Biologische insbesondere ethologische Grundlagen der Haltung und des Trainings von Greifvögeln

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Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen Studiengang Agrarwirtschaft, Tierhaltung/Nutztierethologie Biologische insbesondere ethologische Grundlagen der Haltung und des Trainings von Greifvögeln von Thomas Richter 1 Einleitung Greifvögel faszinieren die Menschen seit alters her. Während einige in ihnen Symbole der Freiheit sehen, deren Haltung grundsätzlich abzulehnen ist, sehen andere wie der legendäre Tier- und Naturjournalist Horst Stern im frei fliegenden und mit dem Menschen kooperierenden Beizvogel ein Beispiel für eine besonders gut gelungene Mensch-Tier-Beziehung. Da Emotionen zwar als Motivation für das Engagement im Tierschutz unabdingbar, bei der Beurteilung der Tierfreundlichkeit von Tierhaltungen jedoch ungeeignet sind, sollen im Folgenden einige Aspekte der Greifvogelbiologie und des Managements durch die Greifvogelhalter beleuchtet und im Zusammenwirken mit dem folgenden Vortrag von Susanne Hartmann Fragen beantwortet werden, die bei der amtstierärztlichen Überwachung bedeutsam sein können und die von den KollegInnen vor Ort häufig gestellt werden. Eine ausführliche Darstellung dieses Themas findet sich auch in den Merkblättern 107 und 122 der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT). Bei der Haltung, aber auch bei der Ernährung sind teils große artspezifische Unterschiede zu beachten, kleine Vogelverzehrer, wie z.b. Sperber, müssen anders gefüttert werden, als große Abräumer, wie die Geier. Greife die auf kurze Distanzen hohe Geschwindigkeiten erreichen können wie z.b. Habichte, unterliegen in Volieren einer höheren Verletzungsgefahr als Ansitzjäger wie z.b. Bussarde. Die ethologischen und morphologischen Unterschiede zwischen den Flugleistungstypen hat Brüll (1984) systematisiert. Danach gibt es Start- und Pirschfluggreifer wie z.b. Habichte, Späh- und Stoßfluggreifer wie die Falken und Gleitstoßgreifer z.b. die Bussarde. Start- und Pirschfluggreifer der Paradevogel ist unser heimischer Habicht haben kurze runde Flügel und einen langen, flächigen Schwanz. Sie können sehr schnell beschleunigen und auf kurze Entfernung hohe Geschwindigkeiten erreichen, was bei der Konstruktion von Haltungseinrichtungen zu beachten ist, ihr Verletzungsrisiko ist hoch. Wegen ihrer hohen Flügelbelastung können sie nur eingeschränkt in der Thermik segeln. Ausdauernde Ruderflüge sind nicht ihr Ding, im Jagdflug müssen sie nach wenigen hundert Metern aufgeben, falls sie im ersten Ansturm nicht erfolgreich waren. Späh- und Stoßfluggreifer, typisch ist der Wanderfalke, haben eine komplett andere Anatomie. Die Flügel sind lang und spitz, aber wenig flächig, der Schwanz ist kurz und schmal. Beschleunigen können sie nicht so rasant, aber sie erreichen die höchste Geschwindigkeit im Tierreich überhaupt. Im Gegensatz zu den vorher angesprochenen Kurzstreckenjägern, können sie über mehrere Kilometer lange Jagdflüge meistern. In Haltungseinrichtungen haben sie ein mittleres Verletzungsrisiko. Gleitstoßgreifer, wie unser heimischer Bussard, können weder rasant beschleunigen noch ausdauernd mit Muskelkraft fliegen. Dafür sind ihre breiten Flügel exzellent zum Segeln in der Thermik geeignet. Dadurch können sie ein großes Gebiet aus hoher Höhe auf mögliche Nahrungsquellen absuchen und durch Schauflüge auch ihr Revier markieren. Dieser Flugleistungstyp ist folgerichtig insbesonders bei den Arten realisiert, die teilweise oder ausschließlich Aas verwerten. In Haltungseinrichtungen haben sie ein eher geringes Verletzungsrisiko.

Das Verletzungsrisiko wird zusätzlich zu der morphologischen Ausstattung noch durch den anthropogenen Selektionsdruck der letzten tausend Jahre beeinflusst. Unser Habicht hieß noch vor kurzem Hühnerhabicht und wurde von Bauern, Taubenzüchtern und Jägern heftig verfolgt. Daraus resultiert eine erhebliche Schreckhaftigkeit, da nur die Vorsichtigsten, die auch bei geringer Störung schon flohen, überlebt haben. Wanderfalken wurden zwar auch verfolgt, durch ihr menschenfernes Brüten auf Felsen und Jagen im freien Luftraum war der Selektionsdruck auf sie lange nicht so groß. Am geringsten war er offensichtlich auf die amerikanischen Harris Hawks. Sie sind deutlich weniger störungsempfindlich als die vorgenannten Arten, ein Grund für die wachsende Beliebtheit auch in der europäischen Falknergemeinde. Neben den großen Unterschieden zwischen den Arten, gibt es noch größere zwischen den Individuen. Vor allem der Grad der Zähmung hat einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Tierschutzkonformität bzw. Tierschutzwidrigkeit einer konkreten Greifvogelhaltung. Erwachsen in Menschenhand gelangte Individuen, das sind i.d.r. Pflegefälle, behalten oft lebenslang eine Scheu, die es verbietet, sie in Schauhaltungen mit Publikumsverkehr auszustellen. Auch darüber hinaus spielt es eine große Rolle, ob Publikumsverkehr herrscht, die Vögel also den Einflüssen auch unbedachter, jedenfalls aber kenntnisarmer Menschen ausgesetzt sind, oder ob in der Privathaltung nur zuverlässige und eingewiesene Personen nahe an die Gehege und Haltungseinrichtungen herantreten können, die sich dem Vogel gegenüber adäquat verhalten (TVT Merkblatt 122). Wie kann man nun feststellen, ob eine konkrete Haltung tierschutzkonform ist? Keinesfalls dürfen die Verhältnisse in freier Natur als Maßstab herangezogen werden, Sterblichkeiten im ersten Lebensjahr von 40% beim Habicht und 50-70% beim Sperber (Mebs, 2002), wie sie natürlich sind, wären bei der Haltung in Menschenhand keineswegs tolerierbar. Ein tiergerechtes Haltungssystem muss auch keineswegs natürlich aussehen um verhaltensauslösende Reize bieten zu können (Wechsler, 1992 ). Nach dem Bedarfsdeckungs- und Schadensvermeidungskonzept (Tschanz et al., 1987) ist eine Haltung tiergerecht, wenn dem Individuum Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung gelingen. Das Bedarfsdeckungs- und Schadensvermeidungskonzept berücksichtigt Abweichungen von der Norm des Typus auf ethologischem, morphologischen und physiologischen Gebiet. 2 Jagdverhalten und Gewichtsschwankungen im Jahresverlauf 2.1 Biologie Tiere handeln nur, wenn eine Handlungsbereitschaft vorhanden ist. Fliegen und insbesondere Jagen sind für den Vogel anstrengend, Energie verbrauchend und gefährlich. Viele Beutetiere sind schwerer als der Greifvogel, ihre Überwindung ist immer mit einem Verletzungsrisiko verbunden. Die Motivation zum Fliegen stammt überwiegend aus dem Funktionskreis Nahrungsaufnahme. In der entsprechenden Jahreszeit, v.a. bei Bussarden schon im Herbst und bei allen Arten auf jeden Fall im Frühjahr, kommt mit den Reviermarkier- und Balzflügen das Fortpflanzungsverhalten dazu. Greifvögel fliegen nicht zum Spaß, ebenso wenig jagen sie aus

Jagdlust. Das bekannte Segeln der Bussarde in der Thermik, das diesen Eindruck leicht entstehen lässt, dient entweder der Revierabgrenzung, also dem Fortpflanzungsverhalten, oder dem Auffinden von Kadavern, wie sie neben unseren Straßen ja häufig anfallen, also der Nahrungsaufnahme. Frei lebende Greifvögel unterliegen Gewichtsschwankungen im Jahresrhythmus. Während der Aufzucht von ihren Eltern gut versorgte Jungvögel verlieren in der ersten Zeit der Selbstständigkeit in der Regel etwa 20% ihres Ausgangsgewichts. Dieser Gewichtsschwund ist für das Erlernen des Jagens bedeutsam, nur mit hoher Jagdmotivation ist schnelles und dauerhaftes Lernen gegeben. Überleben die Jungvögel den ersten Winter, was nur etwa der Hälfte bis einem Fünftel gelingt, dann bauen sie im Frühjahr Energiereserven auf, die sie im Herbst nach der Mauserzeit wieder verlieren. Im zweiten und jedem folgenden Herbst ist das Gewicht etwas höher als im ersten, aber etwa 10-15% niedriger als im Frühjahr-Sommer. Eine Ausnahme stellen viele von Altvögeln aufgezogene Harris Hawks (Parabuteo unicinctus) dar, die in der Voliere nicht zuverlässig mit einem Fettdepot versorgt werden. Harris Hawks legen außerdem auch im 2. Lebensjahr noch deutlich an Gewicht zu, nach der ersten Mauser jagen sie mit einem gegenüber der Nestlingszeit höheren Gewicht. 2.2 Training, Haltung und Management Wenn Greifvögel beim Training, bei der Beizjagd oder bei Schauvorführungen frei geflogen werden, muss ebenfalls eine entsprechende Motivation vorhanden sein, dies ist in der Regel die Nahrungsmotivation. Trainingsflüge (auch Schauflüge) sind aus der Sicht des Vogels immer Jagdflüge, geschlagen wird eben die Faust des Falkners, der Falknerin, oder die Beuteattrappe (Federspiel bzw. Balg) und darauf gibt es Nahrung. Deshalb erfolgen auch Trainingsflüge immer mit relativ großer Intensität. Ein vermenschlichend ausgedrückt gemütliches Dahinfliegen ist in der Ethologie des Nahrungsaufnahmeverhaltens nicht vorgesehen und damit nicht auslösbar. Greifvögel sind deshalb für den Freiflug, insbesondere für die Beizjagd kontrolliert zu füttern, so dass sie einerseits genügend Motivation zum Fliegen haben und andererseits genügend körperliche Fitness besitzen, um erfolgreich zu jagen. Diese sogenannte Konditionierung verlangt ein sehr sorgfältiges Vorgehen, damit der Vogel nicht durch zu starke Nahrungsrestriktion in ein Defizit gerät oder bei zu wenig Motivation die Arbeit verweigert, im Extremfall entfliegt. Neben Verhaltensbeobachtungen ist eine tägliche Gewichtskontrolle mit Hilfe einer genügend genauen Waage unabdingbar. Aktive Beizjäger sind sehr daran interessiert, dass der Vogel so lange und vor allem so intensiv trainiert wie möglich, um für die Beizjagd einen möglichst optimalen Muskelaufbau zu erreichen. Dem sind leider biologische Grenzen gesetzt. Aus der Sicht des Vogels gibt es eben bezüglich der Motivation keinen Unterschied zwischen Trainingsflug und Jagdflug. Falken sind Langstreckenjäger, die die Beute auch aus Entfernungen von über einem Kilometer noch anjagen und diese auch über einige Kilometer weit verfolgen können. Gut trainierte Falken können mehr als 100 Jagdstöße auf eine Beuteattrappe (Federspiel genannt) ausführen, das dauert ca. 30 Minuten. Habichte und Harris Hawks dagegen sind Kurzstreckenjäger, die nur auf Entfernungen von maximal 50 Meter erfolgreich anjagen und meist nach weniger als 100 Meter die Verfolgung aufgeben, wenn sie bis dort noch nicht geschlagen haben. Diese Jagdflüge dauern meist weniger als eine Minute, längstens nur wenige Minuten. Ihr Training lässt sich kaum über 15 Minuten ausdehnen, weil sie sonst die Lust verlieren. Dementsprechend sind die Vögel nicht zu stundenlangen Jagdflügen bereit und

in der Lage. Während der Saison sollte jedoch ein Training an mindestens fünf von sieben Tagen das Ziel sein, ein Training an der Hälfte der Tage das Minimum. Neben dem Faust- oder Federspieltraining sind in den letzten Jahren noch einige andere Trainingsmethoden populär geworden. Vor allem für Falken, aber auch für die anderen Greifvögel bietet das ballooning bzw. Drachentraining ein gutes Fitnesstraining. Dabei wird das Federspiel an einen Heliumballon oder einen Wind-Drachen gebunden, der Vogel muss steil nach oben fliegen um es zu bekommen. Auch das vertical jumping hat Freunde, dabei steht der Falkner erhöht, etwa auf dem Balkon im ersten Stock und veranlasst den Vogel durch Werfen eines kleinen Atzungsbröckchens auf den Boden und durch anschließende Präsentation eines Bröckchens auf der Faust, immer hoch und runter zu fliegen. Auch das trainiert die Muskeln. 2.3 Überwachung Die Beurteilung, ob die Konditionierung sachgerecht durchgeführt wurde, ist sicherlich die schwierigste Aufgabe bei der Überwachung von Greifvogelhaltungen. Gewichtsgrenzen anzugeben ist nicht möglich, da die natürliche Schwankungsbreite zwischen den einzelnen Vögeln zu groß ist. Außerdem spielen neben der Art und dem Alter des Vogels auch viele andere Einflussfaktoren eine Rolle, so zum Beispiel die Außentemperatur, ja sogar die Tageszeit. Das aktuelle Gewicht eines Vogels in Kondition sowie die Nestlings- bzw. Mausergewichte sind allen verantwortungsvollen Falknern bekannt, sie können erfragt, die Vögel ggfs. gewogen werden. Zusätzlich kann die Palpation des Brustmuskels weiter helfen, wobei allerdings viel Erfahrung notwendig ist. Es sind auch noch arttypische morphologische Unterschiede zu beachten: die Brustmuskulatur eines Falken fühlt sich dünner, das lang gestreckte Brustbein prominenter an, als bei den kompakter gebauten Habichten oder Harris Hawks. Ein konvex nach außen gewölbter, oder in gerader Linie verlaufender Brustmuskel ist in jedem Fall akzeptabel. Ist der Brustmuskel konkav nach dorsal eingezogen, muss genauer hinterfragt werden, ob es sich um einen vorübergehenden Zustand zum Beginn der Jagdzeit oder bei einem Jungvogel handelt. Auf Dauer sollte dieser Zustand nicht anhalten. Bestehen Zweifel ob die Konditionierung sachgerecht erfolgt, ist ggfs. ein erfahrener Falkner zu Rate zu ziehen. Da Vögel in Unterkondition nicht erfolgreich jagen, sind aktive BeizjägerInnen schon aus diesem Grund bestrebt, den Vogel so hoch wie möglich zu fliegen. 3 Lernverhalten und Ausbildung 3.1 Biologie Das Lernen bei Greifvögeln lässt sich mit den ethologischen Modellen Prägung, klassische und operante Konditionierung beschreiben. Aus der Sicht des Tierschutzes sind vor allem die beiden Konditionierungsarten relevant. Wichtig ist, dass der Vogel lernt was er lernen, noch wichtiger ist, dass er nicht lernt, was er nicht lernen soll. Bei der klassischen Konditionierung wird ja ein biologisch zunächst bedeutungsloser Reiz, der zeitgleich mit einem bedeutsamen auftritt, mit dieser Bedeutung verknüpft. Bei der operanten Konditionierung erfolgt die Verknüpfung einer zunächst bedeutungslosen Aktion ( operation ) des Vogels mit der Bedeutung. Die Verstärkung (reinforcement) kann bei beiden Formen der Konditionierung grundsätzlich positiv oder negativ sein.

Im Gegensatz zu Hunden oder Pferden gibt es bei Greifvögeln, auch bei den etwas sozialeren Harris Hawks, keine positive soziale Verstärkung. Sie wollen nicht gestreichelt werden oder spielen. Sie wollen auch nicht einem Ranghöheren gefallen. Deshalb kommt als positive Verstärkung nur die Futterbelohnung in Frage. Es gibt aber auch keine negative soziale Verstärkung. Zum Normalverhalten gehören keine pädagogischen Auseinandersetzungen in der Gruppe, wie das gerade bei Hundewelpen durch die Mutter und Geschwister alltäglich ist. Wenn Greifvögel innerartlich kämpfen, was leider nicht selten ist, dann geht es immer um Leben oder Tod. Der Mensch kann also den Greifvogel nie zwingen etwas zu lernen oder zu tun, er kann immer nur erwünschtes Verhalten belohnen. Als unerwünschte negative Verstärkung können dagegen viele unterschiedliche Einflüsse wirken, die den Vogel ängstigen, selbst wenn sie keinen Schmerz verursachen. Bei einem unausgebildeten Eleven verursacht schon die Möglichkeit bei Annäherung des Menschen in einer Voliere herumtoben zu können eine negative Rückkoppelung, die das Toben immer mehr verstärkt, selbst wenn der Mensch am Ende der Aktion den Vogel immer einfangen sollte. 3.2 Training, Haltung und Management Im ersten Schritt der Ausbildung muss der Vogel lernen, dass es beim Falkner immer positive Verstärkung, vulgo Futter, und möglichst wenig negative Einflüsse gibt. Durch negative Verstärkung würde der Vogel nur scheu werden. Eine Ausbildung durch irgendwie gearteten Zwang, wie sie bei Hunden oder Pferden möglich ist, ist bei Greifvögeln absolut kontraproduktiv. Das Herumtoben eines noch nicht fertig ausgebildeten Vogels in einer Haltungseirichtung führt zu der unerwünschten Verknüpfung, dass er sich der momentan unangenehmen Situation durch Toben entziehen kann. Folglich lernt der Vogel das Toben. Der Jungvogel sollte also so gehalten und gemanagt werden, dass es möglichst nicht dazu kommt. Deshalb ist in den ersten Tagen der Ausbildung, es handelt sich wohlgemerkt nur um wenige Tage, die Haltung mit starker Bewegungseinschränkung auf der hohen Reck sinnvoll. Der Falkner nähert sich dem Vogel sehr vorsichtig, immer mit Futter auf der Faust, so dass der Vogel möglichst nicht abspringt. Es macht auch Sinn, die ersten Trainingseinheiten in die Dämmerung zu verlegen, da dann die Vögel ruhiger und motivierter sind. Hat der Vogel verstanden, dass es beim Falkner Futter gibt und ihm nichts passiert, dann wird er von sich aus versuchen auf den Falkner zu zufliegen. Das übt man einige Male an einer langen Schnur und kann dann den Vogel frei fliegen lassen. Anschließend gewöhnt man den Vogel an alle möglichen Störungen wie Mountainbiker, Traktoren, Reiter usw., in dem man sich mit dem Vogel auf der Faust den Störquellen vorsichtig nur so weit annähert, dass der Vogel am besten nicht von der Faust abspringt. Zeitgleich muss der Vogel zum Jagen gebracht werden. Das Jagdverhalten ist im Grunde angeboren, gelernt werden muss aber, welche Strategie zum Erfolg führt. Wichtig ist dabei, dass der unerfahrene Vogel wiederum nur positive Erfahrungen macht. Am Anfang wird eine Attrappe, dann ein totes Beutetier an einer langen Schnur geschleppt, so dass der Vogel schlagen kann. Dann sucht man sich möglichst einfache Chancen, etwa Kaninchen mit Myxomatose. Hat der Vogel geschlagen, egal ob es sich um eine Attrappe (Federspiel), um ein

totes geschlepptes Tier, oder um eine echte Beute handelt, wird er immer mit einem vollen Kropf belohnt. Erst wenn das Jagdverhalten wirklich gut gefestigt ist, kann man dem Vogel auch mal ein Stück Beute abnehmen und ihn ein zweites Mal jagen lassen, dieser Zeitraum kann etliche Wochen dauern. 4 Lokomotionsverhalten, Feindvermeidungsverhalten und Mauser 4.1 Biologie 4.1.2 Bewegungsbedürfnis und Bewegungsbedarf Unter Bedürfnis sei die innere Motivation, unter Bedarf die physiologische Notwendigkeit verstanden. Bei der Nichterfüllung des Bedürfnisses treten ethologische Schäden, bei der Nichterfüllung des Bedarfs morphologische Schäden im Sinne des Bedarfsdeckungs- und Schadenvermeidungskonzeptes auf (Tschanz et al. 1987 und Tschanz et al. 2001). Das Bewegungsbedürfnis von Greifvögeln wird häufig überschätzt. Bewegung bedeutet Energieverbrauch und eine Gefährdung z.b. durch andere Beutegreifer. So jagten freilebende Wanderfalken in den Poldergebieten Hollands, in denen Beute sehr einfach zu erlangen ist, zwischen 0 und 1-2 Minuten täglich, den Rest der Zeit verbrachten sie ruhend (Bednarek 1999). Allenfalls Falken in Kondition haben in Erwartung der mit dem Freiflug verbundenen Fütterung ein größeres Bewegungsbedürfnis, das sie bei eingeschränkter Haltung durch Flügelschlagen im Stand ( Ballieren in der Falknersprache) abarbeiten. Falken die nicht in Jagdkondition sind und in Volieren oder an Flugdrahtanlagen gehalten werden, zeigen dieses Verhalten nicht, sie haben also keine endogene autonome Motivation zu fliegen. Habichte, Adler und Harris Hawks haben überhaupt kein Bewegungsbedürfnis, das sie durch Ballieren abreagieren müssten. Für die BeizjägerInnen besteht die Schwierigkeit eher darin, den Vogel so zum Fliegen zu motivieren, dass im Training Muskelaufbau erfolgt. Moderne Falkner verwenden dazu unterschiedliche Methoden, eindrucksvoll und wirkungsvoll ist z.b. das Fliegen auf einen Drachen oder Ballon, von dem ein Stück Fleisch zur Belohnung in große Höhe gezogen wird (siehe 2.2). Bezüglich des Bewegungsbedarfs ist zwischen den Arten zu unterscheiden und auf den Trainingsstand Rücksicht zu nehmen. Adler, Bussarde, Habichte und Harris Hawks haben keinen ausgeprägten Bewegungsbedarf. Falken, insbesondere stark trainierte Falken, können an der Sohlenballengeschwulst ( Dicke Hände in der Falknersprache) erkranken, wenn sie aus einem besonders intensiven Training zu plötzlich entlassen werden. Krankheitsauslösend ist also nicht ein potentieller Bewegungsmangel, sondern eine abrupte Änderung in der Trainingsintensität (Lierz et al. 2010). Ein weiterer Cofaktor für die Sohlenballengeschwulst sind unzureichende Sitzmöglichkeiten. In Mitteleuropa spielt die Sohlenballengeschwulst heute keine große Rolle mehr. Bei den Falknern im Mittleren Osten dagegen sind noch viele traditionelle Ideen und Praktiken üblich, die häufiger zu Problemen führen. 4.1.1 Feindvermeidungsverhalten Greifvögel wurden in Europa durch Landwirte, Taubenzüchter und Jäger sehr stark verfolgt. Besonders der Habicht, der noch bis vor kurzem Hühnerhabicht hieß. Es überlebten nur die besonders schreckhaften Individuen, die auch bei unspezifischen Störungen ihr Heil zunächst einmal in der Flucht suchten. Da Habichte auch im dichten Geäst jagen, lassen sie sich von Maschendraht nicht abschrecken und donnern bei eingebildeten Gefahren gegen die Gitter, was zu schweren Verletzungen bis hin zu Todesfällen führen kann, vor allem wenn sie in einer besonders langen Voliere schon eine hohe Geschwindigkeit erreichen konnten. Die anderen

Beizvögel sind weniger schreckhaft, Harris Hawks am wenigsten. Was das für die Haltung bedeutet wird aus dem Vortrag von Susanne Hartmann ersichtlich. 4.1.2 optische Orientierung Greifvögel sind stark optisch orientiert. Störreize werden ganz überwiegend optisch aufgenommen. Stressige Situationen kann man deshalb sehr leicht dadurch entschärfen, dass man den Vogel verhaubt. Die Haube dient außerdem dazu die Langstreckenjäger davon abzuhalten, bei jeder potentiellen Beute, die gar nicht gejagt werden soll, abzuspringen um hinterher zu fliegen. Das ist vor allem bei Falken notwendig, die im Umkreis von einigen Kilometern fast immer einen Tauben- oder Krähenschwarm entdecken. Sind die Vögel an die Haube gewöhnt, entspannen sie sich, so dass sie nicht selten unter der Haube schlafen. Zitierte und weiterführende Literatur Gutachten und Leitlinien Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Greifvögeln und Eulen im Auftrag des BML, 1995, www.verbraucherministerium.de Leitlinien für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen, Herausgeber BML, 1996, www.verbraucherministerium.de Sonstige Literatur Bednarek, W., 1999: Falknerische Greifvogelhaltung aus etho-ökologischer Sicht, Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft, Fachgruppe Tierschutzrecht, Tagungsband, Gießen Brüll, H., 1984, Das Leben europäischer Greifvögel, 4. Auflage, Fischer Verlag, Stuttgart Lierz, M., M. Greshake, R. T. Korbel, N. Kummerfeld und H. M. Hafez, 2005: Falknerisches Training und Auswilderung von Greifvögeln ein Widerspruch? Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft, Fachgruppe Tierschutzrecht, Tagungsband, Gießen Lierz, M., H. M. Hafez, R. Korbel, M. Krautwald-Junghanns, N. Kummerfeld, S. Hartmann und Th. Richter, 2010: Empfehlungen für die tierärztliche Bestandsbetreuung und die Beurteilung von Greifvogelhaltungen, Tierärztliche Praxis 5, Schattauer Verlag, Stuttgart Mebs, Th., 2002, Greifvögel Europas, Kosmos Naturführer, 3. Auflage, Kosmos Verlag, Stuttgart Richter, Th. und S. Hartmann, 1993: Die Versorgung und Rehabilitation von vorübergehend in Menschenhand geratenen Greifvögeln - ein Tierschutzproblem; Tierärztliche Umschau 4, Terra-Verlag, Konstanz Richter, Th., 1997: Überlegungen zur Tierschutzrelevanz der Beizjagd, Greifvögel und Falknerei, Neumann-Neudamm, Morschen-Heina Richter, Th., 1997: Tiergerechte Haltung von Greifvögeln einschließlich Versorgung und Rehabilitation von Pflegefällen Beitrag in: Sambraus/Steiger, Das Buch vom Tierschutz, Enke Verlag, Stuttgart, S. 434-451

Richter, Th., 2004: Ethical and scientific aspects concerning animal welfare and falconry, Newsletter, The International Association of Falconry and Conservation of Birds of Prey Richter, Th. und S. Hartmann, 2006, Hinweise für die Überwachung von Greifvogelhaltungen, Merkblatt Nr. 107 Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz, Bramsche Richter, Th. und W. Schreyer, 2009, Die Erteilung von 11 Genehmigungen für Greifvogelschauen, TVT-Nachrichten 1/2009, S. 14-16, TVT Merkblatt 122, TVT Bramsche, www.tierschutz-tvt.de/merkblaetter.html#c11 Schöneberg, H., 2004: Falknerei, der Leitfaden für Prüfung und Praxis, Verlag Klüh, Darmstadt Tschanz, B., J. Bammert, U. Pollmann, Th. Richter, U. Schnitzer und K. Zeeb, 2001: Feststellbarkeit psychischer Vorgänge beim Tier aus der Sicht der Ethologie; Deutsches Tierärzteblatt, 49. Jahrgang, S. 730 735 Tschanz, B., W. Bessei, D. W. Fölsch, B. Graf, A. Grauvogl, P. Kämmer, E. Kohli, M. Lehmann, K. Loeffler, D. Marx, H. H. Sambraus, U. Schnitzer, T. Sommer-Wyss, J. Unshelm, N. Voetz, K. Zeeb, 1987: Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung, Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft, Fachgruppe Verhaltensforschung, Gießen Wechsler, B. 1992: Ethologische Grundlagen zur Entwicklung alternativer Haltungsformen, Schweiz. Arch. Tierheilk. 134: 127-132 Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Thomas Richter, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, Neckarsteige 6-10, 72622 Nürtingen, thomas.richter@hfwu.de