Weinfelder März 2014 Nr. 752 Predigt Gut behütet! Psalm 121, 7 von Pfr. Richard Häberlin gehalten am 9. März 2014
Psalm 121,7: Der HERR behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Liebe Gemeinde und liebe Gäste, Gut behütet so lautet das Thema des gerade gesehenen Anspiels und unseres Gottesdienstes. Der Hut als Symbolbild für Schutz. Schutz vor ganz unterschiedlichen Gefahren und Einflüssen: Der Sombrero, der vor der Sonneneinstrahlung schützt Der Bauarbeiterhelm schützt vor Stürzen und Verletzungen gröberer Art Der extravagante Hut schützt ja, wovor? Vielleicht vor Scham, wenn sich nur noch wenige oder viele graue Haare auf dem Kopf finden? (bei unseren Darstellerinnen nicht der Fall ) Der alte Hut schützt möglicherweise vor Identitätsverlust: Ich kann so bleiben und muss mich nicht verändern. Und schliesslich der Fingerhut schützt vor den kleinen alltäglichen verbalen Nadelstichen, die manchmal ganz fein sind, aber trotzdem ihre Wirkung tun Den Wunsch nach Behütet- und Beschützt-Sein kennen wir wahrscheinlich alle. Und ich meine, ein wichtiges Motiv, dass Eltern ihre Kinder bis heute zur Taufe bringen, ist genau dieses: Ihr Kind unter den Schutz und die Obhut Gottes zu stellen. Seite 2
In der Bibel wird der Wunsch nach Behütet-Sein mehrfach aufgenommen. Einer der bekanntesten und am meisten gewählten Taufsprüche ist es hat mich nicht überrascht, dass er auch heute gewählt worden ist der Psalm 91: Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf all deinen Wegen. Im aaronitischen Segen am Ende jedes Gottesdienstes wird der Gemeinde zugesprochen: Der Herr segne dich und behüte dich. Und schliesslich lautet ein bekannter Wallfahrtspsalm (Psalm 121) so: Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. Der HERR behütet dich; der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand, dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts. Der HERR behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit! In all diesen biblischen Worten über das Behütet-Sein geht es zunächst einmal um ein Lebensgefühl: 1. Behütet sein als Lebensgefühl Nicht wahr, wer einen Hut auf dem Kopf hat, der spürt das auch. Er ist sich bewusst: Ich habe da etwas über mir. Da ist nicht nichts. Sondern da ist etwas, das mir einen gewissen Schutz gibt. Seite 3
Wenn die Sonne zu heiss scheint oder wenn es anfängt zu regnen, dann bin ich beschützt. Ich muss meinen Spaziergang nicht gerade abbrechen. Noch deutlicher ist es beim Bauhelm: Sein Träger fühlt sich sicherer. Wenn ein Hammer herunterfällt, ist das nicht so tragisch. Es gibt deswegen keine Beule am Kopf Dieses Gefühl, gut behütet zu sein, ist auch eine wichtige Voraussetzung für einen positiven Zugang zum Leben. Das Gefühl und die Erfahrung der Geborgenheit in den ersten Lebensjahren ist ein wesentlicher wenn nicht der wesentliche Bestandteil für die Fähigkeit, später stabile Beziehungen aufzubauen. Schutz ist auch ein menschliches Grundbedürfnis. Albert Pesso, Begründer einer erfolgreichen körperorientierten Psychotherapie, zählt Schutz zu den 5 Grundbedürfnissen, die jeder Mensch hat (daneben gibt es für ihn noch das Bedürfnis nach Nahrung, nach Platz, nach Unterstützung und nach Grenzen). Eltern sind bemüht, ihre Kinder zu beschützen und zu behüten. Das ist gut und wichtig. Allerdings gibt es auch ein Zuviel des Guten. In der Erziehungsberatung hat sich der Begriff Helikopter-Eltern eingebürgert. Das sind Eltern, die ihre Kinder überbehüten, sie bewachen und verfolgen wie ein Helikopter, der sie nicht aus den Augen lässt. Es ist klar, dass ein Kind unter solchen Umständen nicht lernt, selbständig Schritte ins Leben zu tun und eigenverantwortlich zu handeln. Und da kommt das ist meine tiefe Überzeugung der christliche Glaube ins Spiel. Seite 4
Glauben ist ja nicht in erster Linie ein Für-Wahr-Halten von bestimmten Glaubenssätzen, sondern zuerst einmal ein Vertrauen: Ein Sich-anvertrauen dem, der mich ins Leben gerufen hat. Mich in die Hände und in die Obhut desjenigen zu geben, der einen Weg mit mir gehen will. Eltern von kleinen und grösseren Kindern dürfen lernen, ihre Kinder in die Hände und Obhut Gottes zu geben. So können sie ihnen beispielsweise dann, wenn sie das Haus verlassen, zusprechen: Bhüet di Gott! Ein kleiner Wunsch nur, aber bewusst gesprochen ein hilfreicher Akt des Loslassens in die Fürsorge eines Grösseren. Denn nicht wahr: Ich kann einen anderen Menschen (und sei es mein eigenes Kind) nicht hundertprozentig beschützen. Umso mehr will ich es dem göttlichen Beschützer (vgl. Psalm 121) anbefehlen. Die Bibel ist voll von Verheissungen, wonach Gott denjenigen, der sich ihm anvertraut, führen wird Schritt für Schritt. Und wir haben auch viele Beispiele von Menschen, die im festen Vertrauen auf Gott bewahrt und behütet worden sind: Denken wir an Daniel in der Löwengrube, oder seine Freunde im Feuerofen. Oder im Neuen Testament Petrus, der auf hoher See im Schauen auf Jesus bewahrt worden ist vor dem Absinken Bis heute berichten Menschen, wie sie in einer grossen Gefahr den Schutz Gottes erfahren haben. Manche brauchen dann das Bild des Schutzengels. 2. Behütet sein angesichts harter Fakten Nun wissen wir aber auch: Das Leben besteht nicht nur aus guten Gefühlen. Es gibt auch die harten Fakten, die unser Gefühl des Behütet-Seins auf den Prüfstand stellen. Seite 5
Im Bild gesprochen: Der Helm des Bauarbeiters hilft nichts, wenn eine Betonplatte von oben herab kommt. Und wenn ich einen Filzhut auf dem Kopf habe, dann schützt dieser zwar vor ein paar Regentropfen, aber bei einem Wolkenbruch wird auch der kapitulieren Auch wer einmal getauft worden ist, lebt unter den Bedingungen dieser Welt mit ihren (manchmal) furchtbaren Abgründen. Die Taufe ist deshalb keine Impfung und auch kein Schutzschild, die uns vor allen Gefahren bewahrt. Auch bei sehr gläubigen Menschen rumpelt es manchmal gewaltig! Und es ist auch nicht so, dass der Glaube uns vor sämtlichen Unfällen und Krankheiten bewahrt. Das wäre ein schweres Missverständnis. Jesus ist das beste Beispiel dafür Nicht ohne Grund sagte er einmal: Wer mir nachfolgen will, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir (Mk. 8,34). Aber in seiner Fürsorge hat Gott uns ja auch ein Gehirn, ein Herz und sein Wort gegeben. Und mit diesen 3 Dingen sind wir schon einmal ziemlich gut ausgestattet für den Weg durchs Leben! Denn auch das ist seine Art, Menschen zu behüten: Sie Schritte und Erfahrungen (und vielleicht auch manchmal) Fehler und Umwege machen lassen. Sie Schritte von einem kindlichen zu einem reiferen Glauben machen lassen. Jeder Vogel muss eines Tages sein Nest verlassen. Auch die Kinder fliegen eines Tages aus. Das ist für beide Seiten nicht immer einfach. Und doch wissen wir: Jedes von uns muss seinen Weg selber gehen. Auch den Glaubensweg. Die Gewissheit, dabei behütet zu sein, schliesst eigenverantwortliches Handeln nicht aus. Im Gegenteil! Seite 6
In der ersten Zeit fühlt sich s vielleicht an wie ein neues Un-Behütetsein. Vertraute Sicherheiten sind weggefallen. Das Klima ausserhalb des Treibhauses ist rauer! Glücklich der Mensch, der dann diesen inneren Anker des Glaubens hat. Sein Innerstes, sein Herz ist und bleibt behütet selbst wenn der Körper nicht unversehrt bleiben sollte (vgl. Matth. 10,28). Dann diese Zusage zu hören: Der Herr behütet dich vor allem Übel, er behütet deine Seele heisst nichts anderes als zu wissen: Er ist bei mir auf meinem Weg egal, wie holprig und unsicher er ist: - Vielleicht gibt er mir ganz diskret einen Schubs in die richtige Richtung. - Oder er ist mir nahe und hilft mir wieder auf die Beine, wenn eine Entscheidung halt doch falsch gewesen ist. - Oder ist merke: Er war auf der Hut, und ich verdanke ihm, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Kurzum: Behütet-Sein heisst nicht: Mir kann nichts passieren. Aber es heisst: Es gibt jemanden, der da ist. Der neben dir ist. Der in dir ist. Der mit dir geht. Vielleicht auch: Der mit dir aushält im Zweifel und im Schmerz. Den du jederzeit kontaktieren kannst. Und es soll geschehen: Wer den Namen des Herrn Jesus Christus anrufen wird, der soll gerettet werden, steht einmal im Neuen Testament (Apg 2,21). Gott begleitet dich. Er verlässt dich nicht, wenn du auf die Nase fällst, sondern er ist da, um dich zu trösten. Er sagt zu dir und zu mir: Ich bin für dich auf der Hut. Ich will dich segnen durch Freud und Leid, damit dein Leben gelingt. Seite 7
Oder mit einem Gebet von Antoine de Saint-Exupéry: Bewahre mich vor dem naiven Glauben, es müsste im Leben alles glatt gehen. Schenke mir die nüchterne Erkenntnis, dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolge, Rückschläge eine selbstverständliche Zugabe zum Leben sind, durch die wir wachsen und reifen. Amen. Seite 8