dem ernsthaften Alter von 18 Jahren bin ich Dominikaner geworden. Meine Mutter dachte, dass ich noch zu jung dazu wäre, doch ich wusste, dass ist mein Platz und ich wurde Dominikaner.

3 NG: Und Sie haben studiert Sie sprechen sechs Sprachen, haben Doktortitel. KS: Wenn Sie Griechisch und Latein dazu zählen, sind es noch ein paar mehr. NG: Ich fühle mich jedenfalls schlecht KS: Der berühmte Kardinal König, er war ein Sprach-Genie, antwortete auf meine Frage: Ihre Eminenz, wie viele Sprachen sprechen Sie eigentlich? mit Schwierig waren nur die ersten zehn! NG: Und dann haben Sie ihr Doktorat gemacht, erzählen Sie uns ein wenig über Ihre Studienzeit. KS: Ich habe meine Studienzeit bei den Dominikanern in Deutschland begonnen. Doch sehr bald kam die große Krise in der katholischen Kirche. Sie wissen, ab Mitte der sechziger Jahre war eine gewaltige Krise, 80.000 Priester haben in der Zeit von 1965-1975 das Priesteramt verlassen. Es war ein Drama, ein erschütterndes Drama. Und ich war sehr jung, ich war geschüttelt durch die Krise. Uns wurde gesagt, dass Bultmann - Sie kennen Bultmann - diese sehr liberalen, deutschen, evangelischen Auslegungen machte, und wir haben an Boden verloren. Ich bin hier nicht in der Beichte, aber ich muss gestehen, dass ich damals für 1 Jahr nicht gebetet habe, obwohl ich im Kloster war. Denn uns wurde gelehrt, dass Gebet nichts bedeute. Deswegen hab ich damit aufgehört. Nach diesem Jahr war ich fast so weit, mein Glaubensleben aufzugeben und den Priesterdienst niederzulegen. Doch ich erinnere mich an den Tag, die Stunde und den Ort, wo der Herr mich zurückgeholt hat ein unvergesslicher Moment. Unvergesslich! Amazing Grace Unglaubliche Gnade! Wir hatten diese ungeheure Erfahrung eines Kollapses - in der Theologie, im Glaubensleben, im Kirchenleben. Und es war wieder eine enorme, unglaubliche Gnade, dass ich im Jahre 1967, ich war 22 Jahre alt, einen orthodoxen Mönch traf, der am 2. Vatikanischen Konzil als Beobachter teilgenommen hatte. Eines Abends, es war unvergesslich, sprach er zu einer kleine Gruppe von jungen Dominikanern über die Kirchenväter, auch über seinen geistlichen Vater, seinen Starez. Es war wie eine Offenbarung, eine Enthüllung für uns, für mich, und wir lernten über die Kirchenväter und das hat uns gerettet. Ich habe diese Liebe für die Kirchenväter entdeckt, wie der Hl. Hieronymus sagte: Die Erde war noch warm vom Blut Christi in der Zeit des Beginns der Kirche. So kam ich zur Theologie und wurde später Professor in der Schweiz. Ich hatte ein großes Vorrecht, dass mir von einigen großartigen Theologen geholfen wurde. Hans Urs von Balthasar hat mich eingeladen ihn zu treffen, mich als kleinen jungen Theologen. Ich war unbekannt und er hat mich stark ermutigt - so ein großartiger Mann, er war so demütig und einfach und hat uns jungen Männern geholfen, uns ermutigt. Henry Chapries (oder so ähnlich) in Oxford, er hat mich so ermutigt und dann Josef Ratzinger, der mein Lehrer wurde. Ich kenne ihn jetzt 42 Jahre, und darf sagen, das erste, was er nach der Papstwahl 2005 zu mir gesagt hat war: Lass uns unsere Freundschaft weiterführen!

4 Es ist wirklich ein großes Vorrecht ihn zu kennen und mit ihm über viele Jahre zusammen zu arbeiten. Es würde den Katechismus der katholischen Kirche nicht geben, wenn nicht Kardinal Ratzinger der Leiter unserer Kommission gewesen wäre. Er ist ein unglaublicher Mann und für mich war es ein großes Vorrecht, ihn als Lehrer gehabt zu haben. NG: Auch wenn er der Leiter gewesen ist, jeder dieser Sätze in dem Buch ist durch Sie gegangen. KS: Ja, ich war die Füllfeder auf vielen dieser Seiten. NG: Lassen Sie uns noch einmal zum vorherigen Buch Loving the Church zurückkommen zu dem Buch, das ich sosehr liebe - mit einer Reihe von Vorträgen, die Sie vor Johannes Paul II gehalten haben. Erzählen Sie uns von ihm und von Ihrem Verhältnis zu ihm. KS: Ja, ich war Erzbischof von Wien und wurde dann zum Kardinal erwählt. Ich habe ein persönliches Andenken: Nachdem ich vor ihm und seinem Team die Exerzitien gehalten hatte, hat er mir dieses Kreuz geschenkt. Und es war ein Kreuz, dass er persönlich viele Jahre getragen hatte. Es ist ein persönliches Kreuz von ihm und Sie können sich vorstellen, dass es mir sehr viel bedeutet. NG: Wie war er als Person? KS: Was mich am meisten an seiner Person begeisterte er war ein Mann des Gebetes! Und ich hatte viele Gelegenheiten um mit ihm in der Kapelle sein zu können. Eines Abends war ich nach dem Essen alleine mit ihm und ich werde es nie vergessen, diesen Eindruck eines Mannes, der ein Fels des Gebetes war. Wenn er ins Gebet gegangen ist, hatte man den Eindruck, dass er wirklich mit Jesus im Schoß des Vaters war. Da war diese tiefe Verbundenheit, die uns so beeindruckt hat und ich denke, das war das tiefe Geheimnis seines Lebens. NG: Und dann natürlich Ihre Freundschaft mit Papst Benedikt über viele Jahre. Wie ist es jetzt mit Papst Franziskus? KS: Also Franziskus, er ist einfach eine Freude! Es ist überwältigend! Ich darf Ihnen nicht die Geheimnisse des Konklaves verraten, aber ich kann Ihnen eines mit Sicherheit sagen am Abend des 12. März 2013, als das Konklave begonnen hat, da bin ich mir ziemlich sicher, hat noch keiner gewusst, dass wir am nächsten Abend Papst Franziskus in der Kirche des hl. Petrus haben. Es war eine enorme Erfahrung mit dem Heiligen Geist. Wir wurden vom Heiligen Geist geleitet zu diesem Mann. Er saß im letzten Eck hinten in der Sixtinischen Kapelle. Doch dieser Mann - er war der Auserwählte. Ich persönlich habe mindestens zwei klare Zeichen bekommen. Das eine kann ich erzählen, das andere war im Konklave, worüber ich nicht sprechen darf. Es waren echte Zeichen vom Herrn, die mir den Hinweis gaben: Er ist es! Ein befreundetes Paar, das ich nach der Einführungsmesse vor dem Konklave getroffen habe, kommt aus Latein Amerika und arbeitet im Vatikan.

5 Ich habe sie vor der Kirche getroffen und gefragt: Ihr habt den Heiligen Geist in euch, könnt ihr mir einen Rat geben für das Konklave, das in wenigen Stunden beginnt? Sie haben mir ins Ohr geflüstert: Bergoglio Es hat mich wirklich getroffen, denn wenn diese Menschen Bergoglio sagen, dann ist das eine Eingebung vom Heiligen Geist. Und ich bin mir sicher, dass viele von uns während des Konklaves ähnliche Zeichen bekommen haben. Sonst wäre es nicht möglich gewesen, dass die Wahl so schnell getroffen wurde. NG: Wie gut kennen Sie ihn? KS: Ich habe ihn 1996 das erste Mal in Buenos Aires getroffen, mit einer Gemeinschaft, für die ich verantwortlich bin, eine Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern, sie heißt Gemeinschaft des Lammes. Sie haben auch eine Gemeinschaft in Rio de Janeiro, in der ärmsten Gegend dort. Und George Bergoglio, der damals Weihbischof dort war, war von Beginn an eng mit dieser Gemeinschaft befreundet. So hatte ich oft ein Echo von ihnen. Ihr wisst, die Schwestern geben die Neuigkeiten gern weiter, und so habe auch ich oft Neuigkeiten von Ihnen erfahren über ihn, als er Erzbischof und Kardinal wurde und wie eng er mit ihnen verbunden blieb. Und nachdem er zum Papst gewählt wurde war seine erste Audienz mit dieser Gemeinschaft meiner Gemeinschaft. Er sagte am zweiten Tag nach der Wahl zu mir: Ich möchte mit der Gemeinschaft des Lammes zusammen kommen. Bitte arrangiere ein Treffen. Und am selben Nachmittag traf er sie noch und es war so ein freudiges Ereignis. Er gab den Hinweis: Haltet an der Armut und der Liebe zu den Armen fest. Haltet fest am Gebet und der Liturgie, hört nicht auf zu reisen, denn diese Menschen bewegen sich gerne per Anhalter per Auto-Stopp. Er hat uns so viele Zeichen in diesen zwei Monaten gegeben. Es besteht eine eigenartige Ähnlichkeit mit eurem Erzbischof Justin ich hoffe, die beiden werden sich bald treffen. Ich weiß nicht, wie die Geheimnisse des Konklaves in London waren, aber es sieht auch nach einem kleinen Wunder aus, dass er Erzbischof wurde. Also ich denke, der Herr hat uns ein großartiges Zeichen gegeben durch diese beiden Wahlen und noch andere Zeichen. Ich weiß tief in meinem Herzen was uns der Herr sagen möchte, was ich fühle und was wir hier erleben, was er hier tut. Es ist, wie wenn er zur Welt sagen würde: Komm heim! Ich warte auf dich! NG: Wie kann Einheit wachsen? KS: Ich denke, wie es auch Erzbischof Justin gestern so gut gesagt hatte, es gibt keinen anderen Weg als: Kommt zusammen in der Liebe Jesu! Das ist DER Weg zur Einheit! In meinen Anfängen als Priester, als ich das erste Mal Evangelikale und Freie Gemeinden traf und was mich zu ihnen brachte, war, dort die tiefe Liebe zu Jesus zu spüren. Oft sehe ich es lebendiger und stärker ausgeprägt in anderen christlichen Gemeinschaften, als in meiner eigenen Kirche. Ich glaube fest, dass es dort tiefe Liebe zu Jesus gibt - das ist es, was wir voneinander lernen müssen.

6 Ich sprach schon am Sonntagabend über Papst Benedikts letztes Wort bei unserem Treffen. Wir - seine ehemaligen Schüler - treffen uns seit 33 Jahren, jedes Jahr mit ihm. Er ist der treueste Lehrvater für seine ehemaligen Schüler, den ich in der akademischen Welt kenne. Jeden Sommer kommen wir zu einem akademischen Treffen in Freundschaft zusammen. Als er Papst wurde - wir hatten schon ein Treffen in diesem Sommer in Bayern vereinbart - sagte er: Kommt doch nach Castel Gandolfo, in meine Sommerresidenz! So hatten wir 8 Treffen mit ihm dort. Das Thema des letzten Treffens war über Ökumene zwischen Lutheranern und Katholiken sowie Anglikanern und Katholiken. Es wird auch immer ein Gastsprecher eingeladen, damals war es der emerit. Bischof Lohse, ein Lutheraner. Am Ende des Tages waren wir ziemlich deprimiert, denn das Ergebnis des offiziellen ökumenischen Dialogs war nicht sehr enthusiastisch. Wir haben viele Papiere entwickelt, aber es schien etwas festgefahren zu sein. Am Ende war das letzte Wort von Papst Benedikt, das Ergebnis der Diskussion des Tages zusammenfassend: Lasst uns nicht in einer zu weltlichen Art und Weise den ökumenischen Fortschritt erwarten. Wir möchten immer Ergebnisse festhalten und diese in unseren Büchern niederschreiben - den Fortschritt in Ökumene. Doch dann sagte er: Ist das wirklich der Weg, den uns der Herr lehrt, wie wir zur Einheit kommen können? Ist es nicht der tiefe Sinn der ökumenischen Bewegung, dass wir einander zuhören, und voneinander lernen, wie wir Christus besser folgen können? Das war für mich so eine Erleichterung. Und das ist es, was wir auch hier erleben! NG: Sie sind Teil des päpstlichen Rates für Neuevangelisierung. Erzählen Sie uns bitte etwas über die Vision für die Neuevangelisierung und wie wir zusammen arbeiten können KS: Also ich bin wirklich so froh, hier zu sein. Was ich in der Synode vermisst habe aber das sage ich jetzt ganz im Vertrauen - bitte nicht aufnehmen NG: Es wird niemand hören, außer wir beide (lacht). KS: Am ersten Tag der Synode waren Marc und Florence De Lyritz (Leiter von Alpha Frankreich) dort und haben Alpha vorgestellt. Ihnen wurden vier ganze Minuten gegeben. Es war einfach wunderbar. Es ist großartig, wenn 300 Bischöfe der ganzen Welt zusammen sind für drei Wochen, mit einer tollen Gruppe von Laien und auch mit einer tollen Gruppe aus anderen Kirchen. Es war eine gute Erfahrung, aber dennoch hat das gefehlt, was ich hier finde. Am ersten Tag sprach ich zu den Bischöfen und sagte: Wir sind alle Bischöfe, wir glauben an die katholische Kirche, wir sind Nachfolger der Apostel. Die Apostel wurden vom Herrn ausgesandt um das Evangelium zu verkündigen, also sind auch wir ausgesandt, das Evangelium zu verkündigen. Was ist unsere persönliche Erfahrung mit der Verkündigung des Evangeliums? Natürlich, wir predigen jeden Sonntag, ich predige sogar jeden Tag arme Schwestern, sie müssen mir jeden Tag zuhören beim Predigen. Ich feiere, wenn möglich, jeden Tag die Eucharistie, denn es ist die Nahrung für mein Leben. Aber das direkte Predigen des Evangeliums, das Kerygma, die Mission, die Evangelisation, das ist nicht das Predigen am Sonntag in der Kirche.

7 Das ist natürlich gut, aber was sind unsere Erfahrungen mit Mission, mit Evangelisation? Und ich ersuchte die Bischöfe bei der Bischofskonferenz: Bitte, lasst uns über unsere persönlichen Erfahrungen sprechen. Was dann passierte, war, dass jeder über das gesprochen hat, was wir in der Diözese tun, was unser Team tut und dass wir ja eine Kommission für die Neuevangelisierung gegründet haben. Die Etikette von Evangelisation wurde auf alles gegeben: Erstkommunion, Firm-Vorbereitung, alles ist Evangelisation. Doch uns auszustrecken, wie Papst Franziskus es uns täglich sagt: Geht hinaus, streckt euch aus nach denen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Was ist unsere Erfahrung damit als Bischöfe? Ich war sehr enttäuscht, dass wir zu viel Angst haben, um über unsere Verletzlichkeit zu sprechen. Wenn ich über Neuevangelisierung spreche, habe ich dann den meisten Erfolg, wenn ich ehrlich erzähle, wo ich versagt habe. Denn jeder findet sich in einer dieser Situationen selbst wieder. Ich musste wirklich oft weinen und sagte zu Gott: Herr, Du hast mich als Apostel eingesetzt, als Missionar, und ich verpasse so oft eine Gelegenheit, Deinen Namen zu verkünden. Was bin ich nur für ein armer Mensch! Das hilft viel mehr beim Evangelisieren, als mit Erfolgen zu kommen und mit großen Zahlen von Bekehrten. Wir können über unser Versagen beim Evangelisieren sprechen. Das haben wir während der Synode nicht getan und das bedauere ich sehr. NG: Wie sehen Sie den weiteren Weg, wie können wir voran gehen? KS: Also was ich hier sehe ist einfach überwältigend. Der Herr bewegt und ruft uns. Er bringt uns auf unerwartete Weise zusammen. Was für mich am Wichtigsten bei der Evangelisation ist, dass wir das Verlangen von Jesus für die Seelen spüren. Er hat Sehnsucht nach uns. Wir müssen das Gefühl haben, dass er unsere Errettung möchte, er möchte uns als Freunde haben. Wir müssen das brennende Verlangen haben, dass der Herr Freunde haben möchte, neue Freunde. Wir sind gerufen, es so wie Andreas mit Petrus zu machen, der ihn zu Jesus brachte. Wenn nicht, dann denke ich, haben wir den Punkt verfehlt. NG: Ich glaube, das ist Ihr Lieblingsvers aus der Bibel, Johannes 15: Ich habe euch Freunde genannt! KS: Ja, das ist mein Lieblingsvers und auch mein bischöflicher Rat Ich habe euch Freunde genannt! NG: Ich weiß von einer Gruppe, mit der Sie eng zusammen arbeiten. Ich hatte die Möglichkeit und Ehre auf einem Treffen der Loretto Gemeinschaft zu sprechen. Hier zeigen wir ein Foto von einem Event dort, Tausende von jungen Menschen, die sich versammeln. Pete Greig wird über Pfingsten zu 5000 Jugendlichen sprechen. KS: Danke, Pete, dass du dorthin gehst. NG: Es freut mich so das zu sehen, ich bin begeistert. Das ist eine Bewegung, wo sich Tausende von Jugendlichen treffen. Und mein Besuch in Wien war so großartig - diese jungen Menschen. Ich habe mit den Leitern dort gesprochen, mit Georg.

8 KS: Vielen Dank Nicky und Pippa, dass ihr nach Österreich gekommen seid. Sie waren so begeistert. Dankeschön! NG: Danke, wir liebten es, das war ein absolutes Vorrecht für uns. Als ich mit den Leitern von Loretto sprach, erzählten sie mir, dass Sie von Anfang an ein großer Unterstützer und Freund der Gemeinschaft waren. Seit vielen Jahren. KS: Ja, das bin ich. Ich habe sogar eine schlimme Sünde begangen, denn ich habe sie ermutigt, doch einen Mann von Jugend mit einer Mission einzuladen - Bruce Clewett, der seit vielen Jahren ein guter Freund ist. Er ist ein großer Evangelist, er ist wirklich ein Mann voll des Geistes und er hat sie in Jüngerschaft gelehrt. Und das war ein guter Schritt. NG: Gibt es irgendetwas - hier sind 5500 Menschen in der Halle, Tausende sehen online zu, und ich weiß, jeder hier schätzt Ihre Anwesenheit - gibt es eine Nachricht, mit der Sie uns ermutigen möchten? KS: Ja, es gibt eine Sache die ich sagen möchte. Ich war so beeindruckt über das, was Sie gestern gesagt haben, über Ihren Vater, und was Erzbischof Justin über seinen Vater erzählte. Ihr habt beide Deutsch-Jüdische Väter und ich denke, die tiefste Wunde im Leib Christi - im einzigartigen Leib Christi - ist die Wunde zwischen Israel und den Heiden. In Ihrem Körper, in Ihrem Leben, im Leben von Erzbischof Justin und auch ein wenig in meinem Leben, NG: Denn Sie haben auch jüdisches Blut in sich. KS: Ja, und ich denke wir sind gerufen, dass wir Gott bitten, diese tiefe Wunde zu heilen, wenn Seine Zeit gekommen ist. Papst Benedikt hat in seinem berühmten Gebet am Karfreitag, das so schlecht angenommen wurde und doch so tiefgreifend ist, gesagt - er hat es selbst geschrieben dieses Gebet: Möge die Zeit der Heiden erfüllt werden, dass die Mission an den Heiden vollendet wird, damit die Fülle Israels, die vollkommene Errettung erfährt. Und das ist es, was wir tun, was ihr hier tut mit Alpha, mit Evangelisation, das ist die tiefe Sehnsucht Gottes, dass die Zeit der Heiden vollendet wird. Der Vater alleine weiß, wann dies erreicht sein wird, aber es ist die große Sehnsucht von Jesus. Da gibt es ein Element, das schwer zu begreifen und anzunehmen ist, doch die einzige Möglichkeit zur Errettung - und das zu erreichen ist durch das Kreuz! NG: Kardinal Schönborn vielen herzlichen Dank! Würden Sie noch für uns beten? Ich denke, es ist ein großes Verlangen hier, dass Sie noch mit uns beten. Wir brauchen Ihre Gebete! Lasst uns stehen. KS: Herr, wir danken Dir. Wir danken Dir für Deine unglaubliche Gnade, die Gnade Deiner ewigen Liebe. Die Gnade Deines Heiligen Geistes, den Du über Deine Kirche ausgegossen hast. Danke Herr für Dein Gebet, dass sie eins werden, so wie Du und der Vater eins seid. Jesus wir bitten Dich, dass Du die Mauern zerbrichst, die uns trennen, baue Brücken zwischen uns. Hilf uns die Ängste zu überwinden, die uns davon abhalten, dass wir

9 uns miteinander treffen, uns gemeinsam auszustrecken nach Deiner Herrlichkeit, Deinem Evangelium, Deinem Leben. So viele Menschen auf der Welt sehnen sich danach, Dich zu kennen. Andere ignorieren Dich, aber Du willst, dass sie Dich kennen lernen, den Vater und den Heiligen Geist. So danken wir Dir, Vater, für diese großartige Möglichkeit, die Du uns in dieser Versammlung geschenkt hast. Wir danken Dir! Und Herr wir danken Dir für all die jungen Menschen, die ich hier gesehen habe, die hinter der Bühne arbeiten, überall wo sie dienen, in ihren pinken T-Shirts. Was für eine Freude, ihre Hingabe zu sehen. Was für eine Hoffnung für die Kirche, für die Welt. Danke Vater für all die Großzügigkeit, die Du in ihre Herzen gelegt hast und die Wege des Glaubens, die Du sie führst. So bitte ich Dich, Herr, dass Du die ganze Versammlung segnest, alle die teilnehmen auch über den Live-Stream und andere Medien. Es segne uns der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen!