DIESE ERDE EIN MENSCHENBAUM! PREDIGT ZUM ERNTEDANKFEST AM SONNTAG, DEM 5. OKTOBER Das erste Wort, mit dem die heutige Predigt beginnt, lautet

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1 DIESE ERDE EIN MENSCHENBAUM! PREDIGT ZUM ERNTEDANKFEST AM SONNTAG, DEM 5. OKTOBER 2014 Das erste Wort, mit dem die heutige Predigt beginnt, lautet Dienstbesprechung jeden Mittwoch in der Kanzlei treffen wir uns - gerne: Die Assistentinnen Elisabeth und Christine, der Diakoniereferent Martin, die Organistin Erzsébet, die Küsterin Meri, die Vikarin Marietta Pfarrer Wilfried und ich. Wieder Mittwoch, wir denken an heute, an den Erntedanktag. Und während wir sprechen, geht mir das Gedicht durch den Kopf. Wir können es ja auswendig mitsprechen: Herbsttag Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah! Die Luft ist still, als atmete man kaum, Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah, Die schönsten Früchte ab von jedem Baum. O stört sie nicht, die Feier der Natur! Dies ist die Lese, die sie selber hält, Denn heute löst sich von den Zweigen nur, Was von dem milden Strahl der Sonne fällt. Friedrich Hebbel Aus der Versunkenheit sage ich in der Besprechung: Wir brauchen einen Baum Und wir geben dem Baum die Früchte unserer Dankbarkeit zurück. Wie sich alles an uns verschenkt, schenken wir uns dem Leben wieder. Und Meri sagt: Ich bringe einen Baum. Mein Mann Fachro wird ihn aus dem Wald holen. Und er ist hier. Danke will ich sagen an erster Stelle für die Mühe. Der Baum als ein Symbol für alle die Mühen, die Meri mit ihrer Familie hier mit trägt. 1

2 Und Danke will ich sagen für alle anderen Mühen, die alle sich machen mit unsrer Kirche Danken will ich uns, die wir ja alle sind wie ein Baum. Blätter, Blüten treibend, immer werdender Du und ich Ein Baum aus uns Menschen diese Erde Menschenbaum So will ich es sehen zu diesem Erntedank. Und ihr habt Früchte beschieben Die Früchte Eurer Dankbarkeit getragen an unseren Baum >>> Lesen aus der Gemeinde Ein Baum aus den Gedanken, den Gefühlen, den Erfahrungem der Dabkbarkeit von uns Menschen Ein Baum von uns Menschen diese Erde ein Menschenbaum Und dann lese ich von Ferdinand Freiligrath aud dem 19. Jahrhundert: Am Baum der Menschheit drängt sich Blüt' an Blüte, Nach ew'gen Regeln wiegen sie sich drauf; Wenn hier die eine matt und welk verglühte, Springt dort die andre voll und prächtig auf. Ein ewig Kommen und ein ewig Gehen, Und nun und nimmer träger Stillestand! Wir sehn sie auf, wir sehn sie niederwehen, Und jede Blüte ist ein Volk, ein Land!... Und ihre Lose ruhn in Gottes Hand! An diesem Wochenende haben unsere jüdischen Freund und Geschwister ihren Jom Kippur, das Versöhnungsfest gefeiert, die islamischen Geschwister und Freunde Kurban bayrami, das Opferfest Feste ihrer Dankbarkeit. Wir alle gehören zusammen wie die Zweige, die Blätter und die Früchte eines Baumes diese Erde ein Menschenbaum Vielleicht ist das Danken ja doch der Anfang. Wie ich es einmal gehört habe: Danken ist Atmen der Seele Heute sage ich Danken ist das Aufatmen der Seele. Das wollen wir doch Endlich aufatmen 2

3 Etwas sein gegen den Jahrmarkt der Monstrositäten und Ungeheuerlichkeiten, wie eine Freundin es sagte, sich an Elias Canetti erinnernd in einem Gespräch. Wir hätten aus der Schöpfung einen Jahrmarkt der Monstrositäten gemacht Wir aber sagen: Ein neuer Anfang täte gut. Danken. Und dann habe ich noch etwas Wunderschönes gehört: Der christliche Glaube ist die gefühlte innere Wahrheit. Die gefühlte innere Wahrheit in mir sagt mir etwas. Und was es mir sagt, möchte ich ja weitersagen und es sein. Und wenn ich es bin, es wieder sagen und immer weiter so Von einem Werden zu dem anderen Nun ahnt ihr es bestimmt schon, dass Luther kommen würde: Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Frau (Mann) und Kind, Acker, Vieh und alle Güter; mit allem, was not tut für Leib und Leben, mich reichlich und täglich versorgt, in allen Gefahren beschirmt und vor allem Übel behütet und bewahrt; und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit: für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin. Das ist gewißlich wahr. Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, an diesem Satz hängt das ganze Gewicht der Welt! Denn dass ich bin, damit ist der Sinn und jedwede Hoffnung auf seine Erfüllung schon gesetzt. Also dass es mich gibt, ist genau betrachtet ein tägliches Wunder. Sage Du Dir das: ich bin ein tägliches Wunder! Heute und morgen wieder. Denn einer hat mich gewollt und er glaubt an mich. Und an ihn halte ich mich. Denn der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht; und was er macht, das gerät wohl Und was sie macht, das gerät wohl! 3

4 Und wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen. Hat Martin Luther auch noch gesagt aus dem Wissen, aus der gefühlten inneren Wahrheit, an die wir uns halten dürfen immer! Und damit sind wohl Du und ich gemeint. Ein jeder, eine jede dieses Bäumchen gegen Verzweiflung und Verbitterung ein Baum sein und Hoffen und glauben und lieben. In der vergangen Woche haben es Eltern für ihr Kindlein eingespielt, das schöne Reinhard May-Lied vom Apfelbäumchen: Ich weiß gar nicht, wie ich beginnen soll, So viel Gedanken, und mein Herz ist übervoll, So viel Gefühle drängen sich zur selben Zeit: Freude und Demut und Dankbarkeit. Im Arm der Mutter, die dich schweigend hält, Blinzelst du vorsichtig ins Licht der Welt, In deinen ersten Morgen, und ich denk : Dies ist mein Kind, welch ein Geschenk! Wenn alle Hoffnungen verdorr n, Mit dir beginn ich ganz von vorn, Und Unerreichbares erreichen, ja ich kann s! Du bist das Apfelbäumchen, das ich pflanz! Sieh dich um, nun bist du ein Teil der Welt, Die sich selbst immerfort in Frage stellt, Wo Menschen ihren Lebensraum zerstör n, Beharrlich jede Warnung überhör n. Ein Ort der Widersprüche, arm und reich, Voll bitt rer Not und Überfluß zugleich, Ein Ort der Kriege, ein Ort voller Leid, Wo Menschen nichts mehr fehlt, als Menschlichkeit! Du bist ein Licht in ungewisser Zeit, Ein Ausweg aus der Ausweglosigkeit, Wie ein Signal, den Weg weiterzugeh n, Herausforderung weiter zu besteh n. Wo vieles voller Zweifel, manches zum Verzweifeln ist, Da macht ein Kind, daß du alle Zweifel vergißt. Es sind in einer Welt, die ziel- und ratlos treibt, Die Kinder doch die einz ge Hoffnung, die uns bleibt! Diese Zusage, dass wir das Apfelbäumchen, die Pflanzung unseres Gottes sind, 4

5 wird niemals zurück genommen nie! Wir schulden dies dieser Erde, was wir immer neu von den Kindern lernen. Hoffen und glauben und lieben, dankbar sein und dankbar leben für die Erde, diesen wunderbaren Baum der Menschheit! + Amen. 5