BU: Wer zuletzt lacht, lacht am Besten. In diesem Falle Bergführer Bernd Zehetleitner.

Transkript

1 Wandern statt wedeln von Karin Rechenberger Alternativüberschriften: Skilehrer im Sommer; Bunt statt weiß; Über den Wolken; Alpenüberquerung statt Aprés Ski; Skilehrerinnen mit dem Sommerbergvirus infiziert Was machen eigentlich Skilehrer im Sommer? Genau, wie sind die Berge eigentlich, wenn statt des faszinierenden Schnees die Alpenwiesen blühen? Ist die Bergwelt im Sommer genau so unwiderstehlich wie im Winter? Um diese Fragen zu beantworten haben wir, das sind sechs befreundete Skilehrerinnen, uns zu einer Alpenüberquerung per pedes entschlossen. Bei der Tour, die durch das Lech-, Pitz-, Ötz- und Inntal führt, dachten wir Mädels, befinden sich etliche Hänge, die wir sonst mit unseren Skischülern auf unseren Brettern hinunterwedeln. Gesagt, getan. Gestartet wurde mit insgesamt elf willigen Alpenüberquerern am Nordrand der Alpen, in Oberstdorf. Bernd Zehetleitner, Bergführer und Leiter der Bergschule Oberallgäu nahm sich unser an sicherlich nicht seine entspannteste Tour. Wie sollte es auch anders sein, der erste Tag begann bei strömendem Quatsch schüttendem Regen, und wir sechs standen am Bahnhof in Oberstdorf wie begossene Pudel. Aber - what shalls. Mit dem Bus ging s nach Spielmannsau und von dort wanderten wir in einem drei Stunden Marsch zur Kemptner Hütte. Der Blick auf den Muttler und die umliegenden Berge, wie im Katalog beschrieben, war komplett nebelverhangen. Und unser Bergführer trug Schirm, das fanden wir schon etwas sonderbar irgendwie ziemlich unsportlich und ein bisschen albern. Doch auf der Kemptner Hütte angekommen, waren wir etwas klüger. Der einzige der noch einigermaßen trocken war, war Bernd, unser Bergführer. Wer zuletzt lacht, lacht am Besten. Soviel zum Schirm. In der urigen Hütte mit 300 Schlafplätzen machten wir uns nach einer leckeren Mahlzeit noch auf die Suche nach Gämsen und tatsächlich bekamen wir in einiger Entfernung eine kleine Herde zu Gesicht. Gämsen hatten wir Mädels bei unseren Wintertouren noch nicht gesehen. Es wurde noch gekartet und dann ging s um 22 Uhr auf die Pritsche. Fazit immer mit Schirm und wer braucht schon Aprés Ski? BU: Wer zuletzt lacht, lacht am Besten. In diesem Falle Bergführer Bernd Zehetleitner. 2. Tag Nach reichhaltigem Frühstück zogen wir unsere Gott sei Dank getrockneten Klamotten wieder an und ein Aufstieg von einer dreiviertel Stunde zum Mädelejoch folgte im Trockenen. Mitten auf einer Wiese befand sich ein Schild Achtung Staatsgrenze und ohne Passkontrolle verließen wir die Bundesrepublik Deutschland von Bayern nach Tirol.

2 BU: Achtung Staatsgrenze! Von nun an ging es bergab zur Roßgumpenalm und weiter durch das Höhenbachtal vorbei am beeindruckenden Simmser Wasserfall nach Holzgau. Nach Holzgau fahren meine Familie und ich jedes Jahr Ostern zum Skilaufen. Wie grün und anders es im Sommer hier aussieht ist schon enorm. Noch nicht bekannt war mir, dass Holzgau das Pilgerziel der Wallfahrten zwischen Oberstdorf und dem Lechtal ist. Schnell schaute ich noch beim Wirt des Hotel zur Post vorbei und schon ging es ein Stück mit dem Bus durch das schöne Madautal. Von dort lag ein Aufstieg von 800 Höhenmetern vor uns. Auf halber Strecke bemerkte Suse Upps, ein Lift wäre jetzt auch nicht schlecht. Stimmt, obwohl wir sechs eigentlich ziemlich fit sind, spürten wir Muskelpartien, die wir noch nicht kannten. Im Gegensatz zum Skifahren ist wandern natürlich viel anstrengender, aber ein großer Vorteil ist, dass man die Bergwelt viel mehr genießen kann. BU: Mit spannenden, erlebten und auch traurigen Geschichten aus der Bergwelt und vielen Informationen zur Vegetation durch den Bergführer wurde der Aufstieg zur Attraktion.

3 Die Memminger Hütte auf 2242 Metern ist etwas beschaulicher als die Kemptner Hütte, aber nicht weniger gemütlich. Nach einer riesen Portion Spaghetti wurde der Seekogl (2412m) bestiegen, weil es zum Schwimmen im Bergsee etwas zu kalt war. BU: Vom Seekogl hatte man einen grandiosen Blick auf die Memminger Hütte und konnte links oberhalb des Geröllfeldes, eingeschnitten in die Seespitzen den Übergang vom Lechtal ins Inntal erkennen. BU: Zum ersten Mal waren wir froh, dass kein Schnee lag. Der hätte den Übergang über die Seescharte um einiges beschwerlicher gemacht. 3. Tag Nach dem wir am nächsten Morgen über die Seescharte gekraxelt waren, eröffnete sich dort ein gigantischer Blick zur Silberspitze und über das Inntal hinweg zur Wildspitze und Weiskugel. Aber leider immer noch kein Schnee!! Von nun an ging s bergab und zwar

4 heftigst. 800 Höhenmeter erstmals bis zur Oberlochalm, wo wir uns dann mit einer deftigen Brotzeit stärken konnten. Auf keinen Fall zu unterschätzen ist der dann nochmals 1000 Höhenmeter lange Abstieg ins Zamser Tal. Märchenhaft allerdings die Märchenwiese, die in sich auf einer Hochebene in einem Bergwald befindet und der Blick auf den grünen Inn. In Zams angekommen, waren wir nur noch platt und uns einig: beim Skifahren lieber bergrunter, beim wandern lieber bergrauf! Wir spürten jeden Muskel, sei er noch so abseits gelegen, Knie und Füße taten höllisch weh und zusätzlich Blasen an Fersen und Zehen. BU: Einfach nur platt! Aber schnell waren sie wieder geweckt, die Lebensgeister. Dabei half eine warme Dusche und ein kaltes Getränk. 4. Tag Die Venetbahn brachte uns am nächsten Morgen auf 2208 Meter und dabei wechselten wir von den nördlichen Kalkalpen in die Zentralalpen. Über den Wolken dem Alltag entfliehen, angst- und sorgenfrei - da möchte doch jeder einmal gerne hin und da waren wir. Und das ohne Ski!

5 BU: Über den Wolken (hatte man einen herrlichen Ausblick in die Lechtaler Alpen im Norden und auf die beeindruckenden Gipfel der Ortler-Gruppe im Süden). Weiter gings über den attraktiven Panoramahöhenweg vorbei an gehüteten Kuhherden, durch nebeliges Hochmoor und später mit Blick auf das Jerzener Skigebiet, Richtung Wenns. Die wunderbaren Blumen, die am Wegrand blühen Primel, Akelei, Edelweiß werden dem, der nur im Winter in den Bergen ist, natürlich vorenthalten. Nach einer 30 km langen Busfahrt, beginnt einer der beeindruckendsten Aufstiege hinauf zum Mittelbergferner und zur Braunschweiger Hütte. Gewaltig, laut und tosend rauscht der Glescherbach über die Felsen ins Tal hinunter und eine eiskalte Dusche ist uns sicher. Die kommt aber gut, weil es der Aufstieg in sich hat und unsere Muskeln schon wieder zucken. BU: Erfrischend gut!

6 Dann schlägt es plötzlich höher, das Herz jedes Skifahrers, grandios liegt er da der Pitztaler Gletscher. Wir machen in Gedanken ein paar Schwünge. BU: Gewaltig der Ausblick von der Braunschweiger Hütte (Höhe 2759m). Das Abendlicht tauchte die Berge in ein eisblau und der Himmel und das Eis des Gletschers verwischten zu einer Farbe. Nach bester Verpflegung auf der Hütte, einem Besuch in der Hüttenkapelle und anschließendem Wundenlecken schliefen wir wie die Könige. 5. Tag Am nächsten Morgen (5 Uhr) war es bitterkalt, die Skimützen kamen zum Einsatz und wir begannen die Tagesroute mit einem steilen Aufstieg zum Rettenbach Jöchl auf 2995 Höhenmeter.

7 BU: Passt sich der Landschaft an: die Braunschweiger Hütte. BU: Endlich Schnee! Hey super, endlich sind wir in unserem Element. Vom Jöchl, wo ein lausiger Wind pfeift, rutschen wir glücklich über den Schnee des Rettenbachferner, hinab zum trostlosen Parkplatz Rettenbach. Nach einer kurzen Busfahrt zum Tiefenbachferner tauchen wir in eine neue Welt der Panoramaweg. Mit traumhaften Ausblicken auf die Stubaier und östlichen Ötztaler Berge macht er seinem Namen alle Ehre. Die Steinhaufen am Wegesrand deuten auf weitere Wanderer. Nach dreieinhalb Stunden gelangen wir nach Vent, wo wir im Alt Vent mit Tiroler Gröstl verwöhnt werden. Nach der Stärkung geht es über einen gemütlichen Aufstieg durchs Niedertal hinauf zur Martin Busch Hütte. Und ständig grüßt das Murmeltier. Die Hütte ist ein Unterkunftshaus am Handelsweg zwischen Vent in Nordtirol und Vernagt in Südtirol. 6. Tag Recht früh machen wir uns wieder in die Wanderschuhe und können leider wegen zu schlechten Wetters nicht die Ötzifundstelle besuchen. Aber die vergletscherten Berggipfel entschädigen uns und Bergführer Bernd zeigt uns einige gewaltige Gletscherspalten.

8 BU: Bergführer Bernd zeigt uns gewaltige Gletscherspalten. Auf der urigen Similaunhütte, die auf stolzen 3019 Höhenmetern liegt, gibt es neben wunderbarer Hausmusik, Spaghetti und a Glasl Roten, lecker! Zum genialen Mahl gibt es auch noch den grandiosen Ausblick zum König Ortler. Leider beginnt danach unsere letzte Etappe der Abstieg zum 2000 Meter tiefergelegenen Vernagtstausee. Damit alles etwas leichter geht und wir uns farblich vom Vernagt, der wie ein norwegischer Fjord in luftiger Tiefe grünt, absetzen, erhält jeder unserer Gruppe einen Luftballon. Somit schweben wir quasi zu Tale und das ist, da sind wir Skifahrermädels uns einig, mindestens genauso abenteuerlich wie eine unberührte Tiefschneeabfahrt BU: Mit Leichtigkeit wird der letzte Abstieg genommen.

9 BU: Ja wir haben es geschafft! Wir haben Skischuhe mit Wanderschuhen getauscht und haben die Alpen überquert. Mit Stolz und Wehmut lassen wir, im Tisental angekommen, die Seele baumeln. Ein Bus fährt uns durch das Schnalstal nach Meran, wo wir noch einen erzähl geladenen Abend verbringen. Mit einer Menge Erfahrung und beeindruckenden Erlebnissen im Rucksack fahren wir infiziert mit dem Sommerbergvirus am nächsten Tag wieder nach Hause. Und die Moral von der Geschicht: geh auf den Berg und du vergisst es nicht. Dass das Wandern eine ideale Form ist ein Land mit allen Sinnen zu erleben, ist uns bei der Alpenüberquerung von Obersdorf nach Meran bewusst geworden. Und auch Goethe wusste schon: Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich". Übrigens, wir kommen wieder!

10 BU: Lob und Dank für eine unvergessliche Tour sagen wir sechs im Namen der ganzen Truppe unserem einmaligen Bergführer Bernd Zehetleitner. Die beschriebene Route ist die Alpenetappe des europäischen Fernwanderweges E5. Ratsam ist es, sich einer geführten Tour der Bergschulen anzuschließen. Informationen und Buchungsmöglichkeiten erhält man bei den ortsansässigen Bergschulen. Meine Empfehlung: die Bergschule Oberallgäu.