Predigt über Lukas 23,33-49 am Karfreitag 2011 Jesus stirbt - ärgere dich nicht!

Transkript

1 Predigt über Lukas 23,33-49 am Karfreitag 2011 Jesus stirbt - ärgere dich nicht! Jesu Kreuzigung und sein Sterben auf Golgatha geschehen turbulent und schnell. Nicht alles geschieht anscheinend freiwillig, jeder Evangelist berichtet anders. Falls alles einer Chaos-Theorie folgte, was sollen wir dann glauben? Am besten wäre ein Drehbuch oder ein Spielplan, in dem auch wir vorkommen. Wir - unter dem Kreuz des Jesus auf Golgatha, am Karfreitag. ich wage heute einmal einen Versuch, einen Spielplan von Golgatha zu malen. Dabei halte ich mich an den Bericht des Evangelisten Lukas. Wir hören heute also nur mit den Ohren des Lukas und schauen nur mit seinen Augen. Lukas berichtet von Golgatha, und dafür mag jetzt diese quadratische Pappe stehen. Auf dem Golgatha-Platz sieht Lukas mehrere Gruppen unter dem Kreuz. Er sieht die Soldaten, er sieht die Festbesucher, er sieht die Gruppe der Pharisäer und Priester, und er sucht auch die Jünger. Zuerst beobachtet er, wie Jesus und die beiden Mitgekreuzigten in die Mitte geschleppt werden. Lukas schreibt: Als sie zum Platz kamen, die Schädelstätte heißt, kreuzigten sie dort Jesus und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Direkt unter Jesu Kreuz losten die Soldaten, vielleicht mit kleinen Scherbenstücken, um Jesu Kleidung als Beute. Für die Soldaten klebe ich 3 blaue Kreise hier in diese Ecke. Lukas beschreibt, wie Jesus seinen Ärger über ihr Verhalten im Gebet verarbeitet: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Hinzu kam, dass die Soldaten ihm Essig brachten und spotteten: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Von den Soldaten in den 3 blauen Kreisen spürte Jesus also offenen Spott. Dabei zeigten sie spottend auf das Schild, unter dem er hilflos gefesselt hing mit der Aufschrift: Dies ist der Juden König. Von den Soldaten gabs also reichlich Spott und Hohn. Was beobachtet Lukas bei den vielen Passahfest-Besuchern und der Normalbevölkerung? Er sagt lapidar: Das Volk stand da und sah zu. Jesu litt am Kreuz martialisch, aber er litt auch wortlos und beziehungslos. Jesus litt körperlich und psychisch und auch mental und sozial. Das Volk sah stumm und versteinert zu, dafür klebe ich hier 4 gelbe Kreise ein. Gelb als Farbe für Neid und Intrige, Gelb auch als

2 Kennfarbe des Judas und der Klatschpresse, der YELLOW PRESS. 4 gelbe Kreise für den Ärger Jesu angesichts des apathischen Volks. Lukas spürt und hört eine dritte Gruppe, die Jesus ärgert und lästert. Das sind die in den roten Roben und dem Purpur der Macht, und dafür markiere ich 4 rote Kreise. Lukas hört die Oberen, die spotteten: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. Tödlicher Zynismus kam von den Religionsführern. Das sind schon überviel Kränkungen und Ärgernisse. Da provozieren ihn nun auch noch die beiden Mitgekreuzigten. Mal tun sie so, als wäre er gar nicht da, dann überschütten sie ihn mit Gift und Galle. Für die beiden füge ich 2 grüne Kreise ein. Lukas berichtet dazu: Einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er flehte: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Doch was soll der sterbende Jesus von so einem Egoismus halten? Mit Lukas erkennen wir vier Interessensgruppen rund ums Kreuz. Jede setzt dem sterbenden Jesus anders zu. Weiß jeder eigentlich, welche Rolle er da spielt? (Pfeil vom Start blau) Die Soldaten losen, wer sein letztes Hemd bekommt. (Pfeil vom Start gelb) Das Volk hatte ja schon vorher geschrien: Kreuzige ihn! (Pfeil vom Start rot) Die Oberen wehren ihn ab als Zumutung Gottes, er darf für sie nicht zum Messias werden. (Pfeil vom Start grün) Die Verurteilten bezeugen sogar, dass er kein Verbrechen begangen hat. Nun erkennen wir den ungeheuerlichen Druck und Ärger, der auf Jesus zielt. Nun erkennen wir, wie das Drama auf Touren kommt und alles auf Vollstreckung drängt. Jesus hängt in der Mitte am Kreuz, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit, wie Paulus sagt (1. Kor 1, 23) Lässt sich Jesus wie eine Schachfigur vom Spielfeld fegen? Wird er als Mensch dem Ärger erliegen? Und Gott? Geht Gott mit unter? in diesem Chaos entscheidet sich Gott-in-Jesus. Gott gibt dem Ärger eine andere Richtung. Er organisiert alles neu (alle 4 Pfeile, die in die Häuschen führen). Jesus fängt

3 mit dem Schächer an und verspricht ihm: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Für die beiden markiere ich zwei grüne Kreise im Zielfeld. (2 grüne Häuschen) Im Brettspiel Mensch ärgere dich nicht heißt diese Position übrigens Häuschen. Ins erste sichere Häuschen nimmt Jesus einen Schwerverbrecher mit hinein! Alle anderen erstarren vor Empörung, doch Jesus spielt ihr Spiel nicht mit. Sinngemäß sagt er: Keiner von euch, sondern Du wirst heute mit mir ins Paradies einziehen. Wir sind die ersten beiden, die in meines Vaters Haus reinkommen! Dafür hält Gott zwei Plätze bereit. Wie löst Jesus das Ärgernis des Kreuzes weiterhin auf? Lässt Jesus am Kreuz Gott zum Zug kommen? Ja, Jesus lässt Gott zum Zug kommen. Lukas sieht, wie die Oberen rot anlaufen voll Wut und Mordlust, aber mit dem zweiten Auge sieht Lukas auch noch das: Es war mittags, als für 3 Stunden eine Finsternis über das ganze Land kam. Die Sonne verlor ihren Schein und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Die Oberen hatten ihm wütend die rote Karte gezeigt: Andern hast Du geholfen; jetzt hilf dir selbst, falls Du wirklich der Christus-Messias bist, der Auserwählte Gottes. Gottes Antwort ist darauf das energische Zerreißen des Vorhangs im Tempel. Damit zwingt er die Religionsführer, sich zu entscheiden. Den Riss können sie nicht mehr reparieren, aber werden sie es wagen, durch ihn hindurch zu gehen, um dem wahren Gott zu begegnen? Um so nah ans Kreuz zu kommen, wie ich jetzt die roten Kreise ins Haus Gottes einklebe? Nein, sie schrecken in ihrer Zerrissenheit zurück. Lieber bleiben sie gerissen. Jesus aber benutzt den Vorhang ein zweites Mal. Ein erstes Mal, als er Mensch wurde, und jetzt sterbend ein zweites Mal. Er stirbt durch den Riß im Vorhang hindurch und betet: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er. So handelt Jesus als wahrer Führer seines Volkes, als wahrhaftiger Oberpriester. Und lässt den Spalt offen, durch den hindurch sie nachfolgen können wofür 4 rote Hauschen bereitstehen. (4 rote Häuschen) Jesus stirbt also mit dem Gebet aus Psalm 22 auf den Lippen: Vater in deine Hände befehle ich meinen Geist! So gibt er seinem Sterbe-Ärger einen Ruheort. Für Lukas ist enorm wichtig, dass das nicht nur seine jüdischen Volksgenossen verstehen, sondern auch heidnische Ausländer. Deswegen berichtet Lukas von einem völlig überraschenden Spielzug des römischen Kohortenführers: Als der sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen! Auf dem freien Spielfeld des römischen Militärs bekäme er für dieses Bekenntnis die Todesstrafe als

4 erster Christ mit militärischem Rang. Dafür bekommt er für sich und seine Truppe Ehrenplätze im sicheren Haus des Gottesfriedens. (3 blaue Häuschen) Noch steht unter dem Kreuz unschlüssig das Volk herum, apathisch und ein wenig lauernd. Welche Schritte werden die Einzelnen nun gehen? Lukas erzählt voller Staunen: Als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles. Kurz gefasst: Das Volk schaut nicht mehr apathisch-lüstern, sondern schaut mehrmals so genau, wie Zeugen hingucken. Deswegen das Schlagen-auf-die-eigene-Brust und das spezielle Wort umkehren. Das Volk kehrt um, ein jeder in sein Herkunftsland, so wie die Frauen nach Galiläa. Lukas deutet somit den Siegeszug des Glaubens an. Hier beginnt der Siegeszug der Auferstehung und der leidenschaftlichen Volkskirche. Zeuge-werden unterm Kreuz, Umkehr vom Kreuz weg! Seit Golgatha&Ostern flutet also die Sonnenfarbe gelb die Welt und das Volk Gottes. Deswegen klebe ich jetzt die Vollzahl von 4 gelben Häuschen ins Bild. (4 gelbe Häuschen) Schon hier am Kreuz wird klar, dass die Gemeinde Gottes zur Vollendung kommt, wenn sie full house ist und die widerstreitenden Machtgelüste unterm Kreuz integriert. Die Vergebung vom Kreuz kennt keine Ausnahme. (alle restlichen Häuschen einkleben) Jeder von uns spielt mit auf Golgatha. Jeder gehört zu mindestens einer Gruppe. Jeder braucht in seiner Partei nur ein wenig mit anschieben. So braut sich die Schuld der ganzen Menschheit zusammen, mal apathisch, mal zynisch, mal egoistisch und mal kleinlaut. Wir alle ziehen unsere Bahnen ums Kreuz, jeder umzingelt den Jesus am Kreuz mit seinem Ärger und seiner Angst. Doch mitten im Mittelpunkt der Sünde errichtet Gott das Haus der Vergebung. Jesu Tod und Sterben ziehen uns mit hinein in eine neue Art von Heimat. Auch am Kreuz also bestimmt Gott die Spielregeln und die Hausordnung des Hauses Gottes in dieser Welt. So wandelt sich das Kreuz vom Symbol der Schande zum Haus der Vergebung und Versöhnung. Darin steckt die Kraft zum Aufbruch. Ostern bahnt sich an! Auf diesem Spielplan bildet das Kreuz ein Haus aus vielen Häuschen, mit vielen Wohnungen. Die werden wir aber nicht mit neuen Mauern verteidigen, mit neuen

5 Vorhängen und Schießscharten, und zwar deswegen, weil Gott sich auf Golgatha geöffnet hat als unser neues Seelenhaus in dieser Welt. Sie, die ganze Welt und die ganze Menschheit, ist das Zuhause Gottes, in das er uns sendet. So wird aus dem Ärgernis des Kreuzes eine Attacke der Güte Gottes, die in diese Welt hineinwirkt. Mensch ärgere dich nicht gehe mutig als Zeuge und Christ hinein in die Treibjagden deiner Mitmenschen. Das lernen wir heute auf dem Aktionsfeld Gottes auf Golgatha. Amen Manfred Mielke, Pfarrer in Denklingen