Rechtsfragen der Lärmsanierung und Lärmvorsorge nach dem BImSchG

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Transkript:

Rechtsfragen der Lärmsanierung und Lärmvorsorge nach dem BImSchG 2018 Deutscher Bundestag

Seite 2 Rechtsfragen der Lärmsanierung und Lärmvorsorge nach dem BImSchG Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: 24. Januar 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen.

Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Ansprüche auf Lärmsanierung gegenüber dem Staat 4 3. Ausnahme von der Pflicht zum aktiven Lärmschutz bei neu errichteten Bahnstrecken 6

Seite 4 1. Einleitung Um die Lärmsituation im deutschen Bahnnetz zu verbessern, hat die Bundesregierung 1999 ein Investitionsprogramm unter dem Titel Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen des Bundes ins Leben gerufen. Seit Beginn dieser Lärmsanierungen wurden bereits 1.700 Kilometer Strecke saniert und 700 Kilometer Schallschutzwände errichtet, wobei bis zum Jahr 2020 weitere 2.000 Streckenkilometer lärmsaniert werden sollen. 1 Trotz dessen stellt die Belastung der Bürger mit Bahnlärm auch heute noch ein relevantes und medienwirksames Problem dar. 2 Die von der Bahn im Rahmen dieses Programms betriebene Lärmsanierung darunter fallen Lärmschutzmaßnahmen an bereits bestehenden Schienenwegen muss terminologisch von der sog. Lärmvorsorge abgegrenzt werden, die Lärmschutzmaßnahmen bei dem Neubau oder der wesentlichen Änderung von Schienenwegen betrifft. Im Rahmen von Lärmsanierungsmaßnahmen stellt sich dabei die Frage, ob dem einzelnen Bürger ein Anspruch auf bestimmte Lärmsanierungen gegenüber dem Staat zusteht. Daneben soll hinsichtlich der Lärmvorsorge dargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen auch bei dem Neubau von Bahnstrecken auf Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes verzichtet werden kann. 2. Ansprüche auf Lärmsanierung gegenüber dem Staat Zunächst stellt sich damit die Frage, ob sich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BIm- SchG) 3 ein einfachgesetzlicher Rechtsanspruch auf die Lärmsanierung von Bahnstrecken herleiten lässt. Gem. 41 Abs. 1 BImSchG ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung von Eisenbahnen sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Fraglich ist jedoch, ob es sich bei einer bloßen Lärmsanierung eines Schienenweges um einen Bau oder eine wesentliche Änderung im Sinne des 41 Abs. 1 BImSchG handelt. Unter dem Begriff Bau im Sinne von 41 Abs. 1 BImSchG ist nur die Neuerrichtung eines Verkehrsweges zu verstehen, 4 womit eine Anwendung bei Maßnahmen zur Lärmsanierung ausscheidet. Außerdem 1 Deutsche Bahn AG, Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen, abrufbar unter: https://www1.deutschebahn.com/laerm/infrastruktur/laermsanierung.html [letzter Abruf: 24. Januar 2018]. 2 Vgl. jüngst Fuldaer Zeitung v. 23. Januar 2018, Gegen Schienenlärm: Zweite Phase der Bürgerbeteiligung startet, abrufbar unter: http://www.fuldaerzeitung.de/regional/huenfeld/gegen-schienenlarm-zweite-phase-der-burgerbeteiligung-startet-fy7405070 [letzter Abruf: 24. Januar 2018]; Westdeutsche Zeitung v. 22. Januar 2018, Krefelder fühlen sich vom Zugverkehr gestört, abrufbar unter: http://www.wz.de/lokales/krefeld/krefelder-fuehlensich-vom-zugverkehr-gestoert-1.2602270 [letzter Abruf: 24. Januar 2018]; Bonner Rundschau v. 15. Januar 2018, Vibration und Kahlschlag: Anwohner des Sechtemer Bahnhofs beschweren sich über Weiche, abrufbar unter: https://www.rundschau-online.de/region/bonn/bornheim/vibration-und-kahlschlag-anwohner-des-sechtemerbahnhofs-beschweren-sich-ueber-weiche-29488514 [letzter Abruf: 24. Januar 2018]. 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2771), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bimschg/bjnr007210974.html [letzter Abruf: 24. Januar 2018]. 4 Vgl. Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, 41, Rn. 21.

Seite 5 handelt es sich bei der Lärmsanierung einer Bahnstrecke nicht um eine wesentliche Änderung. Eine solche ist bei Bahnstrecken gem. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV dann gegeben, wenn die Bahnstrecke um ein oder mehrere durchgehende Gleise baulich erweitert wird. Dies ist bei bloßen Lärmsanierungsmaßnahmen nicht gegeben. Bloße Lärmschutzmaßnahmen an bereits bestehenden Verkehrswegen werden damit von 41 Abs. 1 BImSchG nicht erfasst. 5 Der Gesetzgeber hatte die Lärmsanierung im BImSchG sogar bewusst ausgespart. 6 Daneben kann ein Anspruch auf Lärmsanierung an Schienenwegen auch nicht aus den Grundrechten, namentlich aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und Art. 14 Abs. 1 GG dem Recht auf Eigentum, hergeleitet werden. Zwar sind die Grundrechte grundsätzlich Abwehrrechte gegen staatliche Gewalt, womit der Staat Eingriffe in Gesundheit und Eigentum des Bürgers durch Verkehrslärm zu unterlassen hat. 7 Jedoch ist der Verkehrslärm an Schienenwegen der Deutsche Bahn AG einer zivilrechtlichen Institution und nicht dem Staat selbst zuzurechnen. 8 Die Anwohner von Eisenbahnstrecken können daher keine Abwehrrechte gegen die Deutsche Bahn AG aus den Grundrechten herleiten und können sich in diesem privatrechtlichen Immissionsverhältnis allenfalls auf zivilrechtliche Ansprüche, etwa aus 906, 1004 BGB, berufen 9. Dementsprechend lässt sich den Grundrechten auch keine staatliche Pflicht entnehmen, Lärmsanierungen an Bahnstrecken in einer bestimmten Art und Weise oder innerhalb bestimmter zeitlicher Fristen vorzunehmen. Dem Gesetzgeber steht es jedoch frei, im Rahmen seines weiten gesetzgeberischen Spielraums eine Regelung mit entsprechendem Inhalt einzuführen. Dementsprechend handelt es sich bei der Lärmsanierung von Bahnstrecken um freiwillige Leistungen des Bundes, die auf Grundlage haushaltsrechtlicher Regelungen durchgeführt werden 10 und auf die es bei derzeitiger Gesetzeslage keinen bundesimmissionsschutzrechtlichen Anspruch und auch keinen grundrechtlichen Anspruch gibt. 5 Berger, Lärmsanierung an Schienenwegen: Privatrechtliche Sanierungsansprüche und das Lärmsanierungsprogramm der Bundesregierung, ZfBR 2003, 11. 6 Wengenroth, Ansprüche auf Lärmsanierung an Straßen und Eisenbahnen, S. 312 m.w.n. 7 Wengenroth, Ansprüche auf Lärmsanierung an Straßen und Eisenbahnen, S. 310 m.w.n. 8 Vgl. BGH, Beschl. v. 21.11.1996 V ZB 1996 NJW 1997, 744, wonach der Zivilrechtsweg für Immisionsabwehrklagen gegen die Deutsche Bahn AG eröffnet ist; siehe auch Wengenroth, Ansprüche auf Lärmsanierung an Straßen und Eisenbahnen, S. 20 ff. 9 Wengenroth, Ansprüche auf Lärmsanierung an Straßen und Eisenbahnen, S. 311, 316 ff. 10 Vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI): Lärmvorsorge und Lärmsanierung an Bundesfernstraßen, abrufbar unter: https://www.bmvi.de/shareddocs/de/artikel/stb/laermschutz.html [letzter Abruf: 24. Januar 2018].

Seite 6 3. Ausnahme von der Pflicht zum aktiven Lärmschutz bei der Lärmvorsorge Demgegenüber besteht bei der Neuerrichtung einer Bahnstrecke im Rahmen der staatlichen Lärmvorsorge jedoch grundsätzlich ein Anspruch auf die Errichtung von aktivem Lärmschutz gem. 41 Abs. 1 BImSchG. Eine gesetzliche Ausnahme von diesem Anspruch ist allerdings in 41 Abs. 2 BImSchG vorgesehen. Danach ist die Errichtung von aktivem Lärmschutz auch bei dem Neubau von Bahnstrecken nicht notwendig, soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden. Die zuständige Behörde muss demnach im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung die Kosten des aktiven Lärmschutzes dem Schutzzweck gegenüber stellen. Umstritten ist, ob neben den in 41 Abs. 2 BImSchG ausdrücklich genannten Kosten auch andere Gründe etwa gewichtige öffentliche Belange und private Belange negativ betroffener Dritter in diese Abwägung miteinzubeziehen sind. 11 Die überwiegende Auffassung bejaht dies mit einem Verweis darauf, dass es nicht einleuchte, aus finanziellen, nicht aber aus gewichtigen Sachgründen auf Schutzmaßnahmen verzichten zu können. 12 Daneben ist umstritten, ob es sich bei dieser Abwägung um eine gebundene Entscheidung, 13 oder um eine planerische Abwägung der zuständigen Behörde handelt. 14 Dies hat insbesondere Auswirkungen darauf, ob die Entscheidung der Behörde gerichtlich überprüfbar ist, was nur der Fall wäre, wenn der Behörde kein Abwägungsspielraum zur Verfügung stehen würde. Wenn die Voraussetzungen der Ausnahme aus 41 Abs. 2 BImSchG vorliegen und auch durch kostengünstigere Maßnahmen das Überschreiten der Grenzen des Abs. 1 nicht reduziert werden können 15, hat der Betroffene keinen Anspruch auf aktiven Lärmschutz, sondern ihm bleibt nur eine Entschädigung in Geld für passive Schallschutzmaßnahmen nach 42 BImSchG. *** 11 Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, 41, Rn. 66. 12 BVerwG, Urt. v. 15. Dezember 2011 7 A 11/10, NVwZ 2012, 1120; BVerwG, Urt. v. 24. September 2003-9 A 69/02, NVwZ 2004, 340; Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, 41, Rn. 66. 13 Etwa BVerwG, Urt. v. 15. Dezember 2011 7 A 11/10, NVwZ 2012, 1120; BVerwG, Urt. v. 28. Januar 1999-4 CN 5 98, NVwZ 1999, 1222; Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, 41, Rn. 61. 14 So BVerwG, Urt. v. 15. März 2000 11 A 42/97. NVwZ 2001, 71; OVG NRW, Urt. v. 7. April 2005 14 A 1970/03, DÖV 2006, 225. 15 Dies muss geprüft werden, bevor der ohne Weiteres von einer Unverhältnismäßigkeit der Kosten des geplanten aktiven Lärmschutzes ausgegangen wird, vgl. BVerwG, Urt. v. 24. 9. 2003 9 A 69/02, NVwZ 2004, 340; Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, 41, Rn. 67.