WENN DER STURM TOBT... PHILIP ZIMMERMANN 11.06.2017 BIBELARBEIT VON KIRCHE IN AKTION E.V.
A. Einleitende Gedanken Hesekiel befindet sich in Babylon in Gefangenschaft, im Exil. Als babylonisches Exil (häufig auch babylonische Gefangenschaft) wird eine Epoche der jüdischen Geschichte bezeichnet. Sie beginnt 597 v. Chr. mit der Eroberung Jerusalems und des Königreiches Juda durch den babylonischen König Nebukadnezar II. und dauert bis zur Eroberung Babylons 539 v. Chr. durch den Perserkönig Kyros II. Als Hesekiel in Gefangenschaft war, hat er eine erste Vision, von der wir direkt zu Beginn des Buches lesen. Wir lesen Hesekiel 1, 1-28. 1 Im dreißigsten Jahr am fünften Tage des vierten Monats, als ich inmitten der Verschleppten am Fluss Kebar war, tat sich der Himmel auf, und ich sah Erscheinungen Gottes. 2 Am fünften Tag des Monats es war das fünfte Jahr, nachdem der König Jojachin gefangen weggeführt war, 3 da geschah das Wort des HERRN zu Hesekiel, dem Sohn des Busi, dem Priester, im Lande der Chaldäer am Fluss Kebar. Dort kam die Hand des HERRN über ihn. 4 Und ich sah, und siehe, es kam ein ungestümer Wind von Norden her, eine mächtige Wolke und loderndes Feuer, und Glanz war rings um sie her, und mitten im Feuer war es wie blinkendes Kupfer. 5 Und mitten darin war etwas wie vier Wesen; die waren anzusehen wie Menschen. 6 Und jedes von ihnen hatte vier Angesichter und vier Flügel. 7 Und ihre Beine standen gerade, und ihre Füße waren wie Hufe von Stieren und glänzten wie blinkende, glatte Bronze. 8 Und sie hatten Menschenhände unter ihren Flügeln an ihren vier Seiten; die vier hatten Angesichter und Flügel. 9 Ihre Flügel berührten einer den andern. Und wenn sie gingen, brauchten sie sich nicht umzuwenden; immer gingen sie in der Richtung eines ihrer Angesichter. 10 Ihre Angesichter waren vorn gleich einem Menschen und zur rechten Seite gleich einem Löwen bei allen vieren und zur linken Seite gleich einem Stier bei allen vieren und hinten gleich einem Adler bei allen vieren. 11 Und ihre Flügel waren nach oben hin ausgespannt; je zwei Flügel berührten einander, und mit zwei Flügeln bedeckten sie ihren Leib. 12 Immer gingen sie in der Richtung eines ihrer Angesichter; wohin der Geist sie trieb, dahin gingen sie; sie brauchten sich im Gehen nicht umzuwenden. 13 Und in der Mitte zwischen den Wesen sah es aus, wie wenn feurige Kohlen brennen, und wie Fackeln, die zwischen den Wesen hin und her fuhren. Das Feuer leuchtete, und aus dem Feuer kamen Blitze. 14 Und die Wesen liefen hin und her, dass es aussah wie Blitze. 15 Als ich die Wesen sah, siehe, da stand je ein Rad auf der Erde bei den vier Wesen, bei ihren vier Angesichtern.
16 Die Räder waren anzuschauen wie ein Türkis und waren alle vier gleich, und sie waren so gemacht, dass ein Rad im andern war. 17 Nach allen vier Seiten konnten sie gehen; sie brauchten sich im Gehen nicht umzuwenden. 18 Und ihre Felgen waren hoch und furchterregend, ihre Felgen waren voller Augen ringsum bei allen vier Rädern. 19 Und wenn die Wesen gingen, so gingen auch die Räder mit, und wenn die Wesen sich von der Erde emporhoben, so hoben die Räder sich auch empor. 20 Wohin der Geist sie trieb, dahin gingen sie, und die Räder hoben sich mit ihnen empor; denn es war der Geist der Wesen in den Rädern. 21 Wenn sie gingen, so gingen diese auch; wenn sie standen, so standen diese auch; und wenn sie sich emporhoben von der Erde, so hoben sich auch die Räder mit ihnen empor; denn es war der Geist der Wesen in den Rädern. 22 Aber über den Häuptern der Wesen war es wie eine Himmelsfeste, wie ein Kristall, unheimlich anzusehen, oben über ihren Häuptern ausgespannt, 23 dass unter der Feste ihre Flügel gerade ausgestreckt waren, einer an dem andern; und mit zwei Flügeln bedeckten sie ihren Leib. 24 Und ich hörte ihre Flügel rauschen wie große Wasser, wie die Stimme des Allmächtigen, wenn sie gingen, ein Getöse wie in einem Heerlager. Wenn sie aber stillstanden, ließen sie die Flügel herabhängen, 25 und es donnerte im Himmel über ihnen. Wenn sie stillstanden, ließen sie die Flügel herabhängen. 26 Und über der Feste, die über ihrem Haupt war, sah es aus wie ein Saphir, einem Thron gleich, und auf dem Thron saß einer, der aussah wie ein Mensch. 27 Und ich sah, und es war wie blinkendes Kupfer aufwärts von dem, was aussah wie seine Hüften; und abwärts von dem, was wie seine Hüften aussah, erblickte ich etwas wie Feuer und Glanz ringsumher. 28 Wie der Regenbogen steht in den Wolken, wenn es geregnet hat, so glänzte es ringsumher. So war die Herrlichkeit des HERRN anzusehen. Und als ich sie gesehen hatte, fiel ich auf mein Angesicht und hörte einen reden. Bizarr?! Was fangen wir mit diesen Worten an? Um diese Zeilen etwas besser zu verstehen, möchten wir uns den Kontext betrachten, in dem sich Hesekiel befindet. Hesekiel findet sich in einem dreifachen Dilemma wieder. Persönliches Dilemma Job verloren Ein Leben lang hat er sich auf das Priestertum vorbereitet, doch jetzt ist der Tempel weg und er hat somit keinen Job mehr. Er ist im Exil als Gefangener verschleppt worden (über 1000 km von zu Hause entfernt) und hat seine Frau verloren. Theologisches Dilemma Wenn der Gott Israels mächtiger ist als alle Feinde und Götter, warum ist das Volk Gottes dann im Exil gelandet?
Geistliches Dilemma Gott ist nicht mehr da. Durch den Tempelabriss ist auch Gottes Gegenwart weg, denn er war im Tempel zu finden. Hesekiel ist in einem frommen Haus aufgewachsen. Er hat Theologie studiert, aber all sein Dienst & Studium über Gott haben ihn nicht vorbereitet auf diese große Krise seines Lebens & Glaubens. Vielleicht geht dir das auch so: Du hast geglaubt, aber dann kam das Leben dazwischen. Fragen & Zweifel & Krisen. Und auf einmal weiß man nicht weiter. Nur, dass sich alles wie ein Sturm anfühlt und man sich im Exil befindet, weil das Gewohnte und Vertraute auf einmal weg ist. Weiterführende Fragen: 1. Welches Dilemma ist dir schon einmal widerfahren? 2. Wann wurde dein Glauben bzw. dein Glaubensbild das erste Mal erschüttert? 3. Wann hast du dich zuletzt fern von Gott gefühlt? Was hat dir geholfen ihm wieder näher zu kommen? B. Hauptteil Hesekiels Gefühlswelt lässt sich in etwa so beschreiben: Verzweiflung, Trauer, Enttäuschung und Hass. Gott lässt ihn aber nicht allein damit, er schenkt ihm eine Vision. Diese hört sich wirr und verrückt an, wenn wir sie einfach nur herunterlesen, aber dahinter steckt eine wunderschöne Wahrheit, die die meisten von uns kennen: Manchmal muss Gott zu unserem Herzen sprechen, nicht zu unserem Verstand. Wenn der Schmerz zu groß ist, der Sturm zu wild, dann hilft Logik meist nicht so recht weiter und Gott spricht zu unserem Herzen. Er tut das durch Bilder, Vision, Musik. Die Vision von Hesekiel ist verrückt, ausser du warst schon mal richtig verletzt und konntest deinen Schmerz noch nicht mal in Worte fassen. Wenn der Sturm des Lebens tobt und wir nicht wissen, wie wir den nächsten Atemzug nehmen sollen, dann hilft uns keine Weisheit für den Kopf. Dann hilft uns ein Wort, ein Bild, eine Berührung im Herzen und wenn wir das dann in Worte fassen müssten, dann würde sich das wild anhören. Weil es geht viel tiefer und verändert alles. Und genau das passiert hier in dieser ersten Vision von Hesekiel.
Er bekommt verschiedene Bilder: 1) Sturm 2) Vier Gestalten, die wie Menschen aussahen: 3) Vier Räder 4) Eine feste Platte Da könnten wir jetzt noch viel tiefer einsteigen, aber es zeigt uns eine Sache: Der Sturm zeigt Hesekiel, dass Gott Bescheid weiß. Gott weiß, dass Hesekiel sich in einem Sturm befindet. Das ist schon viel wert. Und es ist schon mal viel wert, wenn wir uns verstanden fühlen. Wenn wir wissen, dass der andere weiß, wie es uns gerade geht. Und die anderen Bilder sind alle ein Zeichen und Symbol für eine Wahrheit, die Gott Hesekiel mitgeben möchte: Meine Gegenwart und meine Macht ist auch im Sturm und im Exil gegenwärtig. Ich bin da! Die großen Räder sind ein Symbol für die Gegenwart Gottes, die Jerusalem verlässt um mit in das Exil zu gehen, um dort Menschen zu begegnen und ihnen durch seine Gegenwart Trost zu schenken und zu helfen. Das war eine Revolution im ganzen Denken von Hesekiel, weil er gelernt und geglaubt hat, dass Gottes Gegenwart nur im Tempel in Jerusalem ist. Es hat seine Welt auf den Kopf gestellt: Die Vision sagt, Gott ist hier in dem Schmerz und in dem Exil. Weiterführende Fragen: 1. Wurdest du schon einmal von einem Bild, einer Musik oder etwas Ähnlichem im Herzen angesprochen und berührt? 2. Wie gehst du mit deinen Stürmen im Leben um? Suchst du Gottes Gegenwart oder lenkst du dich ab? 3. Was nimmst du mit aus dieser ersten Geschichte von Hesekiel und seiner Vision für deine Gottesbeziehung? 4. Wo begegnest du Gott?
C. Schluss Was bedeutet das für uns? Wir befinden uns doch alle immer wieder mehr oder weniger im Exil. Wir haben das verlassen, was uns vertraut und sicher war und sind irgendwie weit weg von zu Hause. Eins darfst du wissen: Gott ist mit dir im Exil. Er nimmt nicht den Sturm weg. Aber er will uns Frieden, Sicherheit, Glauben und Hoffnung im Sturm schenken. Nicht alles, was passiert, ist Gottes Wille. Gott hat sich in deinem Wort ganz klar dazu ausgedrückt: Es passieren jeden Tag Sachen, die nicht Gottes Willen entsprechen und die er nicht möchte. Dinge, die sein Herz brechen. Er kennt die Stürme in unserem Leben. Wir können Gott für die Situation, in der wir stecken verantwortlich machen oder ihn in der Situation erfahren und erleben. Wir können bitter und zynisch werden oder seine Herrlichkeit sehen. Auf dieser Seite der Ewigkeit haben wir nicht das Versprechen, dass alles gut wird und alles immer toll ist und dass wir im Glauben jedes Problem überwinden, aber wir haben das Versprechen, dass Gott bei uns ist, dass er sich in die Situation mit hineinsetzen will und deine Hand halten möchte. Psalm 23 Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. 5 Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Weiterführende Fragen: 1. Gibt es einen Bereich in deinem Leben, indem du statt Gottes Nähe zu suchen und zu vergeben, dein Herz hart gemacht hast und eine Wurzel der Bitterkeit wachsen konnte? 2. Hast du Gottes Zuspruch (Ich bin dein Hirte!) für dein Leben angenommen? 3. Wie gehst du mit deinen Lebensstürmen um, den Kleinen wie auch den Großen? Lässt du Raum für Gottes Gegenwart oder verstockst du dein Herz? 4. Lobpreis oder Lästern? Was suchst du, wenn dich das Leben (oder auch eine Situation) mal so richtig frustriert?