Predigt über Römer 8, am Pfingstmontag, den in der Kirche Heilig Geist Reutlingen
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- Karsten Fried
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1 Predigt über Römer 8, am Pfingstmontag, den in der Kirche Heilig Geist Reutlingen Ich möchte Ihnen eine Pfingstgeschichte erzählen. Ihren Anfang nimmt sie allerdings bei Weihnachten: Was mag wohl aus dem Kind geworden sein?", fragte sich der alte Gelehrte. Sein ganzes Leben lang hatte er jene Reise von damals nicht vergessen. Ebenso wenig den wunderbaren Stern. Sie waren ihm gefolgt. Den weiten, mühsamen Weg hatten sie gern in Kauf genommen. Dann waren sie nach Bethlehem gekommen. Die wenigen Augenblicke im Stall ließen sie die Strapazen der Reise vergessen. Das Kind. Ob es inzwischen als mächtiger König regiert?" Der alte Mann machte sich jetzt, nach 33 Jahren, noch einmal auf den Weg. Diesmal ging er allein. Die beiden sternkundigen Gefährten von damals waren inzwischen gestorben. In Jerusalem konnte man sich wohl an jenen wundervollen Stern erinnern, aber an ein Königskind? Nein. Die Menschen belächelten den Alten. In Bethlehem schüttelten sie den Kopf: Ein Jesus von Bethlehem war ihnen nicht bekannt. Wohl einer aus Nazareth dieser Gotteslästerer! Der war vor ein paar Wochen hingerichtet worden. Traurig reiste der alte Gelehrte nach Jerusalem zurück. 1
2 Dort feierte man gerade Erntedankfest für die Weizenernte, Pfingsten. Im Trubel der Straßen geriet er in einen Menschenauflauf. Neugierig drängte er sich vor und hörte, wie die Leute riefen: Die sind ja verrückt! Betrunken und das schon am frühen Morgen!" Dann vernahm er jemanden, der in seiner persischen Muttersprache redete. Seltsam. Auch alle anderen Menschen um ihn, die doch aus ganz verschiedenen Ländern zum Fest angereist waren, schienen jenen Mann dort zu verstehen: Von Jesus von Nazareth war die Rede. Der war nach dem Verbrechertod am Kreuz nicht im Grab geblieben. Gott hat ihn auferweckt am dritten Tag. Der alte Mann ging zu Petrus so hieß der Redner und ließ sich alles genau erzählen. Ohne Zweifel, es war das Kind von Bethlehem, von dem Petrus erzählte! Jesus lebt! Aber, so fragte der alte Gelehrte, wo ist er zu sehen? Petrus gab eine merkwürdige Antwort: Er ist mitten unter uns, er ist in uns und um uns. Wir sind sein Mund, seine Augen, sein Gesicht, seine Hände, seine Füße... Während sie dort saßen und sprachen, kam noch einmal das Brausen vom Himmel. Noch einmal senkten sich Feuerzungen auf jeden von ihnen. Wie eine Erleuchtung! Die Erinnerung des alten Gelehrten wurde von neuem wach. Und er sagte: Als hätte der Stern von Bethlehem sich in viele Sterne geteilt! Jeder Stern steht über einem von uns. Und ihm wurde deutlich: Jeder und Jede von uns wird Bethlehem. Wir alle werden zur Krippe. 2
3 In jedem und jeder von uns wird Jesus neu geboren wie damals: empfangen vom Heiligen Geist! das ist eine Pfingstgeschichte, die an Weihnachten beginnt. Der Heil und Leben mit sich bringt, hieß es damals an diesem Anfang, und viele von uns haben es am letzten Weihnachtsfest gesungen. Es ist ein Teil des Liedes Macht hoch die Tür. Und jetzt? Zu Pfingsten? Da ist es so, dass, was Jesus an Weihnachten für alle Menschen mitgebracht hat, nun an die Einzelnen verteilt wird: Heil und Leben. Der Apostel Paulus beschreibt dieses Geschenk in seinem Brief an die Gemeinde in Rom mit seinen eigenen Worten. Ich lese aus dem Römerbrief im 8. Kapitel: So gibt es denn nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt. was ist das für ein Geschenk, das wir alle durch Pfingsten bekommen? Denken Sie noch einmal an die Geschichte. 3
4 Dem alten Gelehrten war, als habe sich der Stern von Bethlehem in viele Sterne geteilt. Und jeder Stern steht über einem/über einer von uns. Christus ist in uns und in den Worten des Paulus heißt das: - Es gibt nichts, was uns von Gott trennen kann: Weder Hohes noch Tiefes, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges. Nichts kann uns verdammen. Nichts kann uns in Grund und Boden stampfen. Stattdessen: Freispruch von allem, was uns klein halten oder klein machen will. Freiheit. Und diese Freiheit führt in den aufrechten Gang der Söhne und Töchter Gottes. Und: - Auf uns wartet nicht der Tod, sondern das Leben, das Gott schenkt Leben in der Gemeinschaft mit ihm im hier und jetzt, aber auch dann: Leben mit ihm, wenn wir einmal sterben müssen. Steile dogmatische Sätze sind es, die Paulus hier verwendet. Wie können wir sie für uns in unsere Sprache übersetzen? Ich komme nochmals auf die Geschichte mit dem alten Gelehrten zurück: Pfingsten ist, als hätte der Stern von Bethlehem sich in viele Sternen geteilt! Über einem jeden/einer jeden von uns steht ein Stern. Wir die Krippe für Christus, der in uns geboren wird. Im frischen Wind des Pfingstfestes dürfen wir aufatmen. Wir für so wertvoll gehalten, dass wir Gottes Geist in uns tragen! Angesichts der hochtheologischen Sätze des Paulus sind mir die Worte eingefallen, die ich vor einigen Jahren für meine Tochter aufgeschrieben habe. 4
5 In ihrer Diesseitigkeit und Schlichtheit stehen sie in krassem Gegensatz zu Paulus, und dennoch helfen sie mir, dem von Paulus Gemeinten auf die Spur zu kommen. Sie lauten: Folge Deinem Stern, singe Dein Lied, leuchte in Deinen Farben und Du wirst sein wie das blühende Leben. Folge Deinem Stern. Folge dem Stern, der zur Krippe führt. Nimm den Geist von Jesus in Dich auf. Lebe nach seinem Vorbild. Du kannst Kraft schöpfen aus dem Glauben. Vertrau darauf, dass Du Deinen Weg nicht allein gehen musst. Vertrau darauf, dass er mitgeht. Singe Dein Lied. vorher haben wir gemeinsam gesungen: Gehet nicht auf in den Sorgen dieser Welt, Manchmal fühlen wir uns in unserem Alltag wie in einem Hamsterrad: Getrieben von Termin zu Termin, und kaum Zeit und Kraft, Prioritäten zu setzen. Oft denken und handeln wir so, als müssten wir uns das Leben erst noch sauerverdienen, oder so, als hätten wir es uns schon selbst verdient und könnten auf andere herabschauen.. Sing Dein Lied: Suchet zuerst Gottes Herrschaft, und alles andere erhaltet 5
6 ihr dazu. Lassen wir uns nicht klein machen, wenn andere Menschen über uns herrschen wollen. Und umgekehrt: Unsere Macht hat ihre Grenze an der Freiheit und Würde eines anderen Menschen. Leuchte in Deinen Farben: Gott rümpft nicht die Nase und sagt auch nicht: "Erst musst Du Dich mal ändern, und dann bist Du mir recht." Gott steht zu uns so wie wir sind, mit dem, was wir gut können und mit dem, was wir am liebsten verbergen würden, er steht zu uns mit all unseren Ecken und Kanten, mit unseren Seiten in Dur und Moll. Und du wirst sein wie das blühende Leben. Ich lebe, und ihr sollt auch leben, sagt Jesus im Johannes-Evangelium. Leben, das zur Erfüllung kommt, ist uns versprochen: Leben, das nicht immer nur nach mehr schreit mehr Gesundheit, mehr Geld, mehr Macht -, sondern Leben, das zum Frieden mir sich selbst kommt, zufrieden ist und zufrieden macht. Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch, so verspricht es uns der Auferstandene im Evangelium für den heutigen Sonntag. Heil und Leben. Was Jesus an Weihnachten für alle mitgebracht hat, wird an Pfingsten an die Einzelnen ausgeteilt. Jedoch: in einen Tresor verschließen sollen wir es nicht. Ein Stern, der eingeschlossen ist, kann seine Leuchtkraft nicht entfalten. 6
7 Heil und Leben bleiben bei uns dadurch lebendig, dass sie in Bewegung bleiben: Nicht nur in uns, sondern auch zwischen uns und den anderen um uns herum. Als hätte der Stern von Bethlehem sich in viele Sterne geteilt...". Jeder/jede hat seinen/ihren Stern bekommen, damit er in unserem Leben auf die ihm eigene Weise leuchtet. Zugleich ist das auch etwas, was uns alle ob evangelisch oder katholisch - verbindet: Dass wir alle vom selben Licht leben. Dass es derselbe Geist ist, der uns durchweht. Dass es derselbe Christus ist, der in uns wohnt. Je deutlicher und klarer wir das in unseren Gemeinden und im ökumenischen Miteinander leben, desto heller leuchtet das Licht, und desto eher werden andere auf diesen Lichtschein aufmerksam. Und dann kann es hier und heute wirklich Pfingsten werden. Amen. Pfarrerin Astrid Gilch-Messerer 7
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