1/2009. Integrierte Reproduktionsmedizin IVF UND TCM INHALTSVERZEICHNIS. Spezialapotheke für hochwertige Chinesische Arzneimittel

Transkript

1 L I A N C H I N A H E R B N E W S L E T T E R Spezialapotheke für hochwertige Chinesische Arzneimittel IVF UND TCM Integrierte Reproduktionsmedizin Viele Paare leiden unter einem unerfüllten Kinderwunsch. Die moderne Westliche Reproduktionsmedizin kann ihn oft erfüllen ganzheitlich und am erfolgreichsten, wenn sie integriert ans Werk geht: in Kombination und im Zusammenwirken mit der Traditionellen Chinesischen Medizin. «EXTRAKT» bringt den Überblicksartikel zweier Spezialisten dieser integrierten Reproduktionsmedizin, von der Diagnose über die Behandlung mit In-vitro-Fertilisation (IVF) bis zur Entspannungsund Erholungsphase. Jedes sechste Paar in der westlichen Welt leidet unter unerfülltem Kinderwunsch. Die Untersuchungen und Behandlungsmöglichkeiten in der Westlichen Medizin sind heute komplex und vielfältig, haben aber nicht selten Nebenwirkungen. Erst durch den Einbezug der Traditionellen Chinesischen Medizin und das Nutzen ihrer immensen Erfahrung wird eine integrierte Betrachtungsweise und damit eine ganzheitliche Behandlung der Infertilität möglich. Einige Formen von Infertilität (z.b. unexplained infertility) lassen sich besser mit TCM behandeln, in anderen Fällen, zum Beispiel bei der In-vitro-Fertilisation, unterstützen sich die Westliche und die Chinesische Medizin gegenseitig und in wieder anderen Fällen, etwa bei Samenleiter- und Eileiterverschlüssen, bietet die moderne Westliche Reproduktionsmedizin Vorteile. 1 1/2009 Integrierte Behandlung erfordert vertiefte Ausbildung Die Kombination von In-vitro-Fertilisation (IVF) und Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) erfordert eine gute Zusammenarbeit zwischen den beiden medizinischen Systemen. Sie erfordert auch eine fundierte Ausbildung in Chinesischer Gynäkologie, welche über die Standardausbildung hinausgeht. Die Diagnostik nach TCM ist in kurzer Zeit durchführbar, in der Westlichen Medizin hingegen wesentlich zeitaufwendiger. Eine umfassende Abklärung des Paares benötigt hier mindestens zwei Monate, um alle wichtigen Faktoren zu erfassen. Erst dann lässt sich, einem Puzzle ähnlich, aus den einzelnen Resultaten ein Gesamtbild zusammenfügen. > Die Freude, wenn s geklappt hat und TCM kann helfen, dass es klappt. INHALTSVERZEICHNIS IMPRESSUM Kolumne von Beate Maul und Fransiscus Sulistyo Winarto Integrierte Reproduktionsmedizin Zur Dosierung von Granulaten Neues aus der Fachwelt - Abnehmen mit TCM - Steisslage des Fötus Legenden zur TCM Neues von LIAN - Versand von Granulaten in ganz Europa - Muskelfluid-Spray Lian Shui Veranstaltungen und Kurse 1/09 AG Foto istockphoto

2 IVF UND TCM Foto istockphoto Genau messen und eintragen: Die Analyse der Temperaturkurve ist von höchster Bedeutung. Bei 30 Prozent der betroffenen Paare finden sich Ursachen einzig bei der Frau, in ebenfalls 30 Prozent der Fälle einzig beim Mann, in weiteren 30 Prozent liegen die Ursachen bei beiden Partnern (multifaktoriell). Bei 10 Prozent der Paare findet sich keine Ursache (unexplained infertility). Bei etwa 10 bis 15 Prozent aller Paare erweisen sich die Ursachen als schwerwiegend, zum Beispiel wenn Tubenverschlüsse vorliegen oder Spermien im Ejakulat (fast) völlig fehlen. In diesen Fällen kann man wahrscheinlich mit alleiniger TCM-Behandlung keinen Erfolg erzielen. Andererseits lassen sich Muster wie beispielsweise Leber-Qi-Stagnation mit Blutstase oder Yin-Mangel mit Feuchtigkeit und Schleim, in der Westlichen Medizin häufig Fälle von unexplained infertility, mittels TCM wesentlich erfolgreicher behandeln als mit Hormonen. Diese Beispiele zeigen, wie erfolgreich eine integrierte Behandlung nach beiden medizinischen Systemen sein kann und wie wichtig andererseits eine genaue und vollständige Diagnostik nach beiden Ansätzen vor dem Beginn der Behandlung ist. Abklärungen in der TCM Die Abklärungen für Paare mit Infertilität in der TCM zeichnen sich aus durch eine genauere Anamnese der gynäkologischen Beschwerden in Zusammenhang mit der Fruchtbarkeit, wie beispielsweise Besonderheiten der Menstruationsblutung, des Monatszyklus, Qualität und Quantität des Zervixschleimes sowie Ernährungsund Lebensgewohnheiten beider Partner. Häufig ist es hilfreich, die Diagnosen der modernen Westlichen Medizin zu kennen und daraus Schlüsse für die TCM-Diagnostik zu ziehen. Zum Beispiel kann eine Endometriose ein Zeichen sein von Stagnation in Kombination mit anderen Faktoren. Das PCO-Syndrom (polyzystisches Ovarialsyndrom; engl. polycystic ovary syndrome) hat immer eine Komponente von Feuchtigkeit oder Schleim, obwohl die Zungen- und Pulsdiagnostik hier oft keine Hinweise gibt. Die Behandlungen der Westlichen Reproduktionsmedizin verbrauchen häufig ein Übermass an Yin, zu einem gewissen Grad auch Yang, was natürlich pathologische Entwicklungen begünstigt. Diagnostik und Therapie müssen diesen Umstand in jedem Fall berücksichtigen. Folgende Besonderheiten der TCM-Diagnostik in Zusammenhang mit der Reproduktionsmedizin haben sich während unserer langjährigen Arbeit als hilfreich für die Genauigkeit der Diagnose erwiesen: 1. Genaue Analysen der Temperaturkurve und der unterschiedlichen Beschwerden in den verschiedenen Phasen des Zyklus. Die normale Aufwachtemperatur wird vom ersten Zyklustag bis zum nächsten Zyklusbeginn gemessen und in eine Kurve eingetragen. Die Temperaturkurve zeigt eine Follikelphase mit einer Temperatur von ca. 36,3 bis 36,4 ºC. Der Temperaturanstieg um die Ovulation beträgt mindestens 0,3 ºC innert zwei Tagen, dann folgt das Plateau der Lutealphase, die etwa 12 bis 14 Tage anhält, mit einer Temperatur von ca. 36,8 bis 37 ºC. Störungen der Follikelphase können sich in einer zu tiefen Temperatur, in einer zu langen (mehr als 14 Tage) oder in einer zu kurzen Dauer (weniger als 9 Tage) zeigen. Die Temperatur kann auch zu hoch oder instabil sein. Die Lutealphase kann zu kurz sein (weniger als 12 Tage), die Temperatur kann zu tief (unter 36,8 ºC) oder instabil sein. Um die Ovulation kann die Temperaturkurve verzögert ansteigen. Wenn die Temperaturkurve in der zweiten Zyklushälfte ein höheres Niveau als sonst hat oder über 14 Tage andauert, ist eine Schwangerschaft sehr wahrscheinlich (mehr Details in: Jane Lyttleton. Treatment of Infertility with Chinese Medicine. Churchill Livingstone, 2004, first edition). 2. Genaue Anamnese der Menstruation mit Konsistenz, Farbe und Beschwerden. 3. Genaue Analyse der Qualitäten des Zervixschleimes während der unterschiedlichen Phasen des Zyklus. 4. Der Aspekt des Haares widerspiegelt sehr gut die Nierenenergie und die Fülle des Blutes, welche wichtige Komponenten der Fertilität sind. 5. Die Reaktion des Körpers auf die Westliche Hormontherapie zeigt uns die Konstitution der Patientin. Die verschiedenen Hormone können zu sehr unterschiedlichen Störungen und Beschwerden führen: a) Clomiphene verursacht Hitze, schädigt Yin, kann Feuchtigkeit erzeugen. b) Gonadotropine schädigen das Jing, führen zu Nierenmangel, beeinträchtigen die Kommunikation zwischen Herz, Uterus und Niere (siehe weiter unten). c) Down Regulation schädigt Yin und Blut und beeinträchtigt den freien Fluss des Qi. d) Hormonell stimulierende Medikamente verursachen Hitze, bewegen, schädigen Yang. e) Progesteron verursacht Hitze. 6. Probleme mit dem Funktionskreis Herz führen häufig zu Auswirkungen auf den Hypothalamu s und den Hypophysenkreislauf (z.b. erhöhtes FSH 1 )). Das Nieren-Jing 2

3 IVF UND TCM entspricht in der modernen Westlichen Medizin den Gameten (Eizellen und Spermien), Yin und Yang entsprechen den Hormonen, welche für den Eireifungszyklus wichtig sind. Das Herz kann den Geist, den Hypothalamus und die Hypophyse umgehen, die den Zyklus kontrollieren. Der Uterus entspricht in der TCM dem bao gong, welcher alle reproduktiven Organe (Uterus, Eileiter und Ovarien) umfasst. Durch die Meridiane bao mai und bao luo findet die Kommunikation zwischen bao gong, Herz und Nieren statt. Das Herz ist der Kaiser aller anderen Organe. (Weitere Details in: Jane Lyttleton. Treatment of Infertility with Chinese Medicine. Kapitel 2: The menstrual cycle) 7. Die Abklärung des Partners hat in der TCM den gleichen Stellenwert wie die Diagnostik bei der Frau. Abklärungen in der modernen Westlichen Medizin 1. Abklärung des männlichen Faktors: Die WHO empfiehlt zwei Spermiogramme im Abstand von etwa drei Monaten. 2. Abklärungen des hormonellen Faktors bei der Frau: Frühzyklisch, das heisst am dritten oder vierten Zyklustag, sollten zumindest die Werte von FSH, LH, TSH 1 ) und Prolaktin bestimmt werden. Je nach Klinik werden bei Verdacht auf PCO zusätzlich die Androgenwerte analysiert. Nach dem Eisprung wird das Progesteron im Blut bestimmt, um die Funktion des Gelbkörpers zu messen. 3. Abklärung des ovulatorischen und des Zervixfaktors: Bei einem normalen Zyklus sollte die Follikelgrösse im vaginalen Ultraschall zwischen dem 10. und 12. Zyklustag gemessen werden und nach der Ovulation der Zervixschleim auf motile Spermien untersucht werden (postkoitaler Test). 4. Abklärung von Eileitern und Gebärmutter: Die Hysterosalpinographie (Eileiterröntgen) ist eine nichtinvasive Methode zur Abklärung der Durchgängigkeit der Eileiter. Die Laparoskopie (Bauchspiegelung) ist eine invasive operative Abklärung, mit der auch eine mögliche Endometriose festgestellt werden kann. Diese Methode wird nur dann vorgezogen, wenn ein dringender Verdacht auf beispielsweise Endometriose besteht. Ziel der Behandlung von Infertilität sollte immer zuerst die Wiederherstellung der natürlichen Fruchtbarkeit sein. Wenn in den Abklärungen nach Westlicher Medizin keine schwerwiegenden Ursachen gefunden wurden, zum Beispiel bei unexplained infertility, gelingt es der TCM wesentlich besser als der Westlichen Medizin, die natürliche Fortpflanzung wiederherzustellen. Die Behandlung benötigt manchmal drei bis zwölf Monate. Manche Paare haben diese Zeit aufgrund des Alters der Partnerin nicht mehr. Die Fruchtbarkeit nimmt bei der Frau ab 5 x 7 Jahren langsam und ab 6 x 7 Jahren schnell ab. In diesen Fällen hat sich eine frühzeitige Kombination aus TCM und Reproduktionsmedizin sehr bewährt. GEDANKEN Harmonisierungsthese Viele Studien belegen mittlerweile die positive Wirkung einer integrierten Therapie gegen Infertilität, das heisst der Kombination von Chinesischer Medizin mit moderner Westlicher Reproduktionsmedizin. Die theoretischen Erklärungen, Arbeitshypothesen und therapeutischen Strategien sind Dr. Fransiscus Sulistyo Dr. Beate Maul, Winarto, Universität höchst unterschiedlich. Als Beispiele seien die Yin nährende Witten/Herdecke. Schule, die Yang tonisierende Schule und die harmonisierende, die Dynamik betonende Schule genannt. Als Arbeitshypothese soll folgendes Denkmodell für die Wirkung der Chinesischen Medizin bei Patientinnen in der assistierten Reproduktionsmedizin-Therapie (ART) dienen: Westliche ART-Patientinnen weisen häufig folgende Merkmale auf: eine überdurchschnittliche Ausbildung; einen überdurchschnittlichen beruflichen und soziale Status; vertiefte Kenntnis ihres gesundheitlichen Befundes; weit reichende Kenntnis der Möglichkeiten und Risiken der reproduktiven Medizin; überdurchschnittlich häufig Symptome eines erhöhten Sympathikotonus. In der Evolutionsbiologie ist die reproduktive Tätigkeit der weiblichen Tiere naturgemäss in Zeiten und in eine Umgebung gelegt, die möglichst frei von Gefahrensituationen ist. Nur so ist eine ausreichende Versorgung aller für die Fortpflanzung wichtigen Organe gewährleistet. Die körperlichen Ressourcen müssen nicht für den ständigen Überlebenskampf erschöpft werden. Die Weibchen können sich in relativer Vagotonie befinden. Unsere Arbeitshypothese lautet, dass ein positiver Wirkmechanismus der TCM-Therapie darin besteht, die Sympathikotonie mit Angriffs- und Fluchtbereitschaft (berufliche Karriere, Erwerbsdruck, Leistungsdruck, Wettbewerb usw.) zugunsten der Vagotonie zu verschieben mit der Möglichkeit, die Fortpflanzung in den Mittelpunkt zu stellen. Es gilt in Zukunft diese These wissenschaftlich zu prüfen, beispielsweise durch Messung des Sympathikotonus vor und nach der TCM-Therapie, eventuell auch mit Hilfe psychologischer Testverfahren. Bisher beruht diese These auf Beobachtungen in der täglichen Praxis. Sollte sie sich bestätigen, wäre in Zukunft die harmonisierende Therapie für die meisten Infertilitätspatientinnen im Westen die TCM-Therapie der Wahl. 1) FSH: Follikel stimulierendes Hormon; LH: luteinisierendes Hormon; TSH: Thyreotropin (engl. thyroid stimulating hormone) Beate Maul und Fransiscus Sulistyo Winarto 3

4 IVF UND TCM Besonderheiten in der TCM-Behandlung 1. Die TCM-Therapie sollte das gesamte Spektrum aller Möglichkeiten kombinieren, das heisst Arzneimitteltherapie, Akupunktur, Moxibustion, Massage, Ernährung und Lebensstilberatung. 2. Ausführliche Gespräche unterstützen die Therapie. 3. Akupunktur und Arzneimitteltherapie zur Behandlung von Infertilität müssen zyklusgerecht angepasst und durchgeführt werden. Vor und nach dem Eisprung und wenn nötig während der Menstruation sollten je unterschiedliche Arzneimittelmischungen und Akupunkturmethoden angewendet werden. Arzneimitteltherapie 1. Es sollten ab dem Eisprung nur Rezepturen und Akupunkturpunkte eingesetzt werden, die absolut keinen negativen Einfluss auf eine mögliche Schwangerschaft haben können. Wir stimulieren vor allem die Shu-Punkte Bl 23, Bl 20, Bl 18, Bl 17 und Bl Wir bevorzugen Granulate, weil so eine regelmässige und auch langwierige Arzneimitteltherapie einfacher durchzuführen ist (compliance). 3. In einem Monatszyklus werden in der Regel drei verschiedene Mischungen rezeptiert. Mischungen, die Blut bewegen, Qi senken oder Feuchtigkeit ausleiten, sind in der zweiten Zyklushälfte nicht zu empfehlen. In der ersten Zyklushälfte setzen wir die bewegenden und Feuchtigkeit ausleitenden Kräuter ein. Während der Menstruation wird eine individuelle Mischung rezeptiert, die entweder das Blut bewegt und aufbaut sowie den Uterus wärmt (schwache Blutung, schmerzhafte Menstruation) oder bei starker Menstruation die Blutung stillt. 4. Wenn immer möglich sollte vor jeder spezifischen Infertilitätstherapie während ein bis drei Monaten oder auch länger die Grundproblematik therapiert werden, zum Aufbau der entsprechenden Kreisläufe. Es gibt hier typische Muster wie Nieren-Yin, Yang- oder Qi-Schwäche, Qi- und Blutstagnation, Leber-Qi-Stagnation, kalte Gebärmutter. 5. Wir verschreiben immer individualisierte Rezepte, Standardmischungen sind zu ungenau. 6. Folgende Schemata werden für Paare während der Westlichen reproduktionsmedizinischen Therapie individualisiert angewandt: Akupunktur 1. Wenn immer möglich behandeln wir ein- bis zweimal mal pro Woche mit sehr dünnen Nadeln und geringer Stimulation. Die Akupunktur dient zunächst der Entspannung. Ausnahmen sind schwere Störungen wie Blutstase. Hier bevorzugen wir Elektroakupunktur. 2. Wir wenden die traditionelle Akupunktur, weiter die Elektrostimulation (besonders bei PCO) und auch die Hara-Daiagnose nach Kiko Matsumoto an, weil Blockaden im Hara bei Unfruchtbarkeit eine grosse Rolle spielen. 3. In den verschiedenen Zyklusphasen müssen unterschiedliche Punkte gestochen werden. 4. Punkte nach Standardprotokollen (z.b. Paulus-Punkte) sollen nach dem Grundmuster der Patientin modifiziert werden. Datum 37.4 ºC Tag Datum 37.4 ºC In der ersten Zyklushälfte, der Follikularphase, sollten eher niedrige Temperaturen gemessen werden. Am Tag vor dem deutlichen Temperaturanstieg findet meistens der Eisprung statt. Danach beginnt die Lutealphase, die mit einer um 0,3 0,5 ºC erhöhten Temperatur Tage dauert. Tag Während der Follikelphase sollten sich nur geringe Schwankungen der Temperatur zwischen 0,2 und 0,3 ºC zeigen. Bei Fieber, Schlafmangel und Alkoholkonsum nehmen die Schwankungen zu, ansonsten deuten sie auf ein Leberund Herzfeuer hin. Datum 37.4 ºC Tag Nach dem Eisprung sollte die Temperatur um 0,3 0,5 ºC steigen. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um eine Gelbkörperinsuffizienz. Dieser liegt in der Chinesischen Medizin meist eine Nierenleere zugrunde, häufig kombiniert mit anderen Disharmonien wie Qi-Stagnation, Stase oder Feuchtigkeit und Schleim. 4

5 IVF UND TCM Moxibustion Moxa ist wichtig zum Erwärmen, darf aber nicht in der zweiten Zyklushälfte oder in der Schwangerschaft angewendet werden. Massage Die Massage von Bauch und Oberschenkel- Innenseiten (z.b. mit der Maya-Uterusmassage) wenden wir in der ersten Zyklushälfte an. Die Maya-Uterusmassage (siehe Kasten) ist eine äussere Massagetechnik, um Veränderungen der Fortpflanzungsorgane zu korrigieren. Ein veränderter Uterus kann schmerzhafte Blutungen, unregelmässige Blutungen, Endometriose und andere Probleme zur Folge haben. Die Massagetechnik kann den betroffenen Frauen zur Selbstanwendung beigebracht werden. Die Femoral-Massage (siehe Kasten) erhöht den Blutfluss zu den Beckenorganen und nährt den Uterus und die Eierstöcke. Lebensstil Ein richtiger Lebensstil nach Kriterien der TCM hilft ein harmonisches Miteinander der verschiedenen Organsysteme aufrechtzuerhalten. Dies ist für die Fruchtbarkeit eine wichtige Voraussetzung. Besonderheiten in der Behandlung mit Westlicher Reproduktionsmedizin 1. Verschlüsse von Eileitern nach Entzündungen oder Operationen können nur mikrochirurgisch oder mittels IVF behandelt werden. 2. Schwere männliche Fruchtbarkeitsstörungen wie die Azoospermie können nur mittels ICSI (IVF mit intrazytoplasmatischer Spermieninjektion) erfolgreich therapiert werden. IVF/ET-Unterstützung nach Prof. Yuning Wu und Esther Denz Viele ihrer Erfahrungen und der folgenden Rezepturen in der Gynäkologie und Reproduktionsmedizin, insbesondere in der IVF, hat die Autorin während einer langjährigen Zusatzausbildung bei Yuning Wu, Professorin für integrierte Chinesisch-Westliche Medizin an der Capital University of Medical Science in Beijing erworben. Was sind die idealen Bedingungen für IVF/ET? Relativ viel Blut und Essenz. Entspannung, damit das reproduktive Zusammenspiel gut wirkt. Ein «guter» Puls und eine entsprechende Zunge zeigen die Balance zwischen Yin und Yang, Qi und Blut und den Organen sowie das Fehlen von pathogenen Faktoren, die den Prozess stören könnten. 1. Vorbereitungsphase: Regulieren a) Um schwanger zu werden, muss die Menstruation reguliert werden. b) Ein Mangel an Essenz und Blut schädigt die Funktion der Chong- und Ren-Meridiane. IVF verbraucht viel Nur ein einziges von Millionen Spermien macht das Rennen Essenz und Blut und verursacht so einen Verlust von Nieren-Essenz und Leber-Blut. 2. Downregulationsphase: Nähren Unter «Downregulation» versteht man das Unterdrücken des Eisprungs, indem man der Hypophyse die Fähigkeit nimmt, diesen auszulösen. Während dieser Phase werden Chinesische Arzneien verabreicht, um das Blut und die Essenz aufzubauen und so das Endometrium auf eine spätere Befruchtung vorzubereiten. Behandlungsprinzip Blut und Essenz aufbauen, um Chong und Ren zu stärken. Arzneimittelrezeptur: yang xue tian jing fang dang gui (Angelicae sinensis Rx), chuan xiong (Chuanxiong Rh), bai shao (Paeoniae Rx alba), e jiao (Corii Asini Colla), shu di (Rehmanniae Rx praeparata), zhi he shou wu (Polygoni Multiflori Rx), gou qi zi (Lycii Fr), tu si zi (Cuscutae Sm), chai hu (Bupleuri Rx), shan zhu yu (Corni Fr), fu ling (Poria) Modifizierung Nieren-Yang-Leere: rou cong rong (Cistanches Hb), fu pen zi (Rubi Fr) Nieren-Yin-Leere: nu zhen zi (Ligustri Lucidi Fr), han lian cao (Ecliptae Hb) Leber-Qi-Stagnation: yu jin (Curcumae Rx), xiang fu (Cyperi Rh) Qi-Leere: dang shen (Codonopsis Rx) oder tai zi shen (Pseudostellariae Rx) Yin-Leere: sha shen (Adenophorae Rx), yu zhu (Polygonati odorati Rh) oder huang jing (Polygonati Rh) Schlaflosigkeit: suan zao ren (Zizyphi Spinosae Sm), bai zi ren (Platycladi Sm), zhen zhu mu (Margaritiferae Conchae), yuan zhi (Polygalae Rh) Achtung Keine Kräuter verwenden, die das Nieren-Yang zu sehr wärmen wie zum Beispiel rou gui (Cinnamomi Cx), huang qi (Astragali Rx), lu rong (Cervi Cornu pantotrichum), Foto istockphoto 5

6 IVF UND TCM Foto istockphoto Ultraschallbild eines Fötus in der Spätschwangerschaft. Klar zu erkennen sind der Kopf, der Bauch und sogar die Händchen. yin yang huo (Epimedii Hb), xian mao (Curculiginis Rh) oder suo yang (Cynomorii Hb). Stark Blut bewegende Kräuter wie su mu (Sappan Lignum), e zhu (Curcumae Rh) oder san leng (Sparganii Rh) sind ebenfalls zu vermeiden. Akupunktur Ren 12, Ren 6, Ren 4, Ma 36, Mi 6, Ni 3, Le 3, He 7, Du Menstruationsphase: Reinigen Während der Menstruation wird der Körper unterstützt, das «alte» Blut komplett auszuscheiden und dadurch einen frischen Neuaufbau des Endometriums zu ermöglichen. Dies wird durch die Gabe von Blut regulierenden und Blut aktivierenden Mitteln unterstützt. Behandlungsprinzip Menstruation regulieren, Blutfluss fördern, Stase umwandeln, Blut nähren und neues Endometrium aufbauen. Anzuwenden zwei bis drei Tage vor und während der Periode. Arzneimittelrezepturen: tiao jing tang und si wu tang und shi xiao san chuan xiong (Chuanxiong Rh), dang gui (Angelicae Sinensis Rx), shu di (Rehmanniae Rx praeparata), bai shao (Paeoniae Rx alba), wu ling zhi (Trogopterori Faeces), pu huang (Typhae Pollen), xiang fu (Cyperi Rh), yi mu cao (Leonuri Hb), zhi he shou wu (Polygoni Multiflori Rx praeparata), gan cao (Glycyrrhizae Rx) Modifizierung Starke Blutung mit Klumpen: chai hu (Bupleuri Rx), qian cao (Rubiae Rx et Rh), san qi (Notoginseng Rx), pu huang tan (Typhae Pollen carbonisata) Schwache Blutung mit dunkler Farbe: ze lan (Lycopi Hb), dan shen (Salviae Rx et Rh), hong hua (Carthami Flos), tao ren (Persicae Sm) Dysmenorrhö: yan hu suo (Corydalis Rh), chuan lian zi (Toosendan Fr), wu yao (Linderae Rx) oder li zhi he (Litchi Sm) Kälteschmerz: wu zhu yu (Evodiae Fr), gao liang jiang (Alpiniae Officinarum Rh) Akupunktur Ren 6, Ren 3, Mi 6, Mi 10, Mi 8, Le 3 4. Stimulationsphase: Nähren und Bewegen In der Stimulationsphase, welche bis zum Embryo-Transfer dauert, werden die Ovarien durch FSH stimuliert. Chinesische Arzneien unterstützen die Follikelentwicklung. Behandlungsprinzip Nieren wärmen und Essenz aufbauen, Blutfluss aktivieren und Chongmai und Renmai regulieren, um die Entwicklung der Follikel zu fördern. a) Arzneimittelrezeptur: zi shen tiao chong fang dang gui (Angelicae Sinensis Rx), chuan xiong (Chuanxiong Rh), dan shen (Salviae Miltiorrhizae Rx et Rh), tu si zi (Cuscutae Sm), gou qi zi (Lycii Fr), ba ji tian (Morindae Officinalis Rx), xu duan (Dipsaci Rx), zi he che (Placenta Hominis) 2), su mu (Sappan Lignum) Modifizierung Nieren-Yang-Leere: lu rong (Cervi Cornu pantotrichum), yin yang huo (Epimedii Hb), ji xue teng (Spatholobi Cl), rou gui (Cinnamomi Cx) Nieren-Yin-Leere: gui ban (Chrysemys Plastrum) 3), nu zhen zi (Ligustri lucidi Fr), han lian cao (Ecliptae Hb), chi shao (Paeoniae Rx rubra), mu dan pi (Moutan Cx) Leber-Qi-Stagnation: yu jin (Curcumae Rx), mei gui hua (Rosae Rugosae Fl) Blutstagnation: san leng (Sparganii Rh), e zhu (Curcumae Rh) Verstopfung: rou cong rong (Cistanches Hb) 4) Herz-Feuer (Leere-Typ) mit Nervosität und Unruhe: bai he (Lilii Bulbus), lian zi xin (Nelumbinis Plumula) Bei Qi-Leere, Yin-Leere und Schlaflosigkeit dieselben Arzneimittel anwenden wie in der Down-Regulierungsphase. Achtung Wenn mehr als 14 Follikel vorhanden sind oder bei einem vorangegangenen Ovarian Hyperstimulation Syndrome (OHSS), sollte man nicht weiter bewegen und anregen. Bewegende und aktivierende Mittel wie chuan xiong (Chuanxiong Rh), dang gui (Angelicae Sinensis Rx) und dan shen (Salviae Miltiorrhizae Rx et Rh) sind abzusetzen. Statt der Stimulation soll jetzt das Nähren und Stärken im Zentrum der Behandlung stehen. 2) Dieses Mittel ist in Europa nicht im Handel und kann je nach vorherrschendem Muster mit Yin-Essenz- oder Yang-Essenz-Mittel wie shu di (Rehmanniae Rx praeparata), tu si zi (Cuscutae Sm), yin yang huo (Epimedii Hb) oder ähnlichen ersetzt werden 3) Schildkröten sind vom Aussterben bedroht. Der Panzer darf nur mit offizieller CITES-Bewilligung vertrieben werden. Legal ist es daher kaum noch erhältlich. Es kann ersetzt werden durch shu di (Rehmanniae Rx praeparata) oder nu zhen zi (Ligustri Lucidi Fr) mit han lian cao (Ecliptae Hb). 4) Diese Pflanze ist vom Aussterben bedroht und darf nur noch mit offizieller CITES-Bewilligung vertrieben werden; das Mittel kann ersetzt werden durch suo yang (Cynomorii Hb), tao ren (Persicae Sm) 6

7 IVF UND TCM Bei der gleichzeitigen Entwicklung von zu vielen Follikeln kann es zu einer Beeinträchtigung der Eizellqualität kommen. In diesem Fall wird für die Entwicklung der vielen Follikel viel Blut und Essenz verbraucht und dadurch der Körper und auch die Follikelqualität geschwächt. Um die Follikelqualität sicherzustellen, eignet sich die Rezeptur Yang Xue Tian Jing Fang (siehe unter Downregulationsphase) Für Patientinnen, welche auf obige Arzneitherapie zu wenig ansprechen (low responder) empfiehlt sich zusätzliche Elektroakupunktur. Akupunktur Wichtige Punkte (abwechselnd) 1) Ren 4, zi gong (Extrapunkt), Ma 28, Ma 29, Ma 36, Mi 6, yin tang (Extrapunkt) 2) Bl 13, Bl 15, Bl 17, Bl 18, Bl 20, Bl 23, Du 20 Modifizierung Nieren-Yang-Leere: Du 4, Bl 20 Nieren-Yin-Leere: Ni 3, Ni 6 Leber-Qi-Stagnation oder Leber-Feuer: Le 3, Le 2 Herz-Nieren-Disharmonie: He7, Du 24, Gb 13, si shen cong (Extrapunkt) Ohrakupunktur Endokrinum, Leber, Niere, Milz, Shen Men 5. Peri-OPU-Phase: Entspannen Die Peri-OPU-(ovum pick-up)-phase dauert vom Zeitpunkt der Follikelreifung bis einen Tag vor dem Embryotransfer. Die Behandlungsziele während dieser Zeit sind das Beruhigen des Geistes und das Aktivieren der Blutzirkulation. Diese Therapie scheint sich positiv auf die Heilung der Punktionswunde sowie der Entspannung der Frau auszuwirken. Das Endometrium sollte für den Transfer eine Dicke von mindestens 8 mm aufweisen; besser sind 10 mm. Ist das Endometrium zu dünn oder war die letzte IVF nicht erfolgreich aufgrund eines zu dünnen Endometriums, kann in dieser Phase der Endometriumaufbau noch unterstützt werden. Behandlungsprinzip Leber-Qi-Fluss fördern und Geist beruhigen, Nieren stärken und Blutzirkulation anregen. Arzneimittelrezepturen: Es können ähnliche Rezepturen wie während der Stimulationsphase verschrieben werden, ergänzt durch geistberuhigende Kräuter wie yu jin (Curcumae Rx), he huan pi (Albiziae Cx), bai he (Lilii Bulbus) oder lian zi xin (Nelumbinis Plumula). Soll das Endometrium weiter aufgebaut werden, so können noch folgende Mittel beigefügt werden: mu dan pi (Moutan Rx), zi shi ying (Fluoritum), lu jiao jiao (Cornus Cervi Colla) Akupunktur si shen cong (Extrapunkt), He 7, Du 24, Le 3, Mi 6, Mi 10, BI 13, BI 15, BI 17, BI 18, BI 20, BI 23 Achtung Keine Punkte in der Nähe der Eierstöcke wie zi gong (Extrapunkt) und Ma 29 nadeln. Ohrakupunktur Endokrinum, Leber, Shen Men, Uterus 6. Embryotransferphase Konsolidieren gemäss Paulus-Protokoll 30 Minuten vor dem Embryotransfer: Du 20, Pe 6, Ma 29, Mi 8, Le 3, Ren 6. Ohrakupunktur: Endokrinum, Uterus, Shen Men, Hirnstamm Wichtig: Keine Schmerzen verursachen, nicht tief stechen, leicht manipulieren. Ergänzend ist eine sanfte Fussmassage empfehlenswert. Dann erfolgt der Embryotransfer. 20 bis 30 Minuten nach dem Embryotransfer: Di 4, Mi 10, Mi 6, Ma 36 akupunktieren. Erneute Ohrakupunktur, aber am andern Ohr: Endokrinum, Uterus, Shen Men, Hirnstamm. Nadeln nach etwa 20 Minuten entfernen. Achtung Das Gleichgewicht von Yin und Yang ist der Schlüssel zur Aufrechterhaltung des Corpus Luteum. Keine bewegenden oder absenkenden Kräuter verwenden. Während der Schwangerschaft kann Hitze entstehen. Sehr wichtig ist daher: Hitze klären und das Nieren-Yin aufbauen. Sonst besteht die Gefahr einer Fehlgeburt. Individuelle Behandlung gewährleisten. Arzneimitteltherapie Einen Tag vor bis 3 4 Tage nach dem Embryotransfer ist es sinnvoll, eine beruhigende, entspannende und aufbauende Rezeptur zu verabreichen. Das Ziel soll es sein, den Uterus so gut wie möglich zu entspannen, sodass sich der transferierte Embryo einnisten kann. Diese «Beruhigung» des Uterus ist besonders wichtig, weil bei der In-vitro-Fertilisation die Implantation bereits zwei bis drei Tage nach dem Eisprung stattfindet und nicht wie bei der natürlichen Befruchtung rund fünf Tage danach. Bei natürlichen Befruchtungen kann während der fünf Tage vom Corpus luteum ausreichend Progesteron produziert werden, um den Uterus zu beruhigen. Das ist bei IVF nicht der Fall. Bai he (Lilii Bulbus), yuan zhi (Polygalae Rh), chai hu (Bupleuri Rx), e jiao (Corii Asini Colla), dang gui (Angelicae Sinensis Rx), bai shao (Paeoniae Rx alba), zhi gan cao (Glycyrrhizae Rx praeparata), xiang fu (Cyperi Rh), yu jin (Curcumae Rx), he huan pi (Albiziae Cx), fu ling (Poria) und shan zhu yu (Corni Fr). Yang-Mangel: fu pen zi (Rubii Fr), bu gu zhi (Psoraelae Fr), tu si zi (Cuscutae Sm) Yin-Mangel: nu zhen zi (Ligustri Lucidi Fr), han lian cao (Ecliptae Hb), tu si zi (Cuscutae Sm) Hitze-Zeichen: sheng di (Rehmanniae Rx), di gu pi (Lycii Cx), huang qin (Scutellariae Rx) Blut-Stase: san qi (Notoginseng Rx), yi mu cao (Leonuri Hb), qian cao (Rubiae Rx et Rh) Qi-Mangel: dang shen (Codonopsis Rx), sheng ma (Cimicifugae Rx), huang qi (Astragali Rx) Als Alternative zu obiger Rezeptur kann auch Shao Yao 7

8 IVF UND TCM Foto istockphoto Gan Cao Tang verschrieben werden. Diese klassische Mischung ist angezeigt bei Abdominalkrämpfen und hilft in dieser Phase, den Uterus zu entspannen und so die Einnistung zu fördern. Drei bis vier Tage nach dem Transfer (und bei einer Schwangerschaft weiterhin bis zu 12 Wochen) können folgende Rezepturen verschrieben werden, um eine erfolgreiche IVF zu unterstützen: Yang-Mangel-Rezeptur Chai hu (Bupleuri Rx), bai shao (Paeoniae Rx), dang shen (Codonopsis Rx), shu di (Rehmanniae Rx), shan yao (Dioscoreae Rh), fu pen zi (Rubii Fr), tu si zi (Cuscutae Sm), sang ji sheng (Taxilli Hb), sha ren (Amomi Fr), bai zhu (Atractylodis Macrocephalae Rh), shan zhu yu (Corni Fr) Yin-Mangel-Rezeptur Sha shen (Adenophorae Rx), chai hu (Bupleuri Rx), bai shao (Paeoniae Rx), shan yao (Dioscoreae Rh), tu si zi (Cuscutae Sm), sang ji sheng (Taxilli Hb), shan zhu yu (Corni Fr), gou qi zi (Lycii Fr), nu zhen zi (Ligustri Lucidi Fr), e jiao (Corii Asini Colla), sheng di (Rehmanniae Rx), han lian cao (Ecliptae Hb) Modifikationen für beide Rezepturen Qi-Stagnation: xiang fu (Cyperi Rh), yu jin (Curcumae Rx) (sehr niedrig dosiert) Hitze-Zeichen: huang qin (Scutellariae Rx), chun pi (Ailanthi Cx), zhu ma gen (Boehmeriae Rx) Qi-Mangel: huang qi (Astragali Rx), tai zi shen (Pseudostellariae Rx), sheng ma (Cimicifugae Rh) Schlussfolgerung Mit dem wieder hergestellten Gleichgewicht zwischen Yin und Yang, Qi und Blut, Zang und Fu kann der Körper sein Potenzial entfalten; die Chance erhöht sich, ein Baby zu empfangen und auszutragen Werdendes Leben wenn die In-vitro-Fertilisation gelungen ist, kann die Schwangerschaft ganz normal verlaufen. Fallbeispiel Frau P.I. ist 40 Jahre alt und hegt seit 16 Jahren einen Kinderwunsch. Die Abklärungen nach Westlicher Medizin ergaben einen regelmässigen Zyklus und eine normale Laparoskopie mit leichter Endometriose. Beim Mann zeigte sich eine deutlich erniedrigte Zahl normal geformter Spermien (Teratozoospermie). Drei Inseminationen und zehn Embryotransfers führten zu einer Schwangerschaft nach Embryotransfer sowie zu einer spontanen Schwangerschaft. Im ersten Fall lag ein Genetikfehler (Mosaiktrisomie) vor, die Spontanschwangerschaft endete in einem Abort. Erst nach einer TCM-Therapie trat eine unauffällige und bisher problemlose Schwangerschaft ein. Frau P.I. kam im März 2008 zur ersten Konsultation in die TCM-Praxis. Anamnese: leichte Endometriose; wiederkehrende Zysten am Eierstock; häufig Embryonen nach ICSI, welche bereits im Zygotenstadium sich nicht weiterentwickelten (2pn-Block); Dysmenorrhö während der ersten zwei Tage der Menstruation, Unterbauchschmerzen und Brustspannen bereits vor der Menstruation; dunkle Blutung mit vielen Koagula; Spannungskopfschmerzen und konstante leichte Unterbauchschmerzen; Antriebsschwäche; Obstipation mit nur einmal wöchentlich Stuhlgang; chronische Rückenschmerzen sowie Tag- und Nachtschweiss. Die belaglose Zunge hatte eine rote Spitze, auf der Seite zeugten sich Zahneindrücke. Der Puls war dünn (xi) und schwach (ruo). Diagnose: Nieren-Yin-Leere, Milz-Qi-Leere, leichte Leber-Qi-Stagnation und Blutstagnation. Therapie Arzneimittelrezepturen Während der Menstruation: dang gui (Angelicae Sinensis Rx), bai shao (Paeoniae Rx alba), yi mu cao (Leonuri Hb), xiang fu (Cyperi Rh), wu ling zhi (Trogopteromi Faeces), pu huang (Typhae Pollen), wu yao (Linderae Rx), li zhi he (Litchi Sm), yan hu suo (Corydalis Rh), chuan lian zi (Toosendan Fr), zhi gan cao (Glycyrrhizae Rx praeparata), tu si zi (Cuscutae Sm) Nach der Menstruation bis zwei Tage nach dem Eisprung: bai shao (Paeoniae Rx alba), chi shao (Paeoniae Rx rubra), dan shen (Salviae Miltiorrhizae Rx et Rh), gou qi zi (Lycii Fr), gua lou ren (Trichosanthis Sm), huang jing (Polygonati Rh), nu zhen zi (Ligustri Lucidi Fr), tao ren (Persicae Sm), tu si zi (Cuscutae Sm), xia ku cao (Prunellae Spica), xuan shen (Scrophulariae Rx), yi yi ren (Coicis Sm), chai hu (Bupleuri Rx), che qian zi (Plantaginis Sm) Drei Tage nach dem Eisprung bis zur Menstruation: bei sha shen (Glehniae Rx), bai shao (Paeoniae Rx alba), tu si zi (Cuscutae Sm), shan yao (Dioscoreae Rh), shan zhu yu (Corni Fr), sang ji sheng (Taxilli Hb), gou qi zi 8

9 IVF UND TCM (Lycii Fr), nu zhen zi (Ligustri Lucidi Fr), e jiao (Corii Asini Colla), sheng di huang (Rehmanniae Rx), mo han lian (Ecliptae Hb), huang qin (Scutellariae Rx), fu pen zi (Rubii Fr), xu duan (Dipsaci Rx), gua lou ren (Trichosanthis Sm) Umstellung der Ernährung Es wurde eine weitgehend kuhmilchfreie, weizenarme Ernährung empfohlen, vorzugsweise warm einzunehmen. Bereits nach einem Monat trat eine spontane Schwangerschaft ein, aber P.I. hatte noch immer Rückenschmerzen, welche zunahmen. Die Schwangerschaft endete in einer Windmole (Fruchtanlage stirbt früh in der Schwangerschaft ab). Die TCM-Therapie hatte erst einige Wochen zuvor begonnen. Diese Therapie entfaltet ihre Wirksamkeit aber erst nach zwei bis drei Monaten; es ist deshalb empfehlenswert, nicht schon zu Beginn der Therapie schwanger zu werden. Rezeptur zur Behandlung nach verhaltenem Spontanabort (missed abortion): dang gui (Angelicae Sinensis Rx), yi mu cao (Leonuri Hb), pu huang (Typhae Pollen), wu ling zhi (Trogopteromi Faeces), bei sha shen (Glehniae Rx), e jiao (Corii Asini Colla), chuan xiong (Chuanxiong Rh), che qian zi (Plantaginis Sm), mo han lian (Ecliptae Hb), ma chi xian (Portulacae Hb) Dann wurden wieder die pathologischen Muster behandelt. Nach der Menstruation bis zwei Tage nach dem Eisprung: bai shao (Paeoniae Rx alba), chai hu (Bupleuri Rx), dan shen (Salviae Miltiorrhizae Rx et Rhizoma), dang gui (Angelicae Sinensis Rx), e jiao (Corii Asini Colla), gou qi zi (Lycii Fr), gua lou ren (Trichosanthis Sm), huang jing (Polygonati Rh), nu zhen zi (Ligustri Lucidi Fr), san leng (Sparganii Rh), mai men dong (Ophiopogonis Rx), shan zhu yu (Corni Fr), sheng di huang (Rehmanniae Rx), tao ren (Persicae Sm), tu si zi (Cuscutae Sm), xuan shen (Scrophulariae Rx). Drei Tage nach dem Eisprung bis zur Menstruation: bei sha shen (Glehniae Rx), bai shao (Paeoniae Rx alba), tu si zi (Cuscutae Sm), shan yao (Dioscoreae Rh), shan zhu yu (Corni Fr), sang ji sheng (Taxilli Hb), gou qi zi (Lycii Fr), nu zhen zi (Ligustri Lucidi Fr), e jiao (Corii Asini Colla), sheng di huang (Rehmanniae Rx), mo han lian (Ecliptae Hb), huang qin (Scutellariae Rx), fu pen zi (Rubii Fr), xu duan (Dipsaci Rx), gua lou ren (Trichosanthis Sm) Die während der Menstruation einzunehmende Rezeptur wurde nicht modifiziert. Mitte Juni 2008 waren die Dysmenorrhö und das PMS besser, die Blutung normal, die Koagula verschwunden, die Rückenschmerzen hatten abgenommen. Die Patientin hatte aber noch kalte Hände. Die Obstipation war auf einen Stuhlgang alle zwei Tage zurückgegangen. Im Juli waren die Rückenschmerzen verschwunden, die Hände warm, allein die Obstipation persistierte. Zusätzlich bestand eine gewisse Angst gegenüber einer erneuten Schwangerschaft. Im Oktober wurde aufgrund des Alters der Patientin (40 Jahre) und der Teratozoospermie ihres Partners eine erneute ICSI durchgeführt. Es kam zu einer bisher unauffälligen Schwangerschaft. In der ersten Zyklushälfte wenden die Autoren Massagen von Bauch und Oberschenkel-Innenseiten an, zum Beispiel mit der Maya-Massage. Maya-Bauchmassage Die Maya-Bauchmassage (Mayan Abdominal Massage) hat zum Ziel, den Fluss von Blut, Lymphe und Qi im Bauchbereich anzuregen und die richtige Uterusposition wiederherzustellen. Sie eignet sich gut für die Selbstbehandlung. 1. Die Hände werden flach nebeneinander positioniert, die Zeigefinger sind aneinandergelegt, die Daumen überkreuzt. 2. Die Hände werden in dieser Position auf das Schambein gelegt, sodass die Zeigefinger mittig den Knochen berühren. Danach fährt man mit den Fingern am Knochenrand in die Tiefe. Es wird Druck auf den weichen Bereich oberhalb des Schambeins aufgebaut, der für die Patientin angenehm ist. 3. Ohne den Druck zu verringern, fährt man langsam in Richtung Bauchnabel. Diese Bewegung wird dreimal wiederholt. Eine genauere Beschreibung dieser Technik finden Sie auf der Website «Mayan-Touch verbindet die Tradition des alten Wissens der Maya um das Wohlbefinden und die Notwendigkeit körperlicher Berührung mit einem modernen spirituellen Verständnis von ganzheitlicher Gesundheit. Es geht nicht nur um die heilsame Manipulation von Muskeln, um Schmerz oder Stress aufzulösen. Die Massagen von Mayan-Touch verstehen sich als eine Brücke zwischen Körperarbeit und sinnlicher Berührung (Berührung der Sinne), sie sind die Verschmelzung von Sinnlichkeit und Spiritualität. Mayan-Touch betont die emotionalen intuitiven Elemente der Massage und ist dadurch ein Mittel um die Psyche zu öffnen, um Emotionen und Gefühle an die Oberfläche zu holen und sie zum Ausdruck zu bringen. Wir wissen aus der Psychoneuroimmunologie, dass das Immunsystem durch die Berührung positiv beeinflusst werden kann. Während der Maya-Massage erreicht unser Körper den Zustand der tiefen Entspannung, und so können im Gehirn die langsamen, wohltuenden Alphawellen vorherrschen. In diesem beinah tranceähnlichen Zustand kann der Körper seine Regenerationsfähigkeiten am besten ausnutzen. Es werden Endorphine produziert, diese lindern Schmerzen und können einige positive Gefühle und Emotionen entstehen lassen.» Quelle und weitere Informationen: 9

10 IVF UND TCM Während der Stimulation wurden diese Arzneimittel verschrieben: dan shen (Salviae Miltiorrhizae Rx et Rh), gou qi zi (Lycii Fr), chai hu (Bupleuri Rx), dang gui (Angelicae Sinensis Rx), e jiao (Corii Asini Colla), nu zhen zi (Ligustri Lucidi Fr), mo han lian (Ecliptae Hb), sheng di huang (Rehmanniae Rx), tu si zi (Cuscutae Sm), shan zhu yu (Corni Fr), fu ling (Poria), yu jin (Curcumae Rx). Einen Tag vor der Punktion bis zwei Tage nach dem Embryotransfer: bai he (Lilii Bulbus), yuan zhi (Polygalae Rh), chai hu (Bupleuri Rx), dang gui (Angelicae Sinensis Rx), bai shao (Paeoniae Rx alba), zhi gan cao (Glycyrrhizae Rx praeparatae), xiang fu (Cyperi Rx), yu jin (Curcumae Rx), he huan pi (Albiziae Cx), fu ling (Poria), shan zhu yu (Corni Fr), e jiao (Corii Asini Colla). Anfangs bestanden in der Schwangerschaft geringe Rückenschmerzen. Wir behandelten sie mittels Akupunktur 1 x wöchentlich bis in die 12. Schwangerschaftswoche und verschrieben folgende Arzneimittel gegen Nieren-Yin-Schwäche: bei sha shen (Glehniae Rx), bai shao (Paeoniae Rx), tu si zi (Cuscutae Sm), shan yao (Dioscoreae Rh), shan zhu yu (Corni Fr), sang ji sheng (Taxilli Hb), gou qi zi (Lycii Fr), nu zhen zi (Ligustri lucidi Fr), e jiao (Corii Asini Colla), sheng di huang (Rehmanniae Rx), mo han lian (Ecliptae Hb), huang qin (Scutellariae Rx), fu pen zi (Rubii Fr), xu duan (Dipsaci Rx), gua lou ren (Trichosanthis Sm) Abschliessende Bemerkungen In unseren Praxen hat sich die Zusammenarbeit zwischen TCM und moderner Westlicher Medizin als sehr erfolgreich und bei den Patientinnen und Patienten als vertrauensfördernd erwiesen. Die Kombination zwischen TCM und Schulmedizin wurde von einigen Patienten bereits seit Langem auch gegen den Willen des Arztes betrieben. Die intensive Zusammenarbeit beider Gebiete hat uns folgende positive Aspekte aufgezeigt: Das Verständnis für die jeweils andere Medizin wird auf beiden Seiten gefördert. Patientinnen und Patienten mit schwerwiegenden Befunden können schneller erfolgreich behandelt werden. Die gute Kommunikation führt zu einer interdisziplinären Therapie, welche die Patientinnen und Patienten als sehr positiv empfinden. Die Erfolgszahlen in der IVF sind deutlich gestiegen. Während der TCM-Vorbereitung für die IVF werden Frauen auch spontan schwanger. Esther Denz, Dr. med. Michael Häberle Femoral-Massage Diese Massagetechnik erhöht den Blutfluss zu den Beckenorganen und ist deshalb vor allem geeignet bei Problemen, welche die Beckenorgane betreffen. Die Massage kann zuhause von der Patientin selber angewendet werden. Anwendung: Die Arteria femoralis (Oberschenkelarterie) wird durch Druck in der Leistengegend gesucht und gedrückt. Spürt man ein Pulsieren, hält man den Druck für weitere 30 Sekunden aufrecht. Danach lässt man das Blut wieder frei zirkulieren und führt dasselbe auf der anderen Seite durch. Idealerweise wird die Femoral- Massage dreimal pro Seite und je zweimal täglich durchgeführt. Für Patientinnen mit Bluthochdruck, Herzproblemen oder anderen vaskulären Problemen ist diese Massage nicht geeignet. 10

11 DOSIERUNG VON GRANULATEN Keine Hexerei Eine Hexerei ist sie nicht, die Dosierung von Granulaten. In Ausbildungsgängen zur Traditionellen Chinesischen Medizin wird sie jedoch selten vermittelt, in der Literatur finden sich kaum Anleitungen. Und das, obwohl das Granulat im Westen wohl die häufigste Darreichungsform der Chinesischen Arzneimittel ist. Hier das nötige Hintergrundwissen und eine Dosierungsanleitung in drei Schritten. In der Schweiz sind Granulate die meistverbreitete Form der Chinesischen Medizin; schätzungsweise Prozent aller Arzneimittelverschreibungen werden in Granulatform eingenommen. Hinter den Granulaten folgen die Flüssigextrakte. Am wenigsten häufig wird die originale galenische Form der Chinesischen Medizin, das Dekokt, angewendet. In Expertenkreisen bestehen keine Zweifel, dass das Dekokt die wirksamste Arzneiform ist. Sie hat jedoch auch einige Nachteile. Die zwei grössten sind die Aufwendigkeit der Zubereitung sowie der ungewöhnliche Geschmack. Sicherlich auch aufgrund dieser Nachteile des Dekokts haben sich Granulate zur populärsten Arzneiform entwickelt. Eric Brand, eine Kapazität in den USA bezüglich der galenischen Granulatform, schreibt in seinem Artikel The Granule Revolution: «Die Vielseitigkeit von Granulaten hat einerseits Aspekte der traditionellen Methoden bewahrt, andererseits aber auch dramatische Änderungen zum Zugang [zur Verschreibung von Chinesischen Arzneimitteln] ausgelöst. Deren Bequemlichkeit macht sie schnell zur bedeutendsten Arzneimittelform im Westen.» Obwohl die Granulatform bei Weitem die häufigste Arzneiform Chinesischer Heilmittel ist, wird sie in Ausbildungen und Literatur als Stiefkind behandelt. Die Herstellung, Dosierung und Wirkmechanismen werden selten sachlich thematisiert und diskutiert. Immerfort werden Dosierungen von Rohdrogen gemäss chinesischen Standards gelehrt und diskutiert. Obwohl solche Dosierungen, wenn überhaupt Rohdrogen verschreiben werden, in den allerwenigsten Praxen Anwendung finden. Allerdings wird in Verschreiberkreisen informell über die Wirkung der Granulate und über deren Vor- und Nachteile heftig, häufig aber unsachlich, diskutiert. Um Granulate und deren Anwendung verstehen zu können, ist es wichtig, den Ursprung, die Herstellung, die Anwendung und weitere Fakten etwas genauer zu recherchieren. Ursprung und Herstellung Granulate wurden ursprünglich in Japan für die japanische Kräutermedizin Kampo entwickelt. In der Kampomedizin werden vornehmlich unmodifizierte Rezepturen aus dem Shang Han Lun System verwendet. Für die klassischen Shang Han Rezepturen werden alle Zutaten Chinesische Granulate sind meist wesentlich grobkörniger als taiwanesische. Obwohl es sich um dieselbe Pflanze handelt (Polygoni Cuspidate Radix et Rhizoma), zeigen die beiden Granulate auch erhebliche Farbunterschiede. Das ist nicht selten der Fall. zusammen gekocht und als Fertigmischungen in Granulatform an die Patienten abgegeben. Von Japan breitete sich die Granulatherstellung nach Taiwan aus und setzte sich dort als Hauptanwendungsform Chinesischer Arzneien durch. Dies auch deshalb, weil die taiwanesischen Krankenversicherer nur die Granulate bezahlen; Rohdrogen für ein Dekokt müssen aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Dadurch wurde in Taiwan über die letzten 60 Jahre «eine ganze Kultur für die Granulatanwendung erschaffen». 1) Taiwan war bis vor Kurzem der stärkste Spieler auf dem Granulatmarkt, und die meisten Erfahrungen mit der Anwendung von Granulaten stammen aus Taiwan. Erst seit Kurzem beginnen sich auch Granulate aus China im Westen auszubreiten. Die Granulate werden in Taiwan und China grundsätzlich unterschiedlich hergestellt. Ebenfalls unterschiedlich ist die Anwendung. In Taiwan hat sich wie erwähnt eine «Granulatkultur» entwickelt. Speziell ist in Taiwan, dass die Patientenverschreibungen nicht aus Einzelmitteln bestehen, sondern meist aus mehreren Rezepturen. Rezepturen werden also wie Einzelmittel verwendet und kombiniert. Es kommt vor, dass bis zu sechs oder sieben unterschiedliche Rezepturen kombiniert werden. Eric Brand, ein Kenner der taiwanesischen Verschreibungsmethodik, schreibt dazu: «Eine höher dosierte Hauptrezeptur steht meist im Zentrum einer Rezeptur. Aber statt zusätzliche Einzelmittel beizufügen, um die eine oder andere Richtung zu stärken, werden weitere ganze Rezepturen beigefügt. Rezepturen werden als einzelne Wirkprinzipien verwendet» Die «Einzelmittel» in einer Patientenverschreibung sind also meistens Granulatzubereitungen von klassische Rezepturen, welche gemäss traditionellen Vorgaben zusammen dekoktiert wurden. In China ist das anders. Die häufigste Form der Arzneimittelanwendung sind weiterhin die Rohdrogen. Das bedeutet auch, dass Rezepturen aus individuellen Einzel- 1) Eric Brand: The Granule Revolution 11

12 DOSIERUNG VON GRANULATEN mitteln zusammengestellt werden. Entsprechend werden die Granulate verschrieben: Individuelle Granulate werden zu Rezepturen gemischt. Das Einzelgranulat wird gleich behandelt wie die Rohdroge, an der Verschreibungsmethodik ändert sich nichts. Das ist auch der Grund, weshalb es in China noch sehr wenige klassische Mischungen in Granulatform gibt. Der Unterschied zwischen Taiwan und China liegt jedoch nicht nur in der Verschreibung. Auch die Herstellung unterscheidet sich. In Taiwan und in China sind die ersten Schritte identisch: Die Drogen werden dekoktiert und der Absud wird unter Vakuum bei relativ tiefer Temperatur eingedickt. In Taiwan wird das eingedickte Granulat immer auf einen Füllstoff gesprüht und danach zum fertigen Granulat verarbeitet. Der Füllstoff variiert. Am häufigsten handelt es sich um Stärke, oft Maisstärke. Aber es können auch verschiedene Zucker sein (Maltodextrin, mikrokristalline Zellulose [MSS]) oder gar die gemahlene Rohdroge. Der Konzentrationsfaktor unterscheidet sich je nach Droge und liegt meist zwischen drei und sechs. In China werden Granulate oft ohne Füllstoffe hergestellt. Das heisst, die eingedickte Flüssigkeit wird weiter eingedickt, getrocknet und gemahlen. Dies bedingt jedoch, aufgrund der hohen hygroskopischen Eigenschaft, dass das produzierte Trockenextrakt sofort abgepackt und nach der Öffnung des Beutels unverzüglich aufgebraucht werden muss, sonst verklumpt es innerhalb weniger Tage. Dies führt zu den «Einzeldosis-Abpackungen», welche aus China kommen (in der Schweiz zum Beispiel vertrieben durch Greenlife). Das Extrakt im Einzeldosis-Beutel entspricht einer meist auf der Packung aufgeführten Rohdrogenmenge. Zum Beispiel heisst es da: 2,5 g Granulat entsprechen 20 g Rohdrogen. Im Beutel sind dann 2,5 g Extrakt ohne Füllstoffe. Das entspricht einer achtfachen Konzentration. Da jedoch das Extraktionsverhalten je nach Mittel unterschiedlich ist, liegt der Konzentrationsfaktor nicht immer bei acht. Manchmal handelt es sich um eine fünffache Konzentration, bei einem anderen Mittel um eine dreifache Konzentration. Beim Rezeptieren werden diese Einzelpackungen zu einem Rezept zusammengestellt, wobei die individuellen Konzentrationen berücksichtigt werden müssen, um zu entscheiden, wie viele der Einzeldosierungen man pro Tag verwenden will. Die Beutel werden erst vom Patienten geöffnet, der Inhalt im heissen Wasser aufgelöst. Obwohl die Tatsache, dass kein Füllstoff verwendet wird, positiv zu bewerten ist, schreckt die umständliche Anwendung oft ab. Vielleicht auch aufgrund dieser umständlichen Anwendung der Einzelbeutel werden heute in China auch Granulate mit Füllstoffen hergestellt. Diese werden angewendet wie die taiwanesischen Granulate. Dennoch besteht weiterhin ein wichtiger Unterschied zwischen chinesischen Granulaten mit Füllstoffen und taiwanesischen Granulaten: chinesische Granulate werden meist auf ein Drogen-Extrakt-Verhältnis eingestellt. Das heisst, dem Arzneimittelkonzentrat wird so viel Füllstoff beigefügt, dass in jedem Fall ein bestimmtes Verhältnis entsteht. Meist liegt dieses bei 5 : 1 (mehr zu diesem Thema weiter unten). Auch sind chinesische Granulate oft grobkörniger und fliessen nicht gleich gut wie taiwanesische Granulate, dafür lösen sie sich im Wasser oft vollständiger auf und ergeben eine etwas weniger trübe Lösung. Diese Eigenschaften haben nichts mit der Wirksamkeit der Mittel zu tun. Der Konzentrationsfaktor Zum Konzentrationsfaktor besteht unter Verschreibern beträchtliche Verwirrung. Diese rührt vor allem von einer unklaren Kommunikation von Seiten der Hersteller und Vertreiber her. Die Wichtigkeit des Konzentrationsfaktors wird denn auch meist unsachlich diskutiert. Obwohl es zu vielen Fragen keine eindeutigen Antworten gibt, braucht es für eine Grundsatzdiskussion wichtige Grundinformationen zum Konzentrationsfaktor. In der Chinesischen Medizin arbeiten wir mit Vollspektrum- Granulaten. Das heisst, die gesamte Rohdroge wird konzentriert. Die Herstellung fokussiert nicht auf einzelne «Wirksubstanzen» 2) innerhalb der Pflanze. Der Konzentrationsfaktor entsteht also aus der Konzentration einer Arznei durch den Kochvorgang. Werden 100 g Rohdrogen gekocht, konzentriert und zu 10 g Extrakt verarbeitet, handelt es sich um einen zehnfachen Konzentrationsfaktor. Es läge also ein 10 : 1-Extrakt vor. Werden zu diesen 10 g Extrakt noch 10 g Füllstoff hinzugefügt, so wird es zum 5 : 1-Granulat. Der Konzentrationsfaktor beschreibt das Verhältnis von Ausgangsstoff zu Endprodukt. Nicht jede Pflanze kann jedoch im gleichen Masse konzentriert werden. Je nach Wasserlöslichkeit der Pflanzeninhaltsstoffe ist ein Auszug einer Pflanze stärker oder weniger stark konzentriert und kann demnach auch nur dieser Initialkonzentrierung entsprechend eingedickt werden. Entsteht durch den Dekoktierungsvorgang bei Pflanze A aufgrund der natürlichen Pflanzeninhaltsstoffe ein «dickes» Dekokt, kann dieses nur noch wenig eingedickt werden. Der Konzentrationsfaktor bleibt also tief. 3) Entsteht jedoch durch den Dekoktierungsvorgang bei 2) Der Begriff Wirksubstanzen kann hier irreführend sein. Da in Chinesischen Arzneien die Wirksubstanzen noch weitgehend unbekannt sind, können diese nicht als jene Substanzen betrachtet werden, welche für die Wirkung verantwortlich sind. Ein besserer Begriff wäre evtl. Leitsubstanzen. Sich auf die Extraktion von Leitsubstanzen zu konzentrieren, ist jedoch nicht sinnvoll. 3) Erklärung: Aus den 100 g Rohdrogen A entsteht in diesem Fall mehr Extrakt, sagen wir 20 g (fünffache Konzentration). Wird zu diesen 20 g Extrakt dann nochmals 13 g Füllstoff beigefügt, um das Granulat «haltbar» zu machen, entsteht ein 3 : 1-Granulat. Das heisst, 1 g Granulat entspricht 3 g Rohdrogen. 4) Erklärung: Aus den 10 g Rohdrogen B entsteht also weniger Extrakt, sagen wir 10 g (zehnfache Konzentration). Wird zu diesen 10 g Extrakt noch 5 g Füllstoff beigefügt, entsteht ein 6 : 1 Granulat. Das heisst, 1 g Granulat entspricht 6 g Rohdrogen. 12

13 DOSIERUNG VON GRANULATEN Pflanze B ein «dünnes» Dekokt, kann dieses noch stark eingedickt werden, da es wesentlich weniger «Material» enthält, ob dieses nun klinisch relevant sei oder nicht. Der Konzentrationsfaktor liegt also höher. 4) Der Konzentrationsfaktor hängt also hauptsächlich von der Pflanze selber ab. Einige Pflanzen lassen sich besser konzentrieren als andere. Mit der Menge des beigefügten Füllstoffs kann Einfluss genommen werden auf den Konzentrationsfaktor. Diese Einflussnahme ist jedoch eingeschränkt. Um gut fliessende, wenig hygroskopische Granulate produzieren zu können, wird in Taiwan immer rund 30 Prozent Füllstoff beigefügt. Das heisst, die unterschiedlichen Konzentrationsfaktoren der taiwanesischen Granulate entsprechen den natürlichen Eigenschaften der Pflanze beim Dekoktierungsvorgang und sind untereinander mehr oder weniger stimmig. Ausnahmen Kritischen Leserinnen und Leser mag bereits aufgefallen sein, dass der oben beschriebene Herstellungsprozess nicht für alle Arzneistoffe der Chinesischen Medizin Gültigkeit haben kann. Mineralische Mittel wie Steine oder Muschelkalk können nicht konzentriert werden. Kocht man einen 100 Gramm schweren Hämatitstein für drei Stunden, so enthält das «Dekokt» danach praktisch kein «Material» und man könnte kaum mehr als Wasser auf den Füllstoff sprühen. Bei Mineralien handelt es sich um sogenannte 1 : 1-Granulate, obwohl dieser Begriff auch nicht ganz korrekt ist. Das Mineral wird gemahlen und mit wenig Füllstoff gemischt. Füllstoff ist wichtig, damit die Konsistenz des Granulates und also auch das Fliessverhalten ähnlich ist wie bei den anderen Granulaten 5) Somit entsteht ein 0,8 : 1- Granulat. Das heisst, 1 g Granulat entspricht 0,8 g mineralischer Rohdroge. Auch viele tierische Mittel werden nicht dekoktiert und konzentriert. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Zum Beispiel sollten einige tierische Mittel wie quan xie (Scorpio) und wu (Scolopendra) nicht gekocht werden, damit die Eiweisse nicht zerstört werden. Andere, wie zum Beispiel das Gelatineprodukt e jiao (Asinii Cori Colla), können nicht weiter konzentriert werden. Bei tierischen Mitteln handelt sich also oft ebenfalls um Rohdrogen-Füllstoffgemische mit einem Konzentrationsfaktor knapp unter eins. Der Konzentrationsfaktor als Qualitätsmerkmal? Das Verhältnis Ausgangsstoff zu Granulat sagt nur sehr beschränkt etwas über die Qualität eines Granulats aus. Der Konzentrationsfaktor hängt vielmehr von der Pflanze und der Menge des beigefügten Füllstoffs ab. Eine Qualitätsbeurteilung lässt sich nur dann vornehmen, wenn man auch den genauen Füllstoffanteil sowie die Pflanzeneigenschaften berücksichtigt. 5) Würde das Mineral nur gemahlen, entstünde zum Teil ein feines Pulver, welches sich schlecht mit den anderen Granulaten vermischen liesse. Taiwanesische Granulate ergeben eher Suspensionen, die immer trüb sind. Chinesische Granulate lösen sich meist nach einer gewissen Zeit fast vollständig, die Lösung wird viel klarer. Werden Granulate auf einzelne Wirkstoffe untersucht, um deren Qualität oder auch «Konzentration» aufzuzeigen, sind solche Daten mit Vorsicht zu beurteilen. Da es sich um Vollspektrumgranulate handelt, kann die Qualität schlecht durch einige spezifische Wirk- oder besser Leitsubstanzen (siehe Fussnote 2) überprüft werden. Ist eine Wirksubstanz/Leitsubstanz in hohem Masse vorhanden, heisst das nicht automatisch, dass auch die anderen Inhaltsstoffe in diesem Ausmasse vorhanden sind. Weil bei Chinesischen Arzneimitteln die Wirksubstanzen noch mehrheitlich unbekannt sind und es sich bei den meisten Pflanzenwirkungen ohnehin um Kombinationen verschiedener Wirksubstanzen handelt, sagen diese auch nicht besonders viel über die Wirksamkeit des Mittels aus. Es fragt sich auch ganz grundsätzlich, ob der Konzentrationsfaktor denn so wichtig ist und wenn ja weshalb. Eines der häufig angeführten Argumente ist, dass der Konzentrationsfaktor bekannt sein muss, um die Granulatdosierung aus der Rohdrogendosierung abzuleiten. Der Glaube an diese Umrechnung ist jedoch das grösste Missverständnis bei den Anwendern von Granulaten während der letzten 20 Jahre. Granulate, die während dieser Zeit in Europa eingesetzt wurden, stammen alle aus Taiwan. Es handelt sich also nicht um auf 5 : 1 eingestellte Granulate. Dennoch wurde die Fehlmeinung, es handle sich um 5 : 1-Konzentrate, weit verbreitet, oft gar von unwissenden Anbietern. Wurden nun also Rohdrogendosierungen mit dem Faktor fünf umgerechnet, so entsprach dies nicht der Realität. Doch scheinen die Granulate ganz ordentlich gewirkt zu haben. Das heisst, die effektiven Konzentrationsfaktoren sind vielleicht gar nicht so wichtig. Wichtiger scheint das Befolgen der Rohdrogenverhältnisse. Diese wurden bei der fälschlichen Umrechnung mit dem Faktor fünf nämlich beibehalten. Was könnte dahinter stecken? Auswirkung des Konzentrationsfaktors Wie oben erläutert, verhält sich jede Pflanze beim Dekoktieren unterschiedlich. Aus einigen wird während des 13

14 DOSIERUNG VON GRANULATEN Dekoktiervorgangs viel «Material» gelöst, aus anderen weniger. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Granulat oder ein Dekokt hergestellt wird. Werden 20 g von Pflanze A mit viel wasserlöslichen Inhaltsstoffen und 20 g von Pflanze B mit wenigen wasserlöslichen Inhaltsstoffen zusammen gekocht, wird im Dekokt viel von A und wenig von B sein. Das nicht auf 5 : 1 eingestellte Granulat widerspiegelt diese natürliche Ausbeute und dieses Verhältnis von A zu B. Werden die Granulate nachträglich auf 5 : 1 eingestellt, verzerrt sich natürlich dieses Verhältnis. Solange die Granulate ihren Eigenschaften entsprechend konzentriert wurden, sind bei der Dosierung also vor allem die Verhältnisse zwischen den Rohdrogen bedeutsam. Die Ausnahme bilden jene Mittel, welche beim Dekoktiervorgang nicht konzentriert werden. Hier muss zwischen mineralischen und tierischen Produkten unterschieden werden. Bei den tierischen Produkten ist es weniger kompliziert, da sie wie mineralische bei Rohdrogendekokten häufig als Pulver zusammen mit dem fertigen Dekokt eingenommen werden. Zum Beispiel quan xie (Scorpio): Die Rohdrogendosierung liegt bei 1 2 g Pulver pro Tag. Annähernd diese Menge kann auch in einer Granulatrezeptur verabreicht werden. Im Vergleich zu den anderen Rohdrogendosierungen, die alle deutlich unter der angegebenen Rohdrogenmenge liegen, wirken diese tierischen Mittel verhältnismässig sehr stark. Diese Aussage gilt auch für alle anderen Rohdrogen, welche in pulverisierter Form zusammen mit dem Dekokt eingenommen werden (z.b. hu po (Succinum), chuan bei mu (Fritillariae Cirrhosae Bulbus), san qi, (Notoginseng Radix) etc.) Mineralische Substanzen geben mehr Anlass zur Diskussion. Sicher ist, dass die Umrechnung von der Rohdroge zum Granulat nicht mit Hilfe des Konzentrationsfaktors möglich ist. Im Rohdrogendekokt werden mineralische Substanzen häufig speziell hoch dosiert. Der Konzentrationsfaktor liegt bei eins. Das würde bedeuten, dass bei einer einfachen Umrechnung 10 bis 20 g des Minerals pro Tag eingenommen werden müssten. Das ist natürlich völlig sinnlos. Im Gegensatz zu den tierischen Produkten wird bei mineralischen Mitteln jedoch auch das Verhältnis zu den anderen Drogen nicht eingehalten. Stattdessen wird das mineralische Granulat im Vergleich etwas reduziert. Eine durchschnittliche Tagesdosis liegt bei ca. 0,7 0,8 g. Der Grund dafür: Das mineralische Granulat wird eingenommen. In der Rohdrogenanwendung wird es gekocht mit den anderen Mitteln und der Absud wird getrunken. Die Übergangsrate im wässrigen Auszug ist extrem gering. 6) Die direkte Wirkung, wenn das mineralische Granulat geschluckt wird, dürfte einiges stärker sein als die Einnahme des Dekokts. Die auf den Körper wirkende «Ausbeute» aus dem Mineral ist höher. Dies gilt übrigens auch bei 6) Von pulverisierten mineralischen Substanzen wird im Dekokt etwas mehr eingenommen, weil beim Absieben oder Filtrieren oft nicht alles herausgefiltert werden kann. allen anderen Mitteln, die nicht dekoktiert, sondern direkt als Pulver eingenommen werden. Bei san qi (Notoginseng Radix) gilt gemäss Bensky zum Beispiel folgende Standarddosierung: 3 9 g im Dekokt; 1 1,5 g als Pulver. Ein zweiter wichtiger Aspekt der mineralischen Wirkung geht beim Granulat indes verloren. Durch das Vorkochen oder das Kochen mit anderen Arzneimitteln wirkt sich das Mineral auf den ph-wert und weitere Eigenschaften des Kochwassers aus. Dies ändert zum Teil das Extraktionsverhalten anderer Mittel. Dieser Punkt zeigt einen der gewichtigsten Nachteile von Einzelgranulaten auf: Die Interaktionen während des Kochvorgangs können nicht stattfinden. Dieser Punkt wird später noch etwas detaillierter betrachtet. Um die These von der Wirkung der mineralischen Granulate trotz tiefer Konzentrationsfaktoren zu stützen, kann abschliessend folgendes bemerkt werden: Obwohl sie im Verhältnis geringer dosiert werden und obwohl ihre Wirkung auf das Extraktionsverhalten anderer Drogen nicht zum Zuge kommen kann, lässt sich ihre Wirkung in der Praxis als zuverlässig einstufen. Anleitung in drei Schritten Noch ein weiterer Punkt zur Granulatdosierung muss thematisiert werden: Die Tagesdosierung. Diese basiert auf Erfahrungswerten, variiert in der Praxis jedoch stark. Wiederum kein sinnvoller Ansatz ist die Umrechnung von Rohdrogen zu Granulat mit dem Faktor fünf. Bei einer durchschnittlichen Rohdrogendosierung von ca. 120 g pro Tag führt dies nämlich zu 24 g Granulat pro Tag. In den meisten Fällen ist diese Dosierung zu hoch und führt zu Übelkeit oder anderen Verdauungsbeschwerden. Die Tagesdosis von Granulatrezepturen bewegt sich zwischen 4 und 20 g. Dabei gilt: Eine geringe Tagesdosis liegt bei ca. 4 6 g, eine mittlere Dosis bei 8 12 g, eine hohe Dosis bei g. Geringe Dosierungen werden zum Beispiel zum Ausschleichen oder zur Erhaltungstherapie verwendet. Hohe Dosierungen werden bei akuten Beschwerden oder starken Krankheiten eingesetzt. Die mittlere Dosierung ist die häufigste. Geringe Dosis Mittlere Dosis Hohe Dosis 4 6 g 8 12 g g (z.b. 2 x 2 g) (z.b. 3 x 4 g) (z.b. 4 x 4 g) Es ist sinnvoll, die Tagesmenge über mehrere Einnahmen pro Tag zu verteilen je höher die Tagesdosis, desto mehr Einnahmen pro Tag. Bei Einnahmemengen von mehr als 5 6 g aufs Mal kommt es häufig zu Magenverstimmungen. Aus dem bisher Gesagten ergeben sich folgende Grundregeln und folgender Ablauf zur Verschreibung: Schritt 1: Tagesdosis bestimmen Schritt 2: Gesamtmenge bestimmen Ist die Tagesmenge bestimmt, so wählt man die Länge der Behandlung. Bei neuen Rezepturen möchte man vielleicht zuerst sehen, wie die Patientin auf die Rezeptur reagiert und verschreibt nur für 10 Tage. Bei akuten 14

15 DOSIERUNG VON GRANULATEN Krankheiten wie Halsschmerzen oder Husten reichen eventuell 5 bis 7 Tage. Bei längerer Gabe einer eingeführten Rezeptur kann diese für 20 oder 30 Tage verschrieben werden. Die in Schritt 1 bestimmte Tagesdosis wird nun mit der Anzahl Behandlungstage multipliziert. Dies ergibt die Gesamtmenge. Bei einer Rezeptur mit der Tagesdosis von 8 g und einer Einnahmedauer von 10 Tagen liegt die Gesamtmenge bei 80 g. Schritt 3: Rezeptur dosieren Anschliessend werden die einzelnen Bestandteile der Rezeptur so dosiert, wie das bei Rohdrogenrezepturen üblich ist. Mit einer Ausnahme: Mineralische Stoffe werden nicht so hoch dosiert wie das bei Rohdrogenrezepturen üblich ist. Stattdessen werden die mineralischen Granulate tief bis mittel dosiert. «Tief» und «mittel» bezieht sich auf die Dosierung der anderen Inhaltsstoffe. Zum Beispiel: Liegt die Durchschnittsmenge der Inhaltsstoffe einer Rezeptur bei 12 g, so könnte das mineralische Mittel mit g dosiert werden, nicht, wie bei Rohdrogen üblich, mit g. Zusätzlich kann in Schritt 3 noch folgende weitere Grundregel beachtet werden: Die Bandbreite der Tagesdosierung für Granulat-Einzelmittel liegt bei 0,4 bis 2,0 g (siehe Kasten «Tagesdosierung Einzelgranulate»). Diese Grundregel ist vor allem dann hilfreich, wenn die Granulatdosierung in effektiven Tagesmengen pro Mittel erfolgt. Diese Art von Dosierung macht die Tagesmenge der einzelnen Substanzen sofort ersichtlich und bietet grösstmögliche Genauigkeit bei Anpassungen. Es ist jedoch auch die anspruchsvollste Dosierungsoption (Beispiel siehe Kasten «Rezept aus verschiedenen Einzelsubstanzen»). Tagesdosierung Einzelgranulate Geringe Dosis Mittlere Dosis Hohe Dosis Granulate 0,4 0,6 g 0,8 1,0 g 1,8 2,0 g entspricht in Rodrogen 3 5 g 9 12 g g Rezept aus verschiedenen Einzelsubstanzen Beim Verschreiben von nur Einzelsubstanzen bewährt sich folgendes Vorgehen: 1. Festlegung der Inhaltsstoffe 2. Dosierung der Einzelsubstanzen unter Einhaltung der Dosierungsleitprinzipen (Kasten 1), das heisst Dosierung der Einzelsubstanzen zwischen 0,5 und 2 g pro Tag und Dosierung des Gesamtrezeptes zwischen 6 und 12 g pro Tag je nach Intensität der Beschwerden. 3. Festlegung der Behandlungsdauer 4. Berechnung der Gesamtdosierung der Einzelkräuter. Bei einer Patientin mit Schlaflosigkeit und Palpitationen wird ein Herz-Nieren-Disharmoniemuster festgestellt. Es soll eine Rezeptur verschrieben werden, welche Yin nährt, innere Hitze klärt, den Geist beruhigt und den Schlaf fördert sowie Palpitationen stoppt. Die Tagesdosierung wird auf 2 x 5 g festgelegt. Die Rezeptur soll während 10 Tagen eingenommen werden. Die Totalmenge liegt also bei 100 g. Mittel Typische Tagesdosierung Tagesdosierung Granulat Kommentar Rohdroge sheng di 15 g 1,2 g Hauptmittel, daher etwas höher dosiert. shan zhu yu 12 g 1 g gou qi zi 12 g 1 g suan zao ren 20 g 1,5 g Wichtiges Mittel in dieser Rezeptur; als Rohdroge häufig hoch dosiert. ye jiao teng 9 g 0,8 g Kann abführend wirken, deshalb hier nicht zu hoch dosiert. zhen zhu mu 20 g 0,8 g Mineralische Substanz, die als Rohdroge hoch dosiert wird, als Granulat jedoch etwas geringer. lian zi xin 3 g 0,4 g Wird als Rohdroge normalerweise gering dosiert (1,5 3 g). mu dan pi 9 g 0,8 g Zusatzmittel, die etwas geringer dosiert werden. fu shen 9 g 0,8 g mai ya soll bei der Verdauung helfen und wird fo shou 9 g 0,8 g daher etwas höher dosiert. mai ya 12 g 1 g da zao 5 g 0,5 g Botenmittel, entsprechend dosiert. Tagesmenge Granulat: 10,6 g. Bei Rezepten mit vielen Inhaltsstoffen ist es schwierig, das Gesamtrezept unter 12 g pro Tag zu halten, ohne die Einzeldrogen extrem tief zu dosieren. In Ausnahmefällen können auch bis 4 x 5 g pro Tag (20 g) verschrieben werden. Unseres Erachtens stellt dies jedoch die oberste Limite einer Tagesdosis dar. Sie sollte mit Vorsicht und regelmässiger Rücksprache mit den Patienten verschrieben werden. Bei grossen Formeln (z.b. Formeln mit über 15 Substanzen) kann man auch mit Dosierungen zwischen 0,3 und 1 g arbeiten. Das Verhältnis zwischen den einzelnen Substanzen sollte jedoch bestehen bleiben. 15

16 DOSIERUNG VON GRANULATEN Die Einnahme von Granulaten Ist das Granulat erst einmal gemischt und dosiert, bleibt noch die Einnahme. Auch hierüber wird heftig diskutiert. Fixe Regeln gibt es keine. In Taiwan werden die Granulate oft trocken in den Mund geführt und mit etwas kaltem Wasser hinuntergespült. Im Westen ist die Auflösung in warmem Wasser am weitesten verbreitet. Wobei man zumindest bei den taiwanesischen Granulaten nicht von Auflösen sprechen kann. Vielmehr werden die Granulate suspendiert. Die ganze Suspension muss dann eingenommen werden. Es darf sich kein Satz bilden, der dann weggeschüttet wird. Schliesslich kursiert noch die Meinung, die Granulate sollten fünf Minuten zusammen gekocht werden, um die Interaktionen zwischen den Einzelmitteln auszulösen. Diese Meinung scheint jedoch eher schlecht begründbar. Es ist ein riesiger Unterschied, ob man Rohdrogen zusammen während 40 Minuten kocht oder ob man ein Extrakt von Rohdrogen während fünf Minuten zusammen aufkocht. Letzteres zielt wohl an der Essenz der Interaktionen vorbei. Der gemeinsame Kochvorgang sollte unterschiedliche Substanzen aus den Rohdrogen lösen. Wie oben erläutert, werden durch das Vorkochen eines Minerals der ph-wert und andere Eigenschaften des Kochwassers geändert. Dies ermöglicht die Extraktion von anderen Substanzen aus einigen der weiteren Inhaltsstoffe. Klassische Beispiele sind shi gao (Gypsum) und zhi mu (Anemarrhenae Rhizoma). Das gemeinsame Kochen wird bei diesem Paar als besonders wichtig eingeschätzt für die spätere Wirkung. Werden nun bereits ausgekochte Mittel zusammen nochmals gekocht, können die Interaktionen wohl nicht stattfinden. Erste Untersuchungen im Labor der LIAN CHINAHERB haben genau das bestätigt: Zwischen Granulaten, welche im lauwarmen Wasser aufgelöst wurden, und solchen, welche zusammen während fünf Minuten gekocht wurden, zeigten sich keine Unterschiede. Insbesondre erreichten die zusammen gekochten Mischungen nicht die zusätzlichen Eigenschaften, die bei Rohdrogendekokten ersichtlich waren Art und Zeitpunkt der Einnahme haben wahrscheinlich den geringsten Einfluss auf die Wirkung der Granulate, solange sie spätestens eine Stunde vor oder frühestens eine Stunde nach dem Essen eingenommen werden. Die Einnahme mit dem Essen scheint die Wirkung durch geringere Aufnahme abzuschwächen. Die Beachtung der traditionellen Regel zur Einnahme vor dem Essen bei einem Wirkungsort im unteren Körperbereich und nach dem Essen bei einem Wirkungsort im oberen Körperbereich ist von untergeordneter Bedeutung. Schlussbetrachtung Granulate sind in Taiwan und im Westen die am weitesten verbreitete und beliebteste galenische Form Chinesischer Arzneimittel. Die Vorteile liegen auf der Hand: einfachste Handhabung für Patient, Verschreiber und Apotheke 7) bei einem sehr hohen Grad an Flexibilität in der therapeutischen Anwendung. Eric Brand ist noch enthusiastischer und schreibt: «Es ist einleuchtend, dass Granulate eine Schlüsselrolle in der Zukunft der Chinesischen Medizin spielen. Erschwinglich, portabel, flexibel und wirksam, stellen Granulate eine exzellente Alternative dar in einer Zeit, in welcher wenige Patienten den Einsatz aufbringen wollen, Rohdrogen zu Hause zu kochen.» 8) Es ist auch als grosses Plus zu werten, dass dem Verschreiber von Granulaten das ganze Sortiment von Einzelgranulaten und zusammen ausgekochten klassischen Rezepturen zur Verfügung steht. Rezepturen aus Einzelmitteln können individuell auf Patientinnen und Patienten zugeschnitten werden. In allen klassischen Rezepturen konnten die Interaktionen beim Kochvorgang stattfinden. Aber auch die Nachteile von Granulaten sind eindeutig: Trotz Konzentrationsfaktor und hoch technisierten schonenden Verarbeitungsmethoden erreichen Granulate in keiner Hinsicht eine vergleichbare Wirkstärke zu durchschnittlich dosierten Rohdrogen. 9) Des Weiteren fehlt bei Granulaten, wie dargelegt, die erwünschte Interaktion beim Kochvorgang. Zwar heben die zusammen zubereiteten klassischen Rezepturen diesen Nachteil teilweise auf. Bei individuell angepassten Mischungen fehlt aber diese wichtige Synergetik. Den Granulaten ist auch anzulasten, dass ihr Geschmack mindestens so schlecht ist wie derjenige von Rohdrogen. Einziger Trost in diesem Fall ist, dass man wesentlich weniger davon trinken muss. Es wäre verfehlt zu sagen, Granulate seien revolutionär und stellten die Zukunft der TCM-Arzneiform dar. Es ist jedoch ebenso unbedacht zu behaupten, Granulate taugten nichts und hätten keine Daseinsberechtigung. Granulate sind eine praktische und klinisch durchaus wirksame Alternative zu Rohdrogen in gewissen Fällen. Allerdings setzt ihre Anwendung ein detailliertes Verständnis dieser im Vergleich zu Rohdrogen noch sehr jungen Arzneiform voraus. Erstaunlich scheint, dass trotz breitester Anwendung in der Praxis die Granulatdosierung in den Ausbildungen und in Lehrmitteln kein Thema ist. Der Dialog und eine sachliche Diskussion scheinen zu scheitern an rigiden Fehlmeinungen, an Unwissenheit oder an Verschlossenheit gegenüber Innovationen. Dieser Artikel soll einen Beitrag zu einer breiteren Diskussion der Granulatform leisten. Simon Becker 7) Einfache Handhabung in Bezug auf Lagerung und Abmischung. Die Identitätsanalytik ist bei Granulaten wesentlich aufwendiger als bei Rohdrogen. 8) Eric Brand: The Granule Revolution 9) Mit «durchschnittlich dosiert» ist hier eine Menge von rund g Rohdrogen pro Tag gemeint. Unter diesem Wert ist es fraglich, ob Rohdrogen noch stärker wirken als hoch dosierte Granulate. 16

17 NEUES AUS DER FACHWELT Abnehmen mit TCM und Akupunktur Chinesische Medizin wird immer häufiger vorgeschlagen als neue Strategie, um Übergewicht zu bekämpfen. Kürzlich sind zu diesem Thema einige Forschungsarbeiten präsentiert worden. Es wurden 17 Chinesische Arzneimittel auf ihren Anti-Übergewicht-Effekt untersucht. Die Mittel wurden evaluiert auf ihre Eigenschaften zur Stimulation von Apolipoprotein in kultivierten Enterozyten. Die Arzneimittel, die hier einen Effekt hatten, wurden weiter auf die Reduzierung von Triglyceriden untersucht. Aus beiden Prüfungen sind ze xie (Rhizoma Alismatis) und dang gui (Radix Angelica Sinensis) als effektiv hervorgegangen. Daraus wird geschlossen, dass diese beiden Kräuter einen Anti-Übergewicht-Effekt haben. (Quelle: Guo et al. Chinese Medicine 2009, 4:5, Potential anti-obesity Chinese herbal medicines) Das International Journal of Obesity hat kürzlich 31 Studien zur Effizienz der Akupunktur bei Übergewicht präsentiert. Es wurden 3013 Fallstudien ausgewertet, bei denen Akupunktur angewendet wurde, um das Körpergewicht zu reduzieren. Das Ziel der kontrollierten randomisierten Studien war, kritisch zu beurteilen, wie effektiv die Akupunktur bei der Gewichtsabnahme ist und welche Nebenwirkungen sie haben kann. Die Resultate zeigen, dass Akupunktur im Vergleich zu einem geänderten Lebensstil und im Vergleich mit Placebo, Scheinakupunktur und herkömmlichen Medikamenten eine signifikante Reduktion des Körpergewichts erreicht hatte. International Journal of Obesity, January 2009; Acupuncture for obesity: a systematic review and meta-analysis ze xie (Rhizoma Alismatis) und dang gui (Radix Angelica Sinensis) können beim Abnehmen helfen. Moxibustion und Laserakupunktur bei Steisslage Die Beckenend- oder Steisslage, bei welcher der Fötus in entgegengesetzter Richtung zur normalen Position liegt, tritt verbreitet im mittleren Trimester der Schwangerschaft auf. Sie kommt häufiger vor bei kleineren weiblichen Babies und älteren Müttern in der ersten Schwangerschaft. Frauen mit Steisslage des Fötus können schwerwiegende Probleme haben bei der vaginalen Geburt, darum wird in dieser Situation der Kaiserschnitt empfohlen. Der Kaiserschnitt birgt die Risiken der Harnweginfektion, Hämorrhagie, Wundinfektion, Dehiszenz der Narbe oder Uterusruptur bei späteren Geburten. Eine Therapie ohne chirurgischen Eingriff bietet die Moxibustion oder (Laser-)Akupunktur an. Moxibustion mit der Moxazigarre über dem Akupunkturpunkt Zhiyin (Bl 67) wird seit Langem in China eingesetzt, um eine abnormale Position des Fötus zu korrigieren. Viele klinische Studien über diese Methode wurden durchgeführt, in verschiedenen Fachjournalen publiziert und vor Kurzem in einer grossen Metastudie ausgewertet. Zehn kontrollierte randomisierte Studien mit gesamthaft 2090 Teilnehmerinnen und sieben kontrollierte Studien mit 1409 Teilnehmerinnen wurden analysiert. Moxibustion, Laserakupunktur und Knie-Ellbogen-Methode wurden mit einer unbehandelten Gruppe verglichen. Die Knie-Ellbogen-Methode ist ebenfalls eine Methode ohne chirurgischen Eingriff, ist aber eher schwierig auszuführen und hat oft eine schlechte Compliance. Gegenüber der unbehandelten Gruppe zeigte Moxibustion signifikante Unterschiede. Die Knie-Ellbogen-Methode mit Moxibustion zeigte keine signifikanten Unterschiede. Laserstimulation des Punktes Zhiyin war effizienter als die Knie-Ellbogen-Methode mit Pelvis-Hüftrotation. Zusammenfassend wird geschlossen, dass Moxibustion, Akupunktur und Laserakupunkt-Stimulation dazu tendieren, effektiv in der Korrektur der Steisslage zu wirken. Li et al. Chinese 2009 Medicine 4:4 17

18 LEGENDEN ZUR TCM Knoblauch erlauscht da suan (Allii Sativi Bulbus, Knoblauchknolle) Legenden ranken sich um die Kräuter der Chinesischen Medizin, schöne Erzählungen, die darüber berichten, wie dieses oder jenes Kraut seinen Weg in den Schatz der Traditionellen Arzneimittel fand. Nebenbei vermitteln diese Geschichten Einblicke in die reiche chinesische Kultur und das Alltagsleben. Hier die 9. Folge der «EXTRAKT»-Serie. Es lebte einmal ein erfahrener Arzt, der hatte einen jungen Assistenten. Gleich nebenan wohnte ein Bauer. «Zwar bin ich ein Bauer», sagte dieser, «ich möchte aber die Medizin erlernen». «Bitte nehmen Sie mich als Ihren Schüler an», bat er den Arzt. «Es tut mir leid, ich nehme keine Schüler an», antwortete der Arzt. Zu jener Zeit wurde das medizinische Wissen jeweils vom Vater an den Sohn weitergegeben und nur selten wurden Aussenstehende unterrichtet. «Ich habs», dachte der Bauer. Die Ärzte unterrichten ihre Studenten nachts. Ich kann mich neben dem Fenster verstecken und zuhören. Das tat er noch am selben Abend. «Sie haben die Zahlungen schon seit einiger Zeit eingestellt», sagte der Assistent. «Möchten Sie ihnen einen Zins verrechnen?» «Nein, lass die Leute für die Diagnose und die Arzneimittel bezahlen. Den Zins kannst Du vergessen [suan li ke zhi].» Der Bauer hatte nur die letzten paar Wörter gehört und meinte, der Arzt habe gesagt: «Knoblauch kann Dysenterie heilen», was genau gleich ausgesprochen wird. «Aha! Mit Knoblauch kann man Dysenterie kurieren», rief er aus. Zufällig lebte in einiger Entfernung ein Verwandter des Bauern, der an Verdauungsproblemen litt. Der Bauer machte sich also auf, nach ihm zu sehen. Er riet seinem Verwandten, Knoblauch zu essen. Und seltsamerweise wirkte das. Der Bauer blieb gleich im Haus seines Verwandten und richtete eine Praxis zur Heilung von Dysenterie ein. Die Behandlung wirkte bei all seinen Patienten, und bald verbreitete sich des Bauern guter Ruf weit herum im Land. Als der Arzt davon erfuhr, kam er den Bauern besuchen. «Wie ich höre, hast Du eine Behandlung gegen Dysenterie», sagte der Arzt. «Wer hat sie dir beigebracht.» «Nun, in Wirklichkeit waren Sie das!» Und er erzählte dem Arzt, wie er ihn in jener Nacht belauscht hatte. «Hahaha», lachte der Arzt in sich hinein. «Wir sprachen bloss über eine meiner Rechnungen». «Habe ich mich derart getäuscht? Aber warum hilft denn die Behandlung?» «Nun», gab der Arzt zurück, «offenbar bist du schlauer, als du aussiehst. Ich habe beschlossen, dich als Schüler anzunehmen». So wird Knoblauch, obwohl auf einem Missverständnis beruhend, seit jener Zeit als Arzneimittel eingesetzt. Quelle: Ding Zhao Ping (Hrsg.). Qu wei zhong yao. 2003, Verlag Ren min wei sheng chu ban shi, Beijing Illustration Martin Estermann IMPRESSUM Newsletter der LIAN CHINAHERB AG Ausgabe: 1/2009 Erscheinungsweise: zwei- bis viermal jährlich Herausgeber: LIAN CHINAHERB AG, CH-8832 Wollerau Auflage: 7000 Expl. Redaktion: Simon Becker, Dieter Furrer Abschlussredaktion: Markus Bär Grafisches Konzept: dd com ag, CH-8008 Zürich Gestaltung: yes communications, CH-6210 Sursee Copyright: Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Übersetzung, elektronische Speicherung und Weitergabe, online aufschalten etc., auch auszugsweise, sind nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers gestattet. Autorinnen und Autoren sind für ihre Beiträge selbst verantwortlich. Ihre Meinung entspricht nicht immer der Ansicht des Herausgebers. Abonnemente (kostenlos), Probenummern, Adressänderungen: LIAN CHINAHERB AG, Fürtistrasse 7, CH-8832 Wollerau, Tel. +41 (0) , Fax + 41 (0) , info@lian.ch Druck und Versand: Druckerei AG Suhr, CH-5034 Suhr Papier: 100 Prozent Recycling 18

19 NEUES VON LIAN Chinesische Arzneimittel in ganz Europa Seit Oktober 2008 beliefert die LIAN CHINAHERB Kunden in der ganzen EU mit Extraktgranulaten. Wir stellen den neuen Service hier vor. Bild Fotolia Effiziente Arbeitsabläufe und computergestützte Präzisionswaagen tragen zum hohen Qualitätsstandard bei. Die LIAN CHINAHERB wurde als Versandhandelsapotheke in der Schweiz im Jahr 2000 gegründet. Von Anfang an hat sich die Spezialapotheke ausschliesslich auf Chinesische Arzneimittel spezialisiert. Dieser konzentrierte Fokus ermöglichte eine ganz spezielle Auseinandersetzung mit allen Bereichen der Chinesischen Arzneimitteltherapie. Durch zielstrebige, kompromisslose und motivierte Arbeit konnte dadurch in den letzten neun Jahren ein tiefgreifendes Verständnis bezüglich Qualität und Vertrieb auf- und ausgebaut werden. Strenge Vorgaben der Schweizer Heilmittelbehörden forderten weitere Verbesserungen des bereits hohen Qualitätsstandards. Heute sind die computergestützten Arbeitsabläufe so weit ausgefeilt, dass in der Schweiz täglich für Ärztinnen und Therapeuten der Chinesischen Medizin Hunderte von individuellen Kräutermischungen hergestellt und direkt an die Patienten geschickt werden. Die Qualitätsanforderungen der Produkte werden durch das LIAN-eigene sowie durch externe Labore sichergestellt. Ein kompetentes Team von TCM-Spezialisten unterstützt Verschreiber bei Fragen und Unklarheiten. Und auch mit der Herausgabe dieses Newsletters. Ein Online-System ermöglicht das bequeme und schnelle Bestellen von Rezepturen. Kompetenter und rascher Service im ganzen EU-Raum Das erarbeitete Know-how und die Kompetenz von LIAN CHINAHERB ist nun auch für Spezialisten der TCM im EU-Raum zugänglich. Seit Oktober 2008 versenden wir Extraktgranulate aus Chinesischen Arzneimitteln in europäischen Länder. Für die Herstellung der Rezepturen werden die vorhandenen Strukturen exakt nach schweizerischem Vorbild in einer Spezialapotheke in Heerlen (NL) verwendet. Die Bestellungen werden in der Schweiz aufgenommen, kontrolliert und ins System eingegeben; allfällige Fragen und Unklarheiten werden zu diesem Zeitpunkt durch Rücksprache mit dem Verschreiber gelöst. Erst danach wird die Bestellung an die Apotheke in Heerlen übermittelt und dort ausgeführt, unter Aufsicht des Apothekers und anhand derselben Arbeitsabläufe wie in der Schweiz und mit Hilfe der computergestützten Präzisionswaagen. Die etikettierte Arzneimittelmischung wird zusammen mit der Rechnung direkt an die Patientinnen und Patienten geschickt. Die für die Herstellung verwendeten Chinesischen Arzneimittel werden in der Schweiz freigegeben und entsprechen alle den gewohnt hohen Qualitätsanforderungen der LIAN. Trotz dieser «internationalen Lösung» kann für deutsche Kunden der speziell effiziente Lieferservice der LIAN eingehalten werden: Wird bis 15 Uhr bestellt, hat der Patient die Rezeptur am Folgetag im Briefkasten. Die LIAN CHINAHERB ist überzeugt, mit dieser Erweiterung in die EU einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Chinesischen Medizin zu leisten. Die Arzneimittel werden professionell verpackt und beschriftet gemäss den Vorgaben des Verordners. Dann gehen sie per Post direkt an die Patientinnen und Patienten. In Deutschland haben die Patienten die Mischung bereits am Folgetag nach der Bestellung im Briefkasten. Kontakt: LIAN CHINAHERB, Fürtistrasse 7, CH-8832 Wollerau für Deutschland Tel , Fax (gebührenfrei) für andere EU-Länder und die Schweiz Tel , Fax Für mehr Informationen: 19

20 NEUES VON LIAN Muskelfluid-Spray Lian Shui Nach einer intensiven Entwicklungs- und Testphase können wir Ihnen nun den sehr angenehmen und effizienten Muskelfluid-Spray Lian Shui präsentieren. doch auch geschützt und unterstützt werden. Die nährenden Mittel gewährleisten dies. Ebenfalls unterstützen diese Arzneien die Heilung der Muskeln und Sehnen. Weiter bedingt Bewegung immer auch Wärme. Die wärmenden Mittel dringen in die Muskeln und die Leitbahnen ein und unterstützen somit das Befreien des Qi- und Blutflusses. Dies trägt zur Schmerzlinderung und zur Heilung bei. Lian Shui, Stückpreis: CHF Euro 10.40, jeweils exkl. MwSt. Rezepturbeschreibung Lian Shui Die Arzneimittelkombination im Muskelfluid Lian Shui aktiviert Qi und Blut, löst Stagnation und Stase, wärmt und öffnet die Leitbahnen und zerstreut Kälte. Das Fluid kann somit eingesetzt werden bei Qi- und Blutstagnation mit Schmerzen aufgrund traumatischer Verletzungen. Ebenfalls kann es zur Aktivierung der Muskeln eingesetzt werden. Die Mischung besteht aus elf Inhaltsstoffen unterschiedlicher Wirkkategorien. Typisch für Chinesische Heilmittelkombinationen, wirken die Geschmäcker, Temperaturen und Wirkprinzipien der einzelnen Heilkräuter synergistisch so zusammen, dass der Effekt der Rezeptur nicht auf die Einzelwirkungen seiner Inhaltsstoffe reduziert werden kann. Gemäss Chinesischer Medizin liegt traumatischen Schmerzen immer eine Blockade des freien Flusses von Qi und Blut zugrunde. Aus diesem Grund ist die Blut aktivierende und Stase umwandelnde Gruppe von Arzneien am stärksten vertreten und bildet den zentralen Block des Heilkräutersprays. Wird Blut kräftig bewegt, muss es je- Rezeptur Lian Shui san qi (Notoginseng Radix): Die besonders wertvolle und kostbare Notoginsengwurzel hat eine Doppelfunktion, welche nur ganz wenige Heilkräuter besitzen. Sie regt einerseits den Blutfluss an und wandelt Blutstase um, andererseits stoppt sie auch Blutungen. Die Wurzel gilt als Hauptmittel bei allen Arten von Traumata. Aufgrund seiner bewegenden und aktivierenden Wirkung unterstützt Notoginseng das Abschwellen und die Heilung von Hämatomen. san leng (Sparganii Rhizoma) und e zhu (Curcumae Rhizoma): Diese beiden Blut aktivierenden Mittel werden typischerweise zusammen angewendet und haben sehr ähnliche Wirkungen. Im Vordergrund steht die ausgeprägt starke Blutstase brechende und Blut bewegende Wirkung. Zusätzlich aktivieren die beiden Wurzelstöcke durch ihren scharfen Geschmack die Qi-Zirkulation. Sie eignen sich ganz besonders zum Stoppen von Schmerzen und zur Unterstützung der Heilung durch eine Verbesserung der Mikrozirkulation. pinyin san qi san leng ru xiang dang gui du zhong ji xue cao su mu gan jiang e zhu hai feng teng bing pian pharmazeutisch Notoginseng Radix Sparganii Rhizoma Olibanum Angelicae Sinensis Radix Eucommiae Cortex Centellae Herba Sappan Lignum Zingiberis Rhizoma Curcumae Rhizoma Piperis Kadsurae Caulis Borneolum Deutsch Notoginsengwurzel Astiger Igelkolbenwurzelstock Weihrauch Chinesische Engelwurz-Wurzel Chinesische Guttapercharinde Wassernabelkraut Sappanholz Getrockneter Ingwer Zitwerwurzelstock Pfeffersprossstengel Borneol 20