Reise des Kunstvereins Oberer Zürichsee 6. bis 8. November 2009
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- Joseph Beltz
- vor 8 Jahren
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Transkript
1 Am frühen Morgen des Freitags, 6. November 2009, trafen sich zweiundzwanzig Mitglieder des Kunstvereins Oberer Zürichsee auf dem Flughafen Kloten. Die erste Kunstreise des noch jungen Vereins führte sie für drei Tage an die 53. Biennale nach Venedig. Die Lagunenstadt ist wohl jederzeit eine spezielle Welt für sich. Unter der künstlerischen Leitung von Daniel Birnbaum ist der diesjährige Titel «Fare Mondi Construire des Mondes Making Worlds Weltenmachen» übersetzt in die unzähligen Sprachen der beteiligten Künstler so facettenreich wie die Ausstellung selbst. Erstmals 1895 durchgeführt, wuchs der Kunstanlass über die Jahre und ist mit seinen zahlreichen Nebenausstellungen mittlerweile so gut wie im ganzen Stadtkern präsent. Kaum auf Venedigs Flughafen gelandet, pausierte der strömende Regen. Der Boottransfer verlief gemütlich schaukelnd und die Vereinsmitglieder trafen noch vor dem Mittag im Hotel «La Fenice et des Artistes» ein.
2 1. Tag: Arsenale Der erste Cappucchino und individuelle Snack schmeckte wunderbar. Um zwei Uhr versammelte sich die Reisegruppe vor dem Hoteleingang und begrüsste die sachverständige Kunsthistorikerin Ursula Helg, die aus Wien angereist war. Ein Spaziergang durch Venedigs Gassen, über den Markusplatz sowie eine kurze Bootsfahrt entlang der Promenade Canale die San Marco führte die Vereinsmitglieder zur ersten Ausstellung. Das uralte Gebäude Arsenale barg die Hauptausstellung II der 53. Biennale. Vor den Toren eröffnete Kunsthistorikerin Helg mit einer kleinen Einführung offiziell den Kunstteil der Reise. Insgesamt 91 Künstler und zwei Künstlergruppen boten eine wahre Kunstfülle. Begrüsst von einer Installation der verstorbenen brasilianischen Künstlerin Lygia Pape gelang der Einstieg auf beeindruckende Weise. Ihr Werk (durfte nicht fotografiert werden) aus geometrisch gezogenen Goldfäden nahm in fantastischer Licht-Ästhetik gefangen. Im zweiten Raum lag die «Wirklichkeit» bereits zerbrochen zu Boden - die kaputten Spiegel von Michelangelo Pistoletto aus Italien begannen bruchstückhaft mit den inneren Welten der Betrachter zu kommunizieren. unten: Eingang Arsenale oben: Ursula Helg unten: «Twenty-Two Less Two» von Michelangelo Pistoletto, Italien
3 Symbolträchtiges, Verspieltes, Philosophisches, Soziales, Kritisches, kunstvoll Inszeniertes und Installiertes - die uralten Gemäuer des Arsenale bargen wahre Schätze und vielschichtige, abwechslungsreiche Eindrücke. «Kunst, die etwas bedeutet, ist beinah automatisch politisch», erklärte Daniel Birnbaum, Kurator der 53. Biennale, in einem Interview mit Heinz-Norbert Jocks im Kunstforum Band 198. unten: «The Eternal Return» von Jan Hafström, Stockholm oben: «Plus Ultra» von Goshka Macuga, Warschau unten: «Temporal Distance» von Moshekwa Langa, Südafrika
4 unten: «Temporal Distance» von Moshekwa Langa, Südafrika oben: «a different STATE of mind» von Amy Simon, New York unten: «Sade for Sade s Sake» von Paul Chan, Hong Kong oben: ohne Titel, Glas, Spiegel, Spazierstöcke - von Richard Wenworth, Sarnoa/Ozeanien Berührend waren fast ausnahmslos alle ausgestellten Werke, manche auf ästhetische Art, emotional, sinnlich oder wie Balsam für die Seele, andere eher unangenehm, provozierend oder gar abstossend. Als Rektor der Frankfurter Städelschule und Kurator geht es Birnbaum um «eine andere Offenheit, um ein anderes Interesse, kurz, um Vielfalt.»
5 oben: aus «Mind Game» von Madelon Vriesendorp, Bilthoven unten: «Conveyer Belt» von Thomas Bayrle, Berlin oben: «Pling Pling» von Cildo Meireles, Rio de Janeiro unten: «Venice Suitcase» von Renata Lucas, Ribeirao Preto
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7 2. Tag: Giardini Am historischen Ort, der «Geburtsstätte der Biennale», begann der zweite Kunsttag. Über die Jahre hinweg sind die Länderpavillons des Giardini entstanden, 1907 der erste. Mittlerweile ist die Ausstellungsfläche im Park zu eng geworden, so dass manche Länderbeiträge in das Arsenale oder in andere Stadtgebiete ausweichen mussten. Allein schon die verschiedenartigen Architekturen der Gebäude, erbaut in unterschiedlichem Zeitgeist, waren sehenswert. unten: «das» von Silvia Bächli, Schweiz oben: Eingang Länderpavillon Schweiz Schweiz: Silvia Bächli Auf Vorschlag der Eidgenössischen Kunstkommission vertrat die Basler Künstlerin Silvia Bächli unser Land im Schweizer Pavillon. Das Bundesamt für Kultur (BAK) entschied sich für ihre Zeichnungen aus jüngster Zeit. Silvia Bächli legt bei ihren Arbeiten Wert auf eine grosse Spannweite: sei es das Zeichnen eines gegangenen Weges oder die Handbewegung in der Luft beim Erzählen. «Deutlich Lesbares», Gegenständliches, wie auch Arbeiten, die «weiter weggehen», die Mischung ist der Künstlerin wichtig. Bereits mit 24 Jahren begann sie mit dem Zeichnen im Tagebuchstil. Ihre Ausstellung gehörte im Giardini zur «leiseren» Kunst.
8 alle vier Bilder: «The Collectors» von Michael Elmgreen und Ingar Dragset, Norwegen & Dänemark Das kritische, gut bürgerliche Haus (oben) und der «tote Kunstsammler» im Pool vor dem «Loverhouse» (unten) sorgten weltweit für Aufmerksamkeit.
9 Nathalie Djurbergs Mix aus PlastilinSkulpturen und kirchen- wie gesellschaftskritischen Videos entführte in eine farbenintensive, schaurige Märchenwelt, die mit dem silbrigen Löwen für die beste Nachwuchskunst ausgezeichnet wurde. (rechts) Einer der wichtigsten Künstler, der Amerikaner Bruce Nauman, erhielt den goldenen Löwen für den besten Länderpavillon. (unten rechts) Die Skulptur des verstorbenen Ken Sen ist eine Kritik an die Vereinten Nationen und begrüsste am Gardini-Eingang die Besucher. unten: «Back to Fullness, Face to Emptiness» von Ken Sen, China oben: «Eperimentet» von Nathalie Djurberg, Schweden 2x unten: «Heads» und «Pair of Hands» von Bruce Nauman, USA
10 oben: «Trous noirs» von Anatoly Shuravlev, Russland unten: «Windswept Women» von Miwa Yanagi, Japan oben: «Galaxy forming...» von Tomas Saraceno, Deutschland unten: «MADDESTMAXIMVS» von Shaun Gladwell, Australien
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12 3. Tag: «In-Finitum» & Fabrice Gygi, Kirche San Stae Nach dem strahlenden, milden Herbstwetter am Samstag, stieg am dritten Tag der Wasserpegel über die Kanalborde, auf Venedigs Plätzen und in den schmalen Gassen. Die Mitglieder des Kunstvereins liessen sich kaum beirren und besuchten die Ausstellung «In-Finitum» am Palazzo Fortuny. Das Gebäude, das bis 1949 vom spanischen Künstler und Fotografen Mariano Fortuny bewohnt worden war, barg 300 Objekte von bekannten sowie unbekannten Künstlern. Die Ausstellung wollte als Gesamtkunstwerk verstanden werden, auf der Spur nach dem Endlichen im Unendlichen. Aus der Neuzeit und der Vergangenheit, aus den unterschiedlichsten Kulturen, mit Skulpturen von Giacometti und Picasso, war der Rundgang durch das Haus eine Sensation für sich. «This dream has an advantage over many others», begrüsste ein Neonschriftzug von Joseph Kosuth am Eingang. Die Ausstellung schien in seinem Charakter tatsächlich näher an einem Traum zu sein als an der Wirklichkeit. Die Mischung der Objekte versetzte den Betrachter ständig in neue Welten, unterschiedlichste Impulse schmolzen zu einer kaum verkraftbaren Wahrnehmungsfülle. oben: «In-Finitum», Palazzo Fortuny. unten: «Economat» von Fabrice Gygi, Kirche San Stae Mit dem Vaporetto wagte sich der Kunstverein durch die Wassermassen, unter der Rialtobrücke durch, bis zur Kirche San Stae. In der barocken Atmosphäre stiess die Metallinstallation des Schweizer Künstlers Fabrice Gygi innerhalb des Vereins auf wenig Zustimmung. In beiden Ausstellungen war das Fotografieren leider untersagt. Mit einer Fülle von Eindrücken flogen die Reiseteilnehmer abends in die Schweiz zurück. Die 53. Biennale wird ihnen wohl facettenreich in Erinnerung bleiben. Reportage: Wortfeger.ch
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