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Die in diesem Buch dargestellten Zusammenhänge, Erlebnisse und Thesen entstammen den Erfahrungen und/oder der Fantasie der Autorinnen und/oder geben deren Sicht der Ereignisse wieder. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Unternehmen oder Institutionen sowie deren Handlungen und Ansichten sind rein zufällig. Die genannten Fakten wurden mit größtmöglicher Sorgfalt recherchiert, eine Garantie für Richtigkeit und Vollständigkeit können aber weder der Verlag noch die Autorinnen übernehmen. Lesermeinungen gerne an feedback@conbook.de Folgen Sie uns! Wir informieren Sie gerne und regelmäßig über Neuigkeiten, Termine und Kuriositäten aus aller Welt und speziell aus der Welt des CONBOOK Verlags. Folgen Sie uns für News, Specials und Informationen zu unseren Büchern, Themen und Autoren. www.conbook-verlag.de www.facebook.com/conbook www.twitter.com/conbook www.pinterest.com/conbook 4. Auflage 2014 Conbook Medien GmbH, Meerbusch, 2011, 2014 Alle Rechte vorbehalten. www.conbook-verlag.de In der Reihe»Heimatbuch«bisher ebenfalls erschienen: Berlin Eifel Franken Hamburg München Rheinland Saarland Schwabenland Tirol Westfalen Wien Murat Topal Hubert vom Venn Mia Pittroff Tania Kibermanis Sarah Hakenberg Christian Bartel Detlev Schönauer Holger Hommel Ludwig W. Müller Mischa-Sarim Vérollet Buchgraber & Brandl ISBN 978-3-934918-84-9 ISBN 978-3-934918-95-5 ISBN 978-3-943176-00-1 ISBN 978-3-943176-19-3 ISBN 978-3-934918-91-7 ISBN 978-3-934918-89-4 ISBN 978-3-934918-94-8 ISBN 978-3-934918-90-0 ISBN 978-3-934918-97-9 ISBN 978-3-934918-93-1 ISBN 978-3-934918-88-7 Projektleitung und Lektorat: Christiane Barth Einbandgestaltung: David Janik unter Verwendung des Bildmotivs istockphoto.com/anschiwil Satz: David Janik Mit freundlicher Unterstützung durch die Ostfrieslandtouristik (Ostfriesland Tourismus GmbH, Leer) Druck und Verarbeitung: CPI Ebner & Spiegel GmbH, Ulm Printed in Germany ISBN 978-3-934918-87-0

Insa Lienemann Katharina Jakob Wo man abends»moin«sagt und Gummikugeln Vorfahrt haben OSTFRIESLAND ein OSTFRIESLAND

Was macht ein Ostfriese mit einem Messer auf dem Deich?* Warum über Ostfriesen so viele Witze gemacht werden, kann Max nicht verstehen. Dumm kommen sie ihm jedenfalls nicht vor. Als Zugezogener fühlt er sich selbst hingegen öfter mal wie ein Volltrottel. Jungjournalist Max Tillmann aus Bochum darf dort arbeiten, wo andere Urlaub machen. In seiner Erinnerung ist Ostfriesland ein langer Sommer auf Norderney. Doch schnell merkt er, dass das Leben an der Waterkant ganz anders ist: Max trifft verschlossene Seebären und ironische Brummler, er verfährt sich in den Weiten ostfriesischer Dörfer und versteht kein Wort, wenn die Menschen Plattdeutsch mit ihm sprechen. Nichts ist so, wie er es erhofft hat. Doch bevor er seine Koffer packt, um dem platten Land den Rücken zu kehren, hilft ihm ein gutmütiger Ostfriese, sich einzuleben. Als Max sich dann auch noch verliebt, werden sie endlich warm miteinander, Ostfriesland und der Utwärtige. In 30 heiteren Episoden taucht Max in eine fremde Welt ein, in der es klare Regeln fürs Teetrinken und Laubharken gibt. Er lernt, wieso die Ostfriesen zu den Deppen der Nation wurden, weshalb sie eine Schwäche für stille Helden haben und warum ihnen die Freiheit wichtiger ist als Luxus. * Er will in See stechen. Insa Lienemann ist direkte Nachfahrin ostfriesischer Seeräuber. Die gelernte Journalistin arbeitete beim Handelsblatt, beim Wirtschaftsmagazin brand eins und beim Spiegel und schloss sich dem Berliner Journalistenbüro MedienManufaktur Wortlaut und Söhne an. Nach einigen Jahren in Hamburg wagte sie ein großes Abenteuer sie packte den Umzugswagen und zog zurück in ihre Heimat Ostfriesland. Heute lebt sie als freie Journalistin mit ihrem Mann und zwei kleinen Piraten in Aurich. Katharina Jakob stammt vom Bodensee und wurde ein knappes Jahr nach der legendären Seegfrörne geboren. Auch wenn sie das Naturwunder nicht selbst miterlebt hat, weiß sie seitdem, dass die meisten Abenteuer direkt vor der Haustür beginnen. Sie absolvierte eine Schauspielausbildung und war zehn Jahre lang Angehörige des fahrenden Volks, bevor sie Journalistik und Musikwissenschaft studierte. Als freie Journalistin lebt und arbeitet sie heute in Hamburg.

Inhalt Vorwort 9 In Aurich ist es traurig 10 Wat hät hei secht? 19 Von Krabben und Künstlern 29 Seid gegrüßt, freie Friesen! 39 Die Wahrheit über den Ostfriesenwitz 43 Ein neues Zuhause 53 Kein Euro für Ostfriesland 60 Stopp auf Ostfriesisch 63 5

Inhalt Sonntagsvorfahrt 69 Der falsche Martinstag 74 Trutz, Blanke Hans 78 Ein Boot ist noch draußen 84 Weite Räume 90 Enttäusche nie eine Ostfriesin 99 Facebook für Ostfriesen 108 Theater auf Plattdeutsch 112 Desäng 121 6

O du fröhliche... 125 Last Christmas... 133 Eine Waffel geht immer noch 139 Abstellgleis? Nich mit uns! 148 Wo fängt dein Himmel an 151 Knochenbrecher 158 Wenn die Ferne ganz nahe kommt 164 Osterfeuer 170 Maibaum 174 7

Inhalt Ik bün all dor 181 Norderney ist mein Hawaii 191 Es ist Sommer auf dem Land 202 Reifeprüfung auf Ostfriesisch 209 10 Dinge, die man getan haben muss 220 10 Dinge, die peinlich oder 226 gefährlich sind Glossar 229 Wörterbuch 246 8

Vorwort D ies ist ein gnadenlos subjektiver und humoristischer Blick auf Ostfriesland. Er überspitzt und übertreibt. Viele Orte und Ereignisse sind real, aber die Handlungen dort sind bewusst frei erfunden. Auch alle Personen sind frei erfunden, genauso wie sämtliche Lokalitäten oder Geschäfte. Es kann mitunter sein, dass sie an real vorkommende erinnern. Das ist jedoch keinesfalls beabsichtigt. Auch Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig. 9

In Aurich ist es traurig A n Gleis vier fährt ein der Regionalexpress nach Norddeich Mole. Bitte Vorsicht an Gleis vier«, scheppert es aus den Lautsprechern am Münsteraner Bahnhof. Dass das Umsteigen knapp werden würde, war klar. Aber so knapp? Max Tillmann springt aus dem Bochumer IC, rennt zu Gleis vier und wuchtet seine Koffer und die Reisetasche in den Zug nach Ostfriesland: eine Bimmelbahn, die aussieht, als wäre sie die letzten 15 Jahre nonstop im Einsatz gewesen. Er öffnet die Tür des nächstbesten Abteils und versucht, einen der Koffer im Ablagenetz unterzubringen, als sein Handy klingelt.»hömma, Alter, läuft gut für uns. Dortmund führt eins null. Die Bayern sind nervös.«es ist Ronnie, Max bester Freund, der im Westfalenstadion sitzt. Er und Max sind glühende Fans des Fußballclubs Borussia Dortmund, und gerade spielt Dortmund gegen den Verein aus München. Ein Topspiel. Wenn Max nicht an diesem Tag nach Ostfriesland ziehen müsste, säße er auch im Stadion. Nun soll Ronnie ihn per Handy auf dem Laufenden halten. 10

»Super«, sagt Max und holt Luft,»ach Mensch, wenn ich doch bloß dabei wär...«jemand tippt ihm auf die Schulter. Er blickt sich um und sieht, dass sein Gepäck schon einen ziemlichen Stau im Zug verursacht hat.»ronnie, is gerade schlecht. Meld mich gleich noch mal.«er steckt das Handy weg und zieht seine Tasche ins Abteil.»Entschuldigung«, sagt er und lässt die junge blonde Frau eintreten, die ihm auf die Schulter getippt hat. Sie sieht ihm zu, wie er sich mit seinem Gepäck abmüht, und schließt die Tür hinter sich:»sieht nach einer langen Reise aus.keine Reise«, sagt er.»umzug.«normalerweise ist Max nicht so kurz angebunden, aber in Gedanken ist er auf dem Borussen-Spielfeld.»Wohin zieht es dich denn?«, fragt die Blondine. Ihr»Du«irritiert ihn. Er sieht sie an. Für einen Moment schiebt sich ein anderes Gesicht vor ihres. Eines, das er vor langer Zeit gekannt und sehr gemocht hat. Wache blaue Augen und blonde lange Haare. Wie dieses Ostfriesenmädchen aus den Kinderferien auf Norderney, seine erste Liebe.»Nach Aurich«, antwortet er.»da fahre ich auch hin«, sagt sie und setzt sich ans Fenster. Ihre Tasche stellt sie auf den benachbarten Sitz.»Du fährst auch nach Aurich?«, fragt Max. Sein Handy klingelt, wieder Ronnie.»Spreche ich Plattdeutsch?«, fragt sie zurück und lächelt breit. Max drückt auf»abweisen«, Ronnie stört gerade.»wieso ziehst du ausgerechnet in die ostfriesische Provinz?«, will sie wissen und sieht ihm dabei zu, wie er sein restliches Gepäck auf den Sitzen verteilt.»montag beginnt meine Stelle beim Ostfriesenblatt «, sagt er. Sie macht große runde Augen:»Beim Ostfriesenblatt?Spreche ich Plattdeutsch?«, grinst Max und lässt sich in den Fenstersitz ihr gegenüber fallen. Seine Beine streckt er zur Seite weg. Sie lacht.»wie kommt man denn aus dem Ruhrpott ausgerechnet nach Aurich?Ganz einfach, in- 11

dem man sich bewirbt und die Stelle bekommt«, lügt er. Denn so einfach war es nicht: Max stammt aus Bochum und ist 25 Jahre alt. Nach seinem Journalistikstudium hatte er sich überall im Land um einen Job beworben und nach etlichen Absagen nur diesen Einjahresvertrag in der ostfriesischen Provinz bekommen. Noch dazu unter der Bedingung: zu sofort. Deshalb zieht er nun, Anfang August, Hals über Kopf an die Waterkant.»Und wie gefällt dir Aurich?«, fragt die blonde Frau und nestelt sich ihre Jacke als Kopfkissen zurecht.»keine Ahnung«, sagt Max.»Ich war noch nie da.hast du deine Stelle am Telefon bekommen?«, fragt sie irritiert.»musstest du dich nicht vorstellen?nicht in Aurich«, antwortet Max.»Die Zentralredaktion ist in Oldenburg, und die schicken mich nun auf den Außenposten nach Ostfriesland.«Dabei lächelt er sie direkt an und hofft darauf, dass sie zurücklächelt.»das wird ein Schock für dich«, sagt sie und blickt aus dem Fenster.»Im Gegenteil«, erwidert Max,»ich freue mich.«ostfriesland kennt er doch. So viele Ferientage hatte er mit den Eltern auf Norderney verbracht. In seiner Erinnerung schien dort immer die Sonne, das Meer war salzig und wild, zumindest wenn es da war, und die Menschen lächelten viel. Surfen hatte er dort gelernt. Und ja, ein großes, blondes Ostfriesenmädchen mit blauen Augen getroffen, seine erste Liebe. 15 Jahre alt war er damals gewesen. In seiner Vorstellung sah ein gutes Leben seither immer so aus wie einer dieser Sommer an der Nordsee. Davon erzählt er ihr jetzt.»ich bin nicht sicher, ob dein Ostfrieslandbild viel mit der Wirklichkeit zu tun hat«, sagt sie, als er am Ende angelangt ist und sie erwartungsfroh ansieht.»ich komme aus Aurich. Wenn man da wohnt, ist das Meer noch ziemlich weit weg.«1 Wibke Freese, so heißt sie, studiert Medizin in Münster und fährt 1 Es sind ungefähr 30 Kilometer bis an die Küste. 12

an manchen Wochenenden zu ihren Eltern. Sie sagt, dass es in Ostfriesland ziemlich einsam sein könne mit den Marschgebieten und Mooren (siehe Glossar). Deshalb gefiele ihr Münster so gut mit den vielen Studenten.»Ich lass mich überraschen«, antwortet er und sieht ihr direkt in die Augen. Sie lächelt schon wieder.»vielleicht liegt es auch nur an mir. Meine Eltern sind Biologielehrer. Wenn andere ins Freibad gefahren sind, musste ich mit ihnen Uferschnepfen oder Kiebitze beobachten. Das prägt.«kurzer Blick aufs Handy, Ronnie hat gesimst: zwei zu null für Dortmund. Max ist in Hochstimmung. Er hat sich auf die Schnelle ein paar belegte Brötchen gekauft und teilt sie jetzt mit Wibke. So fühlt sich die Zugfahrt an wie zu Ferienbeginn: plattes Land, das am Fenster vorbeizieht, Sonne auf den Feldern, plaudern, lachen, mit vollen Backen kauen. Kurz vor Leer packt Wibke ihre Sachen zusammen.»wieso willst du aussteigen?«, fragt Max verblüfft. Sie will doch auch nach Aurich, oder hat sie sich s anders überlegt?»wo soll ich denn sonst aussteigen?«, sagt sie und kramt in ihrem Rucksack.»Ja, in Aurich natürlich.«max wird nervös.»da kannst du lange fahren«, sagt Wibke,»Aurich hat keinen Bahnhof.«Wie, keinen Bahnhof? Er hatte doch das Ticket im Internet problemlos gelöst. Tatsächlich: Auf seinem Fahrschein steht: IC, RE, BUS. Nun muss er sich beeilen. Er stopft den Abfall in den kleinen Behälter unterm Fenster, sammelt seine Koffer ein und folgt Wibke zum Ausgang. Ein paar Halbwüchsige und Landfrauen steigen mit ihnen aus. Der Bahnhof in Leer ist kaum größer als eine durchschnittliche S-Bahn-Station im Ruhrgebiet. Nur wenige Meter entfernt steht ein Bus, der sie durch Dörfer und an vielen Wiesen vorbei nach Aurich fährt. Max staunt über die seltsamen Ortsnamen, die sie pas- 13

sieren: Holtlander Nücke, Spetzerfehn, Schirum.»Ich seh schon«, sagt Wibke,»du hast dich noch nicht viel mit deinem neuen Zuhause beschäftigt.stimmt«, sagt Max.»Dafür war die Zeit zu knapp. Aber du könntest mir doch beim Eingewöhnen helfen.«sie schweigt und blickt aus dem Fenster, dann nickt sie. Da muss Max wieder grinsen, er kann gar nicht mehr aufhören damit, bis sie den Busbahnhof erreichen. Endstation Aurich. Als sie aussteigen, sehen sie einen Mann mit blondem Wuschelkopf und grau meliertem Vollbart auf sie zueilen. Ihm folgt eine rundliche, stoßweise atmende Frau mit einer dauergewellten Kurzhaarfrisur, die wie verfilzt wirkt. Beide sehen aus, als kämen sie geradewegs aus dem Stall mit ihren verschmutzten, ausgebeulten Hosen, den Gummistiefeln und reichlich schwarzer Erde unter den Fingernägeln. Das müssen Wibkes Eltern sein, die Biologielehrer. Max hatte sich im Geiste ein distinguiertes Lehrerpaar vorgestellt, sie am Klavier, er lesend bei einer Tasse Tee. Wibke wird blass.»wie seht ihr denn aus?«, sagt sie zur Begrüßung und weicht einer allzu engen Umarmung aus.»entschuldige, wir kommen direkt von unserer Klostergartengruppe«, keucht ihre Mutter:»Du hast uns nicht erzählt, dass du Besuch mitbringst.«ihr scheint dieses Zusammentreffen mit einem Fremden sichtlich unangenehm zu sein. Wibke blickt Max nicht an, als sie ihn vorstellt.»eigentlich dachte ich, wir könnten Max in sein Hotel bringen. Aber daraus wird ja wohl nichts.«wibkes Vater wischt sich die Hand an der Hose ab und streckt sie Max hin.»warum denn nicht?«, sagt er.»willkommen im Bauernstaat Ostfriesland (siehe Glossar).«Er zwinkert ihm zu.»ich heiße Tammo Freese, und das ist meine Frau Okka. Wenn es Sie nicht stört, zwischen Setzlingen Platz zu nehmen, fahren wir Sie gern.kein Problem«, sagt Max, und er meint es wirklich so. Wibke seufzt. Beide 14