Nachbericht Treffpunkt Kunststoff: Compounds & Composites Zwei Wege zum selben Ziel? Compound oder Composite?, lautet eine derzeit häufig gestellte Frage bei der Konzeption, Konstruktion und Fertigung anspruchsvoller Kunststoffbauteile. Für den Compound, die homogene Mischung von Kunststoffen und funktionalen Additiven, sprechen seine positiven Verarbeitungseigenschaften. Die Composites dagegen, Faserverbundwerkstoffe mit polymerer Matrix, punkten häufig bei den Bauteileigenschaften. Nicht immer eine leichte Entscheidung also, wie Dr. Thomas Zeiler, Maincor AG und Vorstand des Kunststoffnetzwerk Franken (KNF), auf dem Expertenforum Treffpunkt Kunststoff: Compounds & Composites Zwei Wege zum selben Ziel? einleitend ausführt. Im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative Treffpunkt Kunststoff diskutieren in diesem Jahr Experten aus dem Kunststoffnetzwerk Franken (KNF) und dem Cluster Neue Werkstoffe (CNW) Auswahlkriterien, Verarbeitungstechnologien und Einsatzmöglichkeiten von Compounds und Compositen. Compounds oder Composite? Diese Frage stellt Konstrukteure und Anwender gerade im Hinblick auf Bauteilkonzepte und Designkriterien vor vielfältige Herausforderungen. Bei beiden Verfahren sind die Werkstoffeigenschaften stark vom Verarbeitungsverfahren abhängig und die Festlegung von Toleranzen demgemäß komplex. Der Vergleich der beiden Werkstofftechnologien und die Frage, nach welchen Kriterien sich für das eine oder andere Konzept entschieden werden soll, standen im Mittelpunkt des Forums Treffpunkt Kunststoff: Compounds & Composites zwei Wege zum selben Ziel? am 11. Juli 2013 in Bayreuth. Bauteilkonzepte, Design, Materialauswahl: Die Sicht der Automobilisten ist ganzheitlich Dass die Automobilindustrie beim Einsatz der Kunststofftechnologie eine Vorreiterrolle spielt, zeigen aktuelle Beispiele, vom verstärkten Einsatz von Hochtemperatur-Compounds in motornahen Bereichen bis hin zum BMW i3 mit seiner Carbon-Karosserie. Bauteilkonzepte und Design sowie die Kriterien zur Materialauswahl müssen aus der Sicht eines Automobilisten ganzheitlich betrachtet werden. Der Einsatz von Composites zu Leichtbauzwecken wirkt beispielsweise dreifach: Er verbessert die Fahrdynamik, reduziert den Verbrauch und erhöht die Fahrzeugsicherheit, wie Günter Deinzer von der Audi AG aufzeigt. Die Designanforderungen, die Möglichkeiten für eine Integralbauweise aber auch das Fahrzeugproduktionsvolumen sind wesentliche Auswahlkriterien für einen Composite-Einsatz. Die Zukunft des Karosseriebaus liegt in der Mischbauweise und dazu müssen
fakultätsübergreifende Kooperationen realisiert werden, fordert Deinzer. Das emotionale Produkt Automobil lebt dabei auch von einer besonderen Oberflächengestaltung. Speziell Composite stellen hier hohe Anforderungen an die Hersteller, da gängige Verfahren, wie der KTL-Prozess nicht durchgeführt werden können. Stand der Technik bei Compositen ist beispielsweise eine dreistufige Lackierung von Carbonfaserkunststoffen (CFK) im Zeitraum von sechs Stunden. Dabei gibt es eine Vielzahl an Parametern, um die Haftungsmechanik zu beeinflussen und somit vielfältige Beschichtungsherausforderungen. Beispielhaft seien hier Matrixanhäufungen genannt, die zu Strukturabzeichnungen beim beschichteten Produkt führen können. Auch Kunststoffcompounds sind beispielsweise durch höhere Füllgrade und durch die Verwendung von hohen Polyolefinanteilen schwieriger zu beschichten. Die Zukunft für hochwertige Automobiloberflächen liegt in neuen Produktionsprozessen, wie beispielsweise der Kombination von IMC und Lackierung, prognostiziert Willi Scheuchenpflug von der Berlac AG. Screening neuer Compounds führt zu Hochleistungskombinationen Die Werkstoffvielfalt unter der Oberfläche scheint dabei nahezu unbegrenzt. Dr. Jürgen Stebani, CEO der polymaterials AG, benennt derzeit etwa 100 Polymere mit technischer Relevanz. Um zu neuen und optimierten Werkstoffen zu kommen, können diese Polymere im High-Throughput-Screening-Verfahren beliebig miteinander compoundiert werden. Eine Herausforderung ist es dann, in diesen Kombinationen gezielt nach neuen Hochleistungsmaterialien zu suchen. Speziell hierfür wurde die HTC-Technologie entwickelt. Dieses System ermöglicht in kurzer Zeit die Erstellung umfangreicher Bibliotheken und das Screening der Compounds. Auf diese Weise wurden schon viele neuartige Hochleistungskombinationen gefunden, so Stebani. Die Faserverteilung und speziell die nach dem Fertigungsprozess vorliegenden Längen bei faserverstärkten Compounds sind wichtige Kriterien für die Bauteileigenschaften. Zahlreiche Forschungsarbeiten zeigen, dass hier der entscheidende Stellhebel für die spätere Bauteilfestigkeit liegt, so Dr. Andreas Spörrer, Neue Materialien Bayreuth GmbH. Eine Grundvoraussetzung für die sichere Auslegung von faserverstärkten Kunststoffbauteilen, sei die Bestimmung der Faservorzugsorientierung, erläutert Johanna Fleckenstein vom Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (LBF), wo eine entsprechende Charakterisierungs- und Modellierungsmethodik entwickelt wurde. Die Faserausrichtung spielt auch in der Finiten- Elemente-Methode (FEM) eine große Rolle, um lokale Werkstoffeigenschaften zielgenau beschreiben zu können. Die Berechnungsmöglichkeiten mittels FEM dienen der gezielten Auslegung von Compounds und Composites. Die grundsätzliche Voraussetzung für eine Simulation ist immer eine konkrete Fragestellung, so Stefan Merkle von der Merkle & Partner GbR. Simulieren lässt sich vieles, aber die Aussagekraft hängt von der gewählten Frage ab, so Merkle weiter. Die FEM ist für verschiedensten Arten von Compounds und Composites weit verbreitet. Insbesondere die statische Festigkeit kann für alle diese Materialien relativ gut
berechnet werden. Beim Crashverhalten gibt es bei einfachen Compounds sehr gute Ergebnisse, wohingegen die Produktionssimulation und die Berechnung dynamischer Festigkeiten für Composites bisher nur schwer durchzuführen ist, konstatiert Merkle. Fertigungsdesign und fertigungsgerechte Materialien sind der Schlüssel zum erfolgreichen CFK-Einsatz Doch gerade eine Vorausschau auf den Fertigungsprozess ist essentiell, um Überraschungen beim Gang in die Hardware zu vermeiden, stellt Marco Bernsdorf CYTEC/Division Industrial Materials klar. Eine Kostensimulation der Composites-Fertigung sollte daher unbedingt durchgeführt werden. Fertigungsdesign und fertigungsgerechte Materialien sind der Schlüssel zum erfolgreichen CFK-Einsatz, so Bernsdorf. Die Vorteile von Compositematerialien sieht Dr. Winfried Schmidt, Oechsler AG, im hohen Leichtbaupotenzial, insbesondere bei eher flächigen und relativ großen Bauteilen. Die Entwicklung von Compounds ist eher getrieben vom Wunsch nach speziellen Eigenschaften, wie beispielsweise der Magnetisierbarkeit oder einer thermischen Leitfähigkeit. Compounds und Composite sind kombiniert ein Weg zu einem gemeinsamen Ziel, resümierte Schmidt. Der Bedingungsleichtbau aus den Spannungsfeldern Material, Form und Prozess ist das Konzept, damit ein Leichtbauprodukt verkauft werden kann. Die Prozessintegration von Umformen, Fügen, Trennen sowie die Funktionsintegration führen dabei zur Großserientauglichkeit, betont Dr. Markus Schuck, HBW- Gubesch Thermoforming GmbH. Zu bedenken bleibt jedoch, dass eine Integralbauweise immer Nachteile bei Wartung, Reparatur und Austausch nach sich zieht. Möglichkeiten der Automation sind entscheidend bei der Materialwahl In beiden Werkstoffbereichen gilt unbestritten, dass Fertigungsverfahren und Möglichkeiten der Automation mit ausschlaggebend für die Entscheidung für oder wider einen Werkstoff sind. Die integrierte Compoundierung im Spritzgussprozess ist dabei eine optimale Lösung für individualisierte Produkte bei dennoch hoher Stückzahl. Auch Prozesse zur automatisierten Erzeugung von Sandwich- oder Hohlmaterialien sind von hohem Interesse, da der Eigenschaftsgewinn im Vergleich zum Vollmaterial sehr groß ist. Auch sind die Fertigungsprozesse zur Bauteilfertigung aus Organoblechen heute sehr ausgereift und die Bauteilqualitäten hervorragend, wie Martin Würtele, KraussMaffei Technologies GmbH, im Vorgriff auf das zweite Forum am 14. November 2013 in Bamberg darstellt. Compounds und Composites leisten heute einen wichtigen Schrittmacherdienst für den Leichtbau, so das Forums-Fazit von Prof. Dr. Rudolf Stauber, Fraunhofer IWKS und Cluster Sprecher des CNW. Maßgeschneiderte Werkstoffe erschließen, so Stauber, vielfältig neue Anwendungen in den Bereichen Automobil, Luft und Raumfahrt, Medizintechnik sowie bei Funktionselementen. Insbesondere die Bauteilsimulation und innovative Verarbeitungsverfahren sicherten
nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit in der Prozesskette Kunststoff, in der Großindustrie sowie für KMUs, so Stauber. Gespannt sein darf man auf die zweite Veranstaltung des Treffpunkt Kunststoff 2013 zu Compounds und Composites Fertigungsverfahren und Automatisierung am 14. November 2013 in Bamberg. Hans Rausch, KNF und Dr. Marcus Seitz, CNW, stellen erneut hochkarätige Referenten und spannende Themen in Aussicht. Mehr hierzu in Kürze unter http://www.bayern-innovativ.de/neue-werkstoffe
Bild 1: Dr. Thomas Zeiler vom KNF begrüßte die Teilnehmer und führte ins Thema ein. Bild 2: Prof Stauber, der Clustersprecher CNW bei seiner Einführung zum Thema
Bild 3: Stefan Merkle (Merkle & Partner GbR) ging auf die Möglichkeiten und Grenzen der FEM ist für verschiedenste Arten von Compounds und Composites ein Bild 4: Dr. Stebani (polymaterials AG) stellte viele neuer Hochleistungscompounds in Aussicht.
Bild 5: Fotocollage zum Thema Compounds und Composites