Der Zauber des Neuanfangs Predigt zu Apg 2,41a (7. So n Trin, )

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Peter Hase
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1 Der Zauber des Neuanfangs Predigt zu Apg 2,41a (7. So n Trin, ) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Liebe Gemeinde, wenn an toten Zweigen ein Blatt wächst wir haben das gerade gesungen dann beginnt etwas Neues. Wenn auf dürrem Land wieder Tau liegt wir haben das gerade gesungen dann wird etwas lebendig. Wenn alte Feinde sich die Hände reichen, dann ist etwas zu spüren von der Faszination eines Neuanfangs. Der Dichter Hermann Hesse hat den schönen Vers gedichtet: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne In der Bibel werden immer wieder besondere Anfangssituatio nen beschrieben. Die Erschaffung der Welt, der Neuanfang bei Noah nach der Sintflut, der Weg in die Freiheit, als das Volk Israel durchs Rote Meer zieht, die Geburt Jesu. Immer wieder: Neuanfänge, die Gott schenkt und in denen der Zauber des Anfangs spürbar ist. Der Bibeltext, auf den wir heute morgen in der Predigt hören, berichtet auch von so einem Anfang, und zwar von der Entstehung der ersten christlichen Gemeinde an Pfingsten: Die Jünger sind versammelt, sie warten, dass etwas geschieht. So 1

2 genau wissen sie nicht, was geschehen soll, aber Jesus war nicht mehr bei ihnen, schon seit zehn Tagen. Aber er hatte gesagt: Wartet, bis ihr die Kraft aus der Höhe empfangt. Damit meinte er den Heiligen Geist. Dann, am Pfingsttag, ist es soweit: Mit einem gewaltigen Brausen kommt der Heilige Geist auf sie hinab, spürbar und sichtbar. Und dann beginnen sie zu predigen jeder in einer anderen Sprache. Schließlich ergreift Petrus das Wort und erklärt den Zuhörern, was da gerade geschieht: Dass Gott seinen Geist gesandt hat. Und warum das geschieht: Damit alle Menschen erfahren: In Jesus Christus, in seinem Sohn, bietet Gott allen Menschen das Heil, ewiges Leben an. Die Menschen hören Petrus. Und sie spüren: Das ist wichtig. Jetzt muss ich einen Neuanfang machen in meinem Leben. Und so lassen sich an diesem Tag, dem Geburtstag der Kirche, 3000 Menschen taufen. Wie es weitergeht, beschreibt Lukas in der Apostelgeschichte, Kap. 2, die Verse 41 bis 47. Und über diesen Versen liegt der Zauber des Neuanfangs: 41a Diejenigen, die das Wort annahmen, ließen sich taufen. 42 Und sie blieben beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. 2

3 43 Es kam aber Furcht über alle Seelen und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. 44 Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. 45 Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. 46 Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen 47 und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden. (Gebet) Liebe Gemeinde, ich wäre gerne dabei gewesen, damals bei den ersten Christen in Jerusalem. Es klingt faszinierend, wie diese Gemeinschaft beschrieben wird. Da hat keiner nur auf sich geschaut. Jeder hat darauf geachtet, dass es dem anderen mindestens genauso gut geht wie einem selbst. Es wurde gemeinsam gegessen, gebetet, Gott gelobt mit Freude und Aufrichtigkeit. Alle waren begeistert im wahrsten Sinne des Wortes: erfüllt von Gottes Geist. Es geschahen Wunder, Menschen staunten nicht so sehr über die Christen, sondern über Gott selbst. Denn Gott war im Mittelpunkt. Er war gegenwärtig, spürbar für alle Zauber des Neuanfangs. Und immer mehr Menschen erkannten: Diese Gemeinschaft ist ein guter Ort für mich, da will ich auch dazu gehören. 3

4 Dieser Jesus, um den es hier geht der ist auch für mich wichtig. Ich wäre gerne dabei gewesen, damals in Jerusalem. Oder ist das ganze etwas übertrieben? Schon höre ich die Einwände, die dann schnell kommen: Wo gibt es das schon? Dass Menschen so eine perfekte Gemeinschaft bilden? Gütergemeinschaft das funktioniert doch nicht! Wir wissen doch inzwischen, dass der Kommunismus gescheitert ist, oder nicht? Und richtig: Kurze Zeit später gab es Konflikte. Gemeindeglieder, die ihren Besitz verkaufen und das Geld den Aposteln bringen aber einen Teil schaffen sie heimlich zur Seite. Das ist Betrug an der Gemeinschaft, und er wird streng bestraft, von Gott selbst. Und später kommt es zum Konflikt darüber, ob man auch Menschen taufen darf, die keine Juden sind. Und dann wurde gestritten, erst bei Petrus, dann bei Paulus. Offensichtlich trifft diese absolut harmonische Beschreibung der christlichen Urgemeinde in Jerusalem nur auf die erste Zeit zu. Und die war irgendwann vorbei. Und mit ihr der Zauber des Neuanfangs. Und wir heute? Was sollen wir mit so einem Text, heute am 10. Juli 2016? Können wir nur sagen: Schade, das klingt ja 4

5 ganz schön, aber es hat mit uns nichts mehr zu tun? Weil die Kirche inzwischen 2000 Jahre alt ist und an vielen Ecken ziemlich angestaubt? Nichts mehr zu spüren vom Zauber des Neuanfangs? Nein, das wäre zu wenig. Wir könnten doch den Zauber, der auf dieser Anfangssituation liegt, zumindest mal ein bisschen auf uns wirken lassen und dann überlegen, wo denn in unserem Leben dieser Zauber zu spüren ist. Am besten, sie machen mal kurz die Augen zu und gehen in Gedanken zurück: Wann hat in Ihrem Leben einmal etwas Neues angefangen, etwas Schönes, von dem sie begeistert waren? Z.B. der Umzug ins eigene Haus. Oder ein Urlaub an einem bisher unbekannten Ort. Oder das erste Mal verliebt sein. Der erste Kuss. Die eigene Hochzeit. Die Geburt Ihres ersten Kindes. Vielleicht auch das erste eigene Handy. Oder die neue Playstation 4, frisch ausgepackt. Das sind besondere Momente, kein Alltag, sondern Euphorie und Ausnahmezustand. Vor einem halben Jahr kam unser drittes Kind zur Welt. Das war so ein faszinierender Neuanfang. Wobei nicht so ganz neu. Noch stärker, noch faszinierender hab ich in Erinnerung, als unser ältester Sohn Jonathan geboren wurde. Die Tage danach waren wie ein Schweben auf Wolke sieben. Pure Euphorie. 5

6 Wie ein Schweben auf Wolke sieben so kommt einem das Gemeindeleben der ersten Christen in Jerusalem vor. Zurecht. Es war ja auch etwas ganz Neues: Die Botschaft von der Auferstehung Jesu das heißt: der Tod ist besiegt und dieser Sieg zählt mehr als jeder EM-Titel! Die Nachricht: Gott schenkt uns Gnade, ewiges Leben. Und dieses Geschenk ist spürbar und greifbar. Und als Zeichen dafür lassen wir uns taufen und dann gilt die Zusage: Du gehörst zu diesem Jesus Christus dazu! Das haben die Menschen damals erlebt. Und sie haben erlebt, dass sich ihr Leben verändert hat. Sie waren jetzt bereit zu lieben, bereit zu teilen und sie trafen Menschen, die dazu ebenfalls bereit waren. Und dann ist klar, dass sie darüber mehr wissen wollten sie blieben beständig in der Lehre der Apostel. Und dann ist klar, dass sie sich gerne mit den anderen trafen und Zeit miteinander verbrachten sie blieben beständig in der Gemeinschaft. Und dann ist klar, dass sie miteinander gegessen und gefeiert haben sie blieben beständig im Brotbrechen. Und dann ist klar, dass sie gerne Gottesdienste gefeiert und Gottes Nähe gesucht haben sie blieben beständig im Gebet. 6

7 In der Euphorie des Neuanfangs fiel es den Christen damals auch nicht schwer, ihren Besitz mit den anderen zu teilen. Ihre Einstellung zu Geld und Besitz hatte sich verändert: Das zählte nun nicht mehr viel. Reichtum war nun etwas anderes. Ihnen war klar: Reich ist, wer weiß, bei wem er seine Schuld los wird bei Jesus. Reich ist, wer weiß, dass er geliebt ist von Gott. Reich ist, wer Menschen kennt, die ihn diese Liebe spüren lassen. Ohne Vorbedingung. Einfach Liebe: Du bist angenommen. Hier kannst du sein. Und das ist eine Liebe, die nicht nur davon redet, sondern auch etwas unternimmt: Wer Hunger hatte, bekam zu essen, wer etwas brauchte, wurde unterstützt. Denn diejenigen, die mehr hatten, waren bereit zu teilen. Kein Wunder, dass diese Gemeinschaft eine große Anziehungskraft besaß. Kein Wunder, dass andere aufmerksam wurden und sich ebenfalls taufen ließen. Kein Wunder oder doch? Doch, trotzdem ein Wunder. Denn die Kraft hinter diesem Neuanfang, die Kraft hinter dieser Begeisterung war Gott selbst. Damals und bis heute. Es ist immer ein Wunder, wenn ein Mensch zum Glauben kommt. Es ist immer ein Zeichen von Gottes wunderbarer Gegenwart, wenn einer erkennt: Bei diesem Jesus und bei 7

8 seiner Gemeinde wird mein Leben in ein neues Licht gestellt und das ist genau das, was ich brauche, genau das, was den Hunger meiner Seele stillt. Hier will ich sein. Liebe Gemeinde, und deshalb ist die Geschichte von damals gar nicht so weit von uns entfernt. Bis heute erleben Menschen die Faszination des Neuanfangs, wenn Gott ihnen begegnet. Nicht nur als einmaliges Erlebnis, sondern immer wieder ganz neu, auch wenn einer schon längst getauft ist, an Jesus glaubt, in der Gemeinde mitarbeitet. Wer das glaubt und erfährt: Gott kennt mich und möchte mein Leben gestalten, der weiß etwas von der Faszination eines Neuanfangs. Heute so wie damals an Pfingsten. Und es ist unser Wunsch für euch Konfirmanden, dass ihr in eurer Konfizeit diese Erfahrung macht: Gott kennt mich und möchte mein Leben gestalten. Klar ist: Neuanfang und Euphorie sind nicht der Normalzustand, auch nicht unter Christen. Aber es kommt immer wieder zu Neuanfängen, wenn wir auf das achten, was Gemeindeleben ausmacht damals und heute noch: Sie blieben aber beständig in der Lehre, in der Gemeinschaft, im Brotbrechen, im Gebet und Gemeinde ist ein Ort, an wo Menschen liebevoll miteinander umgehen. 8

9 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. G: Amen. 9

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