BAEDEKER WISSEN. BROCKEN Berg der Extreme GLÜCK AUF 1000 Jahre Bergbau LUCHSE Zurück im Harz HEXENWAHN Ein finsteres Kapitel ARZ

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1 BAEDEKER WISSEN BROCKEN Berg der Extreme GLÜCK AUF 1000 Jahre Bergbau LUCHSE Zurück im Harz HEXENWAHN Ein finsteres Kapitel ARZ

2 2 INHALT Top-Reiseziele Top-Reiseziele Die Liste der Sehenswürdigkeiten im Harz ist lang: Egal, ob Fachwerkstädte, Nationalpark, romanische Kirchen, Schaubergwerke, der höchste Berg des Harzes oder liebliche Täler wir haben für Sie zusammengestellt, was Sie keinesfalls versäumen sollten. t M M Bad Gandersheim Fachwerkpracht und die berühmte Stiftskirche machen die Stadt zum lohnenden Ziel. Seite 326 e M M Osterwieck Rund 400 Fachwerkhäuser aus vier Jahrhunderten bestimmen das Stadtbild des beschaulichen Ortes. Seite 290 r M M Goslar Kaiserpfalz und Rammelsberg, Fachwerkhäuser und Kirchen bezeugen, dass Goslar einst eine der reichsten Städte Deutschlands war. Seite 196 r u M M Okertal Talsperre und die Oker ziehen Sportler und Naturliebhaber an. Seite 284 i M M Halberstadt Dom, Liebfrauenkirche und viele Museen machen Halberstadt zu einem kulturellen Höhepunkt. Seite 225 o M M Clausthal-Zellerfeld Schön gelegene Bergwerksstadt, umgeben von über 70 Teichen, die zum UNESCO-Welterbe Oberharzer Wasserwirtschaft zählen Seite 175 p M M Wernigerode Ein wahres Märchenschloss überragt die lebendige Kleinstadt. Seite 355 a M M Brocken Viele Wege und die Harzer Schmalspurbahn führen auf den höchsten Berg Norddeutschlands. Seite 166 s M M Teufelsmauer Eine bizarre Felsformation zwischen Blankenburg und Ballenstedt Seite 158

3 Top-Reiseziele INHALT 3 s? d M M Quedlinburg Romanische Stiftskirche, einzigartiger Domschatz und die Fachwerkaltstadt locken. Seite 295 f M M Bodetal Der Grand Canyon des Harzes und laut Goethe das schönste Tal nördlich der Alpen Seite 159 g M M Rosstrappe Markante Felsformation mit Geschichte im Bodetal Seite 345? M M Walkenried Klosterruine und Museum vermitteln eine Vorstellung vom Leben der Zisterzienser. Seite 350 { M M Stolberg Eine Fachwerkstadt wie aus dem Bilderbuch Seite 336 { : M M Rübeland Mitten im Bodetal liegen zwei der schönsten Tropfsteinhöhlen Mitteleuropas. Seite 186 ; M M Hexentanzplatz Zu Fuß oder mit der Schwebebahn geht es hinauf, um die grandiose Aussicht zu genießen. Seite 343 < M M Gernrode Die Stiftskirche ist ein Juwel romanischer Baukunst. Seite 188 = M M Burg Falkenstein Im Selketal steht eine der besterhaltenen Burgen im Harz. Seite 332 > M M Selketal Herrliches Wiesental für Naturliebhaber Seite 327 y M M Wettelrode Es lockt die Fahrt mit dem Förderkorb in die Tiefe. Seite 314 z M M Heimkehle 750 m tief liegt eine der größten deutschen Gipshöhlen. Seite 340 Y M M Kyffhäuser Reichsburg Kyffhausen mit Standbildern von Barbarossa und Kaiser Wilhelm I. krönt den berühmten Berg, der als kleines Ebenbild des Harzes gilt. Seite 258

4 4 INHALT Lust auf... Lust auf... Bergbaumuseen, Naturerlebnisse, Handwerk oder Kunst? Einige Anregungen für Ihren Aufenthalt im Harz. SCHÖNE AUSSICHTEN Im Süden: Kyffhäuser Erhebende Aussicht über die ganze Goldene Aue Seite 258 Im Zentrum: Großer Auerberg Vom Josephskreuz aus sind Brocken und Kyffhäuser sichtbar. Seite 340 Im Zentrum: Brocken Höher geht's nicht. Seite 166 Im Norden: Teufelsmauer Blick übers nördliche Harzvorland Seite 158 NATUR PUR Luchsbegegnungen Luchse machen sich gern unsichtbar. Nicht so an der Rabenklippe. Seite 137 Unterwegs im Nationalpark Breites Exkursionsangebot mit dem Ranger ab Torfhaus Seite 127 Blüte im Brockengarten Geballte Blütenpracht: hier blüht sogar die Brockenanemone. Seite 174

5 Lust auf... INHALT 5 KUNST FÜR KENNER Domschatz Quedlinburg Meisterwerke der Kirchenkunst von unschätzbarem Wert Seite 301 Rathaus Goslar Die Künstler um 1500 bewiesen im Huldigungssaal Mut zur Farbe. Seite Jahre John Cage In Halberstadt erklingt das längste Musikstück der Welt. Seite 237 WERKSBESICHTIGUNGEN Hasseröder Brauerei In der Nähe von Wernigerode wird das berühmte Bier gebraut. Seite 366 Köhlerei Stemberghaus Von April bis Oktober rauchen bei Hasselfelde die Meiler. Seite 242 Glasmanufaktur Harzkristall Glas schmelzen, blasen, schneiden ein Rundgang durch die Welt des Glases in Derenburg. Seite 367 WELT DES BERGBAUS Oberharzer Bergwerks - museum Rekonstruierte Stollen und hervorragende Modelle zeigt das Museum in Clausthal-Zellerfeld. Seite 180 Weltkulturerbe Rammelsberg Welt der Goslarer Bergleute über und unter Tage erleben Seite 215 Grube Samson Das historische Silberbergwerk von Sankt Andreasberg besitzt sogar eine Fahrkunst. Seite 316

6 6 INHALT Inhaltsangabe HINTERGRUND 10 Fakten 11 Natur und Umwelt 16 Infografik: Der Luchs 19 Bevölkerung Wirtschaft 20 Auf einen Blick 26 Infografik: Wasser für den Bergbau 28 Willkommen im Alltag! 30 Kunst, Kultur, Geschichte 31 Geschichte 36 Special: Vom Bollwerk zum Wohnschloss 47 Fachwerkbau im Harz 50 Sagen und Bräuche 52 Berühmte Persönlichkeiten ERLEBEN & GENIESSEN 62 Essen und Trinken 63 Wurst, Wild und weicher Käse 64 Typische Gerichte 68 Special: Die Rückkehr der roten Rinder 70 Empfohlene Restaurants 72 Feiertage Feste Events 73 Buntes Hexentreiben 76 Kinder 77 Abenteuer im Freien 80 Shopping 81 Glas, Porzellan und mehr 82 Special: Typisch Harz 84 Übernachten 85 Für jeden Geldbeutel 86 Ausgewählte Hotels 88 Urlaub aktiv 89 Sport übers ganze Jahr 94 Wandern 95 Auf Goethes Pfaden 98 Special: Auf den Brocken 100 Wellness 101 Entspannen am Walde TOUREN 106 Tourenübersicht 107 Unterwegs im Harz 110 Tour 1: Die Oberharzer Wasserwirtschaft im Blick 114 Tour 2: Auf den Spuren des Bergbaus 116 Tour 3: Kraftakt unter Dampf 119 Tour 4: Wanderung auf dem Harzer-Hexen-Stieg REISEZIELE VON A BIS Z 126 Altenau 129 Bad Grund 133 Bad Harzburg 139 Bad Lauterberg 143 Bad Sachsa 145 Ballenstedt 149 Benneckenstein 152 Blankenburg 159 Bodetal 163 Braunlage 166 Brocken 168 Infografik: Brocken 175 Clausthal-Zellerfeld 184 Elbingerode 188 Gernrode 194 Infografik: Harzer Romanik 196 Goslar 204 3D: Kaiserpfalz 218 Infografik: Bergbau am Rammelsberg

7 Inhaltsangabe INHALT 7 Typisch Harz: Harzer Käse und der Oderteich 220 Special: Reichtum der Unterwelt 223 Hahnenklee-Bockswiese 225 Halberstadt 238 Special: Auferstanden aus Platten und Ruinen 241 Hasselfelde 244 Herzberg 248 Hettstedt 251 Ilfeld 253 Ilsenburg 258 Kyffhäuser 264 Langelsheim 268 Lutherstadt Eisleben 273 Special: Ein Kloster entsteht neu 274 Mansfeld 278 Nordhausen 284 Okertal 286 Osterode 290 Osterwieck 295 Quedlinburg 302 3D: Stiftskirche St. Servatius 309 Sangerhausen 315 Sankt Andreasberg 320 Special: Gefiederte Lebensretter 321 Schierke 323 Seesen 327 Selketal Harzgerode 334 3D: Burg Falkenstein 336 Stolberg 342 Thale 346 Infografik: Hexenwahn 348 Special: Von Heiligen und Hexen 350 Kloster Walkenried 355 Wernigerode 368 Wippra PRAKTISCHE INFORMATIONEN 372 Anreise 373 Auskunft 374 Literaturempfehlungen 376 Preise und Vergünstigungen 376 Reisezeit 377 Verkehr 380 Register 387 Bildnachweis 388 Verzeichnis der Karten und grafischen Darstellungen 389 atmosfair 390 Impressum 394 Harz Kurios PREISKATEGORIEN Restaurants (Preis für ein Hauptgericht) AAAA = über 30 AAA = AA = A = bis 10 Hotels (Preis für ein DZ) AAAA = über 120 AAA = AA = A = bis 50 Hinweis nummern sind mit einem Stern gekennzeichnet: *

8 Kunst, Kultur, Geschichte HINTERGRUND 31 In der Mitte Deutschlands Ottonen und Salier zogen von Pfalz zu Pfalz und brachten eine Blütezeit in der Kunst mit sich. Der Bergbau lieferte die dazu führte den Harz in den Windschatten der Geschichte. Erst die Aufschwung größtes Pfund sind die Bauten der Romanik. FRÜHZEIT BIS REICHSGRÜNDUNG v. Chr. Jäger und Sammlersippen bilden sich heraus v. Chr. Bauernkulturen entwickeln sich im Harzvorland v. Chr. Älteste Nachweise von Metallgewinnung im Harz 800 v. Chr. Beginn der Eisengewinnung und Verarbeitung ab dem 6. Jh. Sachsen und Franken besiedeln den Harz Karl der Große unterwirft die Sachsen und dehnt sein Gebiet aus. 8. Jh. Christliche Zentren (die späteren Bistümer Halber stadt und Hildesheim) entstehen. In der Altsteinzeit ( v. Chr.) lebten die Menschen im Harzvorland in umherziehenden Horden als Jäger, Sammler und Fischer. Funde von bearbeiteten Geweih- und Feuersteinspitzen und Knochen eiszeitlicher Tiere an Rast- und Siedlungsplätzen, u. a. in den Rübeländer Höhlen, der Einhornhöhle, an der Bode bei Wedderleben, bei Quedlinburg und bei Frankenhausen belegen, dass die Menschen zur Nahrungssuche in das wildreiche Gebirge eindrangen, das zu dieser Zeit von einem dichten Urwald bedeckt war. Im Neolithikum (Jungsteinzeit, v. Chr.) erfolgte der Übergang zu Ackerbau und Viehzucht. Im Harzvorland entwickelten sich sesshafte Bauernkulturen. Nachweislich wurden auch die höheren Lagen des Harz für die Weidewirtschaft genutzt, ähnlich der heutigen Almwirtschaft. Spuren aus der Jungsteinzeit fanden sich in den Flusstälern der Bode und der Selke, bei Elbingerode, Braunlage und Hasselfelde. In Gräbern, an Kultstätten und an Siedlungsplätzen, u. a. bei Thale, Ballenstedt, Hettstedt und Sangerhausen, wurden Steinwerkzeuge (Messer, Beile, Hacken, Äxte), Knochenreste von Haustieren (u. a. Rinder, Schweine, Ziegen), Schalen, Krüge und Kannen gefunden. Altsteinzeit Jungsteinzeit Schloss Wernigerode, Zierde des nördlichen Harzrandes

9 32 HINTERGRUND Kunst, Kultur, Geschichte WISSEN 2700 Jahre alte Verwandtschaft Während der Bronzezeit ( v. Chr.) wurde der gesamte Harz besiedelt. Erste Nach- Die Lichtensteinhöhle diente in der Bronzezeit zwischen dem weise von Metallgewinnung lassen 10. und 8. Jh. v. Chr. einem Familienclan als Begräbnisstätte. Weil winnung im Harz seit 3000 Jahren Montanarchäologen eine Erzge- annehmen ( Wissen S. 220). exzellent erhalten sind, konnten Aus Schweden, Dänemark und Archäologen DNA-Proben entnehmen glichen sie diese manen stießen im Harzraum auf Norddeutschland stammende Ger- mit Speichelproben heute in der die aus dem Süden einwandernden schen ab und entdeckten bei zwei Funde in Neinstedt und bei Qued- Kelten. Personen eine direkte verwandtschaftliche Beziehung zu einem kostbare Grabbeigaben, zeigen, linburg, u. a. Waffen, Schmuck und dass sich trotz lang andauernder der Siedlungskontinuität an diesem Ort über rund 120 Generatio- Kämpfe eine bemerkenswerte Kultur entwickelte. Fundorte waren nen! Dieses Forschungsergebnis u. a. die Georgshöhle bei Thale, der ist weltweit einmalig (mehr dazu Lehofberg bei Quedlinburg, das im Höhlenerlebniszentrum Bad Gräberfeld bei Meisdorf und der Grund). Peterstein bei Wernigerode. Rund um den Harz entstanden die ersten Fluchtburgen, befestigte Burgwälle zum Schutz der Bevölkerung und zur Herrschaftssicherung der Adelsschicht. An sie erinnern nur wenige Spuren, u. a. am Ausgang des Bodetals bei Thale, am Hexentanzplatz (Talburg und Winzenburg) und auf der Rosstrappe, die Struwenburg im Norden, Pipinsburg, Questenberg und Sachsenburg im Süden. Eisenzeit In der Eisenzeit (ab 800 v. Chr.) wurde Eisen zum wichtigsten Werkstoff. Für den Harz nachgewiesen ist Erzverhüttung bereits um 300 n.chr. Diese frühesten Nachweise stammen aus Düna bei Osterode. Am Rammelsberg datieren die ersten archäometrischen Nachweise von Bergbau ins 5./6. Jh. Wahrscheinlich setzt aber auch hier der Abbau bereits früher ein. Möglicherweise reicht der Erzabbau im Harz sogar bis in die Bronzezeit zurück. Stammesstaaten entstehen In Mitteleuropa bildeten sich n. Chr. die ersten Stammesstaaten heraus. Das im 5. Jh. mächtige, von der Elbe bis zur Donau reichende Reich der Thüringer wurde 531 von den vereinigten Franken und Sachsen vernichtet und unter ihnen aufgeteilt. Die geschlagenen Fürsten flüchteten mit ihrem Gefolge in die Berge, wo sie an schwer zugänglichen Plätzen die ersten frühmit telalterlichen Burganlagen errichteten. Gräberfelder und Siedlungen konzentrieren sich um Halberstadt, Klostermansfeld und Quedlinburg.

10 Kunst, Kultur, Geschichte HINTERGRUND 33 Im Fränkischen Reich gelangten die Karolinger an die Macht (751 Krönung Pippins III. zum Frankenkönig). Karl der Große ( ; seit 768 Frankenkönig, 800 Kaiserkrönung) unterwarf die Bayern und Sachsen und dehnte sein Reich bis nach Oberitalien und Westgermanien aus. Die fränkische Landnahme war verbunden mit der Ausbreitung des christlichen Glaubens, u. a. durch Wipertus ( 747) und Bonifatius ( 754), und der karolingischen Kunst. Im Harz entstanden christliche Zentren, aus denen später die Bistümer Halberstadt (810) und Hildesheim (815) sowie die Klöster Wendhusen, Drübeck, Ilsenburg hervorgingen. Sie hatten die Missionierung und den Aufbau kirchlicher Strukturen zu sichern. Aus dieser Zeit hat sich im Harz nur die Krypta der St.-Wiperti-Kirche in Quedlinburg erhalten. Nach der Eingliederung der Sachsen in das Fränkische Reich bildete der Harz die Grenze zwischen der germanischen und der slawischen Welt. An vielen Orten wurden Steinburgen gebaut, in deren Schutz sich Siedlungen bildeten. Heute erinnern noch viele Ortsnamen, die auf -rode oder -schwende enden, an ihren Ursprung durch Rodung oder Brandrodung, dem sog. Feuerschwenden. Zunächst lagen die Städte nur am Harzrand, im Laufe der Zeit entstanden sie auch im Harzinnern. In dem Mitte bis Ende des 9. Jh.s erstellten Hersfelder Zehntverzeichnis werden in der Harzregion bereits über 300 Siedlungen und Gemeinwesen namentlich angeführt, dazu kamen in der Folgezeit über 500 Burgen und Pfalzen. Karolinger DAS FRÜHE DEUTSCHE REICH 919 Der Liudol nger Heinrich I. wird erster deutscher König Ottonenherrschaft: Die Harzregion wird Kernland der deutschen Kaiser und erlebt eine Blütezeit. 970 Silbervorkommen am Rammelsberg sorgen für 200 Jahre Wohlstand. Ab 1125 Die Macht der Krone wird im Kampf mit Adel und Kirche geschmälert, die Harzregion zerfällt in verschiedene weltliche und geistliche Territorien. 14. Jh. Die Städte gewinnen an Eigenständigkeit. Die Pest von 1348 bringt den Bergbau zum Erliegen. Missernten und drückende Abgaben verschlechtern die Lebensbedingungen der Landbevölkerung. Die Ottonen bauen während ihrer Regentschaft den Harz als ihr Hausmachtgebiet zum Kernland der deutschen Kaiser aus und verschaffen der Region eine Blütezeit. Die Funde reicher Erzlager, wie Silber am Rammelsberg bei Goslar und in Clausthal-Zellerfeld, Blei bei Gernrode, Eisenerz bei Stolberg, Benneckenstein, Tanne und

11 34 HINTERGRUND Kunst, Kultur, Geschichte Rübeland sowie von Kupfererz bei Mansfeld und Hettstedt, führten zum Entstehen des Bergbaus und der genannten Bergbauorte. Seit dem 11. Jh., vor allem um 1200, entstanden dann im Auftrag des weltlichen und geistlichen Adels zahlreiche Steinburgen (z. B. Rothenburg und Falkenstein; Baedeker-Wissen S. 36). Heinrich der Vogler Wanderkönige Kernland der Kaiser HERRSCHAFT DER OTTONEN ( ) Im 9. und 10. Jh. kristallisierten sich die Liudolfinger (Ottonen) aus dem Gandersheimer Gebiet als einflussreichste sächsische Stammesfürsten heraus. 912 wurde der Heinrich (875 bis 936) zum Herzog von Sachsen und 919 von den übrigen Stammesfürsten zum König des Ostfränkischen Reichs gewählt, das Keimzelle des späteren Deutschen Reiches werden sollte. Der Legende nach soll sich der begeisterte Vogelfänger Heinrich zum Zeitpunkt seiner Wahl in Quedlinburg aufgehalten haben, wo sich sein»finkenherd«befand, eine auf einer Waldlichtung gelegene Vogelfalle aus Netzen und Leimruten. Noch heute bezeichnet eine Reihe von Fachwerkhäusern in Quedlinburg den Finkenherd. Die Stelle allerdings beanspruchen auch andere Harzorte, darunter Nordhausen und Pöhlde, für sich. In Wahrheit war Heinrich auf dem Reichstag zu Fritzlar, bei dem er 919 zum König gewählt wurde, höchstselbst anwesend. Johann Nepomuk Vogl machte ihn in seiner Ballade»Heinrich der Vogler«von 1835 fälschlich zum Kaiser. Wie die Karolinger besaßen auch die Ottonen und Salier keine feste Hauptstadt. Sie zogen stattdessen mit ihrem gesamten Hofstaat von Pfalz zu Pfalz (lat. Palatium = Name des Hügels in Rom, auf dem der Kaiserpalast stand, daraus entwickelte sich die Bezeichnung für die Residenz eines Königs). Am Harzrand lagen die am häufigsten besuchten Königspfalzen: Quedlinburg, Goslar, Werla, Pöhlde, Nordhausen, Tilleda und Allstedt. Mit den beiden Damenstiften Gandersheim und Quedlinburg befand sich das geistliche Zentrum der ottonischen Könige ebenfalls im Harz. Mit dem Herzogtum Sachsen besaßen Heinrich I. und seine Nachfolger eine starke Territorialmacht. Heinrich sorgte für den Ausbau zahlreicher Burgen und besiegte 933 die Ungarn. Das Zentrum des Reichs verlagerte sich nach Sachsen, der Harz wurde Kernland der deutschen Kaiser. Hier lagen die am Rammelsberg bei Goslar um 970 (wieder) entdeckten größten Silbervorkommen des Reichs. Dies glich die Rückständigkeit des Harzes bald aus und bildete in den folgenden Jahrhunderten die Quelle für den wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung, der rund 200 Jahre anhielt. Otto I. ( ; seit 962 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs), Sohn Heinrichs I.,

12 Kunst, Kultur, Geschichte HINTERGRUND 35 festigte seine Herrschaft durch die Einsetzung von Bischöfen und Klosteräbten zu Reichsfürsten. Das im 10. Jh. von den sächsischen Kaisern bevorzugte Quedlinburg büßte seine Bedeutung allmählich zugunsten des 922 gegründeten Goslar ein. Bereits Heinrich II., der letzte sächsische Herrscher ( ), hatte seine Pfalz von Werla nach Goslar verlegt. Die ottonische (frühromanische) Kunst befreite sich von den spätantiken Traditionen und gilt damit als Beginn einer eigentlich deutschen Kunst. Zu den ottonischen Meisterwerken der Sakralbaukunst zählt die Stiftskirche St. Cyriakus in Gernrode, eine kreuzförmige, flachgedeckte Basilika mit Nonnenemporen und der frühesten Hallenkrypta im norddeutschen Raum. Die Stiftskirche zeichnet sich durch eine klar gestaltete Außenarchitektur und das durch einfachen Stützwechsel hervorgehobene Innere aus. In die gleiche Zeit fällt auch der Bau der Klosterkirche St. Wiperti und der Grabkirche auf dem Schlossberg, beide in Quedlinburg, sowie der Klosterkirche in Drübeck. Ottonische Malerei hat sich v. a. in der Buchmalerei erhalten. In den Domschätzen in Quedlinburg und Halberstadt sind einige frühromanische Meisterwerke zu sehen. Ottonische Kunst regieren. Eine davon befand sich in Goslar.