Basiswissen. Prothetische Versorgungsformen

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1 Basiswissen Prothetische Versorgungsformen 222 März 2011 Verfasst von: Dr. Robert Pernar

2 Basiswissen Prothetische Versorgungsformen Einführung Im Laufe des Lebens können einer oder mehrere Zähne des Kiefers aus verschiedenen Gründen verloren gehen. Die dabei entstehenden Zahnlücken sollten in der Regel prothetisch versorgt werden. Man spricht hierbei von Zahnersatz. Dieser Artikel soll die grundlegenden prothetischen Versorgungsmöglichkeiten sowie deren Vor- und Nachteile erläutern. Dieses Basiswissen soll Ihnen als Patient helfen, Ihre eigenen Wünsche für Ihre persönliche zukünftige Versorgung besser definieren zu können. Bei der Zahnersatz-Besprechung in unserer Praxis können Sie zudem leichter gezielte Fragen stellen. Grundlagen prothetischer Systeme In der Zahnmedizin unterscheidet man grundlegend zwei Arten von Zahnersatz (1): Festsitzender Zahnersatz: Dieser ist mit den Zähnen oder Implantaten permanent fest verbunden. Herausnehmbarer Zahnersatz: Dieser muss zum Reinigen mindestens 2 x pro Tag aus dem Mund herausgenommen werden. Es ist offensichtlich, dass ein festsitzender Zahnersatz den natürlichen Zähnen und dem physiologischen Kaugefühl wesentlich näher kommt als ein herausnehmbarer. Daher ist es in der Regel das primäre Ziel, die prothetische Versorgung festsitzend zu gestalten. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen ein herausnehmbarer Zahnersatz durchaus vorteilhafter sein kann, was im weiteren Verlauf besprochen werden soll. Analyse der prothetischen Versorgungsmöglichkeiten Die Art der prothetischen Versorgung richtet sich immer nach den im Kiefer vorhandenen Restzähnen und deren Zustand bzw. Zerstörungsgrad. Eine optimale Versorgung hängt aber auch von vielen anderen Faktoren ab, wie z.b. Ihren eigenen Wünschen als Patient, dem Zustand von Zahnfleisch und Kieferknochen oder der eigenen Mundhygiene. 1

3 Zustand: Zahn stark zerstört, jedoch zu erhalten Prothetische Versorgung: Krone Befestigung: festsitzend (zementiert oder verklebt) Vorteile: Stabilisierung des Zahnes, gute Ästhetik Nachteile: starker Substanzabtrag durch zirkuläres Beschleifen ABBILDUNG 1: KERAMIK-KRONE Alternative: große Aufbaufüllung mit modernem, qualitativem Nano-Hybrid-Composite) unsichere Langzeitstabilität Je nach vorliegendem Zustand kann man folgende prothetischenn Systemee unter- scheiden: Kunststofff (z.b. Zustand: ein oder mehrere Zähne fehlen, genügend Restzähnee als Pfeiler vorhanden Prothetische Versorgung: Brücke Befestigung: festsitzend (zementiert oder verklebt) Vorteile: relativ geringer Aufwand (keine Chirurgie notwendig), gute Ästhetik ABBILDUNG 2: KERAMIK-BRÜCKE Nachteile: starker Substanzabtrag durch zirkuläres Beschleifen der Pfeilerzähne Alternative: Implantat(e) für diee Zahnlücke Beschleifen derr Nachbarzähne kann vermieden werden Zustand: viele Zähne fehlen bzw. nur noch wenige Restzähnee vorhanden Prothetische Versorgung: Teilprothese oder abnehmbare Brücke Befestigung: herausnehmbar,, teilweisee zahn- und schleimhautgetragen Hierbei können folgende Varianten unterschieden werden: w a) Klammerprothese (= Modellgussprothese) BefestigungB g der Prothese mittels Klammern an den Restzähnen 2

4 Vorteile: geringerer finanziellerf r Aufwand Nachteile: schlechte Ästhetik ( sichtbare Klammeranteile), schlechte Hygienefähigkeit mit verstärkterr Plaque-Anlagerungg an den Klammer- Zähnen ( Kariesgefahr), schlechter Komfort (z.b. schlechter Sitz, Klammer kann auf Zahnfleisch drücken, unbequemer Metallbügel), Klammer kann Zahn im Laufe der Zeit schädigen ABBILDUNG 3: MODELLGUSS-PROTHESE b) Geschiebe-Prothese Befestigung der Prothese mittels sogenannten Geschieben an überkronten Restzähnen (= kombiniert festsitzend und herausnehmbarer Zahnersatz) Vorteile: mehr Tragekomfort, bessere Ästhetik ( keine Klammern, überkronte Zähne verbleiben selbst nach Herausnehmen der Prothesee im Mund) ), bessere Hygienefähigkeit ( keine Klammern oderr Verbinder) ABBILDUNG 4: GESCHIEBE-PROTHESE Nachteile: kostenintensiv, starker Substanzabtrag der d zu überkronenden Zähne, Geschiebe nutzen sich relativ schnell ab ( Prothesee hält wieder schlechter) und muss immer wieder ausgetauscht werden w ( zusätzliche Kosten) c) Teleskopprothese Befestigung der Prothese mittels sogenannten Teleskopkronen an den Restzähnen 3 Vorteile: sehr gute Ästhetik ( keine Klammern, keine Metallränder, harmonisch her Prothesenverlauf, Zahnfleisch- und Knochendefekte können gut überdeckt werden), sehr guter Tragekomfort ( ABBILDUNG 5: TELES fester Sitz, je nach Konstruktio n kann auf Metallbügel oder Gaumenbedeckung verzichtet werden), einfache Hygienefähigkeitt ( Teleskopee lassen sich leicht reinigen) und damit gute Langzeitprognose, einfache Erweiterbarkeit bei eventuellem zukünftigen Zahnverlust SKOPROTHESEE Nachteile: kostenintensiv, starker Substanzabtrag der d zu überkronenden Zähne d) Sonderfall der Teleskopprothese: abnehmbare Brücke dasselbe Prinzip wie bei der Teleskopprothese, nur dass aufgrund zahlreicher Teleskopee auf

5 den Kunststoff-Sattel verzichtet werden kann Vorteile: noch bessere Ästhetikk und Tragekomfort, einfache Hygienefähigkeit Nachteile: sehr kostenintensiv Alternative für alle Teilprothes sen-varianten: Implantate zur Pfeilervermehrung,, damit festsitzender Zahnersatz wieder möglich wird Zustand: alle Zähne fehlen Prothetische Versorgung: Totalprothesee Befestigung: herausnehmbar,, rein schleimhautgetragen Vorteile: günstig, sehr leicht zuu reinigen ABBILDUNG 6: TOTALPROTHESE Nachteile: schlechter Komfort ( Prothese hält nurr durch eventuellen Saugeffekt auf dem Kieferkamm, in der Regel Haftcreme notwendig), häufiges Schaukeln, oftmals Druckstellen, regelmäßige Unterfütterung notwendig Diskussion Bei allen Versorgungsformen wird die Abhängigkeit von der Zahl der noch vorhandenen Zähne deutlich. Je weniger Restzähne e vorhanden sind, desto schwieriger wird es, einen komfortablen, wennn möglichh festsitzenden Zahnersatz anzufertigen, welcher sich in etwa so anfühlt, wie wenn die eigenen Zähne noch vorhanden wären. Als Lösung dieses Problems bieten sich Implantate an (2). Diese Kieferknochen inserierten künstlichen n Zahnwurzeln bietenn folgende Vorteile: in den Im Gegensatz zu normalen Brücken können Zahnlücken gewebeschonend, d.h. ohne Beschleifen von Nachbarzähnen geschlossen werden. Manchmal können mit Implantaten noch festsitzende Lösungen mit besserem Tragekomfort gefunden werden, wo bisher auf konventionelle Art nur einfache herausnehmbare Prothesen in Frage kämen. 4

6 Hervorragende Biokompatibilität und moderne Implantat-Oberflächen tragen zu einer sicheren und kürzeren Einheilung der Implantate bei. In meiner Zahnarztpraxis verwenden wir standardmäßig die 3D-Computernavigation, damit die Implantate minimalinvasiv, schnell und schmerzfrei inseriert werden können. So hervorragend sich Implantate seit den letzten Jahrzehnten auch bewährt haben, müssen jedoch auch folgenden Limitierungen betrachtet werden: Kostenfaktor: Implantate (und die dazugehörige Suprakonstruktion) gehören zur Luxus-Klasse, d.h. die Gesamtkosten sind in der Regel höher als bei konventionellem Zahnersatz ohne Implantate. Behandlungsdauer und Aufwand: Von der Implantat-Planung über die Chirurgie bis zum definitiven Einsetzen der prothetischen Versorgung können mehrere Monate vergehen. Meiner persönlichen Meinung nach empfiehlt es sich hier auf gar keinen Fall, die gesamte Behandlung in sehr kurzer Zeit durchzuführen (z.b. Implantation und Zahnersatz beides sofort in einer Sitzung), da das Risiko eines Misserfolges enorm ansteigt. Diesen Super-Gau, d.h. hohe Kosten und schlechtes bzw. misslungenes Behandlungsergebnis gilt es unter allen Umständen zu vermeiden. Ausreichende Gewebequalität: In manchen Fällen ist es nicht ohne weiteres möglich, ein Implantat aufgrund von Gewebedefekten im Kiefer in den Knochen sicher zu verankern. Die zahnmedizinische Technologie erlaubt es in vielen Fällen, Knochen- und Weichgewebsdefizite durch chirurgische Aufbaumaßnahmen auszugleichen. Dennoch darf in diesem Hinblick nie das Kosten-Nutzen-Verhältnis vergessen werden, denn nicht alles, was theoretisch als Behandlungsmethode möglich ist, ist auch wirklich sinnvoll. Von jahrelangen chirurgischen Behandlungen mit unsicherem Ergebnis ist abzuraten. Es gibt durchaus Fälle, in denen es aus verschiedenen Gründen besser sein kann, auf Implantate zu verzichten und einen konventionellen Zahnersatz zu wählen. Hierzu einige Beispiele: Starker vertikaler Knochenabbau: Selbst wenn durch geeignete Aufbau- Maßnahmen Implantate in den Kieferknochen gesetzt werden können, so kann die letztendliche prothetische Versorgung große Nachteile beinhalten 5

7 (z.b. schlechte Ästhetik durch unnatürlich lange Zahnkronen, Zähne wirken eher wie Stelzen der Häuser aus Venedig schlechte Phonetik mit Lispeln oder Pfeifen schlechte Hygienefähigkeit). Schlechte Mundhygiene, chronische Erkrankungen an Zahnfleisch oder Knochen: Implantate bedürfen einer gewissenhaften Hygiene und einer entzündungsfreien Umgebung. Durch Entzündungen des umliegenden Gewebes können Implantate genauso locker werden und herausfallen wie normale Zähne. Konklusion Mit einem festsitzenden Zahnersatz kann die Kaufunktion relativ gut und komfortabel wiederhergestellt werden. Einzelzahnkronen auf eigenen Zähnen geraten hierbei immer mehr in den Hintergrund, da immer stabilere Composite- Materialien entwickelt werden, welche die Überkronung eines Zahnes entweder lange hinauszögern oder ganz vermeiden können. Sollte nur ein herausnehmbarer Zahnersatz möglich sein, so kann ich Ihnen bedenkenlos die Teleskopprothese (oder die abnehmbare Brücke) empfehlen, da diese prothetische Versorgung nicht nur einen sehr guten Tragekomfort, eine hervorragende Ästhetik sondern auch eine leichte Hygienefähigkeit und damit eine ausgezeichnete Langzeitprognose bietet. Bei entsprechenden Voraussetzungen können mit Implantaten komfortable, festsitzende Lösungen ohne eine Brücke oder eine Prothese gefunden werden, welche zuvor unmöglich waren. Auch im zahnlosen Kiefer können Implantate hervorragend dazu beitragen, herausnehmbare Prothesen sicher und komfortabel zu befestigen oder sogar festsitzende prothetische Versorgungen zu ermöglichen. Meine persönliche Empfehlung an Sie als Patient: Lassen Sie sich ausführlich beraten, seien Sie immer kritisch und fragen Sie nach. Nur wenn Sie die gesamte Behandlung verstanden haben und diese Ihnen logisch und sinnvoll erscheint, können Sie sich einigermaßen sicher sein, dass Sie später auch mit dem Ergebnis zufrieden sind. Literaturverzeichnis 1. Lehmann, Klaus M. Einführung in die Zahnersatzkunde. s.l. : Urban & Fischer; Auflage: 6, U. Belser, R. Jung, D. Buser et al. ITI Treatment Guide Vol s.l. : Quintessenz Verlag,