Starke regionale Disparitäten im Rauchverhalten zwischen Ländern und Kommunen im Mikrozensus 2009 PD Dr. Alfons Hollederer 48. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention am 12.9.2012 in Essen
Vortragsgliederung 1. Einleitung 2. Tabakprävalenz in Deutschland und den Bundesländern 3. Tabakkonsumverhalten nach soziodemografischen Merkmalen in Nordrhein-Westfalen (NRW) 4. Rauchverhalten auf kommunaler Ebene in NRW 5. Zusammenfassung und Fazit 6. Literatur PD Dr. Alfons Hollederer 2
Einleitung Tabakrauchen gilt als der wichtigste Einzelfaktor für verhütbare Morbidität, vorzeitige Mortalität und belastet durch die hohen Krankheitskosten massiv die Gesundheitssysteme. Die WHO-Tabakkontrollpolitik sieht verschiedene Schlüsselstrategien zur Reduktion des Tabakgebrauchs vor, wobei das Monitoring eine Voraussetzung ist, um den Erfolg der anderen Strategien abzusichern. Eine der bedeutendsten Datenquellen zum Rauchverhalten ist der amtliche Mikrozensus in Deutschland und vor allem für die Bundesländer. PD Dr. Alfons Hollederer 3
Amtliche Repräsentativstatistik Mikrozensus 2009 ( kleine Volkszählung ) Untersuchungseinheit Ca. 1% der Bevölkerung Zeitbezug unterjährige Erhebungsmethode im Jahr 2009 Regionalbezug Auftraggeber Merkmale Deutschland und Bundesländer in etwa 340.000 Haushalten mit einer Befragung von ca. 699 000 Personen (in Nordrhein-Westfalen ungewichtet 146.187 Interviewte) Statistisches Bundesamt, Statistische Landesämter, Grundlage Mikrozensusgesetz a) Hauptfragenprogramm (i.d.r. gesetzliche Auskunftspflicht) Bevölkerungsstruktur, wirtschaftliche und soziale Lage, Arbeitsmarkt, Wohnverhältnisse, Migration etc. Arbeitskräftestichprobe der EU 2005 (ILO-Konzeption) b) Zusatzprogramm Gesundheitsinformationen (fakultativ) und wird i. d. R. in 4-jähriger Periodizität erhoben Rauchgewohnheiten (ca. 80 % Rücklauf innrw) PD Dr. Alfons Hollederer 4
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Anteil der Raucher(innen) nach Geschlecht (im Alter von mindestens 15 Jahren) in den Mikrozensus-Wellen 1995 bis 2009 40,0% 35,0% 36,0% 35,9% 35,3% 34,4% 33,2% 30,0% 25,0% Männer Frauen 20,0% 21,6% 22,9% 23,1% 23,4% 22,3% 15,0% 10,0% 5,0% 0,0% 1995 1999 2003 2005 2009 Mikrozensus-Wellen Anmerkung: Standardisiert auf den Altersaufbau der Bevölkerung 1987 in Deutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt. Mikrozensus 2009 - Fragen zur Gesundheit: Rauchgewohnheiten der Bevölkerung. Wiesbaden: 2011; eigene Darstellung. PD Dr. Alfons Hollederer 6
Anteil der Raucher im Jahr 2009 nach Bundesländern im Mikrozensus 2009 (im Alter von mindestens 15 Jahren) Baden-Württemberg Bayern Hessen Saarland Sachsen Rheinland-Pfalz Hamburg Deutschland Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Schleswig-Holstein Thüringen Brandenburg Bremen Berlin Sachsen-Anhalt Mecklenburg-Vorpommern 24% 26% 27% 27% 27% 27% 27% 28% 28% 28% 29% 30% 31% 32% 32% 33% 34% 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% Anmerkung: Standardisiert auf den Altersaufbau der Bevölkerung 1987 in Deutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt. Mikrozensus 2009 - Fragen zur Gesundheit: Rauchgewohnheiten der Bevölkerung. Wiesbaden: 2011; eigene Darstellung. PD Dr. Alfons Hollederer 7
Vortragsgliederung 1. Einleitung 2. Tabakprävalenz in Deutschland und den Bundesländern 3. Tabakkonsumverhalten nach soziodemografischen Merkmalen in Nordrhein-Westfalen (NRW) 4. Rauchverhalten auf kommunaler Ebene in NRW 5. Zusammenfassung und Fazit 6. Literatur PD Dr. Alfons Hollederer 8
Anteil der Nieraucher(innen) nach Alter im Jahr 2009 in NRW im Mikrozensus 2009 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% Anteil der Nieraucher(innen) in % 10% 16 1718 19 2021 22 2324 25 2627 28 2930 31 3233 34 3536 37 3839 40 4142 43 4445 % 46 4748 49 5051 52 5354 55 5657 58 5960 61 6263 64 6566 67 6869 70 7172 73 7475 76 7778 79 8081 82 8384 85 Alter in Jahren Männer Frauen (N = 11.920 Tsd.; N mit freiwilligen Tabakkonsumangaben) PD Dr. Alfons Hollederer 9
Tabakprävalenzraten nach soziodemografischen Merkmalen in der Erwerbsbevölkerung (von 15 bis 64 Jahren) in NRW im Mikrozensus 2009 Männer Frauen Insgesamt Odds Ratio 1 (95 %-KI) (N mit freiwilligen Tabakkonsumangaben) (4.600) (4.619) (9.219) Anteil der Raucher am Befragungstag insgesamt 37% 28% 32% - 1. Haupt-(Volks-)schulabschluss, POS, Abschluss nach höchstens 7 Jahren 47% 37% 42% Referenz 2. Realschulabschluss (Mittlere Reife) oder gleichwertiger Abschluss 40% 31% 35% 0,72 (0,64-0,82) 3. Fachhochschulreife 32% 27% 30% 0,57 (0,48-0,68) 4. Allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife (Abitur) 23% 19% 21% 0,38 (0,33-0,44) 1 Odds Ratio mit Konfidenzintervallen (KI) für Spalte Insgesamt unter Adjustierung von Alter in Jahren, Geschlecht, Erwerbsstatus, Stellung im Beruf und Staatsangehörigkeit. PD Dr. Alfons Hollederer 10
Raucheranteil unter Männern und Frauen nach überwiegendem Lebensunterhalt in der Erwerbsbevölkerung in NRW im Mikrozensus 2009 Woraus beziehen Sie überwiegend die Mittel für Ihren Lebensunterhalt? 70 65 Anteil der Raucher(innen) in % 60 50 40 30 20 10 37 30 53 43 51 Männer Frauen 0 Erwerbstätigkeit / Berufstätigkeit Arbeitslosengeld I Leistungen nach Hartz IV (ALG II, Sozialgeld) (N = 6.503 Tsd.; N mit freiwilligen Tabakkonsumangaben) PD Dr. Alfons Hollederer 11
Raucheranteile nach überwiegendem Lebensunterhalt Arbeitslosengeld I oder Leistungen nach Hartz IV in der Erwerbsbevölkerung nach Kreisen und kreisfreien Städten in NRW (mit Schwerpunkt der Verteilung) Erwerbspersonen mit überwiegend Lebensunterhalt Alg I oder Hartz IV in % 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Aachen Mülheim a.d.ruhr Oberbergischer Kreis Herford Oberhausen Bochum Solingen Duisburg Wuppertal Hagen Recklinghausen Unna Krefeld Köln Düsseldorf Essen Bottrop Leverkusen Bielefeld Lippe Märkischer Kreis Höxter Ennepe-Ruhr-Kreis Rhein.Berg.Kreis Hamm Düren Mettmann Borken Soest Siegen-Wittgenstein Heinsberg Remscheid Minden-Lübbecke Viersen Münster Hochsauerlandkreis Erftkreis Neuss Bonn Warendorf Steinfurt Gütersloh Kleve Rhein-Sieg-Kreis Wesel Coesfeld Paderborn Aachen (Kr.) Gelsenkirchen Euskirchen Dortmund Mönchengladbach 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 Raucheranteil in % Hochgerechnete Besetzungszahlen unter 5 000 im Kreis in Olpe (mit Raucheranteil 31 %) werden nicht nachgewiesen. Korrelationskoeffizient (r) = 0,71; r-quadrat = 0,50 Herne PD Dr. Alfons Hollederer 12
Zusammenfassung und Fazit 1. Die im Mikrozensus 2009 festgestellten Disparitäten bei den Tabakprävalenzraten sind sowohl zwischen den Bundesländern als auch zwischen den Kreisen in NRW außerordentlich hoch. 2. Die Assoziationen zwischen Tabakprävalenz und sozioökonomischen Einflussfaktoren werden nicht nur auf der Mikroebene, sondern auch aggregiert für die Kreise bestätigt. 3. Die Ergebnisse erfordern regionalspezifische Tabakkontrollpolitiken und eine systematische kleinräumige Gesundheitsberichterstattung, die sich am Monitoring der WHO für die Nationalstaaten orientiert. 4. Die Analysen zeigen einen hohen Handlungsbedarf für Verhältnis- und Verhaltensprävention und komplexe gemeinwesenorientierte Interventionen auf. Spätere Wiederholungsbefragungen im Mikrozensus könnten für die Erfolgsbeurteilung populationsbezogener Nichtraucherpolitiken genutzt werden. PD Dr. Alfons Hollederer 13
Literatur Afentakis, A.; Bihler, W. (2005). Das Hochrechnungsverfahren beim unterjährigen Mikrozensus ab 2005. Statistisches Bundesamt (Hg.). Wirtschaft und Statistik 10:1039-1048. Christians, H.; Wirth, H. (2009). Mikrozensus-Regionalfile: Hochrechnung, Stichprobenfehler und Anonymisierung. Leibniz-Institut der Stat. Landesämter für Sozialwissenschaften & Gesis (Hg). Düsseldorf. Hollederer, A. (2011a). Unemployment and health in population of Germany: results from 2005 Microcensus. Journal of Public Health, 19 (3), 257-268. Hollederer, A. (2011b). Erwerbslosigkeit, Gesundheit und Präventionspotenziale: Ergebnisse des Mikrozensus 2005. VS-Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 301 Seiten. Hollederer, A. (2012a). Gesundheit und Krankheit in Bund, Land NRW und dessen Kommunen. Ergebnisse des Mikrozensus 2009. Bundesgesundheitsbl 55:416 426. Hollederer, A. (2012b). Regionale und soziale Unterschiede im Tabakkonsumverhalten im Mikrozensus 2009: Ergebnisse für das Land Nordrhein-Westfalen und dessen Kreise. Das Gesundheitswesen (efirst). Schimpl-Neimanns, B. (2010).Varianzschätzung für Mikrozensus Scientific Use Files ab 2005. GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (Hg.). Mannheim: GESIS-Technical Reports 2010 03. Statistisches Bundesamt (2010a). Mikrozensus 2009: Qualitätsbericht. Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2010b). Ergebnis des Mikrozensus 2009 (Jahresdurchschnitt). Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2011a). Mikrozensus 2009 - Fragen zur Gesundheit: Kranke und Unfallverletzte. Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2011b). Mikrozensus 2009 - Fragen zur Gesundheit: Rauchgewohnheiten der Bevölkerung. Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2011c). Mikrozensus 2009 - Fragen zur Gesundheit: - Körpermaße der Bevölkerung. Wiesbaden. PD Dr. Alfons Hollederer 14
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! PD Dr. Alfons Hollederer Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) Leiter des Sachgebiets Versorgungsqualität, Gesundheitsökonomie, Gesundheitssystemanalyse (GE 6) Eggenreuther Weg 43 D-91058 Erlangen Tel.: 09131 / 6808-2211 E-Mail: Alfons.Hollederer@lgl.bayern.de PD Dr. Alfons Hollederer 15