Promotion und wissenschaftlicher Nachwuchs
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- Elly Albert
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1 Promotion und wissenschaftlicher Nachwuchs Deutschland im internationalen Vergleich Plenarvortrag im Rahmen der Internationalen Woche der Martin Luther Universität Halle Wittenberg Halle, 22. November 2011 Prof. Dr. Reinhard Kreckel Mail: halle.de Homepage: halle.de/kreckel/index.html
2 Übersicht 1. Wissenschaftlicher und akademischer Nachwuchs Notwendige begriffliche und empirische Vorklärungen 2. Promotion Internationale Unterschiede und normative Konvergenz 3. Internationaler Vergleich Der deutsche Sonderweg der universitären Karriere 4. Suchbewegungen und Fazit In Deutschland tun, was anderswo längst üblich ist 1
3 1. Wissenschaftlicher und akademischer Nachwuchs Notwendige begriffliche und empirische Vorklärungen 2. Promotion Internationale Unterschiede und normative Konvergenz 3. Internationaler Vergleich Der deutsche Sonderweg der universitären Karriere 4. Suchbewegungen und Fazit In Deutschland tun, was anderswo längst üblich ist 2
4 Wer zählt zum wissenschaftlichen Nachwuchs? Wissenschaftlicher Nachwuchs Qualifikationsebene Angestrebtes Berufsfeld 1. Alle Absolventen wissenschaftlicher Studiengänge Studienabschluss (Diplom, Staatsexamen, Magister, Master) FH?? Bachelor?? Wissensbasierte Tätigkeiten (Industrie, Verwaltung, Bildung u. Wissenschaft, Medien, freie Berufe etc.) 2. Forschungs- Nachwuchs (a) Doktoranden, early stage researchers (b) Promovierte Promotion Dr. med.?? Professional Doctorate?? Forschung und Entwicklung (Industrie, Hochschule, Fo-Institut) (FuE) 3. Akademischer Nachwuchs i.e.s. Habilitation oder Post-Doc-Bewährung Akademische Forschung und Lehre (Hochschule, a.-univ. Einrichtung) (F&L) 9
5 Forschungspersonal in Deutschland nach Sektoren (ca. 2007/2009) (Vollzeitäquivalente, in Prozent) 55% (F&L) (F&L) 42% (FuE) (FuE) Wirtschaft (FuE) Wirtschaft (FuE) Staat* (FuE) Staat* (FuE) Akadem. Einrichtungen (F&L) Akadem. Einrichtungen (F&L) 3% 3% Quelle: BMBF, Bundesbericht Forschung und Innovation 2010; : Statistisches Bundesamt, Fachserie 11 Reihe 4.4, 2009 * Staatliche Ressortforschung, Akademien u.ä. sowie priv. Non-Profit-Einrichtungen (quantitativ unbedeutend) 10
6 Forschungspersonal in Deutschland nach Sektoren (ca. 2007/2009) (Vollzeitäquivalente, in Prozent) 42% 42% Wirtschaft (FuE) Staat* (FuE) Außeruniv. Einr.** (F&L) Fachhochschulen (F&L) Universitäten*** (F&L) 6% 7% 3% Quelle: BMBF, Bundesbericht Forschung und Innovation 2010; : Statistisches Bundesamt, Fachserie 11 Reihe 4.4, 2009 * Staatliche Ressortforschung, Akademien u.ä. sowie priv. Non-Profit-Einrichtungen (quantitativ unbedeutend) ** Außeruniversitäre Institute der MPG, WGL, FhG und HGF *** Universitäten u. gleichgest. Hochschulen, ohne Personal für Krankenversorgung 11
7 Wer zählt zum wissenschaftlichen Nachwuchs? Wissenschaftlicher Nachwuchs Qualifikationsebene Angestrebtes Berufsfeld 1. Alle Absolventen wissenschaftlicher Studiengänge 2. Forschungs- Nachwuchs (a) Doktoranden, early stage researchers (b) Promovierte Studienabschluss (Diplom, Staatsexamen, Magister, Master) FH?? Bachelor?? Promotion Dr. med.?? Professional Doctorate?? Wissensbasierte Tätigkeiten (Industrie, Verwaltung, Bildung u. Wissenschaft, Medien, freie Berufe etc.) Forschung und Entwicklung (Industrie, Hochschule, Fo-Institut) (FuE) 3. Akademischer Nachwuchs i.e.s. Habilitation oder Post-Doc-Bewährung akad. Mittelbau?? Akademische Forschung und Lehre (Hochschule, a.-univ. Einrichtung) (F&L) 12
8 Akademischer Nachwuchs: Heuristische Begriffsbestimmung Zum akademischer Nachwuchs zählen sowohl Doktoranden als auch Promovierte ( Postdocs ), die 1. eine qualifizierte Forschungspromotion anstreben bzw. abgeschlossen haben, 2. eine kontinuierliche Forschungs- und Publikationstätigkeit ausüben, und zwar auch nach der Promotion, 3. eine selbständige Dauerposition im akademischen Bereich (im In- oder Ausland) anstreben, 4. in befristeter Stellung (Haushaltsstelle, Drittmittelstelle, Lehrauftrag o.ä), als Stipendiaten oder als Privatdozenten an einer akademischen Einrichtung tätig sind. Vgl. dazu auch die Definitionen der HRK für den wissenschaftlichen Nachwuchs ( und des Wissenschaftsrats für den wissenschaftlichen Nachwuchs und den Hochschulehrernachwuchs (Wissenschaftsrat, Empfehlungen zu Doktorandenausbilldung und zur Förderung des Hochschullehrernachwuchses, Köln 1997, S. 36f.) 13
9 Lage des akademischen Nachwuchses an deutschen Hochschulen Verschiebung der Relation von unbefristetem zu befristetem Mittelbau * im Zeitverlauf 6,7 6,7 6,7 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 1, Befristung Befristung Befristung Befristung Befristung Befristung zunehmend Befristung zunehmend zunehmend zunehmend zunehmend zunehmend als zunehmend als als als als als Regelfall Regelfall als Regelfall Regelfall Regelfall Regelfall Regelfall ,9 3,6 3,6 3,6 5,1 3,9 3,9 unbefristet befristet * Wiss. Mitarb. im Angestelltenverhältnis Quelle: Burkhardt/Franz 2010 / Stat. Bundesamt
10 Wissenschaftliches Personal im akademischen Bereich ( ) (Personen, haupt- und nebenberuflich, absolute Zahlen) Universitäten (u. gleichgest. Hochschulen) Fachhochschulen (mit Verw.-Fachhochschulen) Außeruniv. Einrichtungen (Institute der MPG, WGL, FhG, HGF) 9,7% ,7% ,7% %-Anteil von Wissenschaftlern auf selbständigen und unbefristeten Stellen ,9% ,1% ,3% 32,0% 6,3% 35,9% Nebenberufl.: Wiss. HK, Tutoren Nebenberufl.: (Lehrauftr., Hon.-Prof, Gast-Prof. u.ä.) "Mittelbau" Prof. / JunProf./Direkt. / Abt.-Ltr. Quellen: Stat. Bundesamt, Personal an Hochschulen, Fachs ; BLK-GWK, Chancengleichheit in in Wissenschaft und Forschung; jeweils versch. Jg.) 0
11 Personalfinanzierung an deutschen Hochschulen, (hauptberufliches wissenschaftliches Personal, in Tausenden) Wissenschaftliches Drittmittelpersonal: Anteil am hauptberuflichen wiss. Personal (in %) 21,5% 20,5% 22,6% 24,2% 26,3% 17,6% 20,0% 26,8 31,2 34,5 34,1 37,4 40,9 46,1 28,1% 50,9 3,0 30,2% 59,1 4, ,6 124,6 125, ,4 128,3 128,9 129,9 131, Haushaltsmittel* Stud.-Geb. Drittmittel * einschl. ohne Angabe Quelle: Berechnet nach Stat. Bundesamt, FS , div. Jahrgänge 23
12 Personalfinanzierung aus Haushalts- und Drittmitteln, (hauptberufliches wissenschaftliches Personal an deutschen Hochschulen, in Tausenden) Zuwachs des etatmäßigen wiss. Personals, : + 4,8% Zuwachs der Studierendenzahl, : + 14,6% Zuwachs des wiss. Drittmittelpersonals, : 21,5% 20,5% 22,6% 24,2% 26,3% + 120,5% 28,1% 17,6% 20,0% 26,8 31,2 34,5 34,1 37,4 40,9 46,1 50,9 3,0 30,2% 59,1 4, ,6 124,6 125, ,4 128,3 128,9 129,9 131, Haushaltsmittel* Stud.-Geb. Drittmittel * einschl. ohne Angabe Quelle: Berechnet nach Stat. Bundesamt, FS , div. Jahrgänge 24
13 Finanzierung der deutschen Universitäten und Fachhochschulen (2009) Laufende Grundmittel und Drittmittel, Prozentanteile 15 Drittmittel: 5,05 Mrd Lfd. Grundmittel: 12,55 Mrd. UNI Drittmittel: 0,3 Mrd. Lfd. Grundmittel: 2,5 Mrd. FH Lfd. Grundmittel Drittmittel Stat.Bundesamt, FS ,
14 Erstes Zwischenfazit Für den akademischen Nachwuchs in Deutschland hat sich der Wettbewerb um eigenständige und unbefristete Hoch schullehrer und Forscherstellen deutlich verschärft. Genereller Rückgang des Anteils der selbständigen und unbefristeten Stellen Wichtigste Veränderung an den Universitäten: Stetig steigender Anteil befristeter Drittmittelstellen Wichtigste Veränderung an den Fachhochschulen: Starke Zunahme des Anteils der nebenberuflich tätigen Lehrbeauftragten 26
15 1. Wissenschaftlicher und akademischer Nachwuchs Notwendige begriffliche und quantitative Vorklärungen 2. Promotion Internationale Unterschiede und normative Konvergenz 3. Internationaler Vergleich Der deutsche Sonderweg der universitären Karriere 4. Suchbewegungen und Fazit In Deutschland tun, was anderswo längst üblich ist 27
16 Weltweit gültige Soll-Vorgabe: Das Modell des Forschungsdoktorats (PhD) 1. Das entscheidende Kennzeichen jeder echten Promotion ist die originäre Forschungsleistung. 2. Deshalb ist die Abkehr von der Statuspromotion und die Abgrenzung des Forschungsdoktorats vom professional doctorate notwendig. 3. Die die Zeit der Promotion gilt als letzte Studienphase im Drei-Stufenmodell (BA MA PhD). 4. Das strukturierte Promotionsstudium gilt als Regelfall; das alteuropäische Meister-Lehrling- Modell soll überwunden werden. 5. Die Forschungspromotion (PhD) ist der höchste akademische Abschluss; eine Habilitation ist nicht vorgesehen. 6. Das erfolgreiche Absolvieren einer Post-Doc-Phase gilt als Berufungsvoraussetzung im akademischen Bereich (F&L-Sektor). 7. Die Forschungspromotion ist Voraussetzung für herausgehobene Stellung im FuE-Bereich der Wirtschaft; deshalb besondere Förderung in wachstumsrelevanten Fächern (MINT-Fächer). 8. Der PhD muss sich internationalisieren (Standardisierung, Mobilitätsförderung, Anglisierung etc.). 9. Deshalb ist die generelle Härtung der Forschungspromotion notwendig (Qualitätssicherung). Nach: EUA 2007; Powell/Green 2007:; Nerad/Heggelund 2008; Kehm
17 Umsetzung der globalen Norm in Deutschland: Beispiel Halle Leitmotiv der Internationalen Graduiertenakademie (InGrA) der MLU, 2011 Promovieren heißt forschen. Unter dieser Leitprämisse folgt die Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg dem Ansatz der Hochschulrektorenkonferenz, Nachwuchsförderung neben der Postdoc-Förderung Forschungsqualifizierung zu realisieren. Sie verfolgt daher die Ziele, die Einrichtung aller Formen von strukturierten Doktorandenprogrammen zu unterstützen und ein produktives Forschungsumfeld unter Berücksichtigung der Internationalisierungs- und Gleichstellungsstrategien der Universität bereitzustellen... Aus: InGrA-Homepage ( ( ) 29
18 Promotionshäufigkeit in ausgewählten OECD-Ländern (+ Russland), OECD-Statistik: Prozentanteil des Altersjahrgangs mit advanced research degrees of doctorate standard (ISCED 6) ,2 0,4 0,8 1,0 1,1 1,4 1,5 1,5 1,6 1,4 1,5 1,9 2 2,1 2,5 2,5 3 3,4 Mexiko Türkei Polen Spanien Japan Tschechien Russland OECD-Durchschnitt Frankreich USA Niederlande Australien Österreich Großbritannien DEUTSCHLAND Finnland** Schweden** Schweiz * auch DEA (Frankreich) ** auch Licentiate (Finnland, Schweden) Quelle: OECD, Education at a Glance 2011, Tab. A3.3 30
19 Promotionshäufigkeit in ausgewählten OECD-Ländern (+ Russland), Inländer und Ausländer *** 3 0,6 1,5 0,3 0,2 2 0,5 0,4 0,9 1 0,2 0,9 1,5 0,5 1,0 0,4 1,2 1,4 1,6 1,2 2,2 2,3 2,4 1,9 0 Mexiko Türkei Polen Spanien Japan Tschechien Russland OECD-Durchschnitt Frankreich USA Niederlande Australien Österreich Großbritannien DEUTSCHLAND Finnland** Schweden** Schweiz Inländer/Staatsbürger Internat. Studierende/Ausländer * auch DEA (Frankreich) ** auch Licentiate (Finnland, Schweden) *** variierende Kriterien: Teils Staatsbürgerschaft, teils Migrationsstatus Quelle: OECD, Education at a Glance 2011, Tab. A3.3 31
20 Promotionen an deutschen Universitäten*, (Absolute Zahlen und Prozentanteil ausländischer Promotionen) Inländer und Ausländer*** 7,5% 15,0% ,6% Ausl. Staatsbürger ,1% Dt. Staatbürger * 1975 u. 1990: nur BRD Quelle: Stat. Bundesamt,, Fachs ;. versch. Jg. 32
21 Reales Promotionsgeschehen in Deutschland*, (nach Fächergruppen, Prozentanteile) * 1975 u. 1990: nur BRD Quelle: Stat. Bundesamt,, Fachs ;. versch. Jg. 33
22 Fachkulturspezifisches Promotionsverhalten in Deutschland, 2010 (ausgewählte Fächergruppen bzw. Fächer, absolute Zahlen und Prozentanteile) * Bezugsgrößen: Promotionen 2010; Universitäre Diplom-, Magister-, Lehramts- und Staatsexamens- sowie MA-Abschlüsse 2005; ohne BA und FH Berechnet nach: Stat. Bundesamt,, Fachs ,
23 Die Promotion in vier westlichen Universitätskulturen Idealtypische Kontrastierung Frankreich Deutschland England USA (0) Titelführung Gesellschaftlich unbedeutend Große gesellsch. Bedeutung Gesellschaftlich unbedeutend Mindere gesellsch. Bedeutung (1) Forschungs- Promotion Früher: Nein (nur Grande Thèse, wie Habil) Heute: Ja (seit 1984) Ja (zunehmend seit ca. 1830) Ja (PhD seit 1917) Ja (PhD seit 1861) (2) Professional Doctorate Ja (Medizin) Nein (alle Dr.-Grade gleichrangig) Früher: Nein Heute: Ja (vocational doctorate) Ja (Med, Jur, Paed etc.) (3) Gestuftes Studiensystem Früher: Ja Heute: Ja (L-M-D-Modell) Früher: Nein (Dr. phil. z.t. einz. Abschluss) Heute: Ja (Bologna) Früher: Ja Heute: Ja Früher: Ja Heute: Ja (4a) Strukturiertes Promotionsstudium Früher: partiell (3 e cycle) Heute: partiell (école doctorale) Früher: Nein Heute: partiell (Graduiertenkollegs u.ä.) Früher: Nein Heute: partiell Ja Institutionelle Trennung von Undergraduate College und Graduate School (4b) Unpromovierte auf Haushalts- Stellen Früher: Ja (Assistants) Heute: Nein Ja Früher: Ja (alle Positionen) Heute: Nein Nein (5) Habilitation (6) Post-Doc-Phase Ja Ja Nein Ja (befristet: ATER) Ja (befristet: WiMi, Drittmittel) Zunehmend: Ja (research assistant, Drittm.) Nein (aber tenure evaluation ) Zunehmend: Ja 40
24 Zweites Zwischenfazit Im derzeitigen deutschen Promotionssystem ist im Unterschied zu den Vergleichsländern das Problem der Statuspromotion und des professionellen Doktorats noch nicht gelöst. Der Preis der Gleichheitsfiktion ist ein generelles Misstrauen gegenüber der wissenschaftlichen Aussagekraft der deutschen Promotion. Deswegen wird in Deutschland noch immer eine echte Forschungsqualifikation nach der Promotion gefordert, in der Regel die Habilitation. Eine habilitationsanaloge Rolle spielt die obligatorische Postdoc-Phase mit anschließender Evaluation, die sich nach US-Vorbild zunehmend einbürgert. 41
25 1. Wissenschaftlicher und akademischer Nachwuchs Notwendige begriffliche und quantitative Vorklärungen 2. Promotion Internationale Unterschiede und normative Konvergenz 3. Internationaler Vergleich Der deutsche Sonderweg der universitären Karriere 4. Suchbewegungen und Fazit In Deutschland tun, was anderswo längst üblich ist 42
26 Hauptberufliches wissenschaftliches Personal an Universitäten: Frankreich, Deutschland, England, USA (VZÄ, ca. 2009) Habilitations-System Tenure-System Oberbau (selbständige Hochschullehrer) Mittelbau (abhängiges wissenschaftliches Personal) Professeur 24% Maître de Conférences 40% (i.d.r. unbefristet) 9% (unbefristet) 27% (befristet) W3/C4 W2/C3/C2 2% 5% 17% (unbefristet) 68% (befristet) 8% Professor 18% Senior Lecturer Reader Sen. Researcher 25% 22% (i.d.r. unbefristet) 7% 28% (befristet) Full Professor 30% Assoc. Prof. 25% 27% (i.d.r. Tenure track) 1% 17% (befristet) Senior Staff Junior Staff Assisting Staff Frankreich 2009/10 Deutschland 2009 England 2009 USA 2008/09 HiWi/Tutoren (NA) Lehrauftr. etc. (NA) Wiss. Mitarb. (befr.) Wiss. Mitarb. (unbefr.) Junior Staff (i.d.r. Tenure Track) Junior Staff (i.d.r. unbefr.) Junior Staff (a.z./a.d.) sonst. Senior Staff ord. Prof. Nach: R. Kreckel, Hg., Zwischen Promotion und Professur, 2008 (aktualisiert); genaue Quellenangaben und Erläuterungen: s. Anhang 47
27 Hauptberufliches wissenschaftliches Personal an Universitäten: Zehn fortgeschrittene Länder im Vergleich Habil.- und Tenure--Systeme Habil.-Systeme Tenure-Systeme Tenure Track-Systeme 7% 15% 49% 40% 29% (befristet) Polen % 9% 27% (befr./unbefr.) Frankreich 2009/10 11% 9% 14% 20% 69% (befr./unbefr.) Tschechien % 20% 58% (befr./unbefr.) Österreich % 73% (befristet) Schweiz % 11% 5% 2% 9% 17% 19% 68% (befristet) Deutschland % 53% (befristet) Niederlande % 25% 22% 7% 28% (befristet) England % 34% 25% 27% 1% 17% (befristet) USA 2008/09 33% 28% 6% Kanada 2007 Senior Staff Junior Staff Assist. Staff Nach: R. Kreckel, Hg., Zwischen Promotion und Professur, 2008 (aktualisiert); genaue Quellenangaben und Erläuterungen: s. Anhang 48
28 Drittes Zwischenfazit: Die Personalstruktur der deutschen Universitäten - ein nationaler Sonderweg In Deutschland fehlt die eigenständige Hochschullehrerebene unterhalb der Professur (Dozenten, Lecturers, Maîtres de Conférences, Assistant Professors o.ä.). Der unselbständige Mittelbau umfasst über 80% des hauptberuflichen wissenschaftlichen Personals, davon drei Viertel auf befristeten Qualifikations- und/oder Drittmittelstellen. Dem Mittelbau gehören Unpromovierte, Promovierte und sogar Habilitierte ohne klare Differenzierung an. Zunehmende Lehr- und Forschungsaufgaben werden auf immer weniger professionelle Schultern verteilt. Die Hauptlast von Forschung und Lehre tragen Qualifikanten und Nebenberufler ein internationaler Wettbewerbsnachteil? Unterhalb der Professur besteht ein Karriere- Flaschenhals. Die Folge für den akademischen Nachwuchs sind Wartezeiten auf unselbständigen Qualifikationsstellen, oft bis ins fünfte Lebensjahrzehnt. 49
29 1. Wissenschaftlicher und akademischer Nachwuchs Notwendige begriffliche und quantitative Vorklärungen 2. Promotion Internationale Unterschiede und normative Konvergenz 3. Internationaler Vergleich Der deutsche Sonderweg der universitären Karriere 4. Suchbewegungen und Fazit In Deutschland tun, was anderswo längst üblich ist 50
30 Wandel universitärer Karrieren in Deutschland: Elemente für ein Alternativszenario Vermehrung der Positionen für reguläre Hochschullehrer unterhalb der Professur (Dozenten / Senior Lecturers / Juniorprofessoren) Härtung der Promotion zur echten Forschungspromotion, als Voraussetzung für Abschaffung der Habilitationsbarriere Tenure-Track-System mit habilitationsähnlicher Tenure- Evaluation nach 4-7 Jahren Abschaffung von festen Stellenplänen und Hausberufungsverboten Verbesserung der Möglichkeiten für Drittmittel-Karrieren in Universitäten (mit Aufstiegsmöglichkeit zum unbefristeten senior scientist, senior research fellow, chargé des recherches o.ä. ), im Sinne des WissZeitVG 51
31 Wandel universitärer Karrieren in Deutschland: Notwendige Kompensationen? Reduzierung der haushaltsfinanzierten Mittelbaupositionen für Doktoranden, für unselbständig Lehrende (Assistenten, wiss. Mitarb.) und für reines Lehrpersonal als Gegenfinanzierung für die Aufstockung der Dozentenebene. Neubestimmung des Status der Doktoranden: E n t w e d e r : Alle Doktoranden werden Studierende der dritten Studienphase (als Stipendiaten nach dem Muster der research students in Großbritannien oder der Forschungsstudenten in der DDR, oder in inversuchter Nachahmung der graduate schools in den USA in Graduiertenkollegs, Graduiertenschulen o.ä.). O d e r : Doktoranden sind early career researchers auf befristeteten Qualifikationsstellen mit geringen Lehraufgaben. Als Beispiel könnte hier der Status des Assistent in Opleiding (AiO, Assistent in Ausbildung bzw. Promovendus) an den niederländischen Universitäten oder des ATER (attaché temporaire d enseignement et de recherche) in Frankreich gelten. 52
32 Persönliches Fazit Will die Universität in Deutschland angesichts steigender Studierendenzahlen und steigenden Wettbewerbsdrucks das bleiben, was sie immer sein wollte, wird sie sich dazu bereit finden müssen, das zu tun, was anderswo längst üblich ist, nämlich: 1. Die Verantwortung für Forschung, Lehre und Nachwuchs (plus Selbstverwaltung, Evaluation, Akkreditierung, Drittmitteleinwerbung etc.) muss auf die Schultern eines größeren Kreises von eigenständigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit Tenure Perspektive verteilt werden. 2. Das heißt, die überkommene Struktur der mittelbaulastigen Professoren Universität muss geöffnet und der akademische Oberbau deutlich erweitert werden. 53
33 Zum guten Schluss Radikalreformen führen in der Regel nicht zum beabsichtigten Ziel. Auch das Kopieren fremder Erfolgsmodelle gelingt selten. Deshalb sollte man die Lösungsversuche ähnlich strukturierter und kulturverwandter Wissenschaftssysteme wie in Österreich und den Niederlanden besonders sorgfältig studieren, um von ihnen zu lernen. 54
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