Predigt am 17. So n. Trin: Jes 49,1-6
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- Gregor Becker
- vor 5 Jahren
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1 Predigt am 17. So n. Trin: Jes 49,1-6 Liebe Gemeinde! Wir werden Tag für Tag von Informationen überrollt. Bilder und Worte stürzen auf uns ein. Aber je mehr Worte unsere Ohren erreichen, umso häufiger spüren wir: Immer weniger Worte erreichen unser Herz und bewegen dort etwas. Worte, die hängen bleiben, Worte, die mich verändern, Worte, die mich berühren, die trösten, sind im Alltag selten. Menschen, die diese Worte sprechen, Menschen, deren Worte nicht belanglos sind, sind selten. Aber ab und zu begegnen wir solchen Menschen. Ihre Worte treffen uns mitten ins Herz. Von einem, der solche Worte aussprechen konnte, spricht unser heutiger Bibeltext: Jesaja 49,1 6 1 Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merkt auf! Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war. 2 Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt. 3 Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, durch den ich mich verherrlichen will. 4 Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz, wiewohl mein Recht bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott ist. 5 Und nun spricht der HERR, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat, dass ich Jakob zu ihm zurückbringen soll und Israel zu ihm gesammelt werde, - darum bin ich vor dem HERRN wert geachtet und mein Gott ist meine Stärke -, 6 er spricht: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an die Enden der Erde. Wer ist dieser Knecht? Wer ist dieser Mensch, den Gott in seinen Dienst nimmt? Wer ist dieser Mensch, dessen Worte wie ein scharfes Schwert sind und der wie ein spitzer Pfeil ist? Er spricht Worte, die nicht belanglos sind, sondern die Gewicht haben. Wer ist dieser Knecht? Immer wieder haben sich Bibelleser und Bibelgelehrte diese Frage gestellt. Ist es der Prophet selbst? Ja, der Prophet ist es, dem Gott einen Mund wie ein scharfes Schwert gegeben hat. Klar und deutlich hat er gesprochen. Mit geschliffenen Worten hat er ans Licht gebracht, wie das Recht der Schwachen missachtet wurde. Seine Anklage ist
2 unmissverständlich und klar: Die regierende Oberschicht hat Gott vergessen. Sie hat nur an ihr Wohlergehen und an ihre Macht gedacht. So haben sie Israel in den Untergang geführt. Deshalb muss Israel in der Gefangenschaft in Babylon leben. Seine Worte haben nichts beschönigt. Seine Kritik hat Unrecht eindeutig als Unrecht benannt, so wie es Propheten tun. Gott hatte ihn auch noch mit einer anderen Botschaft betraut. Tröste mein Volk! (Jes 40,1), sagt er zu ihm. Öffne die Augen der Blinden und führe die Gefangenen, die im finstern Kerker sitzen, heraus (Jes 42,6f). Öffne denen die Augen, die nur noch ihr Elend sehen, die gefangen sind in ihrer Angst, die keine Hoffnung, keine Perspektive mehr für ihr Leben haben. Bring ihnen die Botschaft, dass Gott sein Volk nicht im Stich lässt. Er wird es aus der Gefangenschaft herausführen. Er wird einen wunderbaren Neuanfang möglich machen. Der Auftrag des Propheten reicht noch weiter. Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an die Enden der Erde. Ein neuer Horizont tut sich auf: Nicht nur zum Volk Israel ist der Prophet gesandt, sondern zu allen Völkern dieser Welt. Seine Worte sollen die ganze Welt trösten. Bei diesen Worten haben Christen nicht nur den Propheten vor Augen. Wir sehen bei diesen Worten auch Jesus. Wir können gar nicht anders. Schon die Menschen, die Jesus in seiner Zeit begegneten und die die alten Schriften des Propheten gut kannten, haben gesagt: Diese Worte weisen über den Propheten und seine Zeit hinaus hin auf Jesus (Mt 12,17ff). Er ist der Gottesknecht nicht nur für Israel, sondern für die ganze Welt. Jesu Worte haben die Menschen berührt. Er hat die Herzen der Menschen erreicht mit einer Vollmacht, die sie in Erstaunen versetzte. Menschenmassen hingen an seinen Lippen, weil er mitten in ihr Leben hinein sprach. Und hat er nicht auch von sich gesagt: Ich bin das Licht der Welt (Joh 8,12)? Nicht nur gesagt hat er das. Er hat es auch vorgelebt. Er hat Licht in das Leben der Menschen gebracht, die in finsterem Elend saßen. Er hat es hell werden lassen im Leben von Menschen, die die Angst nicht mehr loslassen wollte. Und nach seiner Auferstehung haben wir keinen Zweifel mehr daran: Er ist das Licht, das selbst dann nicht verlischt, wenn es ganz finster um uns wird. Er ist das Licht des Lebens, das bei uns bleibt, uns Hoffnung schenkt noch über den Tod hinaus. Unser Leben steht in seinem Licht. Seine Worte strahlen bis heute in unser Leben hinein und machen es hell. Ja, Jesus ist dieser Knecht Gottes. Und Jesus gibt den Staffelstab an uns weiter. Nicht nur der Prophet und ich sind es, sagt er. Auch euch nimmt Gott in
3 seinen Dienst. Auch Ihr seid das Licht der Welt so lasst euer Licht leuchten (Mt 5,14.16). Die alten Worte des Jesaja finden nicht nur in Jesus ihre Erfüllung. Sie treffen auch Sie und mich. Sie gelten nicht nur einem Menschen in der Vergangenheit. Sie zeigen uns unsere Aufgabe als Christenmenschen hier und heute. Sie nehmen uns in Dienst. Mancher mag sich dabei vielleicht fragen: Was will denn Gott mit mir schon? Ich habe doch mit mir selbst und meinen Mitmenschen schon genug zu tun. Wie kann ich ihm dienen oder gar großes bewegen? Ja, wenn ich so wäre wie Jesus oder ein Petrus. Aber da gibt es doch so viel geeignetere Menschen, die viel mehr können als ich. Bin ich für Gott überhaupt der oder die geeignete Person? Wer so denkt, sollte Jesaja noch einmal genau zuhören, wenn er sagt: Schon von Mutterleib an, schon vor Deiner Geburt hat Gott genau Dich gewollt. Er hat Dich genau nach seiner Vorstellung geschaffen, Dich mit Begabungen und Fähigkeiten ausgestattet und Dir das Leben geschenkt. Und das nicht, zum Spaß, nicht umsonst, nicht sinnlos sondern weil er etwas mit dir vorhat. Weil er Dich mit Aufgaben betraut, Dir etwas zutraut. Warum nur vergleichen wir uns immer mit anderen und fangen dann sofort an uns gegenseitig zu bewerten und zu beurteilen? Warum lassen wir diese Botschaft nicht einfach einmal stehn und freuen uns, dass Gott, der Schöpfer, Gott der Herr über die ganze Welt, dass er uns gut findet, genau so wie er uns wollte. Klar könnten wir dennoch manchmal resignieren oder mutlos werden, wenn wir sehen, wie die Welt an vielen Stellen immer weniger von Gott wissen will, immer mehr nach ihren eigenen Gesetzen lebt und dabei immer mehr seelische Not und Elend entsteht. 4 Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz, wiewohl mein Recht bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott ist. Auch der Prophet und selbst Jesus könnte so reden und fragen. Was hat denn all meine Mühe und Plage genützt? Wir wissen natürlich, dass es sehr viel genützt hat, denen die an Gott glauben und um seine Liebe und Kraft wissen. Aber in der Welt, wie siehts da aus? Und doch kann Gott ganz gelassen zu Jesaja sagen: Warts nur ab. Es werden noch viele große Dinge, nicht zuletzt durch Dich geschehen! Das letzte Wort hat Gott! Gott hat unendlich viel Geduld! Wenn er zu jemandem sein JA gesagt hat, dann geht er demjenigen nach, dann läßt er ihn nicht allein und läßt ihn schon gar nicht hängen. Er traut uns auch nach Fehlern noch alles zu und lässt sich auf uns ein und findet Mittel und Wege uns zu erreichen. So wie er das mit seinem Volk macht, tut er es ja auch bei jedem von uns, denn sein JA gilt ja auch jedem von uns! Nichts weniger ist es, was wir in der Taufe zugesprochen
4 bekommen haben: Nichts und niemand kann dich jemals von Gottes Liebe trennen. Und in dieser Liebe traut uns Gott vieles zu und vertraut uns auch große Aufgaben an. Und selbst wenn wir einmal versagen sollten, setzt er weiterhin auf uns und wir erfahren seine Liebe und seinen Trost im Glauben an ihn und in der Gemeinschaft mit anderen Christen, die sich von Gott beauftragen lassen und die sich uns ggf. auch tröstend zuwenden. Beauftragt zu trösten, so wie der Prophet das Volk Israel getröstet hat. Er hat sich nicht zu vorschnellen Vertröstungen hinreißen lassen, sondern zu Trost, der mit langem Atem an der Seite derer aushält, die Trost brauchen. Und Gott hat ihn Worte finden lassen, die den Kern des Schmerzes treffen. Liebevolle Worte, die uns mitten ins Herz treffen und von denen heilende Wirkungen ausgehen. Solche Worte sind kostbar. Bevor diese Wort-Pfeile ihr Ziel erreichen, bleiben sie lange im Köcher Gottes verwahrt. Aber ausgesprochen bleiben sie nicht ohne Wirkung. So wie die Worte des Propheten Jesaja. Bis heute gehören seine Worte zu den schönsten Trostworten in unserer Bibel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein! (Jes 43,1) Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. (Jes 40,31) Kann auch eine Frau ihres Kindleins vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohne ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. (Jes 49,15) Kostbare und tröstende Worte, wie sie auch Jesus fand: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. (Mt 11,28) Geschichten wie die vom verlorenen Sohn, die unser Herz berühren. Worte und Geschichten, die trösten und aufrichten. Worte, die Kraft geben und von denen bis heute ein Licht ausstrahlt. Gut, dass es diese Worte im Köcher unserer Bibel gibt. Ich will sie mir von seinen Knechten borgen, wenn mir selbst die Worte fehlen. Trostworte des Propheten, Worte Jesu borge ich mir aus und immer wieder den 23. Psalm, wenn ich an einem Sterbebett stehe. Worte, die mitten ins Herz treffen. Ich will darauf vertrauen, dass Gott mir auch Worte schenkt, die Unrecht benennen, Worte, die Licht in eine finstere Geschichte bringen. Auch mich hat Gott ja in seinen Dienst genommen. Ich will mich auf die Suche nach Worten machen, die klären und weiterhelfen. Worte, die nicht nur um den heißen Brei herumreden, sondern Worte, die Dinge klären. Auch immer wieder Worte, die das Herz berühren und die trösten. Ich
5 will mir von Gott zeigen lassen, wo und zu wem ich solche Worte sprechen soll. Amen
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