MS Kinette. Bericht Nr. 90 Oktober 2012 Meerkerk Rotterdam Delft Leiden Haarlem Amsterdam Leerdam (Merwedekanaal, Merwede, Nieuwe Maas, Schie, Schie-Rijnkanaal, Zijl, Spaarne, Noordzeekanaal, Buiten IJ, Nieuwe Vaart, Amsterdam-Rijnkanaal, Linge; 232.5 km; 6 Schleusen, 54 Dreh- und Hebebrücken) Eine Runde durch das grüne Herz der Niederlande In Meerkerk liegt eine neue, gepflegte Luxemotor am Quai. Das wäre keine Erwähnung wert, wohl aber die Schweizerflagge am Heck. Dass wir schon bald zusammensitzen, ist selbstverständlich. Christian Würgler und Theres Christen sind seit Mai 2012 mit ihrer Fenna unterwegs. -1Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Christian Würgler und Theres Christen in ihrer Luxemotor Fenna Nach einem gemütlichen gemeinsamen Abendessen laufen wir am nächsten Morgen gemeinsam aus. Zumindest bis Dordrecht fahren wir die gleiche Strecke. Dort werden Christian und Theres in den gleichen Hafen einlaufen, in welchem wir ein paar Tage zuvor lagen. Heute fahren wir nach Rotterdam weiter, wo wir unsere langjährigen Freunde Nell und Frits van Geijtenbeek mit ihrer Shell V treffen werden. Mit ihnen wollen wir die Städte Delft, Leiden, Haarlem und Amsterdam anlaufen, bevor wir unser Winterquartier beziehen. -2Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Die Fenna läuft in Dordrecht ein Rotterdam ist jedes Mal ein Erlebnis. Nicht nur wegen des regen Schiffsverkehrs, sondern auch wegen seiner eindrücklichen Skyline. Reger Schiffsverkehr in Rotterdam -3Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Die Stadt wurde zu Beginn des Zweiten Weltkrieges praktisch vollständig zerstört und der Wiederaufbau ist bis heute noch nicht vollständig abgeschlossen. Die Skyline von Rotterdam Eigentlich wollten wir im Veerhaven anlegen, aber dort liegen historische Segelschiffe, welche an einer Regatta teilnehmen. Wir finden dafür einen Liegeplatz im Museumshafen, wo wir uns nicht minder wohl fühlen. Historische Segelschiffe im Veerhaven Rotterdam -4Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Das schmalste Haus von Delft aber zwei Türen! In Delft fällt uns ein Haus auf, das zwar sehr schmal ist, schmaler als alle anderen, aber dennoch zwei Türen hat. Es sei das kleinste Haus in Delft, sagt man uns. Von einem Einheimischen erfahren wir, welche Bewandtnis es damit hat. Hier wohnte von 1558 bis 1595 ein gewisser Pieter van Foreest. Er war nicht nur Stadtarzt, sondern auch Leibarzt des 1584 ermordeten Prinzen Willem van Oranje. Dieser hätte es als Zumutung empfunden, wenn er die gleiche Türe wie das gewöhnliche Volk hätte benützen müssen, weshalb für den Prinzen eine eigene Türe gemacht wurde. Hoheit waren offensichtlich standesbewusst. -5Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Im Passantenhafen Leiden In Leiden machen wir nur einen kurzen Zwischenhalt, weil wir an unserer nächsten Destination, Haarlem, der Hauptstadt der Provinz Noord-Holland, zwei Tage bleiben wollen. Im Teyler-Museum soll eine aussergewöhnliche Raffael-Ausstellung zu sehen sein, die wir uns nicht entgehen lassen wollen. -6Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Auf der Fahrt von Leiden nach Haarlem Obwohl zwischen Leiden und Haarlem insgesamt 12 Brücken für uns gehoben werden müssen, kommen wir zügig voran. Es sind nur wenig Berufsschiffe und praktisch keine Freizeitboote unterwegs. Dafür verwöhnt uns das Wetter, wir geniessen einen bilderbuchmässigen Altweibersommer. Einlaufen in Haarlem Die Raffael-Ausstellung übertrifft unsere kühnsten Erwartungen. Gezeigt werden Raffaels Skizzen und Studien zu den Gemälden, welche dann im Atelier von seinen Schülern gemalt wurden. Inwieweit Raffael selbst die Bilder malte, ist unklar. Sicher aber stammen alle Skizzen, Studien und Entwürfe von seiner Hand. Nach zwei Tagen laufen wir aus Haarlem aus, passieren die Spaarneschleuse und fahren auf dem Noordzeekanaal nach Amsterdam. Wir hätten von Haarlem aus auch auf der Ringvaart van de Haarlemmermeerpolder nach Amsterdam fahren können, wären dann ans Nieuwe Meer gekommen und hätten dann auf der sogenannten Route A, auf der Kostverloren Vaart, Amsterdam durchqueren können. Weil wir aber zugunsten eines längeren Aufenthalts in Amsterdam schnell vorwärts kommen wollen, wählen wir die direkte Route über den Noordzeekanaal. -7Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Tragflügelboot auf dem Noordzeekanaal Hier herrscht wieder Grossbetrieb und selbst ein Tragflügelboot braust mit knapp 50 km/h an uns vorbei. Die Fahrrinne des Nordseekanals wird ständig ausgebaggert. -8Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Für Schiffe unserer Grösse in Amsterdam einen Liegeplatz zu finden, ist nicht einfach. Die Behörden haben offensichtlich eine Heidenangst, dass sich Leute mit ihren Wohnschiffen in einer der zahllosen Grachten wild niederlassen und es dann, bis alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind, Jahre dauert, bis man sie los wird. Aber unsere holländischen Freunde kennen einen Liegeplatz, wo wir unbehelligt und ganz legal vier Tage bleiben können. Amsterdam ist nicht nur Kinettes Heimathafen sowie unser Wohnsitz in den Niederlanden, sondern hier hat Christian seinerzeit als Jugendlicher bei einer befreundeten Familie jeweils seine Ferien verbracht. Holland, Veloland: Das Vierplätzer-Fahrrad Kromhout-Motoren sind unter Schiffskennern ein Begriff. Die wunderschöne Kabeljauw, die auf unserer Homepage zum Verkauf angeboten (und auch über unsere Homepage verkauft) wurde, hat übrigens einen Kromhout-Motor. Ein Besuch im Kromhout-Museum ist deshalb für die beiden Kapitäne Christian und Frits sozusagen Pflicht. -9Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Ein Kromhout-Motor aus den fünfziger Jahren Vor allem, weil dieses von angefressenen Freiwilligen betriebene Museum über zahlreiche alte Schiffsmotoren verfügt, die alle betriebsbereit sind und an Dienstagen, wenn das Museum geöffnet ist, in Gang gesetzt werden. - 10 Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Jahrgang 1895, mit Paraffin betrieben und läuft! Auch wenn es kaum zu glauben ist, so lebt der Mensch nicht von Schiffsmotoren allein und so benützen wir unseren Amsterdamer Aufenthalt für einen Besuch der beiden Ausstellungen Van Gogh und Impressionisten, welche in der Hermitage gezeigt werden. Die beiden Ausstellungen allein wären schon einen Besuch in Amsterdam wert! Das restaurierte Schifffahrtsmuseum Dass das Schifffahrtsmuseum nach jahrelangen Restaurierungsarbeiten wieder geöffnet ist, nehmen wir als Zugabe gerne entgegen. Nach vier Tagen heisst es Abschied nehmen von Amsterdam. Für die Fahrt zurück nach Meerkerk gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die Vecht als idyllischer Feldweg sozusagen, die Amstel als wenig befahrene Strasse und, um beim Bild zu bleiben, der Amsterdam-Rheinkanal als Autobahn. Wir sind lieber einen Tag länger in Amsterdam geblieben und wählen deshalb die Autobahn. - 11 Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Der Amsterdam-Rheinkanal eine Autobahn Die rund 54 Kilometer legen wir in etwas über vier Stunden zurück. Hier ist höchste Konzentration angesagt, denn die zugelassene Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 km/h und die grossen Brocken, die mehrere tausend Tonnen Fracht transportieren, kommen auch mit dieser Geschwindigkeit daher. Nach hinten aufzupassen ist beinahe wichtiger als nach vorne. Aber alles geht gut und nach sechs Stunden Fahrt laufen wir in Meerkerk ein. - 12 Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Einlaufen in Meerkerk Weil wir ein paar Tage Vorsprung auf unsere Reiseplanung haben, machen wir noch einen Abstecher nach Leerdam. Dieses Städtchen ist in der Schweiz hauptsächlich wegen des Leerdamer Käses bekannt. Allerdings wird dieser für unsere Begriffe ziemlich nichtssagende Käse reichlich industriell hergestellt. Hingegen ist Leerdam als Zentrum der Glasbläserei für die Niederlande das, was Hergiswil für die Schweiz. - 13 Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Skulptur in Leerdam Die Kunst des Glasblasens wurde seinerzeit von böhmischen Handwerkern nach Leerdam gebracht, wo es zu höchster Blüte entwickelt wurde. - 14 Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Glasbläser in Leerdam Noch heute gehört ein Aufenthalt in einer Leerdamer Glasbläserei ins Curriculum vitae junger böhmischer Glasbläser. Daneben wird in einer Glasfabrik auch industriell Glas hergestellt. Das Glas wird erhitzt - 15 Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.
Der Abstecher nach Leerdam lohnt sich übrigens auch nautisch, weil man die Linge befährt, einen beinahe strömungslosen Fluss, der sich in weiten Bögen durch die Betuwe, den Obstgarten der Niederlande schlängelt. Links und rechts säumen dichte Schilfbestände, kurz geschnittene Weiden, Obstbaum-Kulturen und Auenwälder den Fluss. Von hier aus laufen wir unser Winterquartier an, womit das achte Jahr, da wir unterwegs sind, seinen Abschluss findet. Und wie sieht die Statistik für dieses Jahr aus? Wir haben insgesamt 1708 Kilometer zurückgelegt, wir haben 245 Schleusen sowie 102 Dreh- und Hebebrücken, 2 Schiffslifte und 2 Tunnels passiert. Nicht in der Statistik erscheinen die zahllosen grossartigen Erlebnisse und die vielen Begegnungen mit interessanten Menschen und ihren Schiffen unterwegs. Von diesen Begegnungen werden wir in der Winterpause auf unserer Homepage berichten. Aus dem Logbuch: Rotterdam. Liegemöglichkeiten für grössere Schiffe im Veerhaven (Eingang markiert mit Positionslichtern) und in Het Havenmuseum (Museumshafen, Durchfahrt unter Boerengatbrug und Oostbrug, VHF 20. Achtung bei starker Gezeitenströmung! Heikle Einfahrt! Gegen die Strömung einfädeln!). Beide Häfen mit allen Einrichtungen. Kostenpflichtig. Rotterdam hat alle Einkaufsmöglichkeiten und zahlreiche Museen (natürlich ist das Schifffahrtsmuseum ein absolutes Muss!) Delft. Liegemöglichkeit im Zuidkolk an Schwimmsteg. Wasser und Elektrisch. Kostenpflichtig. Laut, Baustelle, Verkehr, unfreundliche Hafenaufsicht. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Markt am Donnerstag. Jan Vermeer-Museum, Porzellanmuseum Königliche Porzellanmanufaktur, Museum im Prinsenhof. Leiden. Liegemöglichkeit im Passantenhaven. Wasser und Elektrisch (mit Jetons à 0.75 Euro, die aber nicht sehr viel hergeben!). Alle Einkaufsmöglichkeiten. Zehn Museen, wovon drei zu den besten des Landes zählen: Lakenhal, Rijksmuseum voor Oudheden, Museum für Völkerkunde. Haarlem. Liegemöglichkeiten längs der Spaarne mit Elektrisch (16 Amp) und Wasser. Kostenpflichtig. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Unbedingt besuchen: Frans Hals-Museum und TeylerMuseum. Amsterdam. Liegemöglichkeit für Boote >15 m im Sixhaven. Grössere Schiffe müssen improvisieren: Westerdok, Nieuwe Vaart oder Amstelschutsluis. Sonst etwas ausserhalb von Amsterdam im Nieuwe Meer, im Nieuwe Diep oder in Diemen mit guter öv-verbindung nach Amsterdam Zentrum. Unzählige Museen, unzählige Einkaufsmöglichkeiten, unzählige Märkte. Leerdam. Liegemöglichkeit an der Stadtmauer während 3 Stunden, von 17.00 bis 10.00 Uhr 0.80 Euro/Meter. Keine Einrichtungen. Jachtgafen de oude Hoorn. Gegenüber Stadtmauer oder am Aussenquai an der Linge. Elektrisch (10 Amp) und Wasser. Kostenpflichtig. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Kleiner Markt am Samstag. Sehenswürdigkeiten: Glasbläserei mit Zuschauertribüne, Nationales Glasmuseum und Museum Hofje van Aerden. - 16 Alle Bilder copyright (c) by Christian Huber.