DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN
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- Caroline Bösch
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1 Vf. 102-IV-12 DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN IM NAMEN DES VOLKES Beschluss In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Frau S., Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwälte Molsbach + Bürger, Bergstr. 60, Dresden, hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen durch die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes Birgit Munz, die Richter Jürgen Rühmann, Uwe Berlit, Matthias Grünberg, Ulrich Hagenloch, Hans Dietrich Knoth, Stephan Thuge, Hans-Heinrich Trute sowie die Richterin Andrea Versteyl am 25. Februar 2014 beschlossen: Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
2 2 G r ü n d e : I. Mit ihrer am 17. Dezember 2012 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kamenz vom 5. November 2012 (8 OWi 400/12 jug). Die Beschwerdeführerin begehrt im Ausgangsverfahren Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist gegen einen Bußgeldbescheid. Der Bußgeldbescheid des Landratsamtes B. vom 26. Juli 2012 ( ) war der Beschwerdeführerin am 30. Juli 2012 zugestellt worden. Nachdem der Beschwerdeführerin am 12. September 2012 ein weiterer Bescheid des Landratsamtes B. zugestellt worden war, mit dem ihre Teilnahme an einem Aufbauseminar wegen der rechtskräftigen Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit angeordnet wurde, legte ihr Verteidiger am 19. September 2012 für die Beschwerdeführerin Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Einspruchsschreiben sei am 10. August 2012 erstellt und unterzeichnet, sei jedoch aufgrund eines Büroversehens nicht an die Bußgeldstelle übersandt worden. Dieser Sachverhalt werde anwaltlich versichert. Dass die Einspruchsfrist versäumt worden sei, sei das Verschulden des Verteidigers und dürfe nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin gehen. Sein Einspruchsschreiben vom 10. August 2012 war dem Antrag in Kopie beigefügt. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2012 ( ) verwarf das Landratsamt B. den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da die Angaben der Beschwerdeführerin auch in Verbindung mit den vorgelegten Unterlagen nicht zur Glaubhaftmachung dafür ausreichten, dass sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert gewesen sei. Hiergegen stellte ihr Verteidiger für die Beschwerdeführerin am 25. Oktober 2012 Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die unverschuldete Fristversäumnis sei ausreichend durch die anwaltliche Versicherung und die Übersendung des Einspruchsschreibens vom 10. August 2012 glaubhaft gemacht worden. Mit Beschluss vom 5. November 2012 (8 OWi 400/12 jug) verwarf das Amtsgericht Kamenz den Antrag des Verteidigers, im Wege der gerichtlichen Entscheidung den Bescheid des Landratsamtes B. vom 10. Oktober 2012 aufzuheben. Zur Begründung verwies es auf die zutreffenden Gründe des Bescheides. Gegen diesen Beschluss erhob der Verteidiger für die Beschwerdeführerin am 27. November 2012 Gegenvorstellung. Die Einspruchsfrist gegen den Bußgeldbescheid sei am 10. August 2012 abgelaufen. An diesem Tag habe die Beschwerdeführerin ihm den Bußgeldbescheid per Telefax übersendet. Am selben Tag sei das von einer Kollegin unterzeichnete Einspruchsschreiben gegen den Bußgeldbescheid fertiggestellt worden. Dieses Einspruchsschreiben sei
3 3 allerdings versehentlich durch seine Mitarbeiterin nur an die Rechtsschutzversicherung der Beschwerdeführerin, nicht an die Bußgeldstelle gefaxt worden. Aufgrund des folgenden Bescheids vom 7. September 2012, welcher am 14. September 2012 in seinem Büro eingegangen sei, sei dieses Versehen festgestellt worden. Hierauf sei Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fristgemäß am 19. September 2012 gestellt und begründet sowie zugleich Einspruch eingelegt worden. Die Verwerfung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei rechtswidrig und verletze das verfassungsrechtliche Recht der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör. Weil die Entscheidung des Amtsgerichts Kamenz an einem derart schwerwiegenden Fehler leide, sei sie einer nachträglichen Überprüfung zugänglich. Da der Beschwerdeführerin das Verschulden ihres Verteidigers nicht zugerechnet werden dürfe, seien die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung gegeben gewesen. Die gegenteiligen Entscheidungen des Landratsamtes B. und des Amtsgerichts Kamenz seien zudem nicht nachvollziehbar begründet worden. Soweit dort auf eine unzureichende Glaubhaftmachung abgestellt werde, sei dies insbesondere angesichts der abgegebenen anwaltlichen Versicherung fehlerhaft. Gründe, der anwaltlichen Versicherung keinen Glauben zu schenken, seien nicht erkennbar. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dürften zudem nicht überspannt werden, wenn mit der Wiedereinsetzung um den ersten Zugang zum Gericht nachgesucht werde. Diese Gegenvorstellung wies das Amtsgericht Kamenz mit Beschluss vom 3. Dezember 2012 (8 OWi 400/12 jug) als unzulässig zurück; die Entscheidung des Gerichts sei nicht anfechtbar. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör sowie des Art. 38 SächsVerf. Sie vertieft ihr Vorbringen aus der Begründung der Gegenvorstellung und erklärt, sie beabsichtige, sich gegen den Bußgeldbescheid zu verteidigen, weil sie den dort gegenständlichen Unfall nicht verschuldet habe. Rechtliches Gehör durch ein Gericht habe ihr lediglich im Wege des Einspruchsverfahrens offen gestanden, dessen Frist durch ein Verschulden ihres Verteidigers versäumt worden sei. Hiervon habe sie nachvollziehbar erst Kenntnis erlangen können, als ihr der Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde zugegangen sei. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätten vollständig vorgelegen. Um effektiven Rechtsschutz zu gewähren, sollten zudem keine zu hohen Anforderungen an ein Wiedereinsetzungsgesuch gestellt werden. Das Landratsamt habe gleichwohl mit einer formelhaften, inhaltlich unzutreffenden Begründung den Antrag verworfen. Auch das Amtsgericht Kamenz habe keine weitergehenden Gründe für seine Verwerfung des Antrags mitgeteilt, sodass dessen Entscheidung nicht nachvollzogen werden könne. Das Staatsministerium der Justiz und für Europa hat Gelegenheit gehabt, zum Verfahren Stellung zu nehmen. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. II.
4 4 1. Die Verfassungsbeschwerde ist zwar zulässig. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin den Rechtsweg unabhängig davon, ob die von ihr erhobene Gegenvorstellung als Anhörungsrüge gemäß 46 Abs. 1 OWiG i.v.m. 33a StPO zu betrachten wäre erschöpft (vgl. 27 Abs. 2 Satz 1 SächsVerfGHG). Obwohl die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 78 Abs. 2 SächsVerf rügt, bedurfte es hier der Erhebung einer Anhörungsrüge deshalb nicht, weil die Beschwerdeführerin nicht eine neue, eigenständige Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Amtsgericht geltend macht, sondern die Versagung rechtlichen Gehörs durch die Verweigerung des Zugangs zum gerichtlichen Einspruchsverfahren als Ergebnis des Wiedereinsetzungsverfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Oktober 2012, NJW 2013, 592). 2. Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Der Beschluss des Amtsgerichts Kamenz vom 5. November 2012 (8 OWi 400/12) verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten aus Art. 38 Satz 1 und Art. 78 Abs. 2 SächsVerf. a) Wird die Einspruchsfrist in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren unverschuldet versäumt, so hängt die Verwirklichung der grundrechtlichen Gewährleistungen der Rechtsschutzgarantie des Art. 38 Satz 1 SächsVerf sowie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 78 Abs. 2 SächsVerf davon ab, dass einem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß 52 OWiG i.v.m. 44 ff. StPO gewährt wird. Deshalb dürfen bei der Anwendung und Auslegung der für die Wiedereinsetzung maßgeblichen prozessrechtlichen Vorschriften die Anforderungen daran nicht überspannt werden, was ein Betroffener veranlasst haben und vorbringen muss, um nach einer Fristversäumung die Wiedereinsetzung zu erhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai BvR 1557/98; Beschluss vom 26. März 1997, NJW 1997, 1770 [1771]; Beschluss vom 15. April 1980, BVerfGE 54, 80 [84]; SächsVerfGH, Beschluss vom 9. Juli 1998 Vf. 53-IV-94; Beschluss vom 18. Oktober 2001 Vf. 25-IV-01). b) Der Beschluss des Amtsgerichts Kamenz vom 5. November 2012 hat gegen diese Grundsätze bei der Anwendung von 52 Abs. 1 OWiG i.v.m. 45 StPO nicht verstoßen. aa) Gemäß 52 Abs. 1 OWiG i.v.m. 45 Abs. 2 Satz 1 StPO setzt ein zulässiger Wiedereinsetzungsantrag die Darlegung der für die Fristversäumung ursächlichen Umstände voraus. Der Darlegung muss sich die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers schlüssig entnehmen lassen; der vorzutragende Sachverhalt muss es zulassen, die Frage eines die Wiedereinsetzung ausschließenden Mitverschuldens des Antragstellers zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 15. November 1995, NStZ 1996, 149; Lampe in: Senge, Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl., 52 Rn. 25; Graalmann-Scherer in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., 45 Rn. 13). bb) Die Anforderungen, die danach an den Vortrag der Versäumungsgründe gestellt werden dürfen, hat das Amtsgericht nicht überspannt. Die gerichtliche Bewertung, die Angaben der Beschwerdeführerin im Wiedereinsetzungsgesuch genügten den
5 5 Darlegungsanforderungen nicht, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs der Beschwerdeführerin ist inhaltlich sehr knapp gefasst und allgemein gehalten. Welche konkreten Umstände zu der Fristversäumnis geführt haben, lässt sich der Schilderung nicht entnehmen; genaue Angaben hierzu macht die Beschwerdeführerin vielmehr erstmals im Rahmen ihrer Gegenvorstellung vom 27. November Die Annahme, dass auf der Grundlage einer Sachverhaltsschilderung, die die konkreten Ursachen der Fristversäumnis derart im Unklaren lässt, die Frage eines Verschuldens oder Mitverschuldens der Beschwerdeführerin nicht schlüssig beurteilt werden kann, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. III. Die Entscheidung ist kostenfrei ( 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG). gez. Munz gez. Rühmann gez. Berlit gez. Grünberg gez. Hagenloch gez. Knoth gez. Thuge gez. Trute gez. Versteyl
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