Die zukünftige Rolle der Wasserkraft im europäischen Strommarkt SEL Symposium Ökologische Rahmenbedingungen der Wasserkraftnutzung im 21. Jahrhundert Dr. Jürgen Neubarth :: e3 consult :: Bozen, 28. Oktober 2011
Inhalt 1 Die Wasserkraft im europäischen Strommix 2 Energiewirtschaftlicher und -politischer Rahmen 3 Herausforderung Integration erneuerbarer Energien 4 Der Beitrag der Wasserkraft zur Energiewende 2050 5 Ausblick SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 1
Die Wasserkraft liefert den größten Beitrag der erneuerbaren Energien im europäischen Strommix Stromerzeugung EU-27 nach Energieträgern 2010 53% 22% 16% 3.200 TWh 21% 680 TWh 3% 0,8% 0,1% 26% 58% Kernenergie Kohle, Gas & Öl Erneuerbare Wasserkraft Biomasse Solar Wind Geothermie Sonstige* * Gezeiten u.a. Quelle: Eurostat, VGB SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 2
Der Ausbau der Wasserkraft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten spürbar verlangsamt Stromerzeugung Europa 1972 2008 nach Energieträgern [TWh/a] 4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 Geothermie, Solar und Wind Biomasse und Abfall Wasserkraft Kernkraft 1.500 1.000 500 0 Erdgas Öl Kohle Quelle: IEA SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 3
Die Rolle der Wasserkraft in europäischen Ländern Anteil Wasserkraft an Stromerzeugung 2010 0-10 % 10-20 % 20-30 % 30-40 % 40-50 % > 50 % Quelle: Eurostat 125.000 MW an Wasserkraftkapazität tragen 12,4 % zur EU 27 Stromerzeugung bei Länderspezifischer Beitrag der Wasserkraft schwankt zwischen nahe 0 % (z.b. Ungarn) und fast 100 % (Norwegen) In Italien erfolgen knapp 20 % der inländischen Stromaufbringung aus Wasserkraft große Unterschiede zwischen Provinzen Speichervolumen in Kontinentaleuropa rd. 55 TWh, wobei rd. 30 TWh energiewirtschaftlich genutzt werden Pumpspeicherkapazität EU 27 knapp 25.000 MW Zusätzlich in Skandinavien rd. 120 TWh Speichervolumen SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 4
Theore*sches Potenzial Technisches Potenzial Wirtscha5liches Potenzial RAV Das europäische Wasserkraftpotenzial ist heute bereits zu etwa 2/3 genutzt Wasserkraftpotenzial Europa (TWh/a) Theoretisches Potenzial 2.600 Technisches Potenzial 1.170 Wirtschaftliches Potenzial 870 310 560 Restpotenzial Ausgebautes Potenzial Quelle: Deutsche Bank In Summe können in Europa aus wirtschaftlicher Sicht noch etwa 310 TWh/a zugebaut werden Die größten Potenziale liegen dabei in Südosteuropa In Italien nur noch geringe Ausbaupotenziale (5 TWh/a) Erschließung der Potenziale häufig aus ökologischen Gründen schwierig umsetzbar Langfristige Auswirkungen des Klimawandels auf räumliche und zeitliche Verschiebung des Wasserdargebots und damit Wasserkraftpotenziale unsicher! SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 5
Mögliche Veränderungen jährlicher Abflüsse europäischer Fließgewässer 2070 versus 2000 Quelle: Euroepan Environment Agency: Climate change and water adaptation issues; EEA Technical report No 2/2007 SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 6
Mögliche Veränderungen im mittleren saisonalen Abfluss der Zentralalpen Quelle: Beniston, M SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 7
Energiepolitischer Rahmen für die weitere Entwicklung der Wasserkraftnutzung in Europa Europ. Strombinnenmarkt Wasserrahmen-RL Strompreisent wicklung Wasserkraftnutzung EU Klima- und Energiepaket Liberalisierung Strommarkt EU Roadmap 2050 Die energiewirtschaftliche Rolle der Wasserkraft wird vor allem durch den Ausbau der Erneuerbaren und den Energiebinnenmarkt tangiert SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 8
Die weitere Entwicklung der Wasserkraftnutzung ist im europäischen Kontext zu bewerten Entwicklung integrierter Regionalmärkte: EU-Binnenmarktrichtlinie(n) zielt auf Schaffung eines einheitlichen europäischen Strom- und Gasmarktes ab Entwicklung sog. Regionalmärke bereits heute deutlich sichtbar Nationale Märkte verlieren damit sukzessive Bedeutung Für Italien ist der sog. Regionalmarkt West relevant (F, Benelux, D, CH und AT; wobei durch eingeschränkte Netzkapazitäten derzeit keine vollständige Marktkopplung) Kraftwerkseinsatz orientiert sich an Nachfrage im Regionalmarkt Abbildung: E.ON SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 Seite 9
Ziele der europäischen Energiepolitik (1) Das EU Energie- und Klimapaket: 20-20-20 bis 2020-20 % Treibhausgasemissionen (- 30 % im Falle eines intern. Abkommens) 20 % Steigerung der Energie- Effizienz* 20 % bis 2020 20 % Erneuerbare vom Gesamtenergieverbrauch (ca. 34 % vom Stromverbr.) 10 % Biotreibstoffe im Transportsektor * Erhöhung der Endenergieeffizienz ggü. Business as usual um 20 % bis 2020 (Basis 2005) SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 10
Ziele der europäischen Energiepolitik (2) EU Roadmap for a Low Carbon Economy 2050: Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 80% gegenüber 1990 Vollständige Dekarbonisierung der Stromerzeugung erforderlich! Quelle: EU SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 11
Wind- und Solarenergie werden den wesentlichen Beitrag zur Energiewende liefern (müssen) Mögliche Entwicklung Stromerzeugung aus Erneuerbaren in EU 27 4500 4000 3500 3000 2500 Möglicher Entwicklungspfad zur Erreichung eines EE-Anteils am Stromverbrauch von 45 % (2030) bzw. 80 % (2050) TWh/a 2000 1500 Nationale Entwicklungspläne für erneuerbare Energien Wind und Solar 1000 500 0 Wasserkraft, Meeresenergie, Biomasse und Geothermie 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 Solar (PV und CSP) Wind Offshore Wind Onshore Geothermie Biomasse Meeresenergie Wasserkraft Bruttostromverbrauch Daten: Nationale Aktionspläne für erneuerbare Energien; nach 2020 Abschätzung auf Basis EU Low Carbon Roadmap 2050 SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 12
Prognostizierbarkeit und Erzeugungsmuster der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien volatil Wind Solar-PV Erzeugungsmuster konstant Biomasse, Geothermie, Speicherwasserkraft Solarthermisch (mit Wärmespeicher) Meeresenergie* Laufwasserkraft * Gezeiten, Wellen und Meeresströmung sehr gut Prognostizierbarkeit eingeschränkt Quelle: nach Piwko et al. SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 13
Integration von Erneuerbaren Energien: Drei wesentliche Herausforderungen Eingeschränkte Verfügbarkeit Wind und PV ersetzen kaum thermische Kraftwerkskapazitäten ð Backup und/oder Speicher erfoderlich Eingeschränkte Prognostizierbarkeit Abweichungen zwischen prognostizierter und tatsächlicher EE-Erzeugung ð Steigender Bedarf an flexibler Erzeugung Netzausbau- und verstärkung EE-Erzeugung oft weit von Lastzentren entfernt ð Massive Investitionen in Übertragungs- und Verteilnetz notwendig Bilder: Kleine Zeitung, EWIS, B. Hamann SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 14
Wind und PV zeigen eine starke tageszeitliche und saisonale Schwankung in der Stromerzeugung 37 TWh Windstromerzeugung in Deutschland 2009 PV-Einspeisung ausgewählter Tage in Deutschland 2011 Windstromerzeugung in GWh/h Jahresmittel: 4.250 MW 30.7.: 4,5 GW (11:45) 2.8.: 13 GW (13:30) 16.1.: 6,1 GW (12:45) 1.1.: 0,8 GW (13:00) Die Struktur der vom konventionellen Kraftwerkspark zu deckende residuale Last wird deutlich verändert. Quelle: BDEW, SAM SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 15
Die Anforderungen an den residualen Kraftwerkspark steigen Nachfragelast, Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und Residuallast in Deutschland Dezember 2010,,-,./0121324"56789.620-"13:" ;0<=:16>>6<?"=3"@A" +!" *!" )!" (!" '!" &!" %!" $!" #!"!" #" $'" &+" )%" +)" #$#" #&'" #(+" #+%" $#)" $&#" $('" $*+" %#%" %%)" %(#" %*'" &!+" &%%" &')" &*#" '!'" '$+" ''%" '))" (!#" ($'" (&+" ()%" (+)" )$#" BC3<D20",.3010.E6.0F" A=3:" BC>6." 56789.620>6<?" ;0<=:16>>6<?" Daten: ENTSO-E, TenneT TSO GmbH, Amprion GmbH, 50Hertz Transmission GmbH, EnBW Transportnetze AG SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 16
Kraftwerkseinsatz im italienischen Day-Ahead- Markt 2009 (Mercato del giorno prima, MGP) Kraftwerkseinsatz im italienischen Day-Ahead-Markt sowie Ausbauziele für Wind- und Solarstromerzeugung für 2020 gemäß italienischem NREAP Solar 8.600 MW (Ziel 2020) 12.000 MW (Ist 2011) 12.700 MW Wind Quelle: GME SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 17
Der Erzeugungspark der Zukunft muss deutlich flexibler werden Beispiel Deutschland: Nachfrage und Residuallast bei 50 % EE Stunde Quelle: IER Universität Stuttgart Schwankungen bis 12.000 MW in 15 Min. möglich (heute: 3.000 MW) Windkraft und PV ersetzen kaum konventionelle Kraftwerke - 27.000 MW Windkraft ersetzen 1.900 MW an konventioneller Leistung Ausgleich von Windflauten und PV- Nacht-/Winterdefiziten durch fossile Kraftwerke ist CO 2 -intensiv Alternative Speichertechnologien (noch) nicht marktreif und z.t. deutlich teurer als Pumpspeicher Speicher-/Pumpspeicherkraftwerke zur Gewährleistung Systemstabilität und Integration Erneuerbarer! SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 18
Speicher als Bindeglied zwischen Angebot und Nachfrage Quelle: Hanning et al. SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 19
Speicher in den Alpen liegen im Zentrum der zukünftigen Stromkorridore in Europa Wasserkraft Windkraft Wasserkraft Solar Windkraft Solar (Desertec) Solar Quelle: ENTSO-E Quelle: ECN Roadmap 2050 SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 20
CO 2 -freie EE-Integration durch Wasserkraft 60 Windstromeinspeisung Dezember 2020 für Westeuropa* (installierte Windkraftleistung 132 GW) Windstromeinspeisung in GW 50 40 30 20 10 - * A, D, CH, I, F, Benelux; modelliert mit Winddargebot Dez. 2000 Daten: VTT Finnland, Eurelectric, Internetrecherche Windstromerzeugung rd. 17 TWh Speichervolumen rd. 25 TWh Pumpleistung rd. 18 GW SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 21
Speicherbedarf wird langfristig deutlich über den heute vorhandenen Wasserkraftspeichern liegen Möglicher Erzeugungsstruktur 2050 bei 80 % Erneuerbare in Europa Höheres Windangebot im Winter Höheres Solarangebot im Sommer Gasturbine Wasserkraft Solar CSP und PV Wind Geothermie Biomasse konventionell Systemkonflikte zur Mittagszeit im Sommer zwischen Laufwasser und Solar zu erwarten Quelle: ECN Roadmap 2050 SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 22
Wird das Netz zum Flaschenhals für den Einsatz der Speicher in den Alpen? European Wind Integration Study: Netzengpässe 2015 ENTSO-E: Langfristiger Netzausbaubedarf Quelle: EWIS Quelle: ENTSO-E SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 23
Ausblick Wasserkraft hat gegenüber Wind- und Solarenergie energiewirtschaftliche Vorteile, jedoch ein vglw. geringes Ausbaupotenzial (Speicher)Wasserkraft kann einen wesentlichen Beitrag zur Integration volatiler erneuerbarer Energien leisten Noch weitgehend offen ist jedoch, welche Speicher die zukünftigen Aufgaben am Besten erfüllen (Stunden-, Wochen- oder Jahresspeicher?) Zusätzlich Wettbewerb mit alternativen Speichertechnologien Übertragungsnetz muss parallel zu neuen Speicherkapazitäten ausgebaut werden, um Zugang zu den Erzeugungsschwerpunkten von Wind- und Solarstrom zu ermöglichen Regulatorischer und energiepolitischer Rahmen muss langfristige Anreize für Investitionen in Speicher schaffen SEL Symposium :: 28. Oktober 2011 24
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Jürgen Neubarth :: e3 consult :: Bozen, 28. Oktober 2011