Die Forma extraordinaria der Messfeier - die sog. Tridentinische Messform oder»alte Messe«
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- Hinrich Bieber
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1 Die Forma extraordinaria der Messfeier - die sog. Tridentinische Messform oder»alte Messe«Seit dem II. Vatikanischen Konzil, der Liturgiereform, wird in der kath. Kirche allgemein die Forma ordinaria der Messfeier verweendet, die in dem von Papst Paul VI promulgierten Missale Romanum bzw. in dessen deutscher Übersetzung von 1974 beschrieben und festgelegt ist. Einige unierte Kirchen verwenden andere Riten, z. B. die die "Orthodoxen" mit Rom unierten Kirchen. Vor allem seit dem im Juli 2007 von Papst Benedikt XVI. erlassenen Motu proprio Summorum Pontificum ist ein vermehrtes Interesse an der vorhergehenden Fassung des Römischen Missale zu spüren, das Papst Pius V. aufgrund der Beschlüsse des Tridentinischen Konzils 1570 herausgegeben hatte und das durch den genannten päpstlichen Erlass in seiner letzten Fassung (von 1962) die Messfeier in Forma extraordinaria denjenigen Priestern und Gläubigen ermöglicht, deren Herz an dieser älteren Fassung hängt; vorausgesetzt ist dabei ein gewisses Maß an liturgischer Bildung und auch der Zugang zur lateinischen Sprache, was nach Meinung des Papstes nicht gerade häufig anzutreffen ist, und natürlich zugleich die innerliche Anerkennung der nachkonziliaren Messfeier als der Normalform. Hier sollen die Besonderheiten der Forma extraordinaria, der "Tridentinischen Messe" gegenüber der heute normalen Messfeier kurz dargestellt werden. Quelle: Rupert Berger "Die Feier der Heiligen Messe. Eine Einführung" 218 Seiten, Herder 2009; Epilog ab Seite: 202. Weit verbreitet ist die Meinung, die durch das Zweite Vatikanische Konzil veranlasste Reform zeige sich vor allem im Gebrauch der Muttersprache und in der Stellung des Priesters, der sich am»volksaltar«der Gemeinde zuwendet. Doch kann und soll die lateinische Sprache auch in der erneuerten Messfeier gebraucht werden, wo dies Gegebenheiten und Umstände nahelegen. Umgekehrt war das Gebet am Altar mit Wendung zum Volk im früheren Messbuch zwar ungewohnt, aber nicht verboten; am Papstaltar in den Basiliken Roms war es selbstverständlich, dass der Priester am Altar Richtung Osten blickte (auch bei nach Westen ausgerichtetem Kirchenschiff). Der der Gemeinde zugewandte»volksaltar«ist auch jetzt nicht geboten; das erneuerte Messbuch sieht lediglich vor, dass der Hauptaltar frei stehen soll, sodass man ihn ohne Schwierigkeiten umschreiten kann und an ihm die Messe der Gemeinde zugewandt feiern kann (AEM 262); erst die letzte Auflage (2002, deutsch 2007) spricht eine Empfehlung dafür aus, wo es möglich ist, einen so genannten Volksaltar zu errichten (GRM 299). Den Vätern des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde bewusst, dass»jede liturgische Feier Werk Christi, des Priesters, [ist] und seines Leibes, der die Kirche 1
2 ist«. Das heißt, dass vom Haupt und den Gliedern (dem pilgernden Gottesvolk) der gesamte öffentliche Kult vollzogen wird; nicht vom Priester allein (Sacrum Concilium: SC 7). In der tridentinischen Ordnung wird die Messe nicht von den Gliedern des Gottesvolkes gemeinsam, sondern ausschließlich vom Priester gefeiert; für die Gültigkeit und Wirksamkeit war weder die Anwesenheit noch die Mitfeier der Gläubigen, sondern lediglich das Tun des geweihten Amtsträgers erforderlich. Gültig war ausschließlich das Sprechen und Handeln des zelebrierenden Priesters; wenn andere etwas vortrugen oder sangen, etwa der Diakon das Evangelium oder der Chor das Gloria, musste der Priester dieselben Texte still für sich extra noch lateinisch sprechen. Die versammelte Gemeinde ("der Leib Christi") war im Messbuch Pius' V. überhaupt nicht berücksichtigt; sie sollte in stillem Gebet an der Feier kniend teilnehmen. Auch mit ihrem Kommunionempfang wurde in der Regel nicht gerechnet; die Kommunion wurde den Gläubigen meist außerhalb, vor oder nach der Messfeier, gereicht. Deutlich ausgesprochen wird diese auf den Priester verengte und Sicht vor allem in den Texten, die aus den seit dem neunten Jahrhundert vielerorts entstandenen und zunächst privaten Gebeten des Zelebranten in den Mess-Ordo übernommen wurden, so vor allem die Gebete zum Niederlegen der Gaben (»diese makellose Opfergabe, die ich, dein unwürdiger Diener, dir darbringe«) oder das Gebet»Placeat«vor dem Segen:»Heiliger, dreieiniger Gott, nimm die Huldigung deines Dieners wohlgefällig an. Lass das Opfer, das ich Unwürdiger vor den Augen deiner Majestät dargebracht habe, dir wohlgefällig sein, und gib, dass es mir und allen, für die ich es darbrachte, durch dein Erbarmen zur Versöhnung gereiche«. Von dieser Sicht haben die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils entschieden Abschied genommen; die von ihnen veranlasste Reform der Liturgie macht deutlich, dass Träger der Feier der ganze Christus ist: Er, das Haupt, und sein Leib, das heißt, die um ihn versammelte, durch den Dienst des Priesters geordnete Gemeinde. Darum erklärten sie:»bei den liturgischen Feiern soll jeder, sei es Liturge oder Gläubiger, in der Ausübung seiner Aufgabe nur das, aber auch all das tun, was ihm... zukommt«(sc 28). Eine weitere Weisung des Konzils galt der Verkündigung des Gotteswortes:»Auf dass den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werde, soll die Schatzkammer der Bibel weiter aufgetan werden, so dass innerhalb einer bestimmten Anzahl von Jahren die wichtigsten Teile der Heiligen Schrift dem Volk vorgetragen werden«(sc 51). Das Trienter Messbuch ignoriert dagegen (außer an den Werktagen der Quadragesima) das Alte Testament vollständig und bringt auch aus dem Neuen 2
3 Testament nur eine knappe Auswahl; so fehlen z. B. die Bergpredigt und die johanneische "Brotrede" von Kafarnaum. Eine Gemeinde, die von der Forma extraordinaria der Messliturgie leben will, wird hier auf schmale Kost gesetzt; immerhin können in Messen, die nach dieser Ordnung mit dem Volk zusammen gefeiert werden, die Lesungen jetzt auch in der Volkssprache verkündet werden (Art. 6 des Motu proprio). Es ist hier nicht der Ort, die vielen Einzeländerungen aufzuzählen, die die nachkonziliare Reform gebracht hat. Man kann die Messe auch in der außerordentlichen Form in dem Geist feiern, den das Konzil als die heutigen Gegebenheiten angemessene Haltung des Glaubens angesehen hat, als Feier des versammelten Gottesvolkes. Doch haben die Konzilsväter mit Bedacht auch rituelle und textliche Änderungen vorgesehen, die den Menschen von heute den lebendigen Zugang zu der zentralen Feier unseres Glaubens ermöglichen sollen. Aus verschiedenen Motiven sehnen sich trotzdem Gruppen von Gläubigen nach der früheren Form der römischen Messfeier. Manche vermissen den Raum stillen persönlichen Betens, den die im alten Stil verbreitete»stillmesse«so reichlich bot; sie wollen, um mit Pius X., dem ersten Liturgiereformer der Neuzeit, zu sprechen, nicht»die Messe beten«, sondern»in der Messe beten«. Ohne Zweifel gibt die tatsächliche Praxis heutiger Messfeier oft nicht den nötigen Raum zum persönlichen Beten, sondern behindert nicht selten mit vielen Worten, persönlichen Ergüssen und unnötigen Erklärungen des Priesters und mancher Wichtigtuer eine persönliche Teilnahme; doch ohne solche falschen Behinderungen gibt die rechte Feier im neuen Ordo reichlich Raum zur Beteiligung des Einzelnen; sie ermöglicht ihm, sowohl alles zu tun, was ihm als Glied des Gottesvolkes in der versammelten Gemeinde jeweils aufgetragen ist, als auch dieses sein äußeres Tun in seinem Herzen zu bedenken und so in der Kraft Heiligen Geistes dem Vater durch und in Christus gläubig zu begegnen. Andere vermissen in der Praxis ihrer Pfarr-Gottesdienste den von früher gewohnten Glanz, suchen Farbe und Pracht, Festlichkeit und Freude. Mancherorts ist man tatsächlich zu weit hinausgegangen über die Vereinfachungen, die das Konzil gewollt hat, die Reduktion von Küssen, Reverenzen, die Vereinfachung von Paramenten und Kirchenausstattung; mit Recht sehnen sich hier die Gläubigen nach festlichem Gesang und Kirchenchor, nach würdiger Messkleidung, nach Weihrauch und fromm-frohen Ministrierenden. Dies alles gehört aber doch auch zur Forma ordinaria der Messfeier und ist nicht der außerordentlichen tridentinischen Form vorbehalten; diese kennt nur die selten gefeierte festliche Form des Amtes oder die glanzlose Stillmesse, während in der heutigen ordentlichen Form die gesamte Stufenleiter der Festlichkeit je nach Anlass und Umständen zu Auswahl steht, jedoch 3
4 leider oft zu wenig genutzt wird. In einer ordnungsgemäßen würdigen Feier der erneuerten Liturgie werden all diese Wünsche der Gemeinden erfüllt und es bräuchte keinen Rückgriff auf frühere Zeiten. Es ist aber nicht zu verkennen, dass hinter mancher Ablehnung der nachkonziliaren Messfeier in Wahrheit eine Ablehnung des Zweiten Vatikanischen Konzils steht, eine Ablehnung seiner Öffnung zur Welt hin, zur Glaubens- und Gewissensfreiheit, zur Begegnung mit Juden und mit den anderen Religionen, zur Bereitschaft zu mehr Ökumene. Das Nein zur Liturgieform will hier ein öffentliches Signal dafür setzen, dass das II. Vat. Konzil in Teilen oder gar im Ganzen abgelehnt wird. Dies war die Haltung von Erzbischof Lefebvre, die vor allem in seiner Priesterbruderschaft»St. Pius X«fortlebt. Dieses Schisma, diese Trennung innerhalb der Kirche aufzuheben, ist Papst Benedikt XVI. ein Herzensanliegen gewesen. Im Begleitschreiben an die Bischöfe betont er als Grund für die Herausgabe des Motu proprio:»es geht um eine innere Versöhnung in der Kirche«; das Verbleiben in der Einheit oder das neue Finden zu ihr soll all denen ermöglicht werden, die wirklich Sehnsucht nach Einheit tragen. Die erweiterte Möglichkeit, Eucharistie in der außerordentlichen Form zu feiern, ist eine herzliche Einladung an alle Gruppen, sich um den einen Tisch des Herrn, wenn auch mit je eigenen Formen, in der Einheit der Kirche zu versammeln. Einheit und innerer Friede der Kirche sind Dienst und Auftrag, die dem Papst mit dem Petrusamt aufgegeben sind; er hat seine Hand ausgestreckt, den Anhängern der früheren Liturgieform die Tür aufgetan. Mit ihm hoffen wir, dass sich verwirklicht, um was wir in jeder Eucharistiefeier im Friedensgebet und Friedensgruß bitten:»schenke deiner Kirche nach deinem Willen Einheit und Frieden«. Kunzler, Dr. Michael "Die <tridentinische> Messe. Aufbruch oder Rückschritt?" Paderborn: ISBN: ; 126 Seiten (Kunzler, geb. 1951; ist Ordinarius für Liturgie in Paderborn. Er verteidigt die Liturgiereform. Er zeigt die vergebliche Suche der Humanisten und Reformatoren nach der ältesten Form der Messe! Liturgie ist kein Museumsbetrieb) Kunzler, Michael "Ein Laien-Messbuch. Eine Einführung in das Wertvollste der katholischen Christen: die heilige Messe" Bonifatius Verlag Paderborn: 2011; 272 Seiten; ISBN: Kunzler, Michael "Liturge sein. Entwurf einer Ars celebrandi" Paderborn: 2007, 748 Seiten, Gb. ISBN: Gerhards, Albert "Ein Ritus - zwei Formen. Die Richtlinie Papst Benedikts XVI. zur Liturgie" ( ) Herder: 2008; ISBN: ; (Fünf Professoren für Liturgiewissenschaft und weitere... nehmen Stellung zu "ordentlicher und außerordentlicher" Form) Berger, Rupert "Die Feier der Heiligen Messe. Eine Einführung" 218 Seiten, Herder 2009; 4
5 Haider, Christoph "Eucharistie" Sankt Ulrich Verlag, Augsburg: 2008; 141 Seiten; ISBN: ; KKK = Katechismus der Katholischen Kirche (824 Seiten; 2003 ) Breid, Franz (Hrsg.) "Die heilige Eucharistie. Referate der Theologischen Sommerakademie 2005 des Linzer Priesterkreises" Augsburg: 2005; 296 Seiten, ISBN: Dominus-Verlag.de Fürst, Alfons "Die Liturgie der alten Kirche: Geschichte und Theologie" 310 Seiten; Aschendorff Verlag: 2008; ISBN: X; ISBN-13: Kirchengeschichte und Liturgie. Stephan Maessen Die Liturgiereform - Schiffbruch der Kirche?" Rex Regum; 112 Seiten, ISBN Ritter, Klaus "Die sogenannte Liturgiereform: eine kritische Auseinandersetzung" Magstadt: Ed. Fraktur, 1994 Gaudron, Matthias "Die Messe aller Zeiten. Ritus und Theologie des Messopfers" 2006; 275 Seiten "Das Problem der Liturgiereform. Die Messe des II. Vatikanischen Konzils" (Eine Neue Theologie). Eine theologische und liturgische Studie. Hahn, Scott "Das Mahl des Lammes. Die MESSE als Himmel auf Erden" St. Ulrich Verlag, 2004; ISBN: Hahn, Scott "Gottes Bundestreue. Ein Vater, der seine Versprechen hält" Christiana Verlag, 2004; Klaus Gamber "Zum Herrn hin! Fragen um Kirchenbau und Gebet nach Osten" Studia Patristica et Liturgica / Synaxis Heinz-Lothar Barth "Die Mär vom antiken Kanon des Hippolytos. Untersuchungen zur Liturgiereform" Köln 1999; Editiones UNA VOCE, Geldorpstraße 4, D Köln; ISBN Manfred Jacobs "ASSISI und Die NEUE RELIGION Johannes Pauls II." Anton Schmid, Februar 2014 Dieser Text auf: 5
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