Deutscher Bundestag. Sachstand. Zwangsarbeit und Entschädigung. Wissenschaftliche Dienste WD /11

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Transkript:

Deutscher Bundestag Zwangsarbeit und Entschädigung

Seite 2 Zwangsarbeit und Entschädigung Verfasser/in: Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: 19. Mai 2011 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin.

Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zwangsarbeiter 4 2. Anzahl der Zwangsarbeiter 4 3. Anzahl der Zwangsarbeiterlager 5 4. Entschädigungsleistungen 7 5. Links und Literatur 9

Seite 4 1. Zwangsarbeiter Mehr als 20 Millionen Menschen aus fast ganz Europa mussten während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeit im Deutschen Reich oder den besetzten Gebieten leisten. Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge aus den Konzentrationslagern wurden dazu gezwungen, unter in vielen Fällen unsäglichen Bedingungen bis an das Ende ihrer Kräfte zu arbeiten. Es lassen sich fünf Gruppen von Zwangsarbeitern definieren: Kriegsgefangene, die entgegen der Bestimmungen der Genfer Konvention und der Haager Landkriegsordnung (HLKO) zur Arbeit in Rüstungsbereichen oder entgegen ihres Ranges (Offiziere und Unteroffiziere) zur Arbeit herangezogen wurden. Kriegsgefangene, die aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurden und sich in Deutschland zum Arbeitsdienst verpflichten mussten. Zivilisten, d.h. Männer, Frauen und Kinder, die gegen ihren Willen nach Deutschland verbracht wurden, oft mit Gewalt oder unter Androhung von Gewalt. Zivilisten, die sich freiwillig zum Arbeitseinsatz meldeten, aber von falschen Versprechungen angelockt wurden sowie die, die nach Ablauf ihres Vertrages nicht in die Heimat zurückkehren durften. Ausländische Staatsbürger, die u.a. wegen Widerstandstätigkeiten gegen die deutsche Besatzungsmacht zu Haftstrafen verurteilt und dann zum Arbeitseinsatz gezwungen wurden. 2. Anzahl der Zwangsarbeiter Ende 1944 waren auf dem Gebiet des Großdeutschen Reiches rund 8 Millionen ausländische Arbeiter und Arbeiterinnen sowie Kriegsgefangene als im Arbeitseinsatz gemeldet. Zählt man hierzu die Zahl derjenigen, die nur einen bestimmten Zeitraum und überwiegend freiwillig im Reichseinsatz waren, so beträgt die Gesamtzahl der ausländischen Arbeitskräfte, die zwischen 1940 und 1945 in der Wirtschaft des Dritten Reiches tätig waren, rund 9,5 Millionen. Darüberhinaus arbeiteten noch Hunderttausende KZ-Insassen für die deutsche Wirtschaft. Mark Spoerer geht davon aus, dass während des Zweiten Weltkrieges auf dem Gebiet des Großdeutschen Reiches ca. 13,5 Millionen ausländische Arbeitskräfte und Häftlinge von Konzentrationslagern und ähnlichen Haftlagern waren. Unter Berücksichtigung ihres zum Teil mehrmaligen Statuswechsel waren davon 8,4 Millionen Zivilarbeiter, 4,6 Millionen Kriegsgefangene und 1,7 Millionen KZ-Häftlinge und Arbeitsjuden. Hinzu gezählt werden noch die in den deutsch besetzten oder kontrollierten Gebieten eingesetzten Zwangsarbeiter. Deren Zahl veranschlagt Spoerer mit mindestens 10 Millionen. Viele von ihnen sind nach dem Einsatz in den besetzten Gebieten ins Reich deportiert worden. Zählt man zudem die mindestens 7 Millionen Menschen hinzu, die ausschließlich in den deutsch besetzten und kontrollierten Gebieten Zwangsarbeit leisten mussten, so haben insgesamt über 20 Millionen Menschen aus vielen Teilen Europas Zwangsarbeit für das nationalsozialistische Deutschland geleistet.

Seite 5 Gegen Kriegsende war etwa jede vierte Arbeitskraft im Deutschen Reich ein Kriegsgefangener oder Fremdarbeiter, so die Bezeichnung für die ausländischen Zivilbeschäftigten. Dazu kamen noch mehrere Hunderttausend meist ausländische Häftlinge aus Hunderten von KZ-Haupt- und Außenlagern sowie Juden aus Zwangsarbeitslagern, die vorwiegend in der Bauwirtschaft und in der Rüstungsindustrie arbeiten mussten. Einer Aufstellung von Jens-Christian Wagner zufolge der sich wiederum auf Mark Spoerers Forschungen stützt, leisteten folgende Gruppen Zwangsarbeit im Deutschen Reich: 1 Fremdarbeiter : Nach Deutschland gebrachte Zivilarbeiter und -arbeiterinnen aus den besetzten Gebieten, denen es verboten war, ihren Arbeits- und Aufenthaltsort zu verlassen. Meistens waren sie in Gemeinschaftslagern untergebracht. Innerhalb dieser Gruppe waren die Existenzbedingungen für polnische Arbeitskräfte und sogenannte Ostarbeiter (sowjetische zivile Arbeitskräfte) am schlechtesten. Die Gesamtzahl betrug 8,4 Millionen Männer und Frauen. Kriegsgefangene: 4,6 Millionen Männer wurden in der Rüstungsindustrie und in der Landwirtschaft eingesetzt. Strafgefangene: Im Verlaufe des Krieges wurden auch die Insassen von Gefängnissen und Strafgefangenenlagern zunehmend zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie herangezogen. Ihre Anzahl dürfte bei 200.000 liegen. Arbeitsjuden : Seit 1938 wurde die jüdische Bevölkerung im deutschen Machtbereich zur Zwangsarbeit herangezogen. Untergebracht waren diese Menschen in Zwangsarbeiterlagern und Ghettos. Fast alle wurden später in den Vernichtungslagern ermordet. Die Gesamtzahl der Juden und Jüdinnen, die im Reichsgebiet außerhalb der Konzentrationslager Zwangsarbeit leisten mussten, beträgt etwa 110.000. Außerhalb der Reichsgrenzen waren die Zahlen wesentlich höher. KZ-Häftlinge: Seit 1943 wurden fast alle KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie herangezogen. Die Gesamtzahl betrug etwa 1 Millionen Männer und Frauen. 3. Anzahl der Zwangsarbeiterlager Die meisten Zwangsarbeiter lebten in Lagern, von denen in Deutschland rund 30.000 existierten. Je nach Verpflichtungsart und Herkunft der Arbeitskräfte waren die Lebensbedingungen in diesen Lagern sehr unterschiedlich. (vgl. http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/zwangsarbeit/index.html). Zum Teil sind jedoch nur ungenaue Aussagen über die konkrete Zuordnung einzelner Lager innerhalb des nationalsozialistischen Lagersystems möglich, da viele Haftstätten und Lager im Laufe der Jahre einen Funktionswandel erlebten oder verschiedene Funktionen zugleich erfüllten. Einen Überblick über die Lagerarten bieten auch hier die Seiten des Bundesarchivs zum Thema Zwangsarbeit: http://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/haftstaetten/index.php?tab=2. 1 Vgl. Jens-Christian Wagner (2010): Zwangsarbeit im Nationalsozialismus. Ein Überblick, in: Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg. Begleitband zur Ausstellung, hrsg. von Volkhard Knigge, Rikola- Gunnar Lüttgenau und Jens-Christian Wagner im Auftrag der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Weimar, S. 180-193, hier S. 181.

Seite 6 Im Zuge der Auszahlungen von Entschädigungen an ehemalige Zwangsarbeiter durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft entstand ein sogenanntes Haftstättenverzeichnis (http://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/haftstaetten/index.php). Das Haftstättenverzeichnis der Stiftung EVZ bietet Informationen zu rund 3.800 Lagern und Haftstätten, die im Rahmen der Auszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen von der Stiftung EVZ (www.stiftung-evz.de) berücksichtigt wurden. Das Verzeichnis enthält Informationen über die Nutzungsdauer als Haftorte für Zwangsarbeiter, die geografische Lage sowie Literatur- und Quellenangaben. (http://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/haftstaetten/index.php?tab=2). Für das Deutsche Reich listet das Haftstättenverzeichnis bei Eintrag von Deutschland in der Suchmaske 630 Datensätze auf. Für Brandenburg werden unter Region-Eintrag Brandenburg 79 Datensätze aufgelistet. (Anlage) Allein in Berlin und Umgebung entstanden ab Herbst 1942 etwa 170-KZ-Außenlager. Das Wissen über diese Zwangsarbeiterlager ist jedoch noch immer sehr begrenzt. Mehr als eine halbe Million Menschen mussten in Berlin während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeit leisten. 2 Das KZ-Außenlager Kleinmachnow war für die Dreilinden Maschinenbau GmbH, ein Tochterbetrieb des Bosch-Konzerns, eingerichtet worden. 3 Das Dreilinden-Werk, eine Rüstungsfabrik, galt als kriegswichtig. Seit Herbst 1944 arbeiteten dort etwa 800 meist sehr junge Frauen. Von Firmenmitarbeitern waren sie gemeinsam mit der SS im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück ausgesucht worden, um vor allem Zubehör für Flugzeugmotoren herzustellen. Gegen Ende des Krieges haben mindestens 5.000 Menschen in der Dreilinden Maschinenbau GmbH gearbeitet, darunter 2.500 Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge und sogenannte zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Das KZ Kleinmachnow existierte als Außenlager des KZ Sachsenhausen einige Monate auf dem Firmengeländer der Dreilinden Maschinenbau GmbH, und zwar vom 1. März 1944 bis zum 30. April 1945. Das Werk lag in einer Schattenregion, d.h. in einem Waldgebiet, dessen Baumbestand nahezu vollständigen Schutz vor Fliegereinsicht bot. 2 Vgl. Pagenstecher, Cord/Bernhard Bremberger/Gisela Wenzel (2008): Zwangsarbeit in Berlin. Archivrecherchen, Nachweissuche und Entschädigung, Berlin: Metropol. 3 Vgl. Martin, Angela (2002): Ich sah den Namen Bosch. Polnische Frauen als KZ-Häftlinge in der Dreilinden Maschinenbau GmbH, Berlin: Metropol, hier die Einleitung von Wolfgang Benz, S. 11.

Seite 7 4. Entschädigungsleistungen Leistungen der öffentlichen Hand auf dem Gebiet der Wiedergutmachung, Stand 31.12.2009: Beträge in Mrd. Bisherige Leistungen Bis 2008 2009 Bis 2009 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) 45,725 0,362 46,087 Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG) 2,023 0,000 2,023 Entschädigungsrentengesetz (ERG) 0,776 0,014 0,790 NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz (NS-VEntschG) 1,556 0,158 1,714 Israelvertrag 1,764 0,000 1,764 Globalverträge 1,460 0,000 1,460 Sonstige Leistungen 5,031 0,160 5,191 Leistungen der Länder außerhalb des BEG 1,642 0,040 1,682 Härteregelungen (ohne Länder) 3,531 0,320 3,851 Stiftung EVZ 2,556 0,000 2,556 Gesamt 66,064 1,054 67,118 Leistungsprogramm der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft Die Stiftung EVZ hat keine laufenden Entschädigungszahlungen vorgenommen, sondern nur Einmalzahlungen. Die Stiftung wurde mit einem Gesamtbetrag von 5,1 Mrd. Euro ausgestattet, von denen der Bund 2,556 Mrd. getragen hat, den restlichen Betrag haben die Unternehmen der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft übernommen. Bis zum Abschluss des Auszahlungsverfahrens im Jahr 2007 wurden über 4,7 Mrd. Euro für rund 1,7 Mill. leistungsberechtigte NS-Opfer, in erster Linie Zwangsarbeiter, verausgabt.

Seite 8 Zusätzlich zu den Mitteln, die für den Ausgleich von Zwangsarbeit vorgesehen waren, sah das Stiftungsgesetz die Einrichtung eines Plafonds in Höhe von 50 Mio. DM (25,56 Mio. Euro) vor, aus dem "sonstige Personenschäden im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht" ( 9 Abs. 3) entschädigt werden sollten. Leistungsberechtigt waren hier zum einen die Opfer der menschenverachtenden Versuche der NS-Medizin, zum anderen Personen, die als Kinder von ehemaligen NS-Zwangsarbeitern von ihren Eltern getrennt und in einem Zwangsarbeiterkinderheim untergebracht worden waren. Leistungen erhielten auch ehemalige Zwangsarbeiter, deren Kinder in einem solchen Kinderheim verstarben. An die rund 8.000 überlebenden Opfer der bezeichneten Verbrechen, die Anträge auf Ausgleichszahlungen gestellt hatten, wurden jeweils rund 6.700 Euro ausbezahlt; Rechtsnachfolger von Leistungsberechtigten erhielten eine geringere Leistung.

Seite 9 5. Links und Literatur Bundesarchiv: Seiten zur Zwangsarbeit: http://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/. Bundesministerium der Finanzen: Leistungen der öffentlichen Hand auf dem Gebiet der Wiedergutmachung: http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_4394/de/wirtschaft und Verwaltung/Finanz u nd Wirtschaftspolitik/Vermoegensrecht und Entschaedigungen/Kriegsfolgen und Wiederg utmachung/leistungen_20der_20_c3_b6ffentlichen_20hand_20auf_20dem_20gebiet_20der_20wieder gutmachung_2031.12.2008,templateid=raw,property=publicationfile.pdf. Bundesministerium der Finanzen: Entschädigung von NS-Unrecht Regelungen zur Wiedergutmachung: http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_4324/de/wirtschaft und Verwaltung/Finanz u nd Wirtschaftspolitik/Vermoegensrecht und Entschaedigungen/Kriegsfolgen und Wiederg utmachung/node.html? nnn=true. Dressler, Janine (Projektleitung): Das Schicksal von Kindern ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die zwischen 1944 und 1945 in Deutschland geboren wurden, gefördert durch die Robert Bosch Stiftung und die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft : http://www.zwangsarbeiter-s-h.de/ergebnisse/neuengamme/neuengamme.pdf. Goschler, Constantin (2005): Schuld und Schulden. Die Politik der Wiedergutmachung für NS- Verfolgte seit 1945, Göttingen: Wallstein-Verlag. Heusler, Andreas/Mark Spoerer/Helmuth Trischler (Hrsg.) (2010): Rüstung, Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit im Dritten Reich. Im Auftrag von MTU Aero Engines und BMW Group, München: R. Oldenbourg Verlag. Martin, Angela (2002): Ich sah den Namen Bosch. Polnische Frauen als KZ-Häftlinge in der Dreilinden Maschinenbau GmbH, Berlin: Metropol. Pagenstecher, Cord/Bernhard Bremberger/Gisela Wenzel (2008): Zwangsarbeit in Berlin. Archivrecherchen, Nachweissuche und Entschädigung, Berlin: Metropol. Spiliotis, Susanne-Sophia (2003): Verantwortung und Rechtsfrieden. Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag. Spoerer, Mark (2001): Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945, Stuttgart u.a.: Deutsche Verlagsanstalt. Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg. Begleitband zur Ausstellung, hrsg. von Volkhard Knigge, Rikola-Gunnar Lüttgenau und Jens-Christian Wagner im Auftrag der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Weimar 2010.