Lk 7,36-50 Der Predigttext lädt uns heute ein, Platz zu nehmen an der Tafel eines Pharisäers. Er veranstaltet ein Gastmahl, zu dem jeder kommen darf. Einige sind schon versammelt und haben sich zu Tisch gelegt. So gesellen wir uns dazu und erleben mit, was Lukas uns im 7. Kapitel seines Evangeliums berichtet: [Predigttext verlesen] Friede sei mit dir, lieber Simon! Vielen Dank für die Einladung zu deinem Gastmahl vor zwei Tagen. Die Geschehnisse dort haben mich seither noch sehr beschäftigt was mich auch dazu genötigt hat, dir diesen Brief zu schreiben. Ich muss an diese Geschichte denken, die dein Gast Jesus erzählt hat. Zwei Schuldner können ihre Schulden nicht zurückzahlen. Da werden sie ihnen erlassen als Geschenk, aus reiner Gnade. Wie hätten sie es auch jemals zurückzahlen können. 50 Denare Schulden heißt für einen einfachen Arbeiter auf den Lohn für 50 Arbeitstage zu verzichten. Das ist ja schon unmöglich. Noch weniger machbar ist es 500 Denare zurückzuzahlen. Eigentlich hatten die beiden damit ihr Leben verwirkt. Nach dem logischen oder vielleicht dem wirtschaftlichen Menschenverstand müssten die beiden, samt der Familie, in die Schuldknechtschaft. Stattdessen erhalten sie ihr Leben, ihre Freiheit und damit auch Zukunft, die sie gestalten können. Nichts mehr, was ihnen sozusagen auf den Schultern lastet und sie niederdrückt. Der Gläubiger schenkt ihnen weit mehr als die 50 bzw. 500 Denare. Ich denke, dass beide dem Gläubiger sehr dankbar gewesen sein müssen. Ich hab mich bei Jesu Frage, wer den Gläubiger wohl mehr geliebt hat, gefragt, ob sie ihn nicht vielleicht genau gleich geliebt haben. Aber vielleicht auch nicht. Vielleicht hat tatsächlich der Mann mit den 500 Denaren ihn mehr geliebt, weil seine Lage einfach aussichtloser war. Wenn man nur 50 Denare schuldig ist, ist man vielleicht eher geneigt, zu denken, dass man es doch
irgendwie schafft. Und dann fühlt man sich in seinem Ehrgeiz oder Stolz gekränkt. Das kennen wir doch alle, oder Simon? So nach dem Motto: Das schaff ich schon allein, dazu brauch ich keine Hilfe, irgendwie wird es schon klappen. Und dann ist man ein wenig geknickt, wenn einem dann doch geholfen wird, weil man es doch ohne fremdes Zutun hinbekommen wollte. Mein lieber Simon, mit dieser kleinen Geschichte hat Jesus uns wohl allen den Spiegel vorgehalten. Da hat Jesus dich ganz schön dran gekriegt, wo er dir doch im Anschluss aufgezeigt hat, dass die Frau ihn viel mehr liebt bzw. ihm dankbarer ist als du. Aber ich bin mir sicher, das galt nicht nur dir, zumindest ich hab mich darin auch wieder gefunden. Aber ist dir das alles überhaupt klar geworden, Simon? Du schienst mir so wütend über den Vorfall gewesen zu sein, dass ich nicht weiß, ob die Worte Jesu dich überhaupt getroffen haben. Vielleicht hast du auch an seinem Ruf gezweifelt, als er sich plötzlich von der Frau hat salben lassen. Du sahst zumindest etwas erbost aus. Ist ja auch allerhand, was die sich erlaubt hat dachte ich zuerst. Aber nachdem ich über Jesu Worte nachgedacht habe, finde ich ihre Tat gar nicht mehr so merkwürdig. Nein, eigentlich finde ich ihre Tränen, ihre Zärtlichkeit, ihre Hingabe zum Heulen schön. Mir selbst sind gestern die Tränen gekommen, als ich verstanden habe, was sie wohl angetrieben hat, so etwas zu tun. Sie muss etwas von dem gewusst haben, was uns alle verwundert hat: Dass Jesus Sünden vergeben kann. Dass er von dem befreien kann, was ihr auf den Schultern lastet. Dass er ihr Leben schenkt, das sie eigentlich verspielt hatte. Denn eigentlich hatte die doch nichts mehr zu sagen. Die war doch als Sünderin abgestempelt und von aller anständigen Gemeinschaft ausgeschlossen. Allen voran aus der Gemeinschaft derer, die sich im Gottesdienst versammeln und die sich zu den Auserwählten Gottes zählen. Aber, Simon, ist es dir aufgefallen? Schon allein, dass sie dazu gekommen ist in
dein Haus, zu einem Gastmahl, bei dem einige der wichtigsten Männer der Stadt waren, zeigt schon etwas: Wegen diesem Jesus traute sie sich in dein Haus und kam in unsere Gemeinschaft. Sie musste und wollte nicht draußen bleiben. Wir wollten das vielleicht und eingeladen hätten wir sie auf keinen Fall. Aber durch Jesus war sie dabei. Nein, mein Freund, ich denke nicht, dass Jesus sie eingeladen hat. Aber er hat etwas in ihr bewirkt, dass ihr Mut gemacht hat, in unsere Runde zu kommen. Was das war, kann ich nur vermuten, aber ich finde es zum Heulen schön. Was muss in dieser Frau an Dankbarkeit und Liebe für diesen Jesus sein, dass sie so etwas tut? Die muss doch überwältigt worden sein von einer Erkenntnis und ich vermute, es war die Erkenntnis, dass Jesus sie von ihrem unglaublich großen Schuldenberg befreit und ihr damit einen Weg in die Zukunft öffnet. Das, was Jesus zum Schluss ausgesprochen hat: Dir sind deine Sünden vergeben, das hat sie schon vorher gespürt. Dieser Mann kann mich entlasten, er nimmt mich an trotz meiner Schuld und lässt mich in unbeschwert Freiheit leben. Und jetzt kommt s, mein lieber Simon. Weißt du noch, wie die Worte lauteten, die Jesus vor der Sündenvergebung aussprach? Ich hab sie mir gut gemerkt: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. Die Dankbarkeit und Liebe der Frau Jesus gegenüber war für mich überwältigend. Die hat mich ergriffen, ich hab mich mit ihr mitgefreut, dass sie so eine befreiende Erfahrung machen durfte, wo sie doch sonst auch von uns so viel Ablehnung und Ausgrenzung erfahren muss. Und vielleicht ist es dir aufgefallen: Jesus spricht im ersten Teil nur über die Frau ihre vielen Sünden, sie hat viel Liebe gezeigt. Im zweiten Teil wird Jesus aber ganz allgemein Wem der ; Das war kein Angriff gegen dich, sondern sollte uns alle zum Nachdenken bringen.
Mein lieber Simon, jetzt möchte ich noch mal auf das zurückkommen, was ich dir über diese Geschichte mit den Schuldnern geschrieben habe. Erinnerst du dich, was ich zu dem mit den 50 Denaren Schulden meinte? Eigentlich ist es für ihn genauso schwer möglich, die Schulden zurückzuzahlen wie für den anderen, der 500 Denare schuldig war. Aber er hat vielleicht ein bisschen mehr den Ehrgeiz, es alleine zu schaffen, und ist deshalb nicht ganz so erfreut wie der andere über den Schuldenerlass. Und nun, frag ich dich Simon: Ist es bei uns beiden nicht auch so mit Blick auf unsere Schuld? Du und ich wir sind Pharisäer, fromme Männer. Wir kennen die Gebote und versuchen sie einzuhalten. Kommen wir uns da nicht auch so vor wie der, der weniger schuldig war? Denken wir nicht auch, dass wir es schon hinbekommen werden, so zu leben wie Gott es will? Natürlich freuen wir uns an Gott und an seinen Geboten aber hast du schon einmal eine solche Dankbarkeit verspürt, wie diese Frau vorgestern? Und ich frag dich: Liegt das nicht auch daran, dass wir immer wieder zu stolz sind, zuzugeben, dass auch wir es nicht schaffen, sündlos zu leben? Wir denken doch oft, dass wir gut und fromm sind, dass Gott mit uns wirklich zufrieden sein muss. Aber ist er das wirklich? Macht ihn es beispielsweise glücklich, wenn wir über Menschen wie diese Frau so abfällig denken? Ich glaube, mein lieber Freund, dass wir manches Mal zu stolz sind um zuzugeben, dass auch wir Fehler und Schuld begehen. Dieses Ereignis vorgestern bei dir hat mir aber die Augen dafür geöffnet, dass ich damit das Geschenk der Vergebung verschmähe. Wenn ich Gott nicht bekennen kann, was mich von ihm, meinen Mitmenschen und von mir selbst trennt, werde ich auch nicht die Erfahrung dieser Frau machen, niemals die Erfahrung einer solchen Dankbarkeit sammeln können. Mein lieber Simon, ich wollte dir das schreiben, weil ich nicht wusste, ob du all das in deinem Ärger und deiner Enttäuschung als Gastgeber überhaupt mitbekommen
hast. Vielleicht helfen dir meine Gedanken zu verstehen, warum das alles so passiert ist. So soll es sein Amen.