Meteorologische Extremereignisse im Klimawandel Michael Kunz, Susanna Mohr, Marc Puskeiler Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) KIT Universität des Landes Baden-Württemberg und nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft www.kit.edu
Einführung Orkantief Kyrill, 18./19. Januar 2007 Bilanz: Spitzengeschwindigkeiten > 200 km h -1 einige Tornados (F3) im Bereich der Kaltfront 43 Tote (Europa) Gesamtschäden Deutschland ~ 4.7 Mrd. 2
Einführung Hagelsturm Villingen-Schwenningen 28. Juni 2006 Karlsruhe Stuttgart Schadenfrequenz (Gebäudeschäden) und Zugbahnen Villingen >70% Bilanz: Starkniederschläge, Orkanböen, tennisballgroße Hagelkörner Villingen- Schwenningen erhebliche Schäden an Gebäuden, Fahrzeugen, landwirtsch. Kulturen >100 Verletzte, 1 Toter Gebäudeschäden > 250 Mio 3
Schadenerfahrungen Baden-Württemberg Sehr hohe Schadensummen durch eextremereignisse Höchste Schadensummen durch Winterstürme und Hagelschlag Schadenpotentiale > 1 Mrd. 31.9% 38.1% 1986-2008 4
Anzahl Schadenerfahrungen Vergangenheit Naturkatastrophen in Deutschland aus Sicht der Versicherung1970-2009 Bruttosozialprodukt Bev-Dichte 5 29.09.2010 Michae Kunz kunz@kit.edu Extremereignisse im Klimawandel
Analyse meteorologische Extremereignisse Charakteristika seltene Ereignisse (in einem Gebiet) hohe räumliche / zeitliche Variabilität Überlagerung langfristiger Schwankungen (natürliche Klimavariabilität) Wahrscheinlichkeit für neuen Rekord: p ~ 1/a (a = Jahre) Schadenrelevante Winterstürme über Baden-Württemberg,rekonstruiert aus Proxydaten (v.a. forstwirtsch. Jahrbücher; Hofherr und Steller, 2005) ## 7 ## 11 ## 5 ## 18 Verfügbarkeit verlässlicher Messungen 6 29.09.2010 Michae Kunz kunz@kit.edu Extremereignisse im Klimawandel
Analyse meteorologische Extremereignisse Anforderungen Rekonstruktion lange Zeitreihen homogene Zeitreihen gute räumliche Abdeckung abhängig von Zeit/Raumskalen der Wettersysteme Statistische Analyse, z.b. Klimamodelldaten Beschreibung über geeignete Indikatoren Messung, Modell 7 29.09.2010 Michae Kunz kunz@kit.edu Extremereignisse im Klimawandel
Methoden: Gefährdungsanalyse Gefährdung = Intensität x Wahrscheinlichkeit Zielgröße: Intensität als Funktion der Wahrscheinlichkeit (Wiederkehrperiode) Repräsentative Stichprobe Unabhängige Ereignisse über klimatologischen Zeitraum (~30 a) hohe räumliche Auflösung Erfassung Variabilität durch untere Randbedingung (Orografie, Landnutz.) Verfahren Extremwertstatistik statistische Beschreibung von Extremen durch viele nicht-extreme Ereignisse 8
Winterstürme in der Zukunft Projekt RESTER: Strategien zur Reduzierung des Sturmschadensrisikos für Wälder Hintergrund Hohes Gefährdungspotenzial durch Winterstürme (z.b. Vivian/Wiebke 90, Lothar 99, Kyrill 07) Sturmklima sowie zukünftig zu erwartende Änderungen auf regionaler Skala unzureichend bekannt Fragen Können (regionale) Klimamodelle die vergangene Sturmgefährdung hinreichend genau wiedergeben? Wie ändert sich auf regionaler Ebene das Sturmklima in der Zukunft? 9 29.09.2010 Michae Kunz kunz@kit.edu Extremereignisse im Klimawandel
Globalmodell vs Regionalmodell 10-jährliche Windgeschwindigkeiten C20: 1971-2000 ECHAM5: x 250 km REMO: x 10 km 26 22 33 32 18 28 14 24 10 20 6 m s -1 16 m s -1 10
Validierung Kontrollzeitraum C20 (1971-2000) Vergleich Beobachtung vs Modell (RCM) an zwei (repräsentativen) Gitterpunkten 11
Validierung Kontrollzeitraum C20 (1971-2000) Histogramm aus allen Stationen mit allen Gitterpunkten Biaskorrektur: v Differenz zwischen Referenz -und C20-Lauf v = 8.8 m s -1 v = 4.7 m s -1 Wiederkehrperiode 10 Jahre Referenz Messungen 12
Validierung Kontrollzeitraum C20 (1971-2000) Böengeschwindigkeit für eine Wiederkehrperiode 10 Jahre Referenz: CEDIM (1 x 1 km²) Klimamodell: REMO (10 x 10 km²) (Hofherr und Kunz, Clim. Res. 2009) (Kunz et al., Nat. Haz. Earth. Syst. Sci. 2010) 13
Änderungen Sturmklima nach Modell Relative Änderungen PRO (2021-2050) vs C20 (1971-2000) WP = 10 Jahre A2 A1B B1 14 29.09.2010 Michae Kunz kunz@kit.edu Extremereignisse im Klimawandel
Ensemble aus regionalen Modellen Relative Änderungen PRO (2021-2050) vs C20 (1971-2000) Mittel Standardabweichung (Rauthe et al. 2010, Meteor. Z.) 15 29.09.2010 Michae Kunz kunz@kit.edu Extremereignisse im Klimawandel
Ensemble aus regionalen Modellen Anzahl der regionalen Modelle mit Zunahme der relativen Änderungen 2 GCM Realisierungen ECHAM5-OM 3 RCM REMO + CCLM-KL+ CCLM-IMK 3 Szenarien A1B, B1, A2 Anstieg nicht eindeutig kein Anstieg (Rauthe et al. 2010, Meteor. Z.) 16
HARIS-CC (Hail Risk and Climate Change) Hintergrund Starke Zunahme Hagelereignisse in Baden- Württemberg Hauptschadenursache Gebäudeschäden inflationsbereinigt Wertfaktor 1.5 17
HARIS-CC (Hail Risk and Climate Change) Hintergrund Starke Zunahme Hagelereignisse in Baden- Württemberg Hauptschadenursache Gebäudeschäden Wie groß sind die räumlichen Unterschiede der Hagelgefährdung (Baden-Württemberg!)? Gibt es einen statistischen Zusammenhang zw. Hagelereignissen und atmosphärischen Bedingungen Welche Trends können beobachtet werden? Fragen 18
Erfassung von Hagel-/Gewitterstürmen Gewitterstürme Problematik: starke lokale Begrenzung Anforderungen Messungen: - hohe räumliche Auflösung (~1 km) - lange Messreihen - homogene, eindeutige Datensätze kein Datensatz erfüllt alle Kriterien Villingen- Schwenningen Radar Albis 28.06.2006 Kombination verschiedener Messdaten Klimamodelle 1970-2050 Blitzdaten 1991-2010 Versicherung -2010 Radardaten 2001-2010 Radiosonden 1952/1978-2010 Gewitterpotential Gewitterzugbahnen Schäden, Hageltage Intensität Gewitterpotenzial 19
Gefährdungsmodellierung Hagel Methoden Identifikation schadenrelevanter Hagelzugbahnen aus 3D Radardaten (TRACE3D) Kombination Schadendaten mit Radardaten in GIS Extremwertstatistik: Bestimmung Wahrscheinlichkeiten Karlsruhe Stuttgart Zugbahnen Hagelstürme 1997-2007 (Kunz und Puskeiler, Meteorol. Z. 2010) 20
Gefährdungsmodellierung Hagel Methoden Identifikation schadenrelevanter Hagelzugbahnen aus 3D Radardaten (TRACE3D) Kombination Schadendaten mit Radardaten in GIS Extremwertstatistik: Bestimmung Wahrscheinlichkeiten dbz Jährliche Radarreflektivität (dbz) 1997-2007 (Kunz und Puskeiler, Meteorol. Z. 2010) 21 29.09.2010 Michae Kunz kunz@kit.edu Extremereignisse im Klimawandel
Methoden: Trends Konvektionsindizes Hypothese: Entstehung von Gewitterstürmen ist mit bestimmten atmosphärischen Eigenschaften verbunden Methoden: Beschreibung schwerer Gewitterstürme durch verschiedene Indikatoren (Indizes, synoptische Systeme, ), die gut dokumentiert sind (Reanalysedaten, Radiosoden) Änderungen des Gewitterpotentials: Änderung / Trend der relevanten Indikatoren 22
Methoden: Trends Konvektionsindizes Zusammenhang zw. Konvektionsindizes (Radiosonden 12 UTC) und Beobachtungen Gewitter / Hagel (Bodenstationen, Radar, Schäden) Bestimmung (a) Indizes mit höchster Vorhersagegüte (b) geeignete Schwellenwerte observation yes no Gewitter starker Hagel Hagel forecast Skill scores yes A B no C D (Kunz, 2007 NHESS) 23
Trends Konvektionsenergie Beobachtungen Konvektive verfügbare potentielle Energie (CAPE) aus Radiosondenaufstiegen 1200 UTC 7 Radiosondenstationen Deutschland CAPE Boden CAPE Perzentile (Sommerhalbjahr): 90. Perz: 18 Tage 95. Perz: 9 Tage p.a. 90. Perz: 18 Tage 95. Perz: 9 Tage p.a. Gewitterpotential hat zugenommen 24
Trends Konvektionsenergie Beobachtungen Konvektive verfügbare potentielle Energie (CAPE) aus Radiosondenaufstiegen 1200 UTC (Sommer) Signifikanztest nach Mann-Kendall (90%) + Korrektur Autokorrelation 1978-2009: + 500 J kg -1 2010 1966-1995: - 300 J kg -1 + 1965 1960 90. Perzentile 2000 - Trend CAPE pro Jahr (J kg -1 a -1 ) 25
Trends Konvektionsenergie Beobachtungen Konvektive verfügbare potentielle Energie (CAPE) aus Radiosondenaufstiegen 1200 UTC (Sommer) 7 Radiosondenstationen Deutschland 90. Perz: ~18 Tage 95. Perz: ~9 Tage p.a. 456 ± 226 J/kg (Sig. 96%) CAPE 100hPa CAPE in J kg -1-83 ± 49 J/kg (Sig. 85%) CAPE Boden Jahr Jahr 26
Trends Konvektionsenergie Beobachtungen Hinweis Klimatrend: höhere Temperatur / Feuchte bodennah + kein Trend oder negativer Trend in höheren Schichten Mehr Energie in Atmosphäre verfügbar für hochreichende Konvektion Boden 850 hpa 700 hpa (Kunz et al., 2009 JOC) 27 29.09.2010 Michae Kunz kunz@kit.edu Extremereignisse im Klimawandel
Trends Konvektionsenergie Europa Linearer Trend der 90% Perzentile: 1978-2009 (Signifikanz: Mann-Kendall) Zunahme Signifikanz > 90% / 80% Abnahme Signifikanz > 90% / 80% 28 29.09.2010 Michae Kunz kunz@kit.edu Extremereignisse im Klimawandel
Trends Konvektionsenergie Klimamodell Regionales Klimamodell COSMO CLM 1971-2000 Antrieb: ERA-40 Reanalysen 2.5 x 2.5 Zweifaches Nesting bis 7 km x 7 km Zeitraum: 1971-2000 Trend in 30 Jahren CAPE (most unstable layer) Lifted Index (LI) 29
...zum Schluss Regionale Klimamodelle sind in der Lage, extreme Windgeschwindigkeiten in ihrer statistischen Verteilung realistisch abzubilden Ensemble notwendig, um Wahrscheinlichkeiten der Änderung zu quantifizieren und Robustheit der Ergebnisse abzuschätzen Zukünftig zu erwartende Änderungen (2021-2050): Norddeutschland: Zunahme der Böengeschwindigkeit (+2 bis +8%) Baden-Württemberg: sehr leichte Abnahme bis keine Änderung der Sturmaktivität (-4 bis 0%) Hagelgefährdung ist eine lokale Größe und muss auf dieser Skala abgeschätzt werden (Einfluss Orografie) Anzahl Hageltage p.a. haben in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen (nach Gebäudeschadendaten) Konvektionspotential in der Atmosphäre hat erheblich (statistisch signifikant) zugenommen; Hinweis auf Einfluss Klimawandel 30