5. Mechatronische Schließsysteme

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1 5. Mechatronische Schließsysteme 5.1 Allgemeines Mechatronische Schließsysteme schließen die Lücke zwischen mechanischen Schließanlagen und elektronischen Online-Zutrittssteuerungsanlagen. Im Gegensatz zu mechanischen Anlagen prüfen sie die Schließberechtigung nicht nur über den mechanischen Schlüssel, sondern zusätzlich oder auch ausschließlich über ein elektronisches Identifikationsmedium (RFID-Chip-Schlüssel, Chip- Karte, RFID-Transponder etc., siehe Kapitel 6). Mittlerweile gibt es mechatronische Schließsysteme, die über Funk mit einer Bedienzentrale verbunden sind. Wenn die Funkverbindung ein Datenaustausch in beide Richtungen erlaubt, ist damit auch die Übertragung von Buchungen, Alarmen etc. möglich. Während der Schlüssel für den Schließvorgang genutzt wird, ist bei Ausweisen die Türfreigabe/- öffnung über den Türdrücker, einen Drehknauf oder über elektromechanische bzw. motorische Stellglieder möglich. Der Benutzer kann einen elektronisch codierten Schlüssel verwenden, der die elektronische Erkennung über den eingebauten Chip und ggf. auch die mechanische "Erkennung" über die Permutationen des Schlüsselbarts zulässt. Am weitesten verbreitet sind heute jedoch die codierten Ausweise im Einsatz, die sich genau wie der codierte Schlüssel für ein Online-Zutrittssteuerungssystem bzw. für Zeit- und Betriebsdatenerfassungsanlagen verwenden lassen. Als Verriegelungselement dient hierbei, wie beim mechanischen System, das Einsteckschloss. Somit schlagen mechatronische Schließsysteme die Brücke zwischen mechanischen Schließzylindern und den elektronischen Zutrittsterminals. Die mechanische Präzision der Schließeinrichtung, kombiniert mit der Technologie elektronischer Identifikationsmedien, eröffnet dem Anwender vielseitige Möglichkeiten. Dies wird insbesondere bei Schlüsselverlust oder organisatorischen Veränderungen im Betrieb deutlich. Hier führen rein mechanische Schließsysteme häufig zu hohen Aufwendungen, da Schlüssel eingezogen, umgetauscht und/oder Zylinder ausgewechselt werden müssen. Mechatronische Systeme ermöglichen es außerdem, Identifikationsmedien mit schnell und flexibel änderbaren Berechtigungen zu vergeben, abhängig von Ort und Zeit, oder sie bei Verlust zu sperren. Probleme mit verlorenen oder gestohlenen Schlüsseln können wesentlich schneller und sicherer gelöst werden. 5.2 Einsatzbereiche Mechatronische Schließsysteme haben aufgrund ihrer Vorteile gegenüber rein mechanischen Systemen sehr stark an Bedeutung gewonnen und sind mittlerweile integraler Bestandteil von z.b. konventionellen Zutrittssteuerungssystemen, Einbruchmeldeanlagen oder Videosystemen. Aufgrund der dynamischen Anforderungen in modernen Gebäuden und den gestiegenen Sicherheitsbedingungen haben mechatronische Schließsysteme zunehmend die starren mechanischen Systeme ergänzt oder ersetzt. Ein Beispiel hierfür sind Hotels, die mittlerweile fast ausschließlich mechatronische Beschlaglösungen einsetzen. Aber auch für andere Liegenschaften rechnet sich ein mechatronisches Schließsystem sehr schnell, wenn die Nutzer oft wechseln bzw. umziehen, ein Schlüsselverlust häufiger vorkommt oder mit wiederholten Nutzungs- und Organisationsänderungen zu rechnen ist. Bei Funk-Online vernetzten Systemen kann eine direkte Verknüpfung mit einer Alarmanlage eingerichtet werden. Alarme und Systemmeldungen lassen sich generieren und weiterleiten. Prinzipbedingt ist das bei Offline-Systemen oder virtuell vernetzten Systemen nicht möglich.

2 Mechatronische Schließsysteme sind aufgrund der vielen verfügbaren Bauformen einfach mit mechanischen Schließsystemen und auch konventionellen, elektronischen Zutrittskontrollen kombinierbar. 5.3 Systemaufbau Generell unterscheidet man zwischen mechatronischen und elektronischen Zylindern sowie mechatronischen Beschlägen. Elektronische Zylinder werden von den meisten Herstellern in Form von Halb-, Knauf- und Doppelknaufzylindern zur Verfügung gestellt. Mechatronische Zylinder sind mit elektronischen Schlüsseln, die sich auch in mechanische Schließanlagen integrieren lassen, bedienbar. Hier wird sowohl die mechanische als auch die elektronische Codierung des Schlüssels ausgewertet. Die Beschlaglösungen der einzelnen Anbieter sind sehr unterschiedlich. So gibt es Beschläge, die bei Zutrittsberechtigung z.b. den/die vorher geblockte Drücker/Klinke freigeben oder sie an den Schließmechanismus ankoppeln, wenn sie zuvor freilaufend war. Weiterhin existieren Zylinderlösungen, die durch Drehen des Knaufs bzw. des Schlüssels das Schloss entriegeln, wenn eine Schließberechtigung vorliegt. Mehrere Systeme bieten zudem auch autarke, batteriegestützte Leser an, die bei Schließberechtigung auch Drehkreuze, Parkschranken etc. ansteuern können. Auch für die Identifikationsmedien gibt es unterschiedliche Lösungen. Sie lassen sich in die beiden Hauptgruppen elektronische Schlüssel mit mechanischer Schließfunktion und elektronische ID-Mittel (Ausweise, Schlüsselanhänger, Bluetooth- und NFC-fähige Geräte wie Smartphones etc.) ohne mechanische Schließfunktion unterteilen. In der Praxis werden häufig vollelektronische Schließmedien oder mechanische Schlüssel mit einer zusätzlichen elektronischen Kennung eingesetzt. Knaufzylinder und/oder Beschlaglösungen werden über aktive oder passive Transponder- Schließmedien freigegeben. Passive Schließmedien sind wartungsfrei, da sie die benötigte Energie aus dem Feld des Schließsystems beziehen. Sie finden häufig Verwendung als Multifunktionsmedien, siehe unter Multifunktionalität. Aktive Transponder besitzen eine Batterie und werden meist zur komfortablen Identifikation verwendet und in verschiedenen Systemen zusätzlich zur Betriebsspannungsversorgung der Schließgeräte.

3 Es lassen sich drei Grundtypen unterscheiden: 1. Offline Programmierung über Programmiermedien, Programmiergeräte wie Netbook-PCs, Smartphones, Tablet-Computer etc. Die Programmierung erfolgt vor Ort an den einzelnen Schließgeräten. 2. Systeme mit virtueller Vernetzung Programmierung der Berechtigungen auf den Schließmedien über Tisch-Schreib-Lese-Stationen sowie online vernetzte Update-Terminals oder Auflade-Stationen.

4 3. Online vernetzte Systeme Programmierung und Auswertung erfolgt meist in Echtzeit über verschiedene Funksysteme von zentraler Stelle aus. 4. Kombination Online mit virtuellem Netzwerk Sicherheit Viele mechatronische Schließsysteme bieten heute die gleiche Sicherheit gegen Aufbruch wie mechanische, was durch entsprechende Zertifizierungen wie VdS-Anerkennung (z.b. BZ+), DIN EN - Konformität z.b. DIN 15684) o.ä. zum Ausdruck kommt. Genauso wichtig ist die Sicherheit der Elektronik gegen intelligente Manipulations-Methoden. Hierzu bieten die mechatronischen Schließsysteme verschiedene Sicherungsverfahren wie herstellerspezifischen Passwortschutz oder allgemein anerkannte, hochsichere Verschlüsselungsverfahren wie 3DES oder AES. Das unerkannte Auslesen oder Duplizieren von Schließmedien sowie Angriffe über die Kommunikationskanäle sind hierdurch praktisch nicht möglich.

5 Multifunktionalität Passive elektronische Schließmedien (Schlüssel, Karte, Anhänger,...) von mechatronischen Schließsystemen können auch für andere Anwendungen genutzt werden. Zum Beispiel für Warenautomaten und Kantinenabrechnung/Kasse, Zeit- Betriebsdatenerfassung, Zutrittssteuerungsanlagen, Scharf-Schalteinrichtungen für Einbruchmeldeanlagen sowie Systeme der Gebäudeautomation. 5.4 Einordnung mechatronischer Schließsysteme in ein unternehmensweites Sicherheitskonzept Bei konventionell verbundenen Online-Zutrittssteuerungsanlagen sind in der Regel nur einige Türen des Gebäudes mit Online ZK-Terminals abgesichert. Mechatronische Schließsysteme bieten hierzu die ideale Ergänzung und lassen sich per Funk, ohne zusätzliche Verkabelung, in der Tür Online in die ZK-Systeme integrieren. Dadurch kann die Absicherung bei Brandschutztüren auch nachträglich normen- und richtliniengerecht umgesetzt werden. Der Einsatz dieser Komponenten löst auch z.b. Problemstellungen in Bezug auf Flucht- und Rettungswege, EMA, bzw. bei zulassungsrelevanten Situationen. Elektronische Zylinder oder Beschläge bieten hier die Möglichkeit, zu vertretbaren Investitionskosten auch diese Türen zu sichern und Zutritt nur selektiv zu gewähren. Da der gleiche Ausweis wie für das Online-System benutzt werden kann, erfolgt sozusagen eine Integration der mechatronischen Offline-Geräte in die elektronische Online-Zutrittssteuerungsanlage. Der Vorteil der vollen Flexibilität bei der Auslegung und Änderung von Schließplänen gegenüber mechanischen Systemen ist gegen die höheren Kosten der Anschaffung und des Betriebs (z.b. durch Batteriewechsel) abzuwägen. In allen Fällen, in denen dieser Vorteil nach kurzer Zeit zum Tragen kommt, sollte anstatt eines mechanischen ein mechatronisches Schließsystem eingesetzt werden. In Bereichen, in denen eine kontinuierliche Kontrolle der Zutritte gefordert ist, hat nach wie vor die konventionelle Online-Zutrittssteuerungsanlage ihre Berechtigung. Bei diesen Anlagen werden Sperrungen und Veränderungen von Schließberechtigungen sofort wirksam (Online-Funktion). Zutrittssteuerungsanlagen und auch mechatronische Schließsysteme bieten die Möglichkeit, mit zusätzlichen Einrichtungen, wie Pin-Code-Tastatur oder Abfrage von biometrischen Merkmalen, ein sicheres Erkennen von Schließberechtigten (Verifikation) durchzuführen. Bei vielen konventionellen Online-Zutrittssteuerungsanlagen sind nur einige Türen des Gebäudes mit Online-Terminals abgesichert. Hier bieten die mechatronischen Schließsysteme die ideale Ergänzung für Türen, die zwar gesichert sein sollen, aber die höheren Investitionen für eine Online-Anbindung nicht rechtfertigen. 5.5 Vor- und Nachteile mechatronischer Schließsysteme Unabhängig von der Bauform zeichnen sich alle mechatronischen Schließsysteme gegenüber mechanischen Lösungen durch hohe Flexibilität aus: Bei Verlust des Identifikationsmediums ist ein elektronisches Sperren möglich, ohne den Zylinder bzw. Beschlag zu wechseln oder zu demontieren. Je nach System werden die ID-Mittel zentral oder dezentral gesperrt. Daher müssen keine Teile der Schließanlage ausgetauscht werden. Die Veränderungen von Schließberechtigungen werden je nach gewähltem Verwaltungsverfahren (Offline, Virtuelles Netzwerk, Online) übertragen. Dies zeichnet die hohe Flexibilität und leichte Bedienbarkeit der mechatronischen Schließsysteme aus. So kann man bis hin zur Funk-Online-Vernetzung alle gängigen Verfahren mit mechatronischen Systemen umsetzen. Eine Erweiterung der Anlage ist innerhalb der Systemgrenzen problemlos möglich. Identifikationsmedien können meist beim Betreiber bevorratet werden. Das Codieren und/ oder Berechtigen von Ersatzmedien kann der Betreiber selbst durchführen, daher entfallen Beschaffungszeiten und logistischer Aufwand.

6 Zudem bieten mechatronische Schließsysteme folgende zusätzliche Funktionen: Sie protokollieren Schließereignisse, d.h. es kann festgestellt werden, wer wann geschlossen hat bzw. unberechtigt schließen wollte. Sie schränken die Zutrittsberechtigung auf bestimmte Uhrzeiten an vorgegebenen Tagen ein, wenn eine Zeitfunktion integriert ist. Bei Funk-Online-Systemen sind dies darüber hinaus die: Türüberwachung ohne Verkabelung in der Tür. So können Türzustände, Alarme, etc. generiert werden Zentrale Verwaltung. Direktes und schnelles ändern/sperren der Schließberechtigten Automatisches Erfassen und Weiterleiten von Ereignissen wie z.b. Betriebszustände, Batteriezustand, etc. Fernsteuerung der Tür Zu beachten sind die im Vergleich zu mechanischen Schließsystemen höheren Anschaffungskosten und Betriebskosten durch eventuell erforderliche Batteriewechsel. Werden jedoch die Kosten für Erweiterungen, für den Austausch von Komponenten nach Schlüsselverlust usw. mit einbezogen, so können die entstehenden Gesamtkosten über die Nutzungsdauer einer Schließanlage bei rein mechanischen Systemen sogar höher sein (siehe nachfolgende Grafik). Gegenüber konventionellen elektronischen Zutrittssteuerungssystemen, bei denen eine Verkabelung der Türen erforderlich ist, sind die Erstinvestitionen bei mechatronischen Schließsystemen wesentlich niedriger. Sie eignen sich daher gut als Lösung zur Um- oder Neuausrüstung von Türen. Die zeitliche Steuerung der Schließberechtigung ist mit diesen Systemen einfach und flexibel möglich. 5.6 Fazit Mechatronische Schließsysteme stellen einen wichtigen Baustein in der gesamten Zutrittsregelung dar und sind als integrales Bindeglied zwischen ZK-Anlagen und Schließsystemen zu sehen. Die technische Umsetzung der Systeme ist stark herstellerabhängig. Bei der Auswahl sollte man deshalb genau darauf achten, welches System die individuellen Anforderungen am besten abdeckt (siehe Marktübersicht Mechatronische Schließsysteme" des BHE). Da es sich um komplexe elektronische Systeme mit einer EDV-Umgebung handelt, ist eine gezielte, objektbezogene Sicherheitsberatung genauso wichtig, wie die fachgerechte Installation aller Systemkomponenten (Schließsystem und Software) und die intensive Schulung des Betreibers. Deshalb sollte eine qualifizierte Fachfirma ausgewählt werden, wie z.b. die im BHE organisierten Mitgliedsfirmen.