Lichtenberg Gesellschaft e.v.

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1 Lichtenberg Gesellschaft e.v. Der folgende Text ist nur für den persönlichen, wissenschaftlichen und pädagogischen Gebrauch frei verfügbar. Jeder andere Gebrauch (insbesondere Nachdruck - auch auszugsweise - und Übersetzung) bedarf der Genehmigung der Herausgeber. The following text is freely available for personal, scientific, and educational use only. Any other use, including translation and republication of the whole or part of the text, requires permission from the Lichtenberg Gesellschaft. This document is made available by tuprints, E-Publishing-Service of the TU Darmstadt Lichtenberg Gesellschaft e. V. Lichtenberg-Jahrbuch / herausgegeben im Auftrag der Lichtenberg Gesellschaft. Erscheint jährlich. Bis Heft 11/12 (1987) unter dem Titel: Photorin. Jahrbuch 1988 bis 2006 Druck und Herstellung: Saarbrücker Druckerei und Verlag (SDV), Saarbrücken Druck und Verlag seit Jahrbuch 2007: Winter Verlag, Heidelberg ISSN Alte Jahrbücher können preisgünstig bei der Lichtenberg Gesellschaft bestellt werden. Lichtenberg-Jahrbuch / published on behalf of the Lichtenberg Gesellschaft. Appears annually. Until no. 11/12 (1987) under the title: Photorin. Yearbooks 1988 to 2006 printed and produced at: Saarbrücker Druckerei und Verlag (SDV), Saarbrücken Printer and publisher since Jahrbuch 2007: Winter Verlag, Heidelberg ISSN Old yearbooks can be purchased at reduced rates directly from the Lichtenberg Gesellschaft. Im Namen Georg Christoph Lichtenbergs ( ) ist die Lichtenberg Gesellschaft ein interdisziplinäres Forum für die Begegnung von Literatur, Naturwissenschaften und Philosophie. Sie begrüßt Mitglieder aus dem In- und Ausland. Ihre Tätigkeit umfasst die Veranstaltung einer jährlichen Tagung. Mitglieder erhalten dieses Jahrbuch, ein Mitteilungsblatt und gelegentliche Sonderdrucke. Weitere Informationen und Beitrittsformular unter In the name of Georg Christoph Lichtenberg ( ) the Lichtenberg Gesellschaft provides an interdisciplinary forum for encounters with and among literature, natural science, and philosophy.1t welcomes international members. Its activities include an annual conference. Members receive this yearbook, a newsletter and occasionally collectible prints. For further information and a membership form see

2 Gamauf, Lichtenberg über Luft und Licht nach seinen Vorlesungen herausgegeben. Wien und Triest 1811 Sir Isaac Newton, Opticks or A Treatise of the Reflections, Refractions, Inflections and Colours of Light. London 1704, zitiert nach Dover Publications Inc. New York 1979, teilweise deutsche Übersetzung durch Goethe in FL II (SNW I, 5) Jakob Christoph LeBlon, II Coloritto: or the Harmony of Colouring in Painting reduced to Mechanical Practice and Infallible Rules. London 1725 (sehr selten). Anonymer Nachdruck in: L'art d'imprimer les tableaux. Traité d'après les écrits, les operations et les instructions verbales de J. C. LeBlon. Paris Moderner Nachdruck des letzteren Ti - tels durch Faber Birren, New York Johann Heinrich Lambert, Beschreibung einer mit dem Calauschen Wachse ausgemalten Farbenpyramide... Berlin Nachdruck von Oswalds Sammelschrift Die Farbe Nr. 28, 29, 34 (1922/23). Christian Ernst Wünsch, Versuche und Beobachtungen über die Farben des Lichts. Leipzig Hermann von Helmholtz, Über die Theorie der zusammengesetzten Färben. Poggendorffs Annalen der Physik 87 (1852), S Gernot Böhme, Ist Goethes Farbenlehre Wissenschaft? In: Böhme, Alternativen der Wissenschaft, Suhrkamp Frankfurt Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Deutsche Ausgabe Suhrkamp Frankfurt Heinwig Lang, Tobias Mayers Abhandlung über die Verwandtschaft der Farben Übersetzung des lateinischen Textes mit Kommentar (teilweise) von Lichtenberg, mit Einleitung und Erläuterung zu den Texten. In: Die Farbe 28 (1980) S Heinwig Lang, Drei Farbsysteme des 18. Jahrhunderts von Mayer, Lambert und Lichtenberg. Farbe und Design 15/16 (1980) S Werner Heisenberg, Die Goethesche und die Newtonsche Farbenlehre im Lichte der modernen Physik. In: Wandlungen in den Grundlagen der Naturwissenschaft. Leipzig und Stuttgart 7. Aufl Carl Friedrich von Weizsäcker, Nachwort (zu Goethes Farbenlehre). Goethes Werke, Hamburger Ausgabe, Bd. 13, 4. Aufl. 1962, S Gottfried Benn, Goethe und die Naturwissenschaften. Gesammelte Werke, Limes Wiesbaden, 1959, Bd. 1, S Dieser Ausatz wurde im Rahmen der Lichtenberg-Tagung '82 am 4. Juli 1982 in Ober-Ramstadt vorgetragen. Wolfgang Promies Lichtenbergs Ergehen im Dritten Reich Das Jähr 1983 steht im Zeichen mehrerer Gedenken an Personen, die unsere Geschichte, die geistige, so gut wie die politische, beeinflußt haben, ob nun Luther oder Marx. Wieland erscheint in ihrem Zusammenhang wie die flüchtige Skizze zum Bilde eines Menschen, der in Deutschland nur auf dem Papier zu Hause war. Aber das Jahr 1983 ist für unsere private und politische Geschichte, die für viele von uns identisch war, auch das Jahr der Erinnerung an 1933, die sogenannte 31

3 Machtergreifung Hitlers, die Verbrennung von Büchern, Tilgung von Autoren. Das gibt den triftigen Anlaß, einmal nachzufragen, wie es Georg Christoph Lichtenberg in der Zeit von 1933 bis 1945 ergangen ist. Man weiß, wie man mit probaten Klassikern verfuhr, Kleist und Hölderlin vor andern, wie man versucht hat, deutsche Geister der Vergangenheit zu angeblichen Dolmetschern des aktuellen Ungeists zu verfälschen. Wilhelm Grenzmann veröffentlichte 1938 die erste Monographie über Lichtenberg aus der Feder eines deutschen Wissenschaftlers; pikanterweise war es ein Franzose - Victor Bouillier der schon 1914 Lichtenberg eine umfassende Studie als erster gewidmet hat. Das Erscheinungsjahr von Grenzmanns Monographie lieferte offensichtlich einige Aspekte frei Haus, Lichtenbergs angebliche Volksverbundenheit und nicht zu bestreitenden Antisemitismus betreffend. Im übrigen war dieser deutsche Schriftsteller vor weiterer Verfälschung gefeit, nicht der Zensur wert, weil zu wenig populär. Bestimmte Indizien sprechen dafür, daß man ihn außer acht und diejenigen, die sich mit ihm abgaben, gewähren ließ, auch wenn ihr Schreiben nicht auf der Linie der Partei lag und für den engagierten Aufklärer dezidiert Partei ergriff. Immerhin sind repräsentative Ausgaben der Schriften Lichtenbergs in der Zeit des Dritten Reichs nicht veranstaltet worden - trotz des 200. Geburtstages Lediglich kleine Editionen 1 und geringe Novitäten aus dem Nachlaß, philologische Funde sind zu registrieren. Albert Leitzmann teilt 1942 mehreres aus Lichtenbergs Tagebüchern mit; Ernst Volkmann gruppiert im gleichen Jahr um Lichtenbergs nie verwirklichten Schreib- Plan Die Bibliogenie oder die Entstehung der Bücherwelt seine Notizen dazu und zum Thema Buch, Verlag, Kritik und Autor überhaupt. Götz von Seile schließlich gab 1943 Kopernikus heraus - des Aufklärers Lichtenberg späte Hommage für einen Wissenschaftler, den er seinerseits im Bilde des Aufklärers begriff 2. Auch der Fund, den Paul Requadt 1942 in der Frankfurter Zeitung mitteilte, soll nicht unerwähnt bleiben: ein unveröffentlichter Brief Lichtenbergs vom Tode seiner Stechardin - auf diese Weise das höchst Private jenes Mannes einer breiteren Öffentlichkeit mitteilend 3. Zaunicks Edition der Briefe des jungen Alexander von Humboldt an Georg Christoph Lichtenberg, 1939/1940 herausgegeben 4, runden das Bild, das eher bescheiden anmutet - so, als wären von Lichtenberg Neuigkeiten nicht mehr zu erfahren oder der Mitteilung wert. Otto Deneke legte 1944 dar, wie viel von Lichtenberg bis dahin unbekannt geblieben war und welcher Arbeit, auch nur welcher Vorarbeiten es bedurfte, um wenigstens den ersten Teil seiner bis 1775 gelangenden Lebens-Darstellung vorlegen zu können. Verglichen mit diesem ebenso akribischen wie liebevollen Unternehmen aus der Feder eines Juristen, nimmt sich die Galerie und Themenvielfalt der in jenem Zeitraum publizierten Aufsätze zu Lichtenberg wie zeitbedingt frugal aus, nimmt man einmal Mautners frühe Arbeiten zu den Anfängen Lichtenbergs, Schöfflers, des Anglisten, bemerkenswerte Worte Göttinger Gedenkens zum 200. Geburtstage Lichtenbergs und Paul Hahns Abhandlungen aus, die den Forscher, den Experimentalphysiker Lichtenberg erstmals angemessen würdigen 5. Dem Liebhaber klassischer deutscher Prosa und gültigen Denkens wurde Lichtenberg lediglich in kleinen Dosen mitgeteilt, etwa in den Auswahlausgaben Ernst Vincents, der 1931 und 1935 bei Kröner Aphorismen und Schriften edierte, 1941 bei 32

4 Dieterich eine weitere Auswahl aus den Aphorismen, Schriften, Briefen, Tagebüchern herausgab, die 1942 und 1944 bereits Neuauflagen erlebten 6. Bei Kröner erschien 1939 und 1940 eine von Paul Requadt vorgelegte Auswahl 7. Hanns Witte veranstaltete 1936 eine Blütenlese, die, erweitert und mit einem Nachwort von Wilhelm Spohr, 1939 wiederaufgelegt wurde präsentierte Helmut Giese eine Sammlung von Gedanken, Satiren, Fragmenten Lichtenbergs unter dem Titel Licht und Wahrheit 8. Zwei Jahre zuvor waren, herausgegeben von Rudolf K[arl] Goldschmit, bei Hädecke in Stuttgart Lichtenbergs Werke in einem Band erschienen 9. Diese Edition, für sich genommen, wäre nicht der Erinnerung wert, hätte nicht Dolf Sternberger sie 1936 zum Anlaß genommen, bei Gelegenheit Lichtenbergs grundsätzlich zu werden. Seine Ausführungen sind, bedenkt man das Datum und den Ort ihrer Veröffentlichung - die Frankfurter Zeitung vom 19. Januar eindrucksvoll genug 10. Umgekehrt verdient eine Lichtenberg-Anthologie Beachtung, weil Ort und Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung, vor allem aber die Person des Herausgebers merkwürdig sind. Die Rede ist von Het Kleine Fundamenten-Boek. Een Lichtenberg-Brevier, der ersten und bislang einzigen Lichtenberg-Anthologie in holländischer Sprache. Sie erschien 1942 in Brüssel im Verlag Uitgeverij De Lage; der Name des Herausgebers ist N. de Praetere. Das klingt nach flämischer Herkunft. Tatsächlich aber handelt es sich, wie ich durch Zufall, heißt Lektüre erfuhr, um ein Pseudonym oder, genauer gesagt, einen Schutzschild gegen die in den Niederlanden stehenden Nazis. Herausgeber jener Auswahl und Verfasser eines interessanten Vorworts 11 ist der holländische Journalist und Schriftsteller Nico Rost ( ). Er lebte und arbeitete in den zwanziger Jahren in Berlin, sympathisierte zeitweise mit dem Kommunismus, nahm am spanischen Bürgerkrieg teil und arbeitete während des 2. Weltkriegs im niederländischen Widerstand. Er übersetzte deutsche Literatur ins Holländische, half deutschen Emigranten in Amsterdam bei der Veröffentlichung ihrer Werke wurde er verhaftet und zunächst in ein holländisches Konzentrationslager, 1944 nach Dachau gebracht, wo er bis zur Befreiung durch die Amerikaner blieb. In diesem Konzentrationslager entstanden die Aufzeichnungen, die er 1948 im Verlag Volk und Welt, Berlin, unter dem Titel Goethe in Dachau. Literatur und Wirklichkeit veröffentlichte. Literatur im KZ ist für Nico Rost, ist für viele andere eine Art Lebens-Mittel, die Auseinandersetzung mit dem Geschriebenen zugleich auch eine Abrechnung mit dem, was man nicht getan hat und was geschehen ist. In diesem Zusammenhang kommt Nico Rost auf jene Edition zu sprechen, die er 1942 unter dem Namen de Praetere herausgegeben hatte 12. W. P. 1 S. bei Jung die Nrn Zu Nr ist zu notieren, daß der Essay Alexander von Gleichen-Rußwurms unverändert aus Nr übernommen ist. 2 S. bei Jung Nr (vgl. auch 2080) Frankfurter Zeitung. Jg. 86, Nr. 326 v , Beiblatt Die Frau. Jg. 24, Nr. 13, S. 1. Wiederabgedruckt in der Jahresgabe 1982 der Lichtenberg-Gesellschaft Lichtenbergs Liebe und ihr Tod. 4 Jung

5 5 Jung Allerdings stammt Hahns bedeutendste Arbeit Georg Christoph Lichtenberg und die exakten Wissenschaften (Jung 3197) bereits aus dem Jahre Jung Jung Jung ; Jung Vgl. Jung 2027 (1924). 10 Dolf Sternberger: Über den Begriff des Schriftstellers. Anläßlich einer neuen Ausgabe von Schriften Georg Christoph Lichtenbergs. In: Frankfurter Zeitung. Jg. 80, Nr. 35 v , S. 1 (Jung ). 11 Dieses Vorwort wird demnächst in PHO- TO RIN erscheinen. Im übrigen planen Hans Ludwig Gumbert, der mir sein Exemplar des Lichtenberg-Brevier mit einer Widmung Nico Rosts zur Verfügung stellte, und ich eine Würdigung dieses Schriftstellers. 12 A. a. O., S : 17. Juli (1944). Goethe in Dachau ist Hamburg 1981 in einer Neuauflage erschienen; das Zitat ebd. S Jung verzeichnet dieses Buch nicht, genau so wenig wie den Aufsatz Lichtenberg und wir, den Gerhard Scholz 1937 in der von Thomas Mann und Konrad Falk herausgegebenen Exil-Zeitschrift Maß und Wort in Zürich veröffentlichte. Dolf Sternberger Über den Begriff des Schriftstellers Anläßlich einer neuen Ausgabe von Schriften Georg Christoph Lichtenbergs Begriff und Name des Schriftstellers sind in Deutschland zwar nicht gerade in Verruf geraten, aber man handhabt das Wort recht nachlässig, schlaff, ohne viel Klang und Bedeutung. In der Literatur herrscht nach der allgemeinen Anschauung der Dichter, und ihm jagen auch die Rezensenten nach, wenn sie die zeitgenössische Produktion betrachten. Mit einem schwer schleppenden Kostüm und Wehrgehänge von Theorien und Beiwörtern in den Händen stehen sie bereit - wobei Worte wie schöpferisch", Erlebnis", Urgrund" und dergleichen selten fehlen -, um es dem jungen Talent, sobald es sich in schüchterner Nacktheit nur zeigt, alsbald überzuwerfen und dann im Vollgefühl ihrer Bescheidenheit hinter oder auch vor dem derart Ausstaffierten herzustolzieren. Die Schriftsteller selber erniedrigen sich vielfach zu bloßen dienenden Interpreten der Dichter und Künstler, oder aber sie blähen sich auf und singen in einem hohen Tone, der den Mangel des dichterischen" Elements in ihren Schriften wettmachen und umkleiden soll. Ein guter Schriftsteller, gewiß, aber kein Dichter" hört man oft in einem mitleidigen und zugleich wissenden Tonfall sprechen. Dem Begriff und der Figur des Dichters ist - ich weiß nicht genau seit wann, aber viel mehr als 100 Jahre 34