Geistliche Gedichte. Angelus Tomasius

Transkript

1 Geistliche Gedichte Angelus Tomasius im August 2017

2 Eine Schwalbe fliegt über den See. Zack - ein Wasserkreis. Flog sie nicht geradeaus?

3 WIRKLICHKEIT Als ich die Wirklichkeit noch gern erdachte, das Wirkliche auch gerne mal verlachte. Doch seit ich Wirklichkeit nur rein erlebe, das Wirkliche mit Ehrfurcht mich erfüllt. Die Wirklichkeit, die ich allein erstrebe, ist Liebe - wirksam, stetig, unverhüllt.

4 WESENHAFT Vergänglichkeit ist unser Wesen hier, und Ewigkeit ist unser Wesen dort - das schon im Hier zu finden, um mit ihm sich willig zu verbinden, von dem die Bindung ausgeht, in die der Zeitliche nun ewig liebend einkehrt...

5 IN GOTTES LEBEN Vergängliches gehört zu mir, ich bin es nicht, und wenn ich geh', im Leben steh', ganz unbeschwert im Licht, das ich ja ewig selber bin, in Gottes Leben, lichtem Sinn.

6 "ICH"-SEIN Ich bin das Ewige, das "Licht", das Zeitliche: ich "bin" es nicht. Hab' es nur zeitlich "angenommen", als ich vom Ewigen bin "abgekommen". Dort bin ich noch als "Ich im Licht", davon ich Dir ja hier bericht'.

7 IN DEINER LIEBE In Deiner Liebe lieb' ich mich, wie Du mich ewig liebst in Dir, in Deiner Liebe lieb' ich Dich, wie Du Dich ewig liebst in mir...

8 GANZSEIN Ganzsein und somit Heilsein bedeutet, dass Alles in mir lebendig sein darf und nicht abgelehnt wird, also Schmerz, Unwohlsein, Not, Scham und Verzweiflung genauso wie Wohlsein, Freude und Glück. Sämtliche Gefühle und Befindlichkeiten machen in Wahrheit meinen inneren Reichtum aus, gehören zu meiner seelischen Fülle und Vollständigkeit, wenn ich sie zu bejahen vermag. Ihre Bejahung wird durch Hingabe ermöglicht, entweder in der Liebe als einer Voraussetzung für Hingabe oder durch die Hingabe zur Liebe führend, also als Folge. In den innersten jenseitigen Reichen des Lebens herrschen schließlich nur noch Freude und Glück, und zwar auf der Basis von Liebe und Hingabe. Nur die Liebenden ewiger Liebe können dort (oder besser: hier) leben und gestalten. Hier gibt es weder Schmerz noch Leid, weder Not noch Verzweiflung, allenfalls in der gewollten Erinnerung an Irdisches, und zwar im Glück des Entronnenseins und Heimgefundenhabens; dieses Glück also nicht vermindernd, sondern steigernd. Hier heißt Ganzsein All-eins-sein in Glückseligkeit. Diese Glückseligkeit kann schon heute als grundlegend empfunden werden, weil sie im Innersten und aus diesem Innersten lebendig werden kann. Ja, ewige Glückseligkeit ist für mich die innerste Essenz, die Grundlage und das Ziel aller Gefühle, Emotionen und Befindlichkeiten. Sie thront und strahlt im höchsten innersten Ich des Menschen als sein "lebendiger Gott". Vgl. Bô Yin Râ Das Buch vom lebendigen Gott, Mehr Licht (darin: Vom rechten Gottesdienst)

9 "ICH" Womit fühlst Du Dich identisch? Was meinst Du zu sein? Dieser Körper bist Du nicht, weder Kopf noch Arm noch Bein, kein Gefühl und kein Gedanke, nicht Vorausschau, nicht Erinnerung. Was all dieses gar nicht ist, dieses lebt im Licht! Es ist unvergänglich, still, unwandelbar. In ihm allein erkenne Dich! Nur dieses nenne "Ich"!

10 ANERKENNUNG Wofür will ich anerkannt sein, worauf gerne "reiten"? Was hängt mir am Bein, hindert mich am Schreiten? Lieber will den Blick mir weiten, und hinein mich selber breiten in mein eig'nes wahres Wesen, vom kleinen Selbst dabei genesen. Denn alles, was ich bin, ist mir von Gott erlesen, und alles, was ich gern gewinn', bin ewig ich in Gott gewesen.

11 HEIMAT I Dereinst werd' ich gehen, um still im Glück zu stehen, wie ich schon heut' im Frieden steh', wenn ich zu mir nach innen geh'.

12 HEIMAT II Im echten "Ich" bin ich im Frieden, selig in mir selbst hienieden. Doch nur Euch hab' ich zu danken, dass ich nicht immerzu am Wanken; dass ich ins Leichte bin erhoben, unerreichbar schweren Wogen; dass mein Haus steht fest am Platz, strahlend still aus seinem Schatz. Und kommen Trauer oder Zorn, weiß ich auch sie aus Gottes Born. Ich fließe still in sie hinein, damit auch sie in Gott daheim.

13 HEIMAT III Ich seh' nichts Fremdes in der Welt, was sich allein nur so verhält, seit ich mir selbst im Licht zerrann und Gottes Leben still gewann.

14 EHE-EINHEIT Wir zwei sind eins im Licht der Ewigkeit. Dort bist Du mein's und ich bin Dein's in Himmels Seligkeit. Und wie der "Vater" ewig "Mutter" liebt im Grund der "Gottheit" - er ganz sich schenkt, sie sich ihm gibt in Himmels Einigkeit - so sind wir zwei ein Liebespaar, das ganzer "Mensch" und ewig wahr.

15 ZEITWEILIG UNNÖTIG Ich fühl' mich Dir vereint, muss die Einung nicht vollbringen, muss Dich nicht erst durchdringen, bin Dir schon jetzt geeint!

16 SEIN UND WERDEN Nichts ist weniger nötig als zu "werden". Ich will nur "sein", denn "Ich bin" immer im Licht und in der Liebe. So werde ich, der ich ewig bin. Und so bin ich ewig, der ich werde.

17 HIER I Das Reich Gottes kann hier und jetzt empfindbar werden, Gott sei Dank! Der Himmel ist hier.

18 HIER II Die Himmel wie die Höllen: sie sind hier. In mir wie auch in Dir. HIER III Der Himmel ist hier, ja immer hier. Ganz tief in Dir, wie auch in mir.

19 VOLLSTÄNDIGKEIT Sitzt Du froh und still am Marktplatz, verweilend sanft in Deinem Schatz? Es geht nicht nur ums Schwatzen, ums miteinander lecker Schmatzen! Nur wenn sich Erd' und Himmel einen im reinen Herzen Dein, wird Deine Seele nicht mehr weinen und Dein Genuss vollständig sein!

20 ZEIT UND EWIGKEIT Alles zeitliche Geschehen ist ins Ewige gebettet - findet statt in von der Ewigkeit geschenktem Raum. Wir Menschen sind geblendet vom Vergehen, sind in die Spur der Zeit so fest verkettet - das Ewige: wir fühlen's selten, fühlen's kaum.

21 HEIMWEG Du kannst in Zeitliches Dich bodenlos verwühlen oder Ewiges in Deiner Tiefe still erfühlen - und von dort Dein Leben gütig lenken lassen, anders als die Menschen in den meisten Gassen... Ja, endlich wirst zurück zu Deiner Heimat finden müssen, wie anders könnt' Dich Ewiges allhier schon liebend küssen? Nur wenn Du hier schon Deine Schritte stetig achtsam heimwärts lenkst, weißt Du Dein Leben gut zu nutzen, anders als wohl heut' noch denkst...

22 TANZ In meinem Erdenkleid erklingt des Geistes Leib : Die Mitte wie das Ganze ist das Herz, mit dem ich tanze.

23 SEGEN Des Gottes Liebe geb' ich Dir gern : Des Lichtes Segen!

24 EINFACH UND OFFEN Nur einfach wie die Kinder erreichen wir das Große, das Unbezeichenbare, Reine, Bloße. Und nur wenn die Seele weit und still geöffnet, das ewig Gute, Wahre, Schöne sich eröffnet.

25 BEREITSCHAFT Dein Leben nie vergeude, Dir selber sei zur Freude. Nur mit Dir selbst im Frieden, wird stärker er hienieden. Doch nur bereit zu gehen, ist gut im Leben stehen.

26 Herzliche Weisheit fördern Thomas Löffler Auf dem Graben Staufen Deckblatt: Foto Gloria Dei von Thomas Löffler