ANJA BIRNE. Alte Stauden. neu entdeckt

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1 ANJA BIRNE Alte Stauden neu entdeckt

2 5 INHALT Vorwort...6 Winter Echte Christrose...10 Kleines Immergrün...14 Heiligenkraut...17 Gamander...20 Echter Lavendel...22 Weinraute...26 Maßliebchen...29 Scharbockskraut...32 Buschwindröschen...35 Leberblümchen...38 Duftveilchen...41 Frühling Echte Schlüsselblume...45 Hohe Schlüsselblume...47 Bauern-Pfingstrose...49 Berg-Flockenblume...52 Federnelke...54 Gelbe Taglilie...57 Gemeine Akelei...59 Gemeine Nachtviole...62 Goldlack...65 Goldranunkel...68 Himmelsleiter...70 Maiglöckchen...73 Waldmeister...76 Mädesüß...78 Mondviole...81 Roter Fingerhut...83 Waldwindröschen...86 Rote Spornblume...88 Silber-Hahnenfuß...90 Süßdolde...92 Stauden-Rittersporn...94 Walderdbeere...98 Monatserdbeere Sommer Braunrote Taglilie Brennende Liebe Echte Engelwurz Echter Eisenhut Echtes Seifenkraut Färberkamille Flammenblume Pfirsichblättrige Glockenblume Gemeine Schafgarbe Gewöhnliche Stockrose Indianernessel Römische Kamille Mutterkraut Bertrams-Garbe Vexiernelke Wegwarte Herbst Hopfen Herbstanemone Oktobermargerite Herbst-Eisenhut Herbstchrysantheme Pflanzentabellen (Färbepflanzen, Nachtdufter) Bezugsquellen Aktuelle und antiquarische Literatur Abgebildete Sorten Bildnachweis...174

3 V0RWORT 6 Vorwort... die Blumenschätze wurden einfach dorthin gesetzt, wo eben gerade Platz war vielleicht eine Myrte, aus einem Zweig vom Hochzeitsstrauß der Großmutter gezogen, Nelken aus liebevoll gehegten Ablegern, Rosmarin und Eberraute, die großen Pfingstrosen, die so lange halten, und eine Reihe prächtiger Kaiserkronen. Goldlack und Löwenmäulchen wuchsen in den Mauern, und fröhlich rote und rosa Maßliebchen spielten Verstecken zwischen den Muscheln, die den Weg einfaßten. (MARGERY FISH, ) Alte Kloster- und Bauerngärten, Land haus- und Villengärten sind Zeugnisse einer vergangenen Gartenkultur. Auf der Suche nach historischen Pflanzen entdeckt man in diesen Refugien zuweilen wahre Pflanzenschätze und Blumenkostbarkeiten. Betrachtet man die Landhaus- und Bauerngärten alter Zeit, fasziniert die farbenprächtige Blumenfülle und die Vielzahl der gesunden und kräftigen Pflanzen, die sich in dichtem Stand ohne festen Bepflanzungsplan wohl fühlen. Neben den Nutzpflanzen wie Obst und Gemüse fallen außer den einjährigen Sommerblumen vor allem die jedes Jahr wiederkehrenden Stauden auf. Sie füllen romantische Rabatten, säumen akkurat oder rüschend Wege und Sitzplätze, wachsen schäumend in Wiesen, an seicht fließenden Bachläufen und duftigen Blumenrasen. Sie bezaubern als ornamentale Blickfänger an Häusern und Zäunen und fühlen sich als charmante Bodendecker an Heckenrändern und im Unterwuchs von Bäumen und Sträuchern wohl. Es gibt kaum einen Standort im Garten, an dem Stauden nicht dauerhaft angesiedelt werden können. Laut Gärtnerdefinition sind winterharte Stauden mehrjährige ausdauernde, d.h. perennierende, jährlich wiederkehrende, krautige, nicht holzartige Pflanzen, deren oberirdische Triebe nach jeder Vegetationsperiode verdorren. Die Überwinterungsknospen der Stauden, die das immer wieder erneute Austreiben im Frühjahr ermöglichen, sitzen bei vielen Gattungen nicht unter, sondern unmittelbar über oder an der Erdoberfläche. Auch gibt es viele, vor allem niedrige Stauden, die im Winter nicht einziehen, sondern ihre grünen Blätter erhalten, d.h., sie bleiben wintergrün. Die verschiedenen Lebens- und Wuchsformen der Stauden zeigen die Vielfalt der Natur und die ungemein unterschiedlichen Lebensbedingungen, an die sich die Pflanzen im Evolutionsverlauf angepasst haben. Sie deuten auch an, dass die Ansprüche der Stauden an ihren Standort im Garten sehr unterschiedlich sind. In der Pflan-

4 WINTER 10 Echte Christrose Helleborus niger engl. Black Christ-Hellebore, Christmas Rose franz. Rose de Noël Familie: Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) Volksnamen: Schwarze Nieswurz, Schneerose, Winterblume, Eisblume Heimat, Geschichte, Symbolik Seit dem 16. Jahrhundert ist die in Bergwäldern heimische Staude als Garten- und Heilpflanze bekannt. Wenn Eis und Schnee die Erde bedecken, entfaltet die traditionelle Winterblume ihre großen weißen Blüten, die strahlend über dem glänzenden, immergrünen Laub stehen. Zur Zeit von Wintersonnenwende und Weihnachten verkündigt sie bereits den Beginn eines neuen Jahreszeitenzyklus. Die wintergrüne, langlebige Gartenpflanze gilt als Symbol für ein langes erfülltes Leben. Die faszinierende Zauberpflanze wurde traditionell vor die Haustür gepflanzt, um böse Geister abzuhalten, und Verliebte trugen ein Wurzelstück als Talisman zum Schutz vor schlechten Einflüssen. Seit alter Zeit ist die Christrose eine beliebte Schnittblume und schmückt mit Stechpalmenzweigen traditionell die weihnachtlichen Zimmer. Die frühblühende Sorte Praecox kommt zuverlässig schon vor Weihnachten zur Blüte. In ländlichen Gegenden benutzte man die Schneerose als Orakelpflanze. Dazu stellte man in der Weihnachtsnacht zwölf Blütenstiele in eine Vase. Jede Blüte versinnbildlichte einen Monat und je nach Blütenentwicklung konnte das Wetter des jeweiligen Monats im Voraus bestimmt werden. Offene Blüten zeigten gutes Wetter, geschlossene Blüten schlechtes Wetter an.

5 11 WINTER Eine Blume, die bei Frost und Eis ihre Blüten öffnen kann, muss so glaubte man magische Kräfte innehaben. In alten Zeiten war sie Bestandteil der Hexensalben. Noch heute werden die pulverisierten Rhizome Schnupftabaken beigemischt. Denn der Name Nieswurz bezieht sich auf die Eigenschaft der Pflanze, einen starken Niesreiz auszulösen. In allen Teilen ist die wunderschöne, unschuldig wirkende Pflanze hochgiftig, ihr Genuss kann tödlich sein. Das erkannten bereits griechische Naturforscher, die sie Helle-borus nannten, was so viel bedeutet wie das Leben wegnehmend. Der Artname niger (schwarz) beschreibt die pechschwarzen Wurzeln der Staude. Das Christentum verehrte die Hexenpflanze als Mariensymbol. Die Marienlyrik widmete sich in Deutschland seit dem 12. Jahrhundert in allegorischer Weise ganz besonders dem Garten und seinen Pflanzen. Irdische und himmlische Liebe flossen ineinander, die verehrte Gottesmutter Maria wurde dargestellt mit weltlichem Liebreiz, häufig in Form der schönsten und beliebtesten Blumen, die die Reinheit und Schönheit der Madonna betonten. Als immergrüne Pflanze, symbolisch ein Ewigkeits- und Lebenssymbol, schmückte die Christrose zusammen mit Efeu Hedera helix, Buchs Buxus sempervirens und Eibe Taxus baccata Kirch- und Friedhöfe. Der Legende nach soll der Mönch Laurentius während einer Winterwanderung durch eine schneebedeckte Christrose zu dem Weihnachtslied Es ist ein Ros entsprungen inspiriert worden sein: Das Röslein, das ich meine, davon Jesaias sagt, ist Maria, die Reine, die uns das Blümlein bracht. [ ] Das Blümlein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine vertreibt s die Finsternis: wahr Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rettet von Sünd und Tod (Weihnachtslied aus dem 16. Jahrhundert). Auf eine Christblume Tochter des Waldes, du Lilienverwandte, So lang von mir gesucht, unbekannte, Im fremden Kirchhof, öd und winterlich, Zum erstenmal, o schöne, find ich dich! Schön bist du, Kind des Mondes, nicht der Sonne; Die wäre tödlich andrer Blumen Wonne, Dich nährt, den keuschen Leib voll Reif und Duft, Himmlischer Kälte balsamsüßer Luft. Dich würden, mahnend an das heilge Leiden, Fünf Purpurtropfen schön und einzig kleiden: Doch kindlich zierst du, um die Weihnachtszeit, Lichtgrün mit einem Hauch dein weißes Kleid. Der Elfe, der in mitternächtger Stunde Zum Tanze geht im lichterhellen Grunde, Vor deiner mystischen Glorie steht er scheu Neugierig still von fern und huscht vorbei. Eduard Mörike ( )