Der Dunkelbraune ist heute 24

Transkript

1 Einmal um die ganze Welt Landstreicher macht seinem Namen alle Ehre Foto: Frieler Er ist ein Globetrotter im wahrsten Sinne des Wortes: Der Holsteiner Hengst Landstreicher (Z.: Jürgen Hattebuhr, Burgwedel) hat als Zucht- und Sporthengst gleichermaßen viel von der Welt gesehen und auf diese Weise und zwar im allerbesten Sinne seinem Namen durchaus alle Ehre gemacht. Der Dunkelbraune ist heute 24 Jahre alt und einer der letzten Hengstsöhne der Holsteiner Vererberlegende Landgraf I im aktiven Deckeinsatz. Landstreicher ist ein ausdrucksstarker, ganz moderner und blutgeprägter Hengst, geschlossen und korrekt gebaut, mit guten Grundgangarten und stets energischem Auftreten. Erfolge rund um den Globus Landgraf I Landstreicher Alraune Ladykiller Warthburg Capitol I Luzern Sailing Light Lone Beech Aldato Schneenelke Capitano Folia Sacramento Song xx Gudrun Landstreicher absolvierte seine Hengstleistungsprüfung 1994 in Adelheidsdorf als Gesamt-Fünfter des 37-köpfigen Jahrgangs. Erwartungsgemäß dominierte er im Teilindex Springen. Sportlich hat er vollauf überzeugen können: Zahleiche Siege in Springpferdeprüfungen der Klassen A, L und M stehen zu Buche inklusive zweimaliger erfolgreicher Teilnahme an den Bundeschampionaten 1996 und Beim Weltchampionat der fünfjährigen Springpferde 1996 in Lanaken gewann er zwei Springpferdeprüfungen. Später war er vielfacher Sieger in Springen der Klasse S. Er hat mit seinem Ausbilder Toni Haßmann viel von der großen Welt des Springsports gesehen: Internationale Einsätze hatte er mit Siegen und hohen Platzierungen in Großen Preisen, u. a. in Rom (ITA), Arhus (DEN), St. Gallen (SUI), Maubeuge (FRA), London (GBR), Genf (SUI), Hickstead (GBR), La Coruna (ESP), Aachen, Spangenberg, Donaueschingen, Mannheim, Wiesbaden, Calgary (CAN), Mechelen (BEL), Göteborg (SWE). Besonders hervorzuheben ist sein zweiter Platz im hochkarätig besetzten 80 ZÜCHTERFORUM 3/2015

2 Kam schon viel rum: Landstreicher Hengste-Springen Sires of the World in Hannover Vom Fläming in die USA Auch züchterisch ist er viel rumgekommen : Landstreichers züchterische Karriere begann in Berlin-Brandenburg auf dem Gestüt Falkenhof bei Franz Clemens Hoff in Niemegk-Neuendorf (Hoher Fläming). Seine Nachzucht aus dieser ersten Schaffensperiode präsentierte sich überaus modern. Bei Fohlenchampionaten war er oft mit hochklassigen Fohlen vertreten. Die Nachkommen sind international erfolgreich bzw. gingen beim Bundeschampionat an den Start, 26 von ihnen mit Erfolgen in der schweren Klasse. 14 von 141 bisher bei deutschen Pferdezuchtverbänden registrierten Töchter des Landstreicher erhielten die Staatsprämie, darunter Lady Sun shine, die Mutter des Reservesiegerhengstes und zweifachen Vize-Bundeschampions Rock Forever I bzw. dessen Vollbrüdern Rock Forever II und Revolverheld. Mit Lianos wurde 2002 der erste Sohn gekört, der 2007 mit Felix Haßmann Deutscher Meister der Jungen Springreiter war. Von 2003 bis 2007 in Thousand Oaks (USA) beheimatet, kehrte Landstreicher 2008 nach Deutschland zurück. Bis 2012 deckte er im Gestüt Famos, wurde dann gemeinsam mit seinem Boxennachbarn Concetto Famos in die Schweiz verkauft und 2014 über das baden-württembergische Haupt- und Landgestüt Marbach angeboten. Ende 2014 traten Concetto und Landstreicher als betagte Herren erneut gemeinsam die Rückkehr nach Syke-Wachendorf an und stehen seit Anfang 2015 nun wieder den norddeutschen Züchtern im Gestüt Famos zur Verfügung. Foto: Ernst Foto: Beelitz Imposant und erfolgreich: Landstreichers Vater Landgraf I

3 Legendärer Landgraf I Gekörter Sohn: Lianos, im Sattel sitzt Felix Haßmann Aus einer Landstreicher-Mutter: Rock Forever I, nun unter Sophie Holkenbrink erfolgreich Der Vater Landgraf I war seinerzeit der erfolgreichste Springpferdevererber der Welt. Er war eine imponierende Erscheinung mit enormem Aufsatz, gutem Riß und viel Ausstrahlung, hatte ein schönes Gesicht mit herrlichem Auge, einen langen, etwas breiten Hals auf langer, schräger Schulter. Guter Bewegungsablauf und sehr guter Charakter waren weitere große Vorzüge. In Bezug auf Springqualität war er überragend hinsichtlich Beintechnik, Vorsicht, Bascule und Vermögen. Auf der DLG-Ausstellung 1972 landete Landgraf I hinter dem Württemberger Airfunk und dem Hannoveraner Diplomat an letzter Stelle seiner Klasse. Eine Entscheidung, die damals auf viel Unverständnis seitens der Zuchtleitung traf, denn Landgraf I war schon damals ein Hengst von ausgesprochen imponierender Erscheinung. Im Nachhinein hat Landgraf I die gesamte aufgebotene Konkurrenz der damaligen DLG in seiner Vererbung hinter sich gelassen. Im Rahmen der Equitana 1975 überwand er unter Herbert Blöcker mehrmals täglich Höhen von zwei Metern, und auch Karsten Huck hat diesen Klasse-Hengst im Rahmen von Schauauftritten über höchste Abmessungen gesprungen. Die Nachkommen waren vielfach von unterschiedlicher Größe, oft spätreif. Besonders die großen unter ihnen wirkten in der Jugend oft hochbeinig und schmal. Dominant vererbte Landgraf I jedoch seinen Typ, sein schönes Gesicht und oft auch seinen Mangel im Hinterbein. Fast alle Nachkommen waren mit dem guten Springvermögen des Vaters ausgestattet. Oft sprangen sie anfangs etwas unbeholfen mit nicht idealer Beintechnik, was sich jedoch mit zunehmender Reife besserte. Die Holsteiner Züchterschaft setzte ihm auf dem Gelände Foto: Wego der Verbandszentrale in Elmshorn ein lebensgroßes Bronzedenkmal. Der feierlichen Enthüllung wohnte Landgraf I noch selbst bei. 669 Töchter wurden von ihm registriert, davon 97 Staatsprämienstuten. Capitols Zuchtrezept Die Mutter Alraune ist eine Tochter des Spitzenspringpferdemachers Capitol I, der Sieger für internationales Parcoursniveau geradezu in Serie gestellt hat. Sie brachte noch das S-Springpferd Caribo und die Stute Galaune, aus der der gekörte und im Sires-of-World -Springen siegreiche Con Spirito R und dessen ebenfalls gekörter und international erfolgreicher Vollbruder Con Caletto stammen, sowie die Stute Elraune, die Mutter des in Weltcup-Springen platzierten Cattani/Geir Gulliksen (NOR) wurde. Der Muttervater Capitol I war klar als Vatertier erkennbar, mit gutem Hengstausdruck, jedoch ohne den letzten Charme. Er imponierte durch den großen, ausdrucksvollen Kopf bei viel Hals mit starker Ganasche. Capitol I hat vielen seiner Kinder sein Markenzeichen, die Schimmelfarbe, mitgegeben. Wie einst Gotthard in Hannover, so war es Capitol I in Holstein, der Weiß wieder modern gemacht hat. Mit diesem Foto: Frieler 82 ZÜCHTERFORUM 3/2015

4 Hengst hat der Holsteiner Verband in einzigartiger Weise bewiesen, dass es Mittel und Wege gibt, eine Hengstlinie zu erhalten. Nachdem nämlich der Vater Capitano ins Hessenland übergewechselt war, stand Capitol I als einziger und damals letzter Vertreter der Cottage Son xx-linie in Holstein. Er war nicht einfach anzupaaren: Seine enorm vermögenden Nachkommen sorgten schon früh im Springparcours für Furore, allerdings waren sie oftmals groß, schwer und manchmal auch ungelenk und steif, einige auch, rundheraus gesagt, zu schwerfällig, triebig und faul. Also gab der Holsteiner Verband ein Zuchtrezept für diesen hoch geschätzten Schimmel heraus: Nur Halbblutstuten oder aber Töchter des Cor de la Bryère erhielten die Zulassung zur Bedeckung bei Capitol I. Und siehe da: Die Saat ging auf! Schließlich konnte von Capitol I eine ganze Reihe interessanter Söhne, nämlich genau 33, für verschiedene deutsche und ausländische Zuchten gekört werden. Mit diesem wiedergewonnenen Genpotenzial wurde in Holstein behutsam umgegangen. Weitere bekannte Capitol I-Söhne sind vor allem Calato, Carthago, Carolus I und II, Cassini I und II, Cento, Crosby, Campione, C-Indoctro I, Consens und andere, von denen auch viele im internationalen Springsport eine Rolle gespielt haben. Capitol I genoss stets großes Vertrauen in der Züchterschaft, für welches er sich mit großartigen Springpferden wie Corso, Concorde, Cartier, Caruso, Cincinnati, Cliquot, Calle, Caldas und anderen schon in den frühen Jahren seiner Beschälerkarriere revanchierte. 332 Töchter wurden in Holstein eingetragen, davon 24 Staatsprämienstuten. Stars aus Wellinghusen Der in dritter Generation erscheinende Vollblüter Sacramento Song xx hatte es als Privathengst auf der Station Witt (Wellinghusen) im Holstein der 70er-Jahre nicht leicht: Zwar deckte er deutlich mehr Stuten als jeder andere Privatbeschäler, aber dennoch blieb man vonseiten der Verbandsführung zurückhaltend gegenüber den Nachkommen. Trotzdem wurden letztlich vier Söhne in verschiedenen Zuchten gekört, bezeichnenderweise alle über den zweiten Bildungsweg, sprich nach erbrachter Eigenleistung im Parcours (fünf erste bis dritte Plätze in S-Springen): Sympatico in Holstein, Sacramento Son in Holstein, Sandro in Dänemark und Sinklair beim ZfdP. Sympatico und Sacramento Son gingen kurze Zeit nach dem Positiv-Körurteil ein, und Sinklair deckte im süddeutschen Raum mit geringen Chancen. Die Chancen auf den Erhalt des Blutes im Mannesstamm waren also denkbar gering, doch Foto: Ernst Macht Spitzenpferde: Muttervater Capitol I

5 unverhofft kommt oft: Heute ist die Linie des Sacramento Song xx aus dem bundesweiten Zuchtgeschehen nach starker Verbreitung durch Sandro und seine Söhne nicht mehr wegzudenken. In Holstein selbst allerdings hat sich der Mannesstamm nicht weiterentwickeln können. Internationale Spitzenpferde wie Sedac 2/Paul Schockemöhle, Saskia 61/Rita Siebke, Chicoa/ Friedrich Otto jun., Suko (ITA), Santos/ Greg Best (USA) und viele weitere hatten Sacramento Song xx zum Vater, unschätzbar groß ist sein Einfluss als Muttervater, so etwa bei den Sportpferden Cincinatti und Romantika/Werner Peters, Leonidas 40/ Lars Nieberg, Leonardo/Franke Sloothaak, Gitania 8/Marcus Ehning, Cathleen/Meredith Michaels-Beerbaum, Roxana 10/Herbert Blöcker und den Hengsten Atlantus Z, Camelot, Campesino, Campione, Capitalist, Carino Sun, Chico S-R, Corall, Gramento, Lactic, Landlord Z, Lascadell, Lemato und Solid Silver. Besonders gut harmonierte die Paarung von Sacramento Song xx-töchtern an Capitol I, denn sie brachten Adel und Spritzigkeit, eben genau das, was vonseiten der Mutter erforderlich war, wenn es mit der Anpaarung an Capitol I klappen sollte, ohne dabei die Springleistung herabzusetzen. In vierter Generation steht der braune Halbblüter Wahnfried, der Vorgänger des Sacramento Song xx, in Wellinghusen. Wahnfried-Töchter wurden seinerzeit gleich mehrdutzendfach an Sacramento Song xx gepaart, und die Produkte waren nahezu ausnahmslos Volltreffer. Wahnfried deckte von 1965 bis 1973 in Holstein, dann wurde er abgekört und nach Dänemark verkauft. Von dort stammen seine einzigen gekörten Söhne: Waldus und Waterkant, in Dänemark rein holsteinisch gezogen und beide zunächst ausschließlich über den damals noch jungen ZfdP im Einsatz. Nachdem man in Holstein erkannte, dass die Wahnfried-Nachkommen Ausnahme- Hatte es im Deckgeschäft nicht immer leicht: Vollblüter Sacramento Song xx Landstreicher-Nachkomme: Lamiro, im schweren Parcours erfolgreich Foto: Ernst Spring pferde waren, sollte er aus Dänemark zurückgeholt werden. Waldes/John Anderson (CAN), Wendulin/Dirk Hafemeister, Wega und Wacholder mit Werner Peters hatten inzwischen die Parcoursarenen erstürmt, und bei vielen Spitzenspringern und gekörten Hengsten war Wahnfried inzwischen als Muttervater präsent. Doch aus dem schon beschlossenen Reimport wurde nichts: Wahnfried ging wenige Tage vor der geplanten Transaktion noch in Dänemark ein. Aus dem Stamm 2067 resultieren außerdem 50 gekörte Hengste, darunter der über sportliche Eigenerfolge gekörte Sympatico (v. Sacramento Song xx), ferner Rando (v. Romino) als Reservesieger der Holsteiner Körung 1985 sowie unzählige Spitzenspringpferde. Allen voran sind hier Leonardo/Franke Sloothaak, Leonidas 40/Lars Nieberg, Top Secret/Karina Johannpeter (BRA) und Lordon 3/Luciana Diniz zu nennen. Aus dem genetischen Zusammenspiel dieser heldenhaften Vererber der Holsteiner Zucht entsprang Landstreicher, der hinsichtlich seiner züchterischen Frequentierung keinen geradlinigen Werdegang mit beständiger Nutzung hatte. Bleibt zu hoffen, dass aus seinen späten Schaffensjahren nun noch einige hoffnungsvolle Pferde erwachsen. Vielleicht sogar noch der eine oder andere gekörte Sohn. Claus Schridde Foto: Lafrentz 84 ZÜCHTERFORUM 3/2015

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