Risikobeurteilung, Organisation und Durchführung der unterstützenden PAR-Therapie



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106 Risikobeurteilung, Organisation und Durchführung der unterstützenden PAR-Therapie G. Matulienė Hamburg Die Behandlung einer Parodontitis ist sehr komplex und erfordert viel Wissen über die Krankheit, manuelle Geschicklichkeit der Behandler und die Fähigkeit des Zahnarztes sowie der Prophylaxe-Mitarbeiterin/DH, den Patienten zur Mitarbeit zu motivieren. Das 1. Ziel der Parodontitistherapie (PAR-Therapie) ist es, die Entzündung zu beseitigen und die weitere Zerstörung des Gewebes zu stoppen. Um die Resultate nach einer aktiven Parodontitisbehandlung zu sichern, ist es notwendig, eine regelmäßige Nachsorge durchzuführen. Die lebenslange unterstützende PAR-Therapie hält den erreichten Zustand stabil und unterstützt den Patienten in seiner Mundhygiene. Ein Wiederauftreten der Krankheit kann somit verhindert oder rechtzeitig diagnostiziert und behandelt Dieser Beitrag beschreibt, wie das Risiko für ein Parodontitisrezidiv des Patienten nach aktiver Parodontitistherapie bestimmt wird. Dementsprechend wird die Häufigkeit des Recalls vorgeschlagen. Es werden die Organisation und die effektive Durchführung der unterstützenden PAR-Therapie nötige Befunderhebungen, Motivation des Patienten und weitere Abläufe der Recall-Stunde besprochen. Schlüsselwörter Parodontitis unterstützende Parodontitistherapie Nachsorge Risikobeurteilung Recall Prophylaxe Die Behandlung einer Parodontitis besteht aus 4 Etappen: 1. systemische Phase, 2. Hygienephase oder nicht chirurgische PAR-Therapie, 3. korrektive Phase mit chirurgischer und prothetischer Behandlung und 4. unterstützende PAR-Therapie oder Betreuungsphase. Risikobeurteilung Die Parodontitisbehandlung ist sehr umfangreich. Erst werden die Ursachen der Entzündung (Biofilm, überstehende Füllungs- und Kronenränder usw.) entfernt und nötige Korrekturen durchgeführt (PAR-Chirurgie), um die Gewebezerstörung zu stoppen. Damit die parodontale Situation nach der aktiven Parodontaltherapie langfristig stabil und gesund bleibt, und um ein erneutes Auftreten der Erkrankung sowie damit verbundenen Zahnverlust zu verhindern, wird der Patient in ein parodontaltherapeutisches Unterstützungsprogramm (Recall) aufgenommen. Diese Art von Therapie brauchen die PAR- Patienten ein Leben lang. In zahlreichen Studien wurde dokumentiert, dass bei diesen Patienten beinahe vollständige Stabilität der parodontalen Situation erzielt und der Kariesrückgang erreicht werden konnte. Dementsprechend ist ein sehr geringer Zahnverlust die Folge [1, 2, 13]. Das Risiko eines Parodontitisrückfalls nach erfolgter aktiver PAR-Therapie ist bei jedem Patienten unterschiedlich. Es hängt von vielen Faktoren ab, u. a. von der Sensibilität des Immunsystems, von der Kooperation des Patienten mit der unterstützenden Therapie, von seiner Mundhygiene und noch von vielen anderen Faktoren mehr. Um die Unterversorgung, aber auch die Übertherapie des PAR-Patienten während der Unterstützungsphase zu vermeiden, sollten die Recall-Sitzungen in individuell für jeden Patienten abgestimmten Intervallen stattfinden. Für weniger gefährdete Individuen reichen 1 2 Sitzungen im Jahr, für Patienten mit hoher Empfänglichkeit für Parodontitis sind bis zu 4 Sitzungen im Jahr notwendig. Die Herausforderung für den behandelnden Zahnarzt sowie für das Prophylaxe-Personal liegt darin, die Risikopatienten für einen PAR-Rückfall zu identifizieren. Um das Recall-Intervall für den PAR-Patienten zu bestimmen, wurde an der Universität Bern eine Risikoanalyse des PAR-Patienten vorgeschlagen [6], die nunmehr seit mehreren Jahren umgesetzt wird. Das System der Risikoeinteilung wurde an Patienten innerhalb einer klinischen Studie der Universitätsklinik ausgewertet. Sie zeigte, dass ca. 50 % der Patienten mit dem hohen Risiko nach 9,5 ± 4,5 Jahren ein Parodontitisrezidiv bekommen und dass diese Patienten statistisch signifikant mehr Zähne (2,59 ± 3,9) als die Patienten mit niedrigem (1,18 ± 1,9) oder mittlerem Risiko (1,02 ± 1,8) verlieren [9]. In dieser Risikoanalyse werden 6 Parameter berücksichtigt: 1. Bluten auf Sondieren (BAS) oder Bleeding on Probing (BOP) 2. Anzahl der Taschen mit Sondierungstiefe (TST) 5 mm

107 3. Anzahl der verlorenen Zähne (von 28) 4. prozentueller Knochenverlust in Relation zum Alter des Patienten gemessen an der schlechtesten Stelle eines Molaren 5. systemische Risikofaktoren (z. B. Diabetes mellitus, IL-1-Genotyp positiv, Stress usw.) 6. Umweltfaktoren, wie Rauchen In der Tab. 1 sind die Risikofaktoren und deren Skala für die Bestimmung des Patientenrisikos aufgelistet. Wenn der Patient mindestens 2 Faktoren mit hohem Risiko hat, sollte er in ein 3 4-monatigen Recall-Intervall aufgenommen In der mittleren Risikogruppe sind diejenigen Patienten, die mindestens 2 Faktoren im mittleren, aber maximal einen im hohen Risikobereich aufweisen. Solche Patienten sollten eine Unterstützungstherapie alle 6 Monate erhalten. Für die Patienten, die alle Risikofaktoren im niedrigen Risikobereich haben, sollte 1 Recall- Sitzung pro Jahr genügen. Das Prinzip der vorgestellten Risikoanalyse ist einfach und in viele Praxis-Software-Programme integriert. Wenn man keine hat, gibt es die Möglichkeit, die Risikoanalyse interaktiv im Internet auf der Seite http://www.perio-tools.com/pra/ de/ durchzuführen. Die Risikoanalyse sollte unmittelbar nach einer aktiven PAR-Therapie durchgeführt Im Laufe der Zeit können die Parameter des Patienten sich ändern, deswegen sollte das Risiko für Parodontitisrezidive immer wieder erneut bestimmt In manchen Fällen ist die Behandlung der fortgeschrittenen Parodontitis sehr langwierig, besonders wenn eine parodontalchirurgische Therapie, Insertion von Implantaten und deren prothetische Versorgung nötig sind. In solchen Fällen soll die unterstützende Behandlung auch während der aktiven Therapie nicht vergessen und durchgeführt Die Bildung des Biofilms wird weiterhin minimiert und der Patient in seinen Mundhygienegewohnheiten durch Motivation unterstützt. Tab. 1 Risikofaktoren und deren Wert für die Risikobestimmung des Patienten nach Lang & Tonetti 2003 [6]. Risikofaktoren Risiko BAS (BOP) TST 5mm Es kann vorkommen, dass eine Nachbehandlung (kleine chirurgische Eingriffe, Applikation lokaler Antibiotika, Wurzelglättung unter Lokalanästhesie usw.) nötig ist. In diesem Fall, sofern die Zeit in der Recall-Sitzung nicht dafür ausreicht, ist ein neuer, zusätzlicher Termin erforderlich. Untersuchung und Diagnose Während der Untersuchung müssen möglichst viele Informationen in kurzer Zeit gesammelt werden und das erfordert gewisse Eile und Routine. Es werden medizinische, orale, parodontale, dentale und radiografische Befunde erhoben. Medizinische Befunde: Mindestens einmal im Jahr, bei älteren Patienten in jeder Recall- Sitzung, soll die medizinische Anamnese aktualisiert Die Krankheiten sowie Medikamente und deren Dosis müssen notiert Die Rauchgewohnheiten und deren mögliche Veränderungen sollten auch erfragt Die Informationen sind wichtig, weil sie einen Einfluss auf die Behandlung (z. B. Antibiotika-Abschirmung) oder auf die Risikoeinschätzung des Patienten und somit auf die Häufigkeit der zukünftigen unterstützenden Parodontitistherapie haben können. Extraorale und intraorale Untersuchungen der Weichgewebe und der Mundschleimhaut, besonders die Seitenbereiche der Zahnverlust Knochenverlust/Alter Systemische Faktoren Rauchen niedrig < 9 % < 4 < 4 < 0,5 negativ Nichtraucher/ früherer Raucher mittel 10 25 % 5 8 5 8 0,5 1,0 negativ 1 19 Zig./Tag hoch > 26 % > 8 > 8 > 1,0 positiv > 20 Zig./Tag Organisation und Durchführung Eine Sitzung der unterstützenden PAR-Therapie (Recall) ist individuell, erfahrungsgemäß sollte sie 1h dauern. Die Recall-Sitzung beinhaltet 4 Abschnitte (Abb. 1): Patient wird untersucht und eine Diagnose festgestellt Patient wird motiviert und bekommt erneute Mundhygieneinstruktionen Hauptteil der Sitzung besteht aus der Entfernung des supra- und subgingivalen Zahnsteins sowie der weichen Beläge und aus der Nachbehandlung der infizierten Stellen Zahnoberflächen werden poliert, fluoridiert und der nächste Recall-Termin festgelegt Abb. 1 Zeitliche Struktur einer Recall-Stunde. Untersuchung & Diagnose Motivation & Mundhygiene instruktion Instrumentierung Nachbehandlung infizierter Stellen Politur & Fluoridierung & Organisation nächster Sitzung

108 Anzahl der blutenden Stellen x 100 % BAS % = Anzahl vorhandener Stellen* * resp. Anzahl der Zähne x 4 (oder 6) Abb. 2 Die Berechnung eines BAS-Indexes. Abb. 3, 4 Verlust der Zahnsubstanz durch jahrelange Instrumentierung. Zunge, und des Mundbodens, sind für das Screening oder die Frühdiagnostik des oralen Krebses sehr wichtig. Die Mundhygiene und die Lokalisation der Weichbeläge müssen kontrolliert werden, obwohl es nicht empfehlungswert ist, einen Plaque-Index bei PAR-Patienten zu bestimmen. Erstens ist die Empfänglichkeit für die Parodontitis bei jedem Patienten unterschiedlich und somit die für eine Entzündung erforderliche Plaquemenge variabel. Zweitens putzen die meisten Patienten ihre Zähne vor dem Besuch beim Zahnarzt oder bei der Dentalhygienikerin besonders gut, was die täglichen Mundhygienegewohnheiten auch nicht widerspiegelt. Um die Entzündung des Zahnfleisches zu untersuchen und zu beobachten, ist der wichtigste klinische Parameter das BAS. In klinischen Studien wurde festgestellt, dass die Stellen, die in 4 aufeinanderfolgenden Recall- Sitzungen auf Sondierung bluten, eine 30 %-ige Wahrscheinlichkeit haben, Attachment zu verlieren [4]. Und umgekehrt, kein Bluten auf Sondierung zeigt eine 99 %-ige Stabilität der Parodontalgewebe [5]. Die Bestimmung des BAS-Indexes ist einfach: Es werden 4 Stellen (distobukkal, bukkal, mesiobukkal und oral) oder 6 Stellen (zusätzlich noch mesiooral und distooral) am Zahn sondiert und die blutenden Stellen prozentual ausgerechnet (Abb. 2). Der BAS-Index ist meistens in Praxis-Software-Programme integriert. Um nach aktiver PAR-Therapie die Rest-Taschen oder bei der wiederaufgetretenen Parodontitis die neuen pathologischen Taschen zu identifizieren und zu behandeln, werden zusammen mit dem BAS-Index auch die Sondierungstiefen untersucht und notiert. Da das Aufschreiben von 4 oder 6 Taschen pro Zahn sehr zeitaufwendig ist, werden nur ST 4 mm aufgeschrieben. Diese Stellen benötigen eine gesonderte Behandlung während der unterstützenden Parodontitistherapie (siehe unten). In fortgeschrittenen Parodontitisfällen sollte der komplette Parodontalstatus einmal im Jahr aufgenommen Beim Sondieren der Taschen sollte auf eitriges Exsudat geachtet Die Rekonstruktionen müssen auf Retentionsverlust und überstehende Kronenränder und einmal im Jahr auf Vitalität der Pfeilerzähne untersucht Die Zähne müssen auf Karies untersucht Alle 2 3 Jahre müssen Bissflügelaufnahmen zwecks Kariesdiagnostik, und alle 1 2 Jahre periapikale Zahnfilme der Pfeilerzähne, Implantate und wurzelbehandelten Zähne angefertigt Motivation und Mundhygieneinstruktion Der Patient muss über seinen BAS-Index und mögliche Taschen mit ST 5 mm informiert Bei der Verschlechterung der Situation sollte der Patient neu motiviert In jedem Fall aber muss der Patient für seine Mitarbeit gelobt Die Mundhygieneinstruktionen sollten sich auf die Probleme und Schwachstellen (z. B. interdental, lingualer Bereich etc.) des Patienten beschränken. Falls das Hartgewebe des Zahnes Defekte entwickelt oder Zahnfleischrezessionen entstehen, sollte die Zahnputztechnik des Patienten korrigiert werden die schrubbenden Bewegungen sollten mit vibrierenden oder auswischenden Zahnbürstenbewegungen ersetzt Instrumentierung Die Patienten im Recall haben eine Parodontitisbehandlung mit Zahnsteinentfernung und Wurzelglättung hinter sich. Jetzt sollten nur neu abgelagerter supra- und subgingivaler Zahnstein sowie die weichen Beläge, besonders interdental, entfernt Dafür eignen sich Küretten oder auch Ultraschallinstrumente mit speziellen Ansätzen. Bei den PAR-Patienten ist nach der Parodontitisbehandlung mit dem Rückgang des Zahnfleisches zu rechnen, was zur Freilegung des Wurzelzements führt. Deswegen muss bei dem Gebrauch der Instrumente auf den Druck geachtet werden, damit nicht zu viel Zahnsubstanz, besonders an der Unterkiefer-Front, abgetragen wird (Abb. 3, 4). Es wurde gezeigt, dass wiederholte Instrumentierung der seichten (gesunden) Taschen zu Attachment-Verlust führt [7]. Auf der anderen Seite sind die Stellen mit ST 4 mm nach akti-

109 ver PAR-Therapie ein Risiko für die Verschlechterung der Parodontitis und für Zahnverlust [8]. Deswegen sollen Scaling und Wurzelglättung während der unterstützenden Behandlung nur an den Stellen mit ST 4 mm vorgenommen Politur und Fluoridierung Nach der Entfernung des Biofilms müssen alle Wurzeloberflächen poliert Besondere Beachtung muss dabei den Zwischenräumen geschenkt werden, weil da die Mundhygiene des Patienten meistens mangelhaft ist. Dafür eignen sich spezielle Polierköpfe, Interdentalbürsten und Zahnseide. In vielen Praxen sind die Wasser-Pulverstrahlgeräte (Air-Flow) für die Politur der Wurzeloberflächen und die Entfernung der Verfärbungen besonders beliebt. Dabei muss unbedingt auf das Pulver geachtet Bei den PAR-Patienten darf auf gar keinen Fall das Natriumbikarbonatoder das Aluminiumoxid-Pulver verwendet werden, da festgestellt wurde, dass die großen Körner dieser beiden Pulverarten die Defekte im Dentin und im Wurzelzement verursachen und die Gingiva traumatisieren können [11, 12]. Das auf der Aminosäure Glyzin basierende Pulver mit der Kerngröße von < 25 μm hingegen kann für die Entfernung des Biofilms sogar subgingival verwendet werden [11, 12]. In neuesten Studien wurde gezeigt, dass die subgingivale Behandlung mit dem Glyzin-Pulver von Taschen mit ST 5 mm während der unterstützenden PAR-Therapie sogar genauso effektiv, aber weniger unangenehm für den Patienten im Vergleich mit der Behandlung mit Ultraschall [15] oder mit Küretten [10] sein kann. In klinischen Studien wurde gezeigt, dass nach einer Parodontitisbehandlung die Anzahl periopathogener Bakterien reduziert wird, die Anzahl der kariogenen Bakterien Streptococus mutans erhöht sich jedoch [3, 14]. Dazu kommt, dass nach dem Zahnfleischrückgang freigelegter Wurzelzement anfälliger für Karies ist als Zahnschmelz. Deswegen müssen alle Oberflächen zum Schluss der Recall-Sitzung zwecks Kariesprophylaxe sorgfältig fluoridiert Letztendlich wird anhand der oben beschriebenen Risikoanalyse der nächste für den Patienten individuell abgestimmte Termin ausgemacht. ENTSPANNEN SIE Ihre Patienten

110 Risk Assessment, Organization and Implementation of Supportive Periodontal Therapy The treatment of periodontitis is very complex and demands understanding of the disease, manual skills of the practitioner and ability of the dentist or dentalhygienist to motivate the patient for good oral hygiene. The primary goal of periodontal therapy is to eliminate the inflammation and to arrest further periodontal tissue destruction. In order to prevent the results achieved after active periodontal therapy, the maintenance care should be initiated. Lifelong supportive periodontal therapy helps to keep the periodontal conditions stable and to support the patient in his oral hygiene. Hence, the recurrence of the disease can be prevented or, if occurred, diagnosed and treated on time. This article describes how the risk for periodontal disease recurrence after active periodontal therapy is calculated. The Recall frequency is based on periodontal risk assessment. The organization and implementation of Recall appointment examination, diagnosis, motivation of the patient, etc. will be discussed. Keywords Periodontitis Supportive Periodontal Therapy Maintenance Risk Assessment Recall Prophylaxis Nachbehandlung infizierter Stellen Manchmal benötigen verbleibende Taschen mit ST 5 mm, vereiterte Taschen oder furkationsbeteiligte Zähne eine weitere Behandlung: Applikation lokaler Antibiotika oder anderer Medikamente, kleine chirurgische Eingriffe oder Wurzelglättung unter Lokalanästhesie. Aus zeitlichen Gründen kann es dann notwendig sein, einen zusätzlichen Termin zu vereinbaren. Zusammenfassung Die Parodontitisbehandlung ist sehr komplex. Nebst der aktiven Parodontitistherapie mit Scaling und Wurzelglättung und gegebenenfalls notwendigen Chirurgie ist eine langfristige parodontale Betreuung (Recall) sehr wichtig. Die angemessene Häufigkeit und Durchführung der unterstützenden PAR-Therapie führt zu langfristigem Erfolg und Stabilität der parodontalen sowie dentalen Situation. Interessenkonflikt Kein Interessenkonflikt angegeben. Literatur 1 Axelsson P, Lindhe J. Effect of controlled oral hygiene procedures on caries and periodontal disease in adults. Results after 6 years. J Clin Periodontol 1981; 3: 239 248 2 Axelsson P, Nyström B, Lindhe J. The long-term effect of a plaque control program on tooth mortality, caries and periodontal disease in adults. Results after 30 years of maintenance. J Clin Periodontol 2004; 9: 749 757 3 De Soete M, Dekeyser C, Pauwels M et al. Increase in cariogenic bacteria after initial periodontal therapy. J Dent Res 2005; 84: 48 53 4 Lang NP, Joss A, Orsanic T et al. Bleeding on probing. A predictor for the progression of periodontal disease? J Clin Periodontol 1986; 13: 590 596 5 Lang NP, Adler R, Joss A et al. Absence of bleeding on probing. 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J Clin Periodontol 2003; 30: 165 170 12 Petersilka GJ, Faggion CM Jr, Stratmann U et al. Effect of glycine powder air-polishing on the gingiva. J Clin Periodontol 2008; 35: 324 332 13 Rosling B, Serino G, Hellström MK et al. Longitudinal periodontal tissue alterations during supportive therapy. Findings from subjects with normal and high susceptibility to periodontal disease. J Clin Periodontol 2001; 28: 241 249 14 Van der Reijden WA, Dellemijn-Kippuw N, Stijne-van Nes AM et al. Mutans streptococci in subgingival plaque of treated and untreated patients with periodontitis. J Clin Periodontol 2001; 28: 686 691 15 Wennström JL, Dahlén G, Ramberg P. Subgingival debridement of periodontal pockets by air polishing in comparison with ultrasonic instrumentation during maintenance therapy. J Clin Periodontol 2011; 38: 820 827 Korrespondenzadresse Dr. Giedrė Matulienė Praxis Dr. Thomsen & Partner Heilwigstraße 115 20249 Hamburg E-Mail: info@dr-thomsen.com Fortbildung zur Behandlung und Betreuung des PAR-Patienten/ Professionelle Zahnreinigung für die Prophylaxe-Mitarbeiterinnen und DH Im Rahmen der Fortbildungsreihe, angeboten von Dr. G. Matulienė, werden theoretische Grundlagen einer Parodontitis-/Gingivitisbehandlung vermittelt und in die praktische Arbeit umgesetzt. Kurstermine (jeweils freitags 14:00 19:00 Uhr und samstags 9:00 17:00 Uhr) Anfänger: Modul I 31. August 01. September 2012 Modul II 21. 22. September 2012 Modul III 26. 27. Oktober 2012 Fortgeschrittene: 15. 16. Juni 2012 oder als Alternativtermin 23. 24. November 2012 Information und Anmeldung: Oral Prevent, Kerstin Ehlers, Blumenstraße 54, 22301 Hamburg Tel.: 040/460 6088, Fax: 040/462316, Internet: www.oral-prevent.de