Jäger & Sammler in der zeitgenössischen Kunst

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Walther Winkler
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1 Museum Villa Merkel Jäger & Sammler in der zeitgenössischen Kunst Morsbroich WIENAND

2 Inhalt 7 { Zum Geleit Markus Heinzelmann Mark Dion Erik Schmidt David Chancellor Christian Jankowski Francis Zeischegg Guy Oberson Henry Coombes 49 Jäger & Sammler Claus Kienle Christian Gonzenbach David Chancellor TINKEBELL Roderick Hietbrink Carsten Höller Daniel & Geo Fuchs Simona Pries Sinje Dillenkofer Andreas Slominski Isa Melsheimer Glen Rubsamen William Lamson 129 & Andreas } Baur { Fritz Emslander } Die Jagd auf Schloss Morsbroich { Gabriele John } 155 Liste der ausgestellten Werke

3 16 Mark Dion Caveman, Mark Dion European Countryside Hunter, 2009

4 22 Name des Künstlers Titel des Werkes, Erik Schmidt Mörderschwein, 2006

5 31 Christian Jankowski Die Jagd, 1992

6 45 Henry Coombes Laddy and the Lady, 2006

12) Dion, Mark: On Hunting, 2007, zit. nach Vettese, Angela:»Die Unvermeidbarkeit der Jagd«, in: Mark Dion. Concerning Hunting, Ausst.-Kat.

Anm. 6. 13) Ebd., S. 100. 14) Gamper, Verena:»Der Amateur und der Jäger, Komplementärfiguren der Wissenschaft«, in: Ausst.-Kat. Mark Dion 2008 (wie Anm. 12), S. 123 130, hier S. 126.

einer bestimmten Anzahl von Tieren), mit konstant steigenden Trophäengewichten und in großer Quantität erzielten Medaillentrophäen. 16) Hagen 1999 (wie Anm. 2), S. 33.

7 12) Dion, Mark: On Hunting, 2007, zit. nach Vettese, Angela:»Die Unvermeidbarkeit der Jagd«, in: Mark Dion. Concerning Hunting, Ausst.-Kat. Kunstraum Dornbirn, Aarhus Kunstbygning, Galleria Civica di Modena, Herbert-Gerisch-Stiftung Neumünster, Kunsthalle Krems, Ostfildern 2008, S , hier S. 100, Anm ) Ebd., S ) Gamper, Verena:»Der Amateur und der Jäger, Komplementärfiguren der Wissenschaft«, in: Ausst.-Kat. Mark Dion 2008 (wie Anm. 12), S , hier S ) Einschlägige Anbieter, die sich auf»europas größter Jagdmesse«in Dortmund (Jagd & Hund) in einer ganzen Messehalle präsentieren, werben unter anderem mit Pauschalangeboten (inklusive Abschuss einer bestimmten Anzahl von Tieren), mit konstant steigenden Trophäengewichten und in großer Quantität erzielten Medaillentrophäen. 16) Hagen 1999 (wie Anm. 2), S Christian Gonzenbach Safaris, Der Grundwiderspruch der Jagd --- Bei aller Selbstkontrolle entgeht der Jäger allerdings nicht jenem Grundwiderspruch im Umgang mit der Natur, den Mark Dion wie folgt zuspitzte:»durch das Töten bringt er seine große Sensibilität und sein Wissen um die Bedürfnisse der Natur zum Ausdruck.«12 Um die Herausforderung eines kräftigen, ausgewachsenen Tieres anzunehmen, muss der Jäger»den Reproduktionszyklus kennen, [ ] den Gebrauch des Territoriums und sogar die Schlaf- und Wachrhythmen der Tiere. Gerade die Tötungsabsicht bringt jene Aufmerksamkeit mit sich, die wir von unseresgleichen oftmals nicht erhalten, nämlich eine gründliche Beschäftigung mit unserer Lebensweise.«13 Das Verhältnis zum Tier ist ein ebenso inniges wie ambivalentes, wenn die Zuwendung des Jägers letztlich zum Tod des Tieres führt. Über seine frühe Installation Selections from the Endangered Species List (1989), welche die Rolle der Jagd bei der Erhaltung und Ausrottung von Tierarten thematisiert, legte Mark Dion eine Automatenstimme mit der Aussage:»The hunt in those days was a pleasure indeed.«sie beschwört»jene Zeiten, in denen die Jagd noch nicht eine Praxis der Naturbewirtschaftung [ ] war, [ ] in der weder Artenschutz noch forstwirtschaftliche Reglementierungen Einfluss auf die Jagdpraxis nahmen. Sie spielt aber auch auf das lustvolle Töten an, das den Jäger erst vom bloßen Naturliebhaber oder Wildbiologen unterscheidet und alle Argumente von ökologischer Kontrollfunktion bis kulturhistorischer Brauchtumspflege als reine Fassadenmalerei entlarvt.«14 Inzwischen ist die Kritik an bestimmten Formen der Jagd sehr laut geworden, insbesondere die an der»lustjagd«beziehungsweise der unter sportlichen Wettbewerbsbedingungen betriebenen und nach wie vor von einer ganzen Tourismusindustrie 15 geförderten Jagd nach Trophäen, bei der das erlegte Tier zum»nebenprodukt degradiert«wird,»um das Geweih zu produzieren«, den Kopf oder das abgezogene Fell als Statussymbol. 16 Die schmale Grenze zwischen dem todbringenden Alltag der Jagd und außergewöhnlich brutalen, bizarren Seiten daran erkundet Christian Gonzenbach in einer Safaris (seit 2007, S. 72/73) betitelten Reihe von kleinformatigen Skulpturen. Ob Giraffe oder Elch, Ziege, Affe oder Robbe: Gonzenbachs aus Ton gefertigte Tiere scheinen kurz zum Leben zu erwachen, bevor sie angesichts der drohenden Gefahr in Schockstarre verfallen und Guy Oberson Sacrifice, 2012; Souffle blanc, ) In seinen museumskritischen Arbeiten hat Mark Dion in unterschiedlichen Kontexten die in naturkundlichen Sammlungen präsentierten Objekte aus dem engen»semantischen Raster«(Michel Foucault) der Wissenschaft herausgeführt, um sie in einer neuen, seiner eigenen Ordnung der Dinge lesbar zu machen. Vgl. Mark Dion. Encyclomania, Ausst.-Kat. Villa Merkel, Esslingen, Bonner Kunstverein, Kunstverein Hannover, Nürnberg 2003, bes. den Beitrag von Wettengel, Kurt:»This is not a Museum of Natural History«, S ; Buchhardt, Dieter:»Mark Dion und der museale Naturbegriff«, in: Ausst.-Kat. Mark Dion 2008 (wie Anm. 12), S ) Vgl. hierzu Henatsch, Martin:»Jäger - latein?«, in: Ausst.-Kat. Mark Dion 2008 (wie Anm. 12), S , hier S. 138/139. noch bevor der Ton ganz getrocknet ist vom Künstler mit einem Gewehr durchschossen werden. Die Skulpturen erinnern weniger an Trophäen als an Statuetten frühmenschlicher Jagdriten. Abnorm weit lassen die Durchschusslöcher die Körper der Tiere aufklaffen und offenbaren die»primitive Natur der menschlichen Spezies«(Gonzenbach). Die Tiere werden präsentiert als Opfer menschlicher Gewalt, die im Bild einer kindlich-spielerischen Faszination am Töten noch umso abgründiger erscheint. Als»Opfer«rückt in einer Kohlezeichnung von Guy Oberson ( Sacrifice, 2012) der Hirsch dem Menschen ganz nah. In einem intimen Bild der Konzentration und Stille sind nur das Geweih und der Kopf erfasst, bis zum Auge, das den Blick des Betrachters zu erwidern scheint und seine Empathie weckt. Oberson kombiniert diese Zeichnung mit einer weiteren, Souffle blanc (2012) betitelten, die wie in Fortsetzung des Tierleibs einen nackten Liegenden zeigt, der an Hans Holbeins Bild Der tote Christus im Grabe erinnert: ein existenzielles Bild zweier toter oder im Sterben befindlicher Körper, die in ihrem letzten Atemhauch auf rätselhafte Weise miteinander verbunden scheinen. Die Köpfe liegen am Boden, das Leben schwindet und mit ihm, wie von einem Regenschleier verwischt, die Grenzen zwischen Täter und Opfer, Jäger und Gejagtem. --- Vom Höhlenmenschen zum heutigen Jäger eine Typologie --- Auf eine Reihe von Garderobenständern drapiert Mark Dion verschiedene Jagdkostüme (S ) und verschiebt damit den aus naturkundlichen Schausammlungen 17 gewohnten Fokus vom Tier auf den Jäger. Nicht die üblichen ausgestopften Tiere und Trophäen, sondern die Kleidung, Waffen und Attribute der Jäger rücken ins Zentrum des Displays als hätte Dion Jagd auf Jäger gemacht und würde nun seine Beute präsentieren. Die auf diversen»pirschgängen«über Flohmärkte, durch Trödelläden oder Internetforen mühsam zusammengetragene Sammlung arrangiert Dion in vage chronologischer Folge zu einer veritablen Typologie und verdichtet darin die Ge - schichte der Jagdkultur vom Höhlenmenschen bis zum Sportjäger. Er reflektiert mit der Wahl besonders eingängiger Stereotypen Caveman, Safari-Großwildjäger, Fuchsjäger, europäischer Wald- und Wiesenjäger, amerikanischer Bogenschütze aber auch weithin kursierende Rollenbilder, 18 in die man wie in eine der präsentierten Jacken schlüpfen kann. Vorgestellt werden verschiedene, historisch geprägte Optionen des Jäger- Selbstverständnisses, die auch unter gewandelten sozialen Vor- 53

8 80 David Chancellor Gymnasium, Dallas, Texas, aus der Serie Safari Club, 2011/12

9 91 Carsten Höller Doppelpilzvitrine (Vierundzwanzigfach), 2009

10 127 William Lamson Hunt and Gather, 2008

Fig. 12»Schuss-Buch«Leineneinband mit Goldprägung, 29 23,5 cm 45 Bl.

13»Schuss-Buch«Frontispiz: Kalender mit den Jagd- und Schonzeiten für verschiedenes Wild Verlag von Adolf Jahn, Berlin o. J. Lithografie auf Papier, 28 22 cm (Stadtarchiv Leverkusen Best.

Bisweilen verzeichnen die Schusslisten auch das Erlegen eines Rehbocks.

11 Fig. 12»Schuss-Buch«Leineneinband mit Goldprägung, 29 23,5 cm 45 Bl. mit handschriftlichen Eintragungen (Stadtarchiv Leverkusen Best ) Fig. 13»Schuss-Buch«Frontispiz: Kalender mit den Jagd- und Schonzeiten für verschiedenes Wild Verlag von Adolf Jahn, Berlin o. J. Lithografie auf Papier, cm (Stadtarchiv Leverkusen Best ) ie Darstellung spiegelt die für das Morsbroicher Revier typische Treibjagd oder»jagd vor dem Hunde«auf Niederwild. Bisweilen verzeichnen die Schusslisten auch das Erlegen eines Rehbocks. Die Jagd auf Hochwild spielte im Bezirk keine Rolle, dieser gingen die Diergardts zum Beispiel in den Revieren Weiskirchen und Wadrill im heutigen Landkreis Merzig-Wadern nach. Dies belegt das»schuss-buch«, welches das zwischen 1882 und 1901 in

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