10. RHEINSBERGER FACHTAGUNG ARBEITSSICHERHEIT IN DER ENERGIEVERSORGUNG Selektivität beim Einsatz von Schutzeinrichtungen Bernd Siedelhofer, ABB STOTZ-KONTAKT GmbH, Heidelberg
Selektivität was versteht man darunter? Selektivität von Schutzeinrichtungen nur die der Fehlerstelle unmittelbar vorgeschaltete Schutzeinrichtung löst bei einer automatischen Abschaltung aus hat somit Bedeutung beim Überstromschutz (Überlast / Kurzschluss) und beim Schutz gegen elektrischen Schlag vollständige Selektivität selektives Verhalten über den gesamten Bereich der möglichen Fehler (z. B. Kurzschluss- oder Überlastströme ) Teilselektivität selektives Verhalten ist nur in einem Teilbereich gegeben October 24, 2017 Slide 2
Selektivität was versteht man darunter? Selektivitätsnachweise sind üblicherweise über Normen oder durch den Auftraggebern gefordert werden individuell erstellt, z.b. mit Hilfe von Berechnungs-/Simulationsprogrammen Herstellerunterlagen (Tabellen, Diagramme) Koordinationstabellen mit geprüften Kombinationen Die auftretenden Fehler und daraus resultierende Ströme müssen bekannt sein! October 24, 2017 Slide 3
Warum Selektivität? hohe Anlagenverfügbarkeit für den Anlagenbetreiber hohe Versorgungssicherheit für den öffentlichen oder privaten Netzbetreiber/Versorger hohe Sicherheit für den Anlagenbetreiber und Nutzer, da Stromkreise zur Versorgung von ggf. sicherheitsrelevanten Einrichtungen (Beleuchtung, Lüftung/ Klimatisierung, Warn-/Meldeeinrichtungen, ) nicht unnötig abgeschaltet werden, einfache und schnelle Ortung der Fehlerquelle im Fehlerfall, da nur ein kleiner Teil der Anlage abgeschaltet wird Bedeutung der Selektivität in der Energieverteilung wird zunehmen! October 24, 2017 Slide 4
Wo ist Selektivität erforderlich? in elektrischen Anlagen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art nach VDE 0100-7xx: landwirtschaftliche Betriebsstätten (-705) (Hauptstromkreise für die Lüftungsanlage bei Intensivtierhaltung) medizinisch genutzte Bereiche (-710) Ausstellungen, Shows und Stände (-711) vorübergehend errichtete elektrische Anlagen für Aufbauten, Vergnügungseinrichtungen und Buden auf Kirmesplätzen, Vergnügungsparks und für Zirkusse (-740) bei Notbeleuchtung nach VDE 0100-560 October 24, 2017 Slide 5
Wo ist Selektivität erforderlich? in elektrischen Anlagen im Geltungsbereich der NAV: Trennvorrichtung am Zählerplatz nach TAB bzw. VDE-AR-N 4101 (zukünftig: VDE-AR-N 4100) in Wohngebäuden: für Stromkreise in der Kundenanlage nach DIN 18015-1 bei der Zuordnung von Fehlerstrom-Schutzschaltern nach DIN 18015-2 in Schaltgerätekombinationen der Energieverteilung nach DIN EN 61439: wenn die Betriebsbedingungen eine kontinuierliche Energieversorgung verlangen October 24, 2017 Slide 6
Koordination von Betriebsmitteln bereits heute Bestandteil bei der Auswahl von Schalt- und Steuergeräten nach VDE 0100-530 siehe Abschnitt 535 seit 02/2014 liegt das HD 50573-5-57 vor ( Coordination of electrical equipment for protection, isolation, switching and control ), dessen Inhalt in die zukünftige VDE 0100-530 (zu erwarten in 2018) integriert wird - mit Anforderungen zu: Selektivität Kurzschlussschutz und Backup-Schutz von BM Überlastschutz von BM Kernaussage: Hersteller müssen notwendige Informationen bereitstellen, insbes. dann, wenn Planer/Errichter keine eigenständige Bewertung durchführen können October 24, 2017 Slide 7
Selektivität bei Sicherungen Überlast- und Kurzschluss- Selektivität bei einem Verhältnis der Bemessungsströme von 1,6 : 1 t 0,1s Vergleich der Zeit-/Strom-(Auslöse-)Kennlinien t schmelz (F 2 ) > t gesamt (F 4 ) t < 0,1s Vergleich der I²t-/Strom-(Durchlass-)Kennlinien I 2 t schmelz (F 2 ) > I 2 t gesamt (F 4 ) October 24, 2017 Slide 9
Selektivität bei Schaltgeräten (allgemein) Kurzschluss-Selektivität stark eingeschränkt C 2 C 1 Überlast: Vergleich der Auslösezeiten t auslöse (C 2 ) < t auslöse (C 1 ) Kurzschluss: i k (t) < I auslöse (C 1 ) October 24, 2017 Slide 10
Selektivitätsproblem bei Sicherung/Schaltgerät Kurzschluss-Selektivität z. T. stark eingeschränkt I²t 10 6 A²s 10 5 10 4 Überlast: Vergleich der Auslösezeiten, t auslöse (C 3 ) < t auslöse (F 2 ) 10 3 1kA 10kA I KS 100kA Kurzschluss: Vergleich der Energien, I 2 t gesamt (C 3 ) < I 2 t schmelz (F 2 ) October 24, 2017 Slide 11
Selektivitätsproblem bei Sicherung/Schaltgerät Kurzschluss-Selektivität z. T. stark eingeschränkt October 24, 2017 Slide 12 (1) unter Berücksichtigung der Schmelzintegrale nach VDE 0636 und der Durchlassintegrale nach DIN EN 60898
Selektivitätsproblem bei Sicherung/Schaltgerät und die Lösung vollständige Kurzschluss- Selektivität mit SH-Schaltern S October 24, 2017 Slide 13
Funktionsweise LS und SH-Schalter Schaltwerk LS elektrische Energie mechanische Energie Bimetall Magnetauslöser + Schlagspule Leitungsschutzschalter, Sicherungsautomat (LS) Selektiv- Bimetall Widerstand Selektivauslösung Trennkontakt SHU nicht vorhanden! Bimetall termische Auslösung Schaltwerk Hauptkontakte Magnetsystem selektiver Haupt- Leitungsschutzschalter (SH-Schalter), spannungsunabhängig (SHU)
Selektive Hauptleitungsschutzschalter (SH-Schalter) Auslösebedingungen E nach DIN VDE 0641-21 E DIN VDE 0645 K nach DIN VDE 0641-21
Selektive Hauptleitungsschutzschalter (SH-Schalter) zusätzliche Energiebegrenzung Kurzschlussselektivität zu Sicherungen in der Einspeisung Vergleich der Durchlassenergie der nachgeschalteten Überstromschutzeinrichtung(en) mit der erforderlichen Schmelzenergie einer vorgeschalteten Schmelzsicherung 100.000 i²t / A²s 10.000 1.000 Schmelz-I²t der Sicherung Durchlass-I²t eines LS 100 A gg (gl) 63 A gg (gl) Durchlass-I²t von LS+SHU deutliche Verbesserung der Selektivität durch zusätzliche Energiebegrenzung in der Kombination LS + SH! 100 0,1 1 10 Kurzschlussstrom K I / ka
Selektive Hauptleitungsschutzschalter (SH-Schalter) Selektivitätsangaben S750DR S200 Sicherung gg S200 Beispiel einer Selektivitätstabelle für Kaskade 1 (Selektivitätsgrenzen in ka)
Selektive Hauptleitungsschutzschalter (SH-Schalter) Selektivitätsangaben Sicherung gg S750DR S200 Beispiel einer Selektivitätstabelle für Kaskade 2 (Selektivitätsgrenzen in ka)
Weitere Beispiele für Selektivität Schutz mit Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) Selektivität von Fehlerstrom-Schutzschaltern, die hintereinander geschaltet werden, wird erreicht durch: Selektiver Fehlerstrom-Schutzschalter (Typ S ) als Haupt-Fehlerstrom-Schutzschalter für den Fehlerschutz, der gleichzeitig auch Aufgaben zum Brandschutz übernehmen kann (I n 300 ma) nachgeschaltete Fehlerstrom-Schutzschalter des allgemeinen Typs zum Schutz von Endstromkreisen (z.b. zusätzlicher Schutz von Steckdosen nach DIN VDE 0100-410 mit FI oder FI/LS) Verhältnis der Bemessungsfehlerströme mind. 3:1 October 24, 2017 Slide 35
Selektivität bei Fehlerstrom-Schutzschaltern Selektivität, wenn vom Typ S S Hauptverteilung und 300 ma I n 3 x I n von 30 ma 30 ma 10 ma Unterverteilung M
Weitere Beispiele für Selektivität Schutz mit Überspannungs-Schutzeinrichtungen (SPDs) Selektivität beim Auftreten von Netzfolgeströmen: F1 F1 F2 F2 October 24, 2017 Slide 37