Fototour: Weiche Wasserfälle

Transkript

1 Fototour: Weiche Wasserfälle Diese Seiten sind ein Auszug aus dem Fotozauber-Lehrling. Flauschig weich große und kleine Wasserfälle Weich fließendes Wasser erfordert eine lange Belichtungszeit Hast du dich auch schon mal gewundert, wie manche diese wunderschön weichen, fließenden Wasserläufe hinbekommen? Das Wasser sieht fast aus wie Watte ganz im Gegensatz zu deinen Versuchen, bei denen eher die rauhe Natur dominiert. Du wirst sehen: mit ein paar Tricks ist das auch für dich kein Problem mehr! Gehen wir Schritt für Schritt vor: Georg Schraml 73

2 Tipp 1: Stativ ist Pflicht Damit das Wasser schön weich fließend wird, brauchen wird Belichtungszeiten, die länger sind als 1/30 sek. (also 1/15, 1/8, ¼, ½, 1 sek. usw.) siehe das Foto oben hier haben wir eine Belichtungszeit von ½ sek. Verwende unbedingt ein Stativ! Solche Belichtungszeiten kann man aus der Hand nicht fotografieren, ohne zu verwackeln. Wenn du eine kurze Belichtungszeit (z.b. 1/250 sek.) wählst, wird das Wasser eingefroren, d.h. du hast keine Chance, einen Fließ-Effekt zu erreichen. Das würde so aussehen: Kurze Belichtungszeit: Wasser gefriert Tipp 2: ISO-Automatik ausschalten Die ISO-Automatik solltest du umstellen auf manuelle ISO-Einstellung! Das ist ganz wichtig! Wenn die ISO- Einstellung auf Automatik steht, setzt die Kamera die Einstellung selbsttätig nach oben (z.b. auf 800 oder 1600). Warum macht sie das? Damit die Belichtungszeit möglich kurz wird sie will ja, dass deine Fotos nicht verwackelt werden. Georg Schraml 74

3 Aber wie schon bei Tipp 1 erwähnt: wir wollen genau das Gegenteil erreichen eine lange Belichtungszeit! Also ISO-Automatik auf den niedrigsten Wert stellen das sind je nach Kamera 50, 100 oder 200 ISO Tipp 3: Bildstabilisator ausschalten Falls deine Kamera einen Bildstabilisator (in der Kamera selbst oder am Objektiv) hat, bei Verwendung eines Stativs immer ausschalten. Auch das dürfte inzwischen für dich nicht mehr neu sein! Die Kameraelektronik möchte ja mit dem Bildstabilisator deine Bewegung ausgleichen. Wenn keine Bewegung da ist, ist sie verwirrt, simuliert Bewegung und die Bilder können verwackelt werden. Tipp 4: Spiegelvorauslösung Diese Funktion haben natürlich nur Spiegelreflexkameras (auch nicht alle!): Im Augenblick des Auslösens klappt in der Kamera ein Spiegel hoch und gibt für die Zeit der Belichtung den Vorhang mit dem dahinter liegenden Sensor frei. Gefahr dabei: die Kamera wird durch das Hochklappen leicht erschüttert und das kann schon zum Verwackeln führen, besonders wenn man ein nicht wirklich stabiles Stativ benutzt. Bei Belichtungszeiten um 1/10 sek. ist man da schnell dabei! Bitte beachten: Hast du die Spiegelvorauslösung aktiviert, musst du den Auslöser zweimal drücken: beim ersten Mal klappt der Spiegel hoch, beim zweiten Mal wird die Aufnahme belichtet und der Spiegel klappt anschließend zurück. Möglicherweise geschieht das bei deiner Kamera automatisch nach ca. 2 Sekunden oder du musst die Serienbildfunktion zuschalten - schau mal in der Bedienungsanleitung nach! Wie du siehst, wiederhole ich immer wieder mal einen Tipp, damit auch Quereinsteiger, die das E-Book nicht von A-Z lesen, beim jeweiligen Kapitel die nötigen Informationen erhalten. Georg Schraml 75

4 An der Kamera wird die Spiegelvorauslösung meist als MUP (Mirror up) oder MLU (Mirror lock up) oder SVA bezeichnet. Schau mal in deiner Bedienungsanleitung nach! Tipp 5: Selbst- oder Fernauslöser Jede Kamera hat einen Selbstauslöser: nach der Aktivierung in der Kamera betätigt man den Auslöseknopf und nach 2-10 sek. (je nach Einstellung) löst die Kamera automatisch aus. Vorteil dabei: Du kannst schon mal mit der Hand beim Auslösen nicht verwackeln. Falls du einen Fernauslöser hast, ist das eine feine Sache: er ist mit der Kamera per Kabel oder über Funk verbunden. Du löst hier ebenfalls ganz bequem aus, ohne die Kamera zu erschüttern. Tipp 6: Zeitautomatik, Blendenautomatik, manuell oder Bulb Zeitautomatik (an der Kamera meist mit A, AP oder AV gekennzeichnet) heißt: du wählst an der Kamera die Blende vor, die Zeit stellt sich automatisch ein. Wähle die Blende nicht zu weit offen, damit du genügend Schärfentiefe bekommst (sonst wird nur ein kleiner Teil im Bild scharf, der Rest der Landschaft kann schon unscharf werden). Bei Weitwinkel tritt dieses Problem kaum auf, dafür umso mehr bei Tele- oder Zoomobjektiven (lange Brennweiten, z.b. 300 mm). Probiere es mit einer Einstellung im Blendenbereich von ca. 5.6 bis 16 und überprüfe, welche Belichtungszeit die Kamera dazu wählt. Ist die Belichtungszeit zu kurz (1/30 oder kürzer), musst du die Blende weiter schließen. Bei extrem geschlossener oder auch offener Blende (z.b. 32 oder 1,4) kann die Bildqualität leiden. Das ist technisch bedingt. Eher empfehlen würde ich dir bei fließendem Wasser die Blendenautomatik! Blendenautomatik (an der Kamera meist mit T, Tv, S, Sv bezeichnet) heißt: du wählst die Zeit vor (z.b. ½ sek.), die Blende stellt sich automatisch ein. Nun kann es aber sein, dass die Blende schon ganz weit geschlossen ist (z.b. 32) und die Kamera löst nicht aus, weil noch immer zu viel Licht durch die Blende fällt (draußen ist es zu hell!). Blende weiter zu geht nicht! Eine kürzere Verschlusszeit geht auch nicht, dann würde das Wasser nicht mehr fließen. Und wenn die ISO-Einstellung auch schon ganz am unteren Ende ist, dann hilft nur noch eins: ein Graufilter. Hab noch ein wenig Geduld, dazu kommen wir gleich! Georg Schraml 76

5 Blende 8, Belichtungszeit 13 sek., ISO 200, Graufilter mit Filterdichte 3,0 Manuelle Einstellung (an der Kamera M) heißt: du stellst die Zeit und die Blende selbst ein. Das erfordert zum einen Ausprobieren und zum anderen etwas Erfahrung. Du kannst damit beginnen, dass du bei Automatik- Einstellung die Werte ermittelst, die die Kamera nehmen würde und diese dann mal als Einstellung im manuellen Modus übernehmen. Dann experimentiere: Mal die Blende weiter geschlossen oder offen, die Zeit länger oder kürzer Falls du damit noch keine Erfahrung hast, würde ich dir für den Anfang eher die Zeitautomatik oder Blendenautomatik empfehlen. Wenn du in diesem Zusammenhang an deiner Kamera die Einstellung Bulb entdeckst: mit dieser kannst du die Blende beliebig lang offen lassen (bei der Automatik gibt es meist eine Begrenzung auf 30 sek.). Für diesen Fall ist ein Fernauslöser gut! Denn 2 Minuten den Finger auf dem Auslöser lassen naja erstens wird der Finger lahm, zweitens besteht erhöhte Verwacklungsgefahr. Georg Schraml 77

6 Tipp 6: Bei Bachläufen eher Details wählen Noch einen Tipp gebe ich dir zur Gestaltung: Nicht zu viel Landschaft um das eigentliche Motiv herum, das lässt die Bilder oft unruhig wirken! Konzentriere dich auf das Wasser, ein paar Steine, über die das Wasser fließt. Dann muss das Auge nicht im Bild herumwandern und kann sich auf deine Bildaussage das fließende Wasser konzentrieren. Konzentration auf das Wesentliche Tipp 7: Graufilter (ND-Filter) verwenden Nun, wie versprochen, zum Graufilter! Wenn du gerade erst eine digitale Spiegelreflexkamera gekauft hast, wirst du wohl noch nicht im Besitz eines Graufilters sein. Das folgende Thema ist daher eher für Fortgeschrittene gedacht. Graufilter sind Lichtschlucker Wozu ist ein Graufilter gut? Ein Graufilter wirkt ähnlich wie eine Sonnenbrille er lässt weniger Licht durch. In der Konsequenz heißt das: du kannst länger belichten. Oft sind durch das helle Tageslicht oder den Sonnenschein deinem Vorhaben Grenzen gesetzt. Die Blende ist schon ganz geschlossen, ISO ist auf den untersten Wert eingestellt und die kürzest mögliche Belichtungszeit wird in der Kamera mit 1/250 sek. angezeigt. Für einen fließenden Wasserlauf keine Chance. Deshalb gibt es Graufilter mit unterschiedlicher Lichtdurchlässigkeit. Georg Schraml 78

7 Verwirrende Bezeichnungen Etwas verwirrend sind die unterschiedlichen Bezeichnungen der Anbieter. Die einen geben in der Bezeichnung die Filterdichte an, die anderen den Verlängerungsfaktor (siehe Tabelle unten). Was nichts mit dem Anbieter zu tun hat, ist die Bezeichnung ND-Filter (Neutral Density, was soviel heißt wie neutrale Dichte). Ein ND-Filter sperrt das sichtbare Lichtspektrum gleichmäßig, ohne dass dabei Farbe oder Kontrast beeinflusst werden. Ein zusätzlicher UV-Filter wird nicht benötigt, da auch die UV-Strahlung gesperrt wird. Filterdichte und Verlängerungsfaktor Diese Tabelle hilft dir, bei Verwendung eines Graufilters die richtige Kameraeinstellung zu finden. Die Filterdichte zeigt an, wie stark das Licht gebremst wird, oder ganz einfach: wie dicht der Filter ist. Der Verlängerungsfaktor gibt an, wie viel mal länger du mit dem entsprechenden Filter belichten kannst. Und die Blendenstufen sagen dir, wie viele Blendenstufen du bei aufgesetztem Graufilter abblenden musst, wenn du die Zeit beibehalten möchtest. (Beispiel: du hast 1/30 sek. Belichtungszeit vorgewählt und verwendest einen Graufilter der Filterdichte 0,9. Die Tabelle sagt dir, dass du -3 Blendenstufen brauchst. Wäre also bei 1/30 sek. die normale Blende 6.3, brauchst du mit Graufilter 3 Blendenstufen weniger, nämlich 4.5) FILTERDICHTE VERLÄNGERUNGSFAKTOR BLENDENSTUFEN 0, , , , , , Machen wir es ganz praktisch! Du willst einen Wasserlauf weich fließend heißt lange Belichtungszeit! - fotografieren. Georg Schraml 79

8 1. Als erstes wählst du die Blende vor (Zeitautomatik). Da du eine hohe Schärfentiefe möchtest, nimmst du Blende Die Kameraautomatik ermittelt nun die entsprechende Belichtungszeit, z.b. 1/125 sek. was natürlich viel zu kurz ist für einen fließenden Wasserlauf deshalb verwenden wir einen Graufilter. Merke dir erst mal die gemessene Belichtungszeit (in unserem Fall 1/125 sek.) 3. Du misst die Entfernung zum Motiv, dem Bachlauf, mit der Autofokus-Einstellung (AF am Objektiv). 4. Dann stellst du um auf manuellen Fokus (am Objektiv MF) so kann der Autofokus die Entfernung nicht mehr verstellen. 5. Nehmen wir nun an, du besitzt einen Graufilter mit Verlängerungsfaktor 64 (= Filterdichte 1,8) was für Wasserläufe gut geeignet ist. Wenn du den Filter auf das Objektiv schraubst, musst du also die Belichtungszeit - in unserem Fall 1/125 sek. - x 64 rechnen. Das ergibt ½ sek. (64 geteilt durch 125 ;-)) in deinem Handy hast du sicher einen Taschenrechner, wenn s mal komplizierter wird! 6. Schalte nun von der Zeitautomatik in den manuellen Modus (M). 7. Stelle Blende 8 ein die wollen wir ja beibehalten und ½ sek. 8. Schraube nun vorsichtig den Filter auf das Objektiv. Achte darauf, dass du die Entfernung nicht verstellst. 9. Nun kannst du auslösen unter Beachtung von Tipp 1 bis 5. Welchen Filterdurchmesser? Wenn es dir so geht wie mir, hast du 5 verschiedene Objektive mit jeweils anderem Filterdurchmesser. Der Durchmesser steht im Normalfall auf dem Objektiv, z.b. Ø 67mm. Also 5 verschiedene Filter mit jeweils passendem Durchmesser kaufen? Nein es gibt eine günstigere Lösung! Wähle das Objektiv mit dem größten Durchmesser, z.b. Ø 77mm für dieses kaufst du deinen Graufilter. Dann besorgst du dazu entsprechende Filteradapter, diese Georg Schraml 80

9 gibt es zum Preis von 6-7 Euro. Einen Step up Adapter brauchst du, wenn das Filtergewinde am Objektiv kleiner ist als der Durchmesser deines Graufilters. Wenn also z.b. dein Zoomobjektiv 62mm Gewindedurchmesser hat und der Graufilter 77mm. Ansonsten brauchst du einen Step down Adapter. Welche Filterdichte / Verlängerungsfaktor? Das ist vor dem Kauf eine durchaus wichtige Frage! Es hängt davon ab, was du vorhast. Für einen Bachlauf im schattigen Wald geht s meist sogar ohne Filter. Liegt der Wasserfall im Sonnenschein, kann ein Filter mit Verlängerungsfaktor 64 oder 1000 (siehe Tabelle oben) ganz sinnvoll sein. Je höher der Verlängerungsfaktor ist, umso weiter kannst du auch die Blende aufmachen. Das wiederum hat den Effekt, dass dein Hintergrund schön weichgezeichnet wird. Georg Schraml 81