Chaos in't Bestattungshuus (Chaos im Bestattungshaus)

Transkript

1 Chaos in't Bestattungshuus (Chaos im Bestattungshaus) Schwarze Komödie von Winnie Abel Plattdeutsch von Heino Buerhoop Plausus Theaterverlag Kasernenstr. 56, Bonn 1

2 Inhalt: Das Bestattungshaus Speck steckt in finanziellen Problemen. Deshalb lässt sich der chronisch pessimistische Bestatter Gerd auf ein unmoralisches Angebot ein. Er ist bereit, für den Fabrikanten Udo Kemp eine Beerdigung zu inszenieren nur dass dieser gar nicht tot ist. Der Lebemann möchte auf ungewöhnliche Weise von seiner reichen und verbitterten Frau Roswitha loskommen und dabei noch eine Menge Geld mitnehmen. Helfen soll ihm sein Speichel leckender Mitarbeiter Ludwig. Doch als plötzlich immer mehr Geliebte von Udo im Bestattungshaus aufeinander treffen, Gerds lebenslustige Frau Verona die Gerichtsvollzieherin kurzerhand abfüllt, der unterwürfige Ludwig mit der auserwählten Geliebten seines Chefs verschwindet, droht der unmoralische Plan vollends im Chaos zu versinken. Eine rasante, schwarze Komödie mit urkomischen Charakteren. Rollen und Einsätze: Gerd Speck (144): Bestatter. Der pessimistische Gerd hat große Geldsorgen. Deshalb lässt er sich auf ein unmoralisches Angebot ein: Er soll und will für den Fabrikanten Udo Kemp eine falsche Beerdigung inszenieren. Verona Speck (157): Gattin des Bestatters. Sie ist eine lebenslustige Frau, die auch im Bestattungshaus immer ihren fröhlich-aufgedrehten Charme versprüht. Sie geht leidenschaftlich gerne Kegeln und trinkt noch öfter einen über den Durst. Paul Speck (63): Grufti-Sohn der Bestatter. Paul kleidet sich mit Vorliebe schwarz im Grufti-Look. Er versucht in der Gothic-Szene Fuß zu fassen und ist in Melanie verliebt, die er um jeden Preis beeindrucken möchte. Udo Kemp (116): Lebende Leiche. Der Lackfabrikant will von seiner Frau Roswitha loskommen, denn der Lack in der Ehe ist ab. Das Problem: Roswitha hat einen Ehevertrag gemacht, und wenn Udo sie verlässt, steht er finanziell schlecht da. Deshalb hat er Geld ins Ausland geschafft und will nun seine eigene Beerdigung inszenieren lassen, um sich anschließend als Totgeglaubter ungestört absetzen zu können. Udo ist ein Lebemann, der permanent Witze reißt. Roswitha Kemp (87): Frau der lebenden Leiche. Roswitha ist eine Fabrikantin, die von ihrer Ehe enttäuscht ist. Dennoch trauert sie aufrichtig um ihren totgeglaubten Mann. Doch als ihr am Totenbett klar wird, dass ihr Mann sie seit Jahren mit anderen Frauen betrogen hat, dreht sie den Spieß post mortem um. Rita: (102): Kemps Geliebte und Kegelschwester von Verona. Die lebenslustige Rita ist unglücklich verheiratet und hat sich deshalb auf den Fabrikanten Udo Kemp eingelassen. Doch am Totenbett muss sie erfahren, dass sie nicht die einzige Geliebte war. Edeltraud (65): Auch Edeltraud hat ein Verhältnis mit Kemp. Sie ist Nudistin und teilt mit Udo ihre Vorliebe fürs 2

3 Nacktsein. Ludwig Heller (101): Kemps Mitarbeiter. Ludwig ist in die Pläne seines Chefs eingeweiht und soll ihm beim Scheintod helfen. Seinem Chef gegenüber ist er völlig unterwürfig und Speichel leckend. Ludwig hat einen chronischen Schluckauf und ist etwas ungeschickt und unsicher. Anna Steckröde (60): Gerichtsvollzieherin. Anna ist eine steife und strenge Gerichtsvollzieherin, die im Bestattungshaus Schulden eintreiben soll. Allerdings hat sie eine Schwäche sie ist dem Alkohol nicht abgeneigt. Das nutzt Bestatter-Gattin Verona schamlos aus. (55): Pauls Grufti-Freundin. Auch Melanie fühlt sich von der Gothic-Szene angezogen und ist vom Tod fasziniert. Zum Schrecken ihrer Eltern kleidet sie sich wie eine dunkle Diva und nennt sich nur noch Morgana. Bühnenbild: Spielort ist das Unternehmen des Bestatters Udo Speck. Auf der linken Seite ist die Eingangstür zum Bestattungshaus, daneben befindet sich ein Fenster. An der linken hinteren Wand stehen typische Ausstellungsstücke, beispielsweise eine Schauvitrine mit Urnen, Muster-Fotobüchern von Trauerfeiern und Trauerkarten. Außerdem befindet sich im Raum ein kleines Schränkchen, auf dem eine Kaffeemaschine und Tassen platziert sind. Vorne steht ein Schreibtisch, der auch als Beratungstisch dient. Auf ihm steht ein Computerbildschirm. Auf der rechten Seite geht es in den Hausflur und damit in den Wohnbereich der Familie Speck. Hinten rechts ist ein kleiner Raumteil mit einem Vorhang oder einer spanischen Wand abgetrennt, hinter der sich eine Bahre befindet. Neben der Bahre steht eine Kommode und darauf eine Schüssel. Von diesem kleinen Raumteil aus geht eine weitere Tür ab zu den restlichen Räumen des Bestattungshauses. Spielzeit: ca. 120 Minuten 3

4 1. Akt 1. Szene Gerd, Paul, Verona Es ist Nachmittag. Gerd sitzt an seinem Schreibtisch über einem Ordner mit Rechnungen. Sein im Grufti-Stil gekleideter Sohn liest in einer Zeitschrift (z. B. Orkus ) Dor starvt nüms. Keen Minsch starvt! Dootlangwielig is dat. Wi köönt bold dicht maken. In dree Weken man jüst een Liek. Dat kann so nich wieter gahn. (kommt von rechts) Wat kann so nich wieter gahn, Schatzi? (zu ihrem Sohn) Och Minsch, Paulchen, wat leest du dor wedder för gruselige Saken? Boah, wo faken denn noch? De schallst mi nich Paulchen nömen! Natürlich, mien Söten. Pauls stöhnt genervt auf. (weinerlich) De Dischler sitt mi wegen de unbetahlten Reeknungen in'n Nacken. Ik heff sogar al Brefe van't Gericht kregen. Nu laat di dorüm man keen griesen Hoor wassen. Wi kriegt dat doch hen, oder? (Sie bufft ihm in die Seite) Echt, Papa, maak di dorüm man nich glieks in't Hemd. Ji köönt anschienend nich begriepen, wo eernst de Laag is. Jo, jo, mien leve Gerd, bi di is allens jümmer so gräsig eernst. (schaut aus dem Eingang heraus) Och ne, wo sööt! De Herr Fischer van gegenöver geiht na Arbeit un gifft sien Fro jüst een Söten un nu faat he se noch glatt an de...oooohhh... Woso maakst du dat egentlich nich? (trocken) So goot kenn ik de Fro doch gor nich. 4

5 Das Telefon klingelt. (nimmt hastig ab) Speck Bestattungen. (einfühlsam) Bestattung mit Geföhl De Fabrikant Kemp is doot?! Is jo dull! (ins Telefon) Dat is jo nu... äh... (ernst) doot-trorig! Mien oprichtig't Mitgeföhl... Och so, Se sünd blots een Mitarbeiter? Jo, woso hunscht Se denn so? Och so, Sluck-op! Hett he al den Dodenschien? (reibt sich die Hände) (ins Telefon) Seggt Se, hebbt Se al den Dodenschien?... Jo, goot, he wahnt doch glieks een Straat wieter, nich wohr?... Denn haalt wi em nu direkt af un bringt em üm de Eck... äh... ik meent, wi haalt em hier her... (nickt) Allens wietere kloort wi denn mit de Wittfro af. Jo, bit glieks!. (legt auf) De rieke Kemp van de Lackfabrik? Sühst du, dat löppt doch! Man mutt jümmer positiv denken! Paul, wi mööt glieks los ik maak mi blots noch gau frisch. Wat wullt du bi di denn noch frisch maken? Gerd, Schatz, denkst du dor an, dat wi Kegelswestern vunavend all us Mannslüüd mitbringt? Verona, ik heff würklich Beter't to doon, as mit dien stännig dunen Kegelswestern ne ruhige Kugel to schuven. Ik heff Kundschupp un mutt nu fix los. (ab) (ruft ihm hinterher) De Kegler ward mit de Tiet ok use Kunnen! Poor van de seht tominst so ut, as wenn se nich mehr lang maakt. (läuft hinter ihm her und geht rechts ab) Vergitt nich, du hest mi dat verspraken! 2. Szene Paul, Melanie, Gerd (kommt, im Grufti-Look gekleidet, von links) Hallo! (überrascht; macht sich hastig zurecht) Hey, Morgana! 5

6 Paul, hier leevst du also direktemang bi de Doden perfekt! Nu jo, för miene Olen is dat hier ok blots een Geschäft för all Daag. Mien Mudder tominst föhrt sik so op, as wenn se hier Tupper-Waar verköfft. Bidde wat? Och, egal. Miene Olen sünd schreeg. Woso? Se seggt jümmer: Kind! Woso is de Dood denn för di so intressant?! Du büst doch noch veel to jung dorför; du hest dien Leven noch vör di! Un: Wegen den Dood maakt een doch nich so een Theater! (lacht) Dat kenn ik. Du musst mal mien Mudder beleven! Liekers dat is doch dull, in een Bestattungshuus to leven! (will sie beeindrucken) Kloor. Elkeen Dag mit Lieken arbeiden un den Dood so nah to ween dat is al extrem krass. (aufgeregt) Kannst du mi mal een Liek wiesen? (kommt von rechts und sieht Melanie) Nanu? (zu Gerd) Hey also, dat is Morgana. (zu Melanie) Un dat is mien Vader, Morgana. (gesprochen wie: Fata Morgana) Oh je! (lässig) Hi! Kumm, Paul, wi mööt den Kemp afhalen. 6

7 Haalt ji nu een echte Liek? Dat is jo echt geil! Ik kaam mit! Junge Fro, wi maakt hier keen Botterfohrt! (zu seinem Vater) Kumm, bidde! Op gor keen Fall! Ey, wat schall dat denn? Denn fohr ik ok nich mit. Jung, wat is denn mit di los? Kümmst du nu dat tweete Mal in de Pubertät oder wat? Ik fohr mich mit. (ärgerlich) Also goot, denn kaamt utnahmswies mal beide mit. Is jo sowieso egal. Geil! Gerd, Paul und Melanie gehen links ab. Das Telefon klingelt. 3. Szene Verona, Roswitha (kommt von rechts und ruft fröhlich) Ik kaam! (hebt ab und saggt schnodderig) Speck Bestattungen, Bestattungen mit Geföhl!... Wat wüllt Se?... Een Taxi? Also, wi fohrt blots düsse swatten, länglichen Stretch-Limousinen Ok na'n Flugplatz, jo!... Siet wennehr sünd Se denn al doot?... Se sünd noch nich doot? Roswitha kommt von links. Verona bemerkt sie nicht. (ins Telefon) Ne, denn geiht dat nich, deit mi leed. Wi transporteert blots Lieken... Aver dat nächste Mal villicht kann jo goot angahn, nich wohr? Jo tschüüs! (legt auf und entdeckt Roswitha) Söökt Se ok een Taxi? 7

8 Roswitha: Se sünd doch een Bestattungshuus, oder? Bingo! Roswitha: (geschäftig) Se warrt lachen mien Mann is doot. Na, dat is doch mal wat. Aver kaamt Se doch rin. Roswitha: Sien Mitarbeiter hett al hier anropen. Och, denn sünd Se Fro Kemp? Hartlichen Glückwunsch äh, ik meen oprichtigt Mitgeföhl. Roswitha: Danke. Mien Huushöllersche un us Mitarbeiter, Herr Heller, sünd opstunns bi em. Ik wull wieldess hier vörweg allens regeln. He schall so gau as nödig an'ne Siet äh, beerdigt warrn. Seggt Se, hebbt Se nich düsse Lackfabrik? Verona leitet Roswitha zum Beratungstisch. Roswitha: Jo, de heff ik van mien Vadder arvt. Aver dat Geschäft maakt praktisch mien Mann äh, ik meen, he hett dat bit nu maakt. Jo Minsch, wo trorig. - Woans is dat denn passeert? Roswitha: Hüüt Morgen harr ik jüst mit em anfungen nu jo, Se weet woll. Un denn mark ik so blangenbi, dat he sik keen beten röögt. (fängt an zu weinen) Wat un Se sünd dor op kamen, dat he doot ween kunn? Roswitha: (schluchzt) Nu jo he leeg doch dorbi so as jümmer. Seggt Se, wo lang weern Se denn verheirad't? Roswitha: (tupft sich die Augen trocken) Twintig Johr. 8