Feindesliebe und Mission Gehalten am 18. Juni 2018 in der Petruskirche zu Gerlingen. In diesem Gottesdienst stellte eine Teilnehmerin des Ökumenischen Freiwilligenprogramms der EMS ihre Heimatgemein de in Hongkong vor. Außerdem fand die traditionelle Erntebitte der örtlichen Landwirte in diesem Gottesdienst ihren Platz Über zwei Jesusworte möchte ich mit Ihnen nachdenken. zum einen über ein Wort Jesu aus der Bergpredigt: (Matthäus 5, 44+45) Und zum anderen über die Worte, die Jesus als letzte Worte an seine Jünger richtet, den sogenannten Taufbefehl oder Missionsbefehl: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Matthäus 28, 18-20) Und schließlich möchte ich versuchen, einen Vorschlag zu machen zu der Frage, wie beide Worte, beide Befehle oder Gebote Jesu miteinander zusammenhängen außer, daß sie beide von Jesus gesprochen sind. Zunächst: In dieser Woche gab es im Ersten Fernsehprogramm eine ganze Reihe von Beiträgen zum Thema Woran glaubst Du? An einem Abend gab es eine Talkshow zu der Frage, ob die Welt ohne Religionen ein friedlicherer Ort wäre. Ich habe nur den Anfang angeschaut, die Vorstellung der Gäste. Es waren die üblichen Verdächtigen.
Ich habe dann gleich weggeschaltet. Solche Talkshows sind nämlich meines Erachtens Verschwendung von Lebenszeit, weil die Teilnehmer bei diesen sogenannten Gesprächsrunden in aller Regel überhaupt nicht miteinander reden. Sie geben ihre Statements ab und hören überhaupt nicht aufeinander. Sie versuchen nicht, einander zu verstehen. Es gibt da keinen Erkenntnisfortschritt. Aber die Frage als solche ist natürlich interessant: Wäre die Welt ohne Religionen ein friedlicherer Ort? Man kann derzeit durchaus den Eindruck bekommen, dass die Religionen sehr viel Streit und Unfrieden stiften. Auch das Christentum hat in seiner Geschichte ja durchaus viel Gewalt und Unfrieden hervorgebracht. Ein komplexes Thema. Aber man kann eine sehr einfache und eindeutige Antwort geben auf die gestellte Frage. Und die lautet so: Wenn sich alle an Jesu Gebot der Feindesliebe halten würden, dann wäre die Welt ein sehr friedlicher Ort. Denn einen eindeutigeren Wegweiser zum Frieden als das Programm der Feindesliebe gibt es nicht: Liebt eure Feinde! Dass dieses Programm so einfach nicht zu verwirklichen ist, das steht freilich auf einem anderen Blatt. Ich möchte heute nur auf einen einzigen Punkt hinweisen. Nämlich: Jesus stellt das Gebot der Feindesliebe nicht nur auf, sondern er begründet es auch: Und schon sind wir beim Erntebittgottesdienst! Jesus begründet das Gebot der Feindesliebe mit der absoluten Unparteilichkeit Gottes, die sich in den Vorgängen der Natur zeigt: Gott lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über
Allen gegenüber verhält Gott sich gleich, er macht keine Unterschiede jedenfalls nicht im Blick auf die ganz elementaren Naturvorgänge. Für Jesus ist die Natur eben nicht einfach Natur, sondern unmittelbares Handeln Gottes und zwar gerade in seiner unbeeindruckbaren Regelmäßigkeit. In diesen Vorgängen zeigt sich für Jesus Gottes unbeirrbare Treue und Verlässlichkeit. Das heißt nun freilich auch, dass der Weizen bei den Frommen nicht besser wächst als bei den Gottlosen. Und es heißt, dass die Frommen genauso von den Belastungen der natürlichen Vorgänge betroffen sind wie die Gottlosen: Von Trockenheit etwa und von Dürre, oder von Unwettern und Überschwemmungen. Auch die frommen Winzer oder Obstbauern erleiden Ertragseinbußen durch die späten Nachtfröste. Da macht Gott keinen Unterschied. Diese Einsicht von der vollkommenen Parteilosigkeit Gottes muss Jesus tief beeindruckt haben. Wenn man mit dieser Einsicht Ernst macht, dann fällt eine der Hauptquellen für Streit und Unfrieden weg: Der Neid. Wenn Gott allen alles gönnt, und wenn Gott alle mit allem gleichermaßen belastet: Dann sollen wir offensichtlich auch allen alles gönnen und wir sollen Verständnis dafür haben, dass nicht nur wir Lasten zu tragen haben, sondern auch die Anderen. Wir sollen Allen Alles gönnen. Aber wenn wir Allen Alles gönnen, dann sind sie auf jeden Fall keine Feinde mehr für uns jedenfalls kann die Feindschaft dann nicht mehr von unserer Seite ausgehen. Und die Dankbarkeit für die ganz elementaren Segnungen des Lebens, diese Dankbarkeit ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag für die Ent-Feindung der Menschen. Wir werden nachher im Liede davon singen: Damit aus Fremde Freunde werden, schenkst du uns Lebensglück und Brot. Liebt eure Feinde eine ungeheure Herausforderung, die uns unser Herr und Meister da zumutet. Bittet für die, die Euch verfolgen. Wenn wir das ernst nehmen, dann trägt unser christlicher Glaube ganz gewiß zum Frieden in der Welt bei.
Dann Jesu letzte Worte : Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Unser christlicher Glaube ist bodenständig und elementar, aber er ist auch kosmopolitisch, auf die ganze Welt gerichtet. Jesus will Herr sein über die ganze Welt. Aber er will Herr sein über die ganze Welt nicht nach der Art so vieler Herren dieser Welt. Seine Gewalt ist nämlich nicht die Gewalt des Schwertes und der Drohung. Seine Gewalt ist die Gewalt desjenigen, der unser Herz anspricht. Unser Herz ansprechen kann aber nur das, was selber auch von Herzen kommt. Kalte Kommandos und schneidige Sentenzen sprechen unser Herz nicht an. Nur die Sprache des Herzens bringt unser eigenes Herz zum Schwingen. Wenn Jesus zu uns spricht, dann kommt das aus dem Herzen. Aber es kommt nicht einfach nur aus dem Herzen eines galiläischen Wanderpredigers. Es kommt direkt aus dem Herzen Gottes. Jesus ist der Spiegel des väterlichen göttlichen Herzens. So hat Luther das einmal beschrieben. Durch Jesus spricht das Herz Gottes zu uns, das Herz aller Dinge. Jesu Macht ist Gottes Herzensmacht. Und diese Herzensmacht Gottes die will zu allen Menschen sprechen, zu allen Menschen auf der ganzen Welt. Diese Herzensmacht Gottes wollten die Missionare in die ganze Welt bringen. Und sie haben es oft auf ganz beeindruckende Weise getan. Gewiss immer innerhalb der Grenzen dessen, was ihnen in ihrer Zeit möglich war. Und gewiss mit allen Schwächen, denen wir Menschen immer unterliegen. Aber sie haben diese Botschaft verbreitet mit beeindruckendem Einsatz und oft unter schlimmen Entbehrungen. Und auf diese Weise kam das Evangelium nicht nur einst in unser Land, sondern auch nach Hongkong und nach China. Ein fröhliches und manchmal beeindruckend schlichtes Christentum begegnet uns in den Gemeinden etwa in Hongkong oder in China, aber gewiss auch in vielen anderen Ländern dieser Erde. Manche von Ihnen haben das vor einigen Jahren bei einer Reise nach Tansania erlebt, auf den Spuren Johannes Rebmanns.
In früheren Zeiten haben unsere Missionare, auch unsere Gerlinger Missionare, das Evangelium in die Welt gebracht. Inzwischen müssen wir uns von den dortigen Gemeinden an manche Züge des christlichen Glaubens erinnern lassen, die bei uns sehr in den Hintergrund getreten sind: Fröhliches, freundliches, unkompliziertes Christentum. Und heute werden aus den ehemaligen Missionsgebieten Missionare in die Welt gesendet auch nach Europa Manches können wir von den Gemeinden auf dem ehemaligen Missionsfeld lernen. Etwa dies, dass unsere Form, das Christentum zu leben, nicht die einzig mögliche ist. Oder dies, dass es ganz andere Formen gibt, das christliche Leben zu organisieren, als sie uns vertraut sind. Es muss auch gar nicht immer alles perfekt sein. Auch das können wir lernen von den Gemeinden in der Ferne. Unsere Perfektionsansprüche hängen uns oft wie ein Mühlstein um den Hals. Wenn sich bei uns manches ändern muss und es muss sich manches ändern dann bedeutet das nicht, dass alles schlechter wird. Wie hängen beide Aufträge Jesu zusammen der Auftrag zur Feindesliebe und der Auftrag zur weltweiten Mission? Auf jeden Fall auch dadurch, dass alle Menschen auf der ganzen Welt nichts notwendiger brauchen als den Einblick in Gottes Herz. Diesen Einblick gewährt uns Jesus wie kein anderer. Wenn Jesus zu uns spricht, dann hören wir, wie Gott aus tiefstem Herzen zu uns spricht. Gott will uns zu Menschen machen, die ihre Feinde lieben. Wenn alle Menschen täten, was Jesus will: Dann würde Frieden herrschen auf der ganzen Welt. Und dieser Friede, der Friede, der auch die Feinde liebt, der ist genau das, was alle Menschen auf der ganzen Welt zutiefst brauchen. Darum will Jesus, dass der ganzen Welt sein Evangelium bezeugt wird. Weil Jesus das will und auch das bringt, was alle Menschen brauchen deshalb dürfen wir ruhig und in aller Freundlichkeit allen Menschen die Botschaft Jesu nahebringen. Er gebe uns dazu die richtigen Worte und ein friedliches und getrostes Herz. Amen. Pfarrer Dr. Martin Weeber