Der Schulrekrut und seine Fibel Lernen mit Gott für König, Kaiser und Vaterland
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- Otto Förstner
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1 Sonderausstellung vom 13. August bis 22. Oktober 2006 Der Schulrekrut und seine Fibel Lernen mit Gott für König, Kaiser und Vaterland Im deutschen Kaiserreich prägte die patriotisch-militärische Begeisterung nahezu alle Lebensbereiche. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass selbst die Schulanfänger als Schulrekruten bezeichnet wurden Rekrut war an sich damals wie heute die übliche Bezeichnung des Soldaten in der ersten Zeit der Ausbildung. Illustration auf dem vorderen Einbanddeckel der "Fibel. Auf phonetischer Grundlage", von P. Born und. H. Kranz, Kesselringsche Hofbuchhandlung Leipzig/Frankfurt a. M., Anhand von verschiedenen Fibeln für den Lese- und Schreibunterricht in der ersten
2 Klasse der Volksschule zeigt das Lohrer Schulmuseum in einer Sonderausstellung, wie im Kaiserreich, dem sog. Zweiten Reich ( ), der Schulrekrut dem Zeitgeist entsprechend erzogen wurde. Es geschah dies, im Gegensatz zu den Fibeln im Dritten Reich und der DDR, aber nicht in bewusster politischer Absicht, sondern eher unkritisch und dem Zeittrend folgend. Werbepostkarte zum Schulanfang:"Jetzt bin ich aber schön!" Zu den herausragenden Ereignissen des Schuljahres zählte des Kaisers Geburtstag, der auch in den Fibeln gewürdigt wurde, so zum Beispiel in einer Fibel aus dem Jahr 1915: Kaiser Wilhelm ist der Vater des ganzen Landes. Darum haben wir ihn lieb. Im Januar feiern wir seinen Geburtstag. Da bringen wir Fahnen mit in die Schule. Manche Kinder haben auch Säbel und Helme. Das hat der Kaiser gern. Er liebt die Soldaten. (Aus: Steger-Wohlrabe`sche Fibel für den ersten Unterricht im Deutschen, Pädagogischer Verlag von Hermann Schroedel, Halle an der Saale, 1915)
3 Seite aus dem Kinderbuch "Das neue ABC mit Bildern und Reimen", ohne Verlagsangabe, um Mit ABC-Büchern wollten Eltern ihren Kindern das ABC beibringen bzw. die Lust am Lesen fördern Der Kaiser war die höchste politisch-moralische Leitgestalt, an der Kritik zu üben eigentlich nicht vorstellbar war, zumal die Kirchen die Monarchie als Teil der gottgewollten Ordnung und als Abglanz der göttlichen Gesetze verkündeten. Entsprechend dieser kirchlichen Grundeinstellung waren tägliche Gebete und religiös unterlegte moralische Regeln obligatorische Themenkreise in jeder Fibel und sicherten auf diese Weise auch den Einfluss der Kirchen auf die Kindererziehung. Hohes Ansehen genoss auch das preußisch-deutsche Militärwesen (dessen Auswüchse der Hauptmann von Köpenick vor 100 Jahren zu einem genialen Gaunerstreich nutzte) und gehörte ebenfalls zum verbindlichen Repertoire einer deutschen Fibel. Das Militär wurde als etwas Erhabenes und Sympathisches dargestellt, oft auch verniedlicht und geschönt,
4 und den Buben zur spielerischen Nachahmung empfohlen. Die dabei häufig gewählte Versform sollte zum Auswendiglernen anregen und dadurch eine nachhaltigere Begeisterung sichern. Beispiel: Nur wacker mit. Da kommen die Soldaten, in gleichem Schritt und Tritt. Kein Mann darf stehen bleiben. Sie müssen alle mit. Der Trommler schlägt die Trommel. Der Hauptmann geht voran. Der Fahne folgen alle, Soldaten Mann für Mann. Die Uhr hat zwölf geschlagen. Wir gehen wacker mit. Wir folgen den Soldaten, in gleichem Schritt und Tritt. (Aus: Großstadtfibel, Verlag Otto Nemnich in Leipzig, 1914) Der erste Schultag: "Freundlicher Empfang" im Klassenzimmer. Seite aus der Comenius-Fibel, von L. F. Göbelbecker, mit neuen Bildern von Otto Kubel, Otto Nemnich Verlag Leipzig, Ein weiteres häufiges Fibelthema war die Rollenzuweisung zwischen Jungen und Mädchen nach dem Vorbild der Eltern. Die als beispielhaft beschriebenen rollenspezifischen Tugenden entsprachen ganz den Tugenden des Staatsbürgers in einer patriarchalischen Monarchie: Gehorsam, Wille zur Ein- und Unterordnung, Treue und Liebe zu den Eltern wie zum Vaterland und dessen Lenkern...Die Anpassung des Kindes an die Normen von Eltern und Lehrern war eine Vorübung für die Gewöhnung an die staatliche Ordnung. (Aus: Politik im Schulbuch, Schriftenreihe der Bundeszentrale für
5 politische Bildung, Band 231, 1985) "Soldatenspiel." Seite aus der Lehrerausgabe zur "Neuen Hessischen Comeniusfibel", von J. Dieterich, Verlag Otto Nemnich, Leipzig, undatierte Ausgabe, (um 1916). Selbstverständlich wurden auch die anderen Lebensbereiche und das natürliche Umfeld der Schüler, meist dem Jahresablauf folgend, in den Fibeln ausführlich und kindgemäß dargestellt. Allerdings fällt auf, dass vornehmlich das dörfliche und bäuerlichhandwerkliche Leben im Mittelpunkt stand, die zunehmende Technisierung sowie die Folgen dieser Entwicklung (z.b. Proletarisierung und Massenverelendung) aber weitgehend unberücksichtigt blieben.
6 "Der Sandmann am Abend.", Seite aus der Lehrerausgabe zur "Neuen Hessischen Comeniusfibel", von J. Dieterich, Verlag Otto Nemnich, Leipzig, undatierte Ausgabe,(um 1916). Mit dieser Einschränkung lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Fibeln aus der Kaiserzeit interessante und sehr anschauliche Zeitdokumente sind, weil sie Einblicke in viele Lebensbereiche der damaligen Zeit ermöglichen.
7 Schiefertafel, Schwammdöschen und Griffel, um Zur unterrichtlichen Arbeit mit den Fibeln gehörten auch großformatige Wandbilder, oft von hervorragenden Künstlern entworfen und gestaltet. Sie sind folglich ein wichtiger und informativer Teil der Sonderausstellung.
8 Griffelkästen, um 1910: Oben: deutscher Griffelkasten aus Pappmaschee mit "berittener Feldartillerie" auf dem Deckel. Unten: einfacher Holzgriffelkasten mit dem Deckelspruch: "Mit Gott fang an." Typische Gegenstände für die Schulanfänger, z.b. Schiefertafel, Griffelkasten, Matrosenanzug, militärisches Spielzeug und Werbeofferten für Schulartikel runden die Ausstellung ab. Weitere Informationen bietet das Lohrer Schulmuseum in der umfangreichen ständigen Ausstellung mit den Schwerpunkten Kaiserreich und Drittes Reich. Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger telefonischer Absprache (Tel /4960 oder 09359/317) außerhalb der regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen. (Text: Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, Lohr am Main, Tel /317)
9 Klassenzimmer um 1910 in der ständigen Ausstellung des Lohrer Schulmuseums: Tag der offenentür Am Sonntag, 10. September 2006, ist das Lohrer Schulmuseum von bei freiem Eintritt geöffnet. Anlass für diesen Tag der offenen Tür ist die neue Sonderausstellung Der Schulrekrut und seine Fibel Lernen mit Gott für König, Kaiser und Vaterland. Sonderausstellung vom 13. August bis 22. Oktober 2006 Die Schulneulinge 2006 können wie vor 100 Jahren die Schulbank drücken und mit dem Griffel auf die Schiefertafel schreiben. Jeder Besucher erhält ein Fleißbildchen. Außerdem werden im Eingangsbereich überzählige Schülerbücher, Landkarten usw. aus den Beständen des Museums zum Kauf angeboten. Vor allem Lesebücher aus der Zeit von 1900 bis heute dürften manchen Besucher interessieren.
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