Ich wünsche dir Zeit, zu dir selber zu finden

Transkript

1 Elli Michler Ich wünsche dir Zeit, zu dir selber zu finden Begegnungen

2 Über das Buch Ein Gedicht ist ein Stück Ewigkeit in der Zeit, hat Schopenhauer einmal gesagt. Elli Michlers Gedichte bestätigen das in wunderbarer Weise. Dem menschlichen Leben in seinen vielen Facetten gibt sie nachdenklich, einfühlsam und mit feinem Humor Rhythmus und Reim. Sie lädt zum Innehalten im Alltag ein, und man kann kaum der Versuchung widerstehen, das eine oder andere Gedicht auswendig zu lernen!

3 Über die Autorin Elli Michler ( ) studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Staatswissenschaften und war als freie Schriftstellerin tätig. Für ihr lyrisches Werk erhielt sie im Jahr 2010 das Bundesverdienstkreuz.

4 Verlagsgemeinschaft topos plus Butzon & Bercker, Kevelaer Don Bosco, München Echter, Würzburg Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern Paulusverlag, Freiburg (Schweiz) Verlag Friedrich Pustet, Regensburg Tyrolia, Innsbruck Eine Initiative der Verlagsgruppe engagement Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN E-Book (PDF): ISBN E-Pub: ISBN Verlagsgemeinschaft topos plus, Kevelaer Das und die inhaltliche Verantwortung liegen bei der Don Bosco Medien GmbH, München. Umschlagabbildung: sör alex / photocase.com Einband- und Reihengestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart Satz: Don Bosco Medien, München Herstellung: Friedrich Pustet, Regensburg Printed in Germany

5 Inhalt Einführung 10 Dein Weg Geschenkte Tage 14 Ich wünsche dir, dass du dein Leben lebst 15 Dein Weg 16 Es mag trübe Zeiten geben 18 Ermunterung 19 Ich wünsche dir als Begleiter 20 Für ein Kind 21 Vom Sinn der Erfahrung 22 Wandlungen 23 Ich wünsche dir, weil du Geburtstag hast, 24 Was ist ein Jahr? 25 Ich wünsche dir fürs neue Jahr 26 Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies 27 Ich wünsche dir Gelassenheit 28 Frage dich 29 Ich wünsche dir Zufriedenheit 30 Zurück zu den Wurzeln 31 Ich wünsche dir Phantasie 32 Der rechte Weg 34 Rückschau 35 Kleines Gebet (Herr, wenn ) 36 Mein letzter Wille 37 5

6 Zeit, zu dir selber zu finden Atemholen 39 Ich wünsche dir Zeit 40 Außergewöhnliches Geschenk 41 Ich wünsche dir in der großen und hektischen Welt 42 Ich wünsche dir einen Tag ohne Eile 43 Im Vorübergehen 44 Sag es noch heute 46 Warum? 47 Mit einem Lorbeerblatt 48 Ich wünsch dir einen guten Tag 49 Ich wünsche dir Siebenmeilenstiefel 50 Ich wünsche dir Stille 51 Bekehrung 52 Ich wünsche dir Glück und Segen 53 Entdeckung 54 Das Tagebuch 55 Sprache der Zärtlichkeit 56 Kleines Gebet (Danke dir ) 58 Zeitliches und Ewiges 59 Ich wünsche dir Verbundenheit Ich wünsche dir Verbundenheit 61 Ich wünsche dir alle die Dinge 62 Entfaltung 63 Seelenlage 64 Auferstehung 65 Geschenk des Frühlings 66 Im Juni 67

7 Blauer Schmetterling 68 Im gemeinsamen Lebensraum 69 Auf eine Rose 70 Sonnenbaden am Strand 71 Seerose 72 Sommermorgen 73 Ich wünsche dir dein Gleichgewicht 74 Abschied vom Sommer 75 Herbstgeschenke 76 Regentag 78 Barbarazweig 79 Christrose 80 Vier Kerzen 81 Weihnachts-Wunschzettel 82 Gebt der Weihnacht neuen Sinn! 84 Auf der Suche nach dem Sinn Einem jungen Menschen zugedacht 86 Auf der Suche nach dem Sinn 87 Ich wünsche dir Begeisterung 88 Ich wünsche dir deinen Traumberuf 90 Meditation 91 Wenn ich dir sage 92 Was ist ein Gebet? 94 Feiertag 96 Auf Wanderschaft 97 Im Vertrauen 98 Zwiegespräch mit einem alten Baum 100 Leitmotiv des Lebens 102 7

8 Von der Liebe getragen Die Reise nach Rom 104 Wo du geliebt wirst 106 Dank den Müttern 107 Erinnerung an die Großmutter 108 Folgenreiches Geschenk 110 Leicht Entflammbares 111 Wir zwei 112 Großzügiges Geschenk 113 Flieder 114 An den Gestaden des Meeres 115 Ich finde mich in dir 116 Ich möcht mit dir 117 Ein kleines Stück Weg 118 Eine Rose auf dein Grab 119 Ohne dich 120 Was bleiben wird 121 Glaubensbekenntnis 122 Bedeutender Unterschied 123 Brücken des Friedens Brücken des Friedens 125 In Gegenwart von Blumen 126 Mit dem Palmzweig im Schnabel 127 Weltgeschichte 128 Auf der Seite des Lebens 129 Ich wünsche dir Barmherzigkeit 130 Wiegenlied für die unheile Welt 131 Ich wünsche dir Geduld 132 Der Menschlichkeit verbunden 134 8

9 Zum Advent 135 Stern der Weihnacht 136 Der Christbaum der Erinnerung 137 Wenn keiner mehr an Wunder glaubt 138 Geheimnis des Lebens 139 Quellenverzeichnis 140 9

10 Einführung Lebensnah sind Elli Michlers Gedichte und poetisch einprägsam geformt. Sie laden dazu ein, im Alltag innezuhalten und nachzudenken über Fragen der Lebensorientierung und Selbstfindung. Die Dichterin nimmt uns mit auf die Suche nach dem eigenen Weg, nach Gleichmut und Zufriedenheit im Leben. Ihre Worte zeigen uns neue Perspektiven auf, sind Atempausen in einer hektischen und lauten Welt. Die leisen Töne ihrer Gedichte vermögen uns bewusst zu machen, welche Menschen, welche Erinnerungen uns wertvoll sind und woraus wir Kraft schöpfen: ein wichtiger Schritt zu uns selbst und zu innerem Gleichgewicht. Elli Michler öffnet uns die Augen für die Schönheiten der Natur und lenkt den Blick wieder auf die vielen kleinen Glücksmomente im Alltag. Wir gewinnen Vertrauen zu uns selbst, zu anderen und in die Welt. Das befähigt uns, Liebe zu er fah ren und zu verschenken, öffnet den Weg zu Versöhnung und Frieden. 10

11 Elli Michler will ihre Gedichte verstanden wissen als Gedanken über den Tag hinaus, die dazu anregen, den rechten Umgang mit der Zeit wiederzuerlernen. Leiden wir nicht,, schreibt sie, während wir den rechten Umgang mit unserer Zeit verlernt haben, vor allem an der mangelnden Wahrnehmung jener wunderbaren Fülle an Zeit, die dem Menschen mit jeder Stunde geschenkt ist, in der er sein Leben bewusst und sinnvoll zu gestalten versteht? Um uns selbst wiederzufinden, bedarf es der Rückkehr zu dem uns angemessenen Lebensrhythmus, zum Streben nach Gelassenheit, Mut und Zuversicht durch Verbundenheit mit der Natur, der Heimat und unseren Mitmenschen. Wenn es uns gelingt, unsere Freiheit in der rechten Weise zu nützen, werden wir in einem etwas bescheideneren Leben die ersehnten Kraftquellen finden. Prägende Erlebnisse, die uns durch die Begegnung mit unseren Nächsten wie auch im Umgang mit Kunst und Wissenschaft vermittelt werden, machen uns sicherlich aufgeschlossen, tolerant und kreativ genug, um bewusster zu leben innerhalb unserer als kostbares Geschenk empfundenen Zeit. Diese Gedichtsammlung will uns dabei begleiten. Barbara Michler 11

12 Alle Wahrnehmungen, alle Impressionen sind Spiegelbilder des Zustands unserer Seele. Wir selbst müssen etwas in die Dinge hineinlegen, sonst bleiben sie stumm, und die Begegnung mit ihnen ist ohne Bedeutung. Elli Michler 12

13 DEIN WEG 13

14 Geschenkte Tage Geschenkte Tage, das sind die Tage der Kindheit: das Leben entdecken, begehren, beginnen, im Urvertrauen erwachen in Anmut, um zart sich entfalten zu lassen die Blüte. Geschenkte Tage, das sind die Tage der Weisheit: Am Ende ein Abstand-Gewinnen, Beschreiten des Weges nach innen, zufriedenes Rückwärts-Schauen auf das, was erreicht ward auf manchem Gebiete. Geschenkte Tage, das sind die Tage der Wahrheit, die stürmisch dazwischenliegen, verworren, verdunkelt und fern aller Klarheit im Kämpfen und Drängen, Verlieren und Siegen. Geschenkt sind dir alle die Tage auf gänzlich verschiedene Art. Sie halten einander die Waage, und Gott hat an keinem gespart. 14

15 Ich wünsche dir, dass du dein Leben lebst Ich wünsche dir, dass du dein Leben lebst, nicht verplanst, nicht verträumst, dass du nicht immer nur denkst, dass du etwas versäumst, und dass du niemals zu hoch in den Wolken schwebst. Ich wünsche dir, dass du es schaffst, deine Welt unbeirrt zu gestalten, dass du nicht für dich selbst nur zusammenraffst, was für andere schwer zu erhalten. Ich wünsche dir, wenn man dich spannt vor des Zeitgeistes Wagen, dass du nicht völlig zu allem bereit, dass du die Kraft hast, auch manchmal zu sagen: Dafür ist mir zu schade die Zeit. Ich wünsche dir, dass du nicht Anspruch erhebst auf alles, was es nur gibt, sondern dass du in Leid und in Freude erlebst, wie schön es ist, wenn man sich liebt. 15

16 Dein Weg Unter den ungezählten Wegen, die den Menschen auf Erden offen stehen, ist einer allein dein Weg. Und obwohl alle diese Wege vorgezeichnet sind, darfst du dir den deinigen in eigener Verantwortung wählen. Auch dort, wo er sich mit anderen kreuzt, bleibt dir immer die freie Entscheidung. Klage nicht über die Steine, die dein Weg aufweist. Gerade diese bieten dir festen Grund. Und wenn dein Weg dornenreich ist, so wird auch die Rose für dich ihre Blüte entfalten. Geh deinen Weg nicht zu zaghaft voran, aber hüte dich auch vor allzu großen Sprüngen. Das Gleichmaß der Schritte wird dir Sicherheit geben. Die Sonne wird dir den Weg erhellen, und die Sterne werden dich ihn auch bei Dunkelheit niemals verlieren lassen. Am Anfang wird dir dein Weg lang und beschwerlich erscheinen, und es wird dich Mühe kosten, die Blumen, die an ihm für dich zu blühen beginnen, auch wahrzunehmen. 16

17 Aber gegen das Ende hin spürst du, wie kurz er gewesen ist, und du würdest ihn gerne noch einmal von neuem beginnen, um alles richtiger, alles besser zu machen. Doch gerade dies wird dir nicht vergönnt sein. Deshalb nütze, solange es Zeit ist, auch die kleinste Strecke deines Weges und genieße dabei den Ausblick, der sich dir bietet. Denn du darfst sicher sein: Das Ziel ist dir vorgegeben; aber der Weg, krumm oder gerade, ist deine eigene Leistung. Und wie du ihn meisterst, so wirst du in seinem Verlauf dem Glück oder Unglück begegnen. 17

18 Es mag trübe Zeiten geben Es mag trübe Zeiten geben, in denen die Hoffnung müde wird, weil der einstmals schäumende Brunnen des Lebens versiegt zu sein scheint. Aber es lohnt sich, alle die leeren Gefäße geduldig aufzubewahren, um von neuem aus der Freude schöpfen zu können, sobald der Lebensquell wieder sprudelt. Die Zeiten der Dürre dauern nicht ewig. 18

19 Ermunterung Wenn sich in der Zeit der Besinnung der Teppich deines Lebens vor dir ausbreitet, jammere nicht über die Webfehler, freue dich über die Vielfalt des Musters, bringe die alten Farben wieder zum Leuchten und sieh zu, noch möglichst viele Knoten zu knüpfen! 19

20 Ich wünsche dir als Begleiter Ich wünsche dir als Begleiter die Sonne, die Wolken, den Wind, die Hoffnung als Wegbereiter, den Stern, wenn die Nacht beginnt. Ein treuer Gefährte, wie er auch heißt, als dankbar empfundenes Glück stelle sich freundlich neben dir ein! Wenn du nur weißt: du brauchst niemals alleine zu sein, legst du den Lebensweg leichter zurück. Und will es dir scheinen, du habest ja keinen, der dein Tun und dein Streben versteht, dann gibt es in Wirklichkeit lange schon einen Schutzengel, der dir zur Seite steht. 20

21 Für ein Kind Ich habe dir einen Drachen gebaut. Du hast mir dabei ja selbst zugeschaut. Einen richtigen, großen, mit einer hauchdünnen Haut, einen wirklich famosen mit Nase und Mund auf einem schwerelosen mondgelben Grund. Mit einem Schwanz, einem langen, knisternd behangen, farbig geringelt, rot leuchtend und bunt. Komm, nimm dir die Schnur und dann lauf mit dem Wind um die Wette, mein Kind! Hoch über der Flur, wo nur Himmel und Wolken noch sind, wird die Drachenfigur Pergament-Miniatur. Nur das Spielzeug wird klein. Doch du selbst fühlst dich groß, mit dem himmelweit Fernen verbunden zu sein. Lass die Schnur nur nicht los! Damit holst du ihn stolz wieder ein. 21

22 Vom Sinn der Erfahrung Es hat keinen Sinn, dir den Geschmack von Wein erklären zu wollen. An deine eigenen Lippen wirst du den Becher setzen müssen, damit deine Zunge ihn schmecken kann, den köstlichen Saft der Früchte des Weinstocks. Es hat keinen Sinn, dir von Armut zu erzählen, solange du nicht selbst ohne Brot gewesen bist und du niemals genötigt warst, um einen Mantel zu bitten. Es hat keinen Sinn, dass du das Wort Liebe in den Mund nimmst, bevor du nicht selbst dich in Demut geübt hast und durch Hingabe verwandelt wurdest in deinem Innern. Und auch die Freude am Dasein kann dir erst dann in ihrer ganzen Tiefe zuteil werden, wenn du der Stunde des Todes schon einmal sehr nahe gewesen bist. 22

23 Wandlungen Jahr um Jahr kehr ich ans Meer zurück, ans vielgeliebte, zum scheinbar ewig gleichen Bild, und grüße Altvertrautes: Sturm, Wellen, Strand und Wind. Der Sand, der leuchtend gelbe, der Himmel, weiß und blau: wie stets. Und doch nicht mehr dasselbe, wohin ich ringsum schau. Das Meer hat sich gewandelt, die Wellen ausgetauscht, die Wogen umgegraben, und neues Wasser rauscht. Der Sand ist umgetrieben. Was wundert s mich so sehr? Bin ich denn gleich geblieben? Bringt jede Wiederkehr nicht auch mich selbst von drüben als einen andren her? 23