Ableitung des ökologischen Referenzzustandes mit einem integrierten Ansatz aus Modellen und Messwerten René Friedland Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde G. Schernewski, G. Nausch, T. Neumann, N. Wasmund (IOW) W. Leujak (UBA), T. Petenati (LLUR), M. v. Weber (LUNG), M. Venohr, M. Gadegast (IGB) Meeresumweltsymposium, 03.06.2014
Oder Gewässerqualitätsziele für die Ostsee zwischen MSRL und WRRL
EU Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie MSRL EU Wasserrahmen-Richtlinie WRRL gemeinsames Ziel: guter ökologische Zustand Basierend auf Referenzbedingungen: Sehr guter Zustand mit keiner oder nur wenig Störung durch menschliche Aktivitäten
Deskriptoren laut MSRL D1 Die biologische Vielfalt D2 Nicht einheimische Arten D3 Fischerei D4 Stabilität der Nahrungsnetze D5 Eutrophierung der Meere D6 Integrität des Meeresgrundes D7 Hydrografische Bedingungen D8 Schadstoffe im Meer D9 Schadstoffe in Meeresfrüchten D10 Müll im Meer D11 Lärm- und Energieeinleitungen
Eutrophierungskette Fluss MSRL: Baltic Sea Action Plan (BSAP) Ansatz: Reduzierung der Frachten Flüsse WRRL Ansatz: Management Flusseinzugsgebiet Ziel: Flusskonzentration Übergangsgewässer Ziel: Übergangsgewässer Flusseinzugsgebiet Übergangsgewässer Küstengewässer Ostsee Küstengewässer Ziel: Guter Zustand Ostsee Ziel: Küstengewässer Ostsee
1. MSRL 2.WRRL Ostseeweit Gemeinsames Vorgehen der Ostseestaaten Koordiniert über HELCOM Beschränkt auf 1SM-Zone Zuständigkeit national Nationale Definition des Referenzzustandes
MSRL: Baltic Sea Action Plan Beschlossen 2007 Überarbeitet 2013 Grundlage: TARGREV-Report (2012) Zielwerte für 13 Subbasins der Ostsee => sehr grobe Mittelwerte Basierend auf dem vorindustriellen Zustand Berechnungen mit 3 Ökosystemmodellen Berechnung maximal erlaubter Frachten Für jedes Land und 7 Becken Verwendung eines Ökosystemmodells (Baltic Nest Institute) Reduktionen von TN (Baltic Proper, Golf von Finnland, Kattegat) und TP (Baltic Proper, Golf von Finnland, Golf von Riga)
Regionen zur Zielwertberechnung: FB Fehmarn Belt AB Arkonasee BH Bornholmbecken Aggregation der Frachten: Kattegat = KN, KC & KS Dänische Straßen = SB, FB & OS Baltic Proper = AB, BH & BP
Gewässertypen für WRRL über Salzgehalt definiert!
Gradienten spiegeln sich nicht wieder
Unser Ansatz Transfer der heutige gemessenen Gewässerqualität in den Referenzzeitraum keine Rekonstruktion des historischen Zustandes 2 Modellsimulationen: historische Nährstofffrachten aktuelle Nährstofffrachten Berechnung für die gesamte Ostsee => Bestimmung von Zielwerten für MSRL möglich 1880: Makrophytendominiert = sehr guter ökologischer Zustand
Unsere Referenzsituation: 1880 Einwohner: 1.4 Mio (~50% von heute) Städte/ Flüsse an denselben Positionen Statistiken zur Landnutzung existieren (Kaiserliches Statistisches Amt 1879): Ackerfläche 55% (etwa soviel wie heute) Wälder 18% Grünland 15% Extensive Landwirtschaft (keine N-Düngung) Erosion: ~1/6 im Vergleich zu heute Dränagen und städtische Abwassersysteme existieren
Bislang: Referenzsituation Einzugsgebiet vom Mensch unberührt Vollständig bewaldet Situation nicht eingetreten (zumindest in den letzten 6.000 Jahren) Resultat: unerreichbar niedrige Nährstofffrachten und Zielwerte in den Küstengewässern und Flüssen Vorteil unseres Ansatzes: Referenzzustand realistisch Erreichbare Zielwerte
Fluss Flusseinzugsgebiet Übergangsgewässer Küstengewässer Ostsee 1. Historische Simulation 2. Aktuelle Simulation Frachten von MONERIS Frachten von PLC 5.5 (IGB Berlin) & TN: 5.127 t/a Landesumweltämtern TP: 227 t/a TN: 19.690 t/a TP: 526 t/a Ostseemodell ERGOM-MOM (IOW) Physikalische Größen (Strömungen, Salz, Temperatur) Biogeochemische Größen (Nährstoffe, Chlorophyll) Vorteile: Reproduktion der Gradienten von Emissionsquellen über Küstengewässer zu offenen Ostsee Hydrodynamik und Transportprozesse Veränderungen in der Nährstofflimitation im Modell
Historische simulierte Chlorophyll Konzentration dividiert durch die aktuelle ergibt Relative Veränderung = Transferfaktor
Multiplikation der relativen Veränderung mit den gegenwärtig gemessenen Konzentrationen ergibt den Referenzzustand und den neuen Zielwert (+50%) Beispiel: Station O5 (bei Warnemünde)
Analog für TN & TP (Jahresmittelwerte)
Neu vorgeschlagene Zielwerte: Chlorophyll
Natürliche Gradienten werden reproduziert!
Vorteile des Ansatzes Individuelle Referenz- und Zielwerte für jeden Wasserkörper und Parameter Berücksichtigung der spezifischen Reaktion jedes Wasserkörpers auf veränderte Nährstofffrachten Erreichbarkeit der Zielwerte gegeben Gradient der Messwerte spiegelt sich wieder Parallele Berechnung der MSRL-Zielwerte möglich (wenn aktuelle Messwerte verfügbar sind)
Konsistente Harmonisierung der WRRL- mit den MSRL-Zielwerten möglich TARGREV (2013) Schernewski et al. (subm.) CHL.a [µg/l] TN [µmol/l] TP [µmol/l] CHL.a [µg/l] TN [µmol/l] TP [µmol/l] Danish Straits Arkona Basin Bornholm Basin 1,44 21,8 0,97 1,56 (+) 19,3 (-) 0,47 (-) 1,89 17,4 0,66 1,79 (-) 19,3 (+) 0,52 (-) 2,44 16,3 0,57 1,97 (-) 16,7 (+) 0,46 (-)
Zielwert Flussfracht Vereinfachter Ansatz Chlorophyll-Konz. und Frachten gemittelt WRRL-Ziel: Verringerung der Chl.-Konz um 20% Notwendig: Reduktion der TN-Fracht um 34% (PL & DK ebenso) Deutlich stärkere Reduktion als im BSAP (10%)
Maximal erlaubte deutsche Frachten (atmosph. Deposition in die südwestl. Ostsee) Total N [t/a] Atmospheric TN [t/a] Waterborne TN [t/a] River conc. TN [mg/l] Total P [t/a] Chl.a [µg/l] Historisch (1880) 9.027 3.900 5.127 1,2 227 2,4 Referenz 1997-2003 (PLC 5.5) TN-Reduktion (34%) nur in den Flüssen Göteborg-Protokoll (atmosph. TN -20%) 32.697 13.007 19.690 4,7 526 4,5 21.477 13.007 8.470 2,0 526 3,6 21.477 10.406 11.072 2,6 526 3,6 BSAP (2013) 29.640 11.900 17.740 4,3 356 4,2 TN-Reduktion (34%) + TP aus BSAP (2013) TN-Reduktion (47%) + TP aus BSAP (2013) 21.477 8.544 12.934 3,1 356 4,0 17.310 6.886 10.424 2,5 356 3,6
Fazit Berechnung individualisierter Zielwerte für die WRRL-Wasserkörper Der gute ökologischen Zustand nach MSRL genügt nicht für die Küstengewässer. Frachtreduktion vom BSAP (2013) trotzdem wichtiger Schritt Ein einheitliches Vorgehen zwischen MSRL und WRRL ist notwendig und möglich. Nutzung der Revisionszyklen für Monitoring und Verbesserung von Modell und Gesamtansatz
Schernewski, Friedland, Carstens, Hirt, Leujak, Nausch, Neumann, Petenati, Sagert, Wasmund & von Weber: Implementation of European marine policy: New water quality targets for German Baltic waters (eingereicht bei Marine Policy)