KuBus 60 - Auf dem Weg zum Spitzensportler 00 00" Musik und O-Ton Radiomoderator: "Hans Zach reckt beide Fäuste in den Frankfurter Eisstadionhimmel. Alles fährt zum Torhüter. Köln gewinnt auswärts, holt drei Punkte." 00 09" Musik und O-Ton Radiomoderator: "Hanna, Hanna hol dir dein Gold. Bring die Menge zum brodeln. Das ist deine Goldmedaille - Gold für Hanna Stockbauer." 00 18" Viele junge Talente haben einen Traum: Sie wollen Spitzensportler werden, ob als Profi in der Deutschen Eishockey-Liga oder als Athlet im Schwimmen. Anspruch und Wirklichkeit liegen jedoch weit auseinander. Nur wenige Nachwuchssportler finden sich später im sportlichen Olymp wieder. 00:37 Florian und Patricia sind ihrem Ziel schon näher gekommen sie wohnen - wie fünfzehn weitere Athleten seit zwei Monaten im Kölner Sportinternat. 00 49" "Mein Traum ist es, einmal Profi-Eishockey-Spieler zu werden." 00 52" Patricia, ebenfalls 15 Jahre alt, träumt von Medaillen im Schwimmen. 01 00" O-Ton Patricia Plev Nachwuchs-Schwimmerin: "Mein Ziel ist es, zu den deutschen Meisterschaften unter die ersten drei und zur Olympiade zu kommen." 01 05" In Sportinternaten werden Talente behutsam gefördert. Das ganzheitliche Konzept sieht vor, den schwierigen Spagat zwischen Schule und Karriere zu schaffen. Die freien Plätze sind auch im
Kölner Sportinternat nur für die Besten vorgesehen. Landessportverbände wählen die talentiertesten deutschen Sportler aus. Finanziert wird die Einrichtung durch Sponsoring der großen Vereine. Die Eltern müssen aber für die Karriere ihrer Kinder einen eigenen Beitrag leisten - immerhin 500 Euro im Monat. 01 38" O-Ton Frauke Wulf Leiterin, Sportinternat Köln: "Es ist generell schwierig für junge Erwachsene, die sich für den Leistungssport entscheiden, das mit Schule und Sport unter einen Hut zu bringen. Wir wollen sie dabei unterstützen, das sie das meistern können, indem wir hier versuchen, das zu zentralisieren." 01 51" Wer Leistungsport betreibt, muss viel auf sich nehmen. Im Trainingsprogramm der Schwimmer steht kein Frühstück, kein Ausschlafen auf dem Plan. Um fünf Uhr morgens ist Patricia bereits auf dem Weg in die Schwimmhalle. 02 09" Nachwuchstalente müssen bereits in ihrer Jugend mit enormen seelischen und körperlichen Belastungen fertig werden. 02 17" O-Ton Patricia Plev Nachwuchs-Schwimmerin: "Ich fühle mich ziemlich kaputt es tut alles weh. Es ist halt fünf Uhr morgens. Und wenn man erst so spät schlafen geht, dann ist das schon ein bisschen anstrengend." 02 26" O-Ton Prof. Dr. W. Tokarski Sportsoziologe: "Wir haben in unserer Gesellschaft heute, die sehr stark auf Freizeitsport und Fun aus ist, viele Jugendliche, die nicht unbedingt bereit sind, sich zu quälen zu einer Spitzensportkarriere, weil das eben mit viel Arbeit und Training und auch Einschränkungen im Freizeitleben verbunden ist." 02 46" O-Ton Patricia Plev Nachwuchs-Schwimmerin: "Ich muss noch bis zwei Uhr in die Schulde gehen. Und danach ist wieder Training angesagt um fünf Uhr und das wird schon ein bisschen hart heute." 02 56" O-Ton Prof. Dr. W. Tokarski Sportsoziologe: "Wir wissen auch, da kann man jeden Psychologen fragen, wir sind nicht jeden Tag in der gleichen Stimmung und Verfassung sehr gut zu sein. Und dennoch müssen wir die gleiche Leistung bringen. Und dann heißt es, sich quälen zur Leistung." 03 13" O-Ton Patricia Plev Nachwuchs-Schwimmerin:
"Ja, doch mir macht der Sport schon Spaß, aber es ist halt so, wenn man morgens so früh aufstehen muss, dann denkt man manchmal darüber nach, aber ich mache es trotzdem gerne." 03 24" Spitzensportler trainieren viel und lernen wenig. So das Bild das in der Allgemeinheit herrscht. Die wirkliche Situation sieht anders aus: Sie sind Schüler und Sportler zugleich - und oft die Sorgenkinder ihrer Lehrer. Die Trainer müssen neben sportlicher Begeisterung zudem viel Disziplin und pädagogisches Geschick mitbringen, sonst droht die Laufbahn der Jugendlichen aus der Bahn zu geraten. 03 55" "Morgen! Morgen!" 04 03" O-Ton Patricia Plev Nachwuchs-Schwimmerin: "Ich bin so ziemlich immer die erste. Die zweiten, die immer kommen, sind so ziemlich immer die Fußballer. Ich bin halt drei Mal die Woche immer die Erste morgens beim Frühstück. Aber das ist nicht so schlimm! Es wäre halt schöner, wenn immer noch einer dabei wäre, aus meiner Mannschaft. Einmal beim Frühstück und einmal, der teilt dann mein Leid mit mir morgens früh, beim Training." 04 24" Jetzt beginnt auch für die übrigen Bewohner der Tag. 04 31" Patricia bleibt wenig Zeit, umziehen, Sachen packen und los zur Schule. 04 39" Acht Stunden später. Um 14:00 Uhr kommt Patricia von der Schule zurück ins Internat. 04 48" O-Ton Patricia Plev Nachwuchs-Schwimmerin: "Ja, hier haben wir unsere Magnettafel. Da müssen wir uns halt immer eintragen, wenn wir anoder abwesend sind, damit Frau Wulf Bescheid weiß, ob wir da sind." 04 56" 100 Km weit weg von Zuhause für Patricia ist dies kein Problem. 05 03" O-Ton Patricia Plev Nachwuchs-Schwimmerin:
"Wenn ich jetzt Engelskirchen wohnen würde, hätte ich noch weniger Freizeit und ich denke, die zwei drei Stunden, die ich abends dann hier bin oder nachmittags, die nutze ich dann schon aus. Dann reden wir im Internat, gehe ich oben an den PC, schaue Fernsehen. Also, ich denke mal, das reicht schon. Ich wüsste nicht, was ich ohne Schwimmen anfangen würde. Dann hätte ich nämlich zu viel Freizeit." 05 23" Die 13-jährige Turnerin Leoni und Patricia teilen sich ein Zimmer im Internat. In einer herkömmlichen Schule belasten Unterrichtsbefreiung für die Sportler und Sonderregelungen bei Klassenarbeiten die Beziehung zu den Mitschülern erheblich. 05 34" O-Ton Patricia Plev Nachwuchs-Schwimmerin: "Früher auf meiner alten Schule war das ziemlich ein Problem mit dem Neid, aber hier auf dieser neuen Schule ist es noch nicht so also, klar, gibt es manchmal solche Leute, die dann sagen: Ah, hast Du wieder schulfrei für den Sport, oder so. Und, aber ich denke mal, so wirklich Neid hat keiner auf mich. Das kann ich nicht glauben." 05 53" Im Internat bekommen die Sportler Nachhilfeunterricht. Denn durch die häufigen Freistellungen für Trainingslager und Wettkämpfe versäumen die Talente so manche Schulstunde. Verpasster Unterrichtsstoff muss nachgeholt werden, egal wie man sich gerade fühlt. 06 13" O-Ton Patricia Plev Nachwuchs-Schwimmerin: "Ich habe das schon oft miterlebt, vom Florian, vom Thomas. Die wohnen beide sehr weit weg. Und, ich habe auch Florian schon mal gesehen der saß auch da. Ich denke mal, das mach ihm auch ein bisschen zu schaffen, dass er so weit weg wohnt von seinen Eltern. Wie gesagt, bei mir ist es einfacher. Ich fahre eine Stunde mit der Bahn und bin Zuhause. Und meine Eltern, sehe ich halt, kann ich jeden Tag sehen und Florian nicht." 06 38" O-Ton Frauke Wulf Leiterin, Sportinternat Köln: "Das Zuhause fehlt einigen sicherlich. Das zeigt sich natürlich in Form von Heimweih, das aber der ein oder andere auch nicht äußern würde öffentlich. Auf der anderen Seite muss man bedenken, die meisten Jugendlichen sind 15, 16. Das ist auch ein Alter, die befinden sich mitten in der Pubertät und das ist ja auch so eine Zeit wo sie rebellieren und eigentlich schon weg wollen von Zuhause, wo sie selbständig sein wollen. Und einerseits auch froh sind, das sie aus dem Elternhaus raus sind, also werden sie sich nicht gerade jetzt im Internat eine Ersatzmutter anschaffen." 07 10"
Am Nachmittag ist Patricia schon wieder im Wasser. Zum Training, denn bei den bevorstehenden Kurzbahnmeisterschaften will sie Erste werden. 07 21" O-Ton Doris Koschig Schwimm-Trainerin: "Ich kenne Patricia jetzt ungefähr seit vier Jahren. Sie hat bei mir angefangen als ganz Kleine. Dann sind wir im Prinzip zusammen weitergegangen und wenn sie konsequent arbeitet und keine Eventualitäten dazwischen kommen wie Krankheit oder Schule u.s.w., dann hat sie eigentlich alle Anlagen, um recht erfolgreich zu werden. Und inwieweit sie das natürlich bis ganz oben schafft, da gibt es so viele Gründe, die dafür oder dagegen sprechen könnten, das man das nicht so genau sagen kann. Also, Prognosen abzugeben ist immer schwer. Wir hoffen natürlich immer das Beste und die höchstmögliche Leistung." 07 52" Die jungen Sportler wirken sichtlich angestrengt. Nach einem 16-Stunden-Tag treffen sie sich abgekämpft im Internat wieder. Für sie alle war das ein ganz normaler Tag! Um 22.00 h ist Bettruhe. 08 07" O-Ton Prof. Dr. W. Tokarski Sportsoziologe: "Ich glaube, wenn Jugendliche in ein solches Internat eintreten, dann wissen sie was auf sie zukommt. Ob sie das dennoch alles verkraften, hängt sehr stark vom Typus des Menschen ab, Probleme können auftreten wenn körperliche Entwicklung, körperliche Belastung mit psychischer Entwicklung nicht schritt halten und umgekehrt, wenn es nicht aufgefangen werden kann, wenn man wenig Erfolge sieht, sei es schulisch, sei im Training, sei es bei Wettkämpfen; und dann ist nicht auszuschließen, dass man auch dann in allen Leistungen abfällt, und dass man auch da das Internat verlassen will." 08 51" Am nächsten Morgen, acht Uhr. Florians Tag beginnt mit Englischunterricht. Der talentierte Eishockey-Spieler hat den Sprung nach Köln über die Landesauswahl Sachsens geschafft. Für seine junge Karriere musste er sein Zuhause verlassen. Für den 15-Jährigen eine harte Umstellung: Familie und Freunde kann er nur noch sehr selten sehen denn die sind im 500 Km entfernten Erfurt geblieben. Florian vermisst vieles, aber an den Schulwechsel hat er sich schon gut gewöhnt. Neue Freunde hat er hier bereits gefunden. 09 32" Zwischen Schule, Mittagessen und Training bleibt Florian noch genau eine Stunde Zeit. Minuten, die er sich gut einteilen muss. 09 41" O-Ton Florian Rodriguez:
"In der Zeit mache ich meistens schnell Hausaufgaben, gucke mir noch mal Schulsachen an, weil wenn ich abends wiederkomme, so gegen 21.00, 22.00 Uhr, gehe ich am besten gleich ins Bett sonst wird es zu schwer" 09 54" Im Sport werden, wie in vielen Bereichen unserer Leistungsgesellschaft, absolute Höchstleistungen verlangt. Der Eishockey-Club, die Kölner Haie, bindet früh die Talente an den Verein, um später davon zu profitieren. Wenn Florian in diesem Geschäft der Nachwuchsförderung nicht untergehen will, muss er hart kämpfen, das heißt auch, auf vieles zu verzichten. Die Chancen zum Profispieler hat er er muss sie nur noch nutzen. 10 39" O-Ton Rodion Pauels Trainer der Jung-Haie: "Die Chancen sind da. Das beweisen wie ja hier auch in Köln jedes Jahr. Ein, zwei schaffen das. Aber das ist natürlich auf der anderen Seite eine Menge an 15,16-Jährigen, die jetzt in der höchsten Liga spielen, dieser Eliteliga, Deutsche Nachwuchsliga heißt die und da wird es nicht jeder schaffen. Also, es ist natürlich schon eine natürliche Auslese da." 10 59" Die Junghaie trainieren fünf mal in der Woche. Hinzu kommen die Ligaspiele am Wochenende. 11 07" O-Ton Florian Rodriguez: "Der 88er Jahrgang, ich bin jetzt 15, das ist der Jüngste, da habe ich es sehr schwer. Und ich denke, ich kann mich durchbeißen. Natürlich sehr schwer. Ich habe noch kein Stammplatz, muss mich in der Mannschaft durchsetzen. In der Umgebung ist alles schwer und es ist nicht einfach." 11 23" Woche für Woche geht es bei Florian um alles. Im Ligaspiel kämpft er mit der Nummer 27 um Anerkennung beim Trainer. 11 46" O-Ton Reporter: "Florian: Ist es das, was Du Dir vorgestellt hast?" O-Ton Florian Rodriguez: "War ein sehr torreiches Spiel und nicht schön, aber erfolgreich." 11 55" Einige Kilometer entfernt schwimmt Patricia um den Sieg.
100 Meter im kalten Nass liegen vor ihr. Ihre Mutter fiebert mit. 12 14" O-Ton Patricia Plev Nachwuchs-Schwimmerin: "Ich war sehr, sehr schlecht" 12 21" O-Ton Patricia Plev Nachwuchs-Schwimmerin: "Es war nicht so toll. War nicht so wie ich es mir vorgestellt habe. Es hätte besser laufen können, aber es ist ja noch Anfang der Saison." www.goethe.de/kubus