- Es gilt das gesprochene Wort - Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!



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Transkript:

1 - Es gilt das gesprochene Wort - Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine moderne Gesellschaftspolitik auf der Höhe der Zeit, die demographischen Entwicklungen und dem Deutschland von heute Rechnung trägt, schließt das Bestattungswesen unbedingt mit ein aus Achtung und Respekt vor den Verstorbenen und ihrer Würde, aber ebenso aus Achtung und Respekt vor ihren Angehörigen, Freunden und ihrem sozialen Umfeld und deren aller Würde. Die Art und Weise, auf die ein Land den Tod, die Toten und ihre Familien behandelt, verrät sehr viel über die humanitäre Qualität und politische Kultur dieses Landes. Weil dem so ist, befinden wir heute nicht allein über ein Gesetz zur Änderung des Bestattungsgesetzes, sondern über einen maßgeblichen integrationspolitischen Schritt, dem gleichermaßen faktisch wie symbolisch eine außerordentliche Bedeutung beizumessen ist. Der rot-grüne Entschließungsantrag unterstreicht noch einmal diesen qualitativen Sprung,

2 der statt von Furcht und Misstrauen von Wertschätzung religiöser Vielfalt und freier Religionsausübung getragen ist. Ein selbstbewusstes NRW erweist sich heute als interkulturell und menschenrechtlich erwachsenes Land. Wer dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmt, hat die Zeichen der Zeit erkannt. Erlauben Sie mir daher, mich auf einen Aspekt zu konzentrieren: die Frage der nicht-christlichen, vor allem muslimischen Friedhöfe. Ich spreche hier zu Ihnen als Landespolitiker, aber auch als Abgeordneter einer Stadt, Wuppertal, die eine Vorreiterrolle einnimmt. Dort haben sich schon vor Jahren verschiedene Akteure, gerade auch die Interessengemeinschaft der lokalen Moscheevereine, mit aus- und nachdrücklicher Unterstützung seitens der örtlichen SPD-Landtagsabgeordneten auf den Weg gemacht, den landesweit ersten muslimischen Friedhof seiner Art Wirklichkeit werden zu lassen. Die heutige Entscheidung schafft erst die entscheidende gesetzliche Grundlage, dass dieser langgehegte, vor Jahrzehnten erstmalig leise formulierte Traum nicht Traum bleiben muss, sondern Realität werden kann und wird.

3 Integration bzw. soziale Inklusion, kann sich nicht auf einzelne Personengruppen und Lebensphasen beschränken. Echte, ernsthafte Integration reicht von der Wiege bis zur Bahre. Ist es nicht merkwürdig, wenn wir Menschen muslimischen Glaubens bisher signalisiert haben: Bis zum Sterben seid Ihr willkommen und gehört durchaus zu uns, aber danach ist es uns ganz recht, wenn Ihr in die Länder Eurer Vorfahren oder Eure Geburtsländer zurückkehrt? Sind wir uns eigentlich dessen bewusst, was es bedeutet, wenn Musliminnen und Muslime hier in Deutschland auf muslimischen Friedhöfen unter Berücksichtigung islamischer Glaubensgrundsätze und Bestattungsriten beerdigt werden wollen, wenn sie und ihre Familien darauf Wert legen, unweit ihres Lebensmittelpunktes und in der Nähe ihrer Angehörigen eine Grabstätte zu finden? Es ist ja nun gerade nicht so, dass die Politik muslimischen Bürgerinnen und Bürger die Neuregelung des Bestattungsgesetzes aufzwingen würde. Sie selber haben diese Möglichkeit angeregt und den Willen artikuliert, dass sie, ihre Eltern und Kinder hier beerdigt werden können. Häufig wird von Migrantinnen und Migranten Identifikation eingefordert, werden eigentümliche Begriffe wie Integrationsbereitschaft und Integrationswille verwandt.

4 Gibt es eine deutlichere Form der Identifikation und des Integrationswillens, als hier wohnortnah allen Diskriminierungserfahrungen zum Trotz seine letzte Ruhestätte finden zu wollen? Die Botschaft lautet: Wir sind hier zuhause. Das ist unsere Heimat. Zugleich zeigt unsere Entschließung, dass wir selbstverständlich den Wunsch mancher Familien, auch künftig sich im Ausland bestatten zu lassen, respektieren und die entsprechend notwendigen Verfahren belastungsärmer gestalten und eine möglichst zügige Überführung erleichtern wollen. Dies geschieht beispielweise durch den Einbezug rechtsmedizinischer Institute in die bisher obligatorische zweite Leichenschau und durch Entbürokratisierung der Verwaltungsvorgänge. Mit starkem Befremden nehme ich angesichts all dessen den Änderungsantrag der CDU-Fraktion im Sozialausschuss zur Kenntnis, der sich nahtlos in das Bild kritischer bzw. ablehnender Töne von CDU-Seite zur Frage muslimischer Friedhöfe über die vergangenen Monate und Jahre hinweg fügt. Sie koppeln darin die Übertragung daran, dass die Religionsgemeinschaften oder religiösen Vereine als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinne des Körperschaftsstatusgesetzes NRW anerkannt seien. Eine Öffnung des Bestattungsgesetzes für andere als die genannten öffentlich-rechtlichen

5 Friedhofsträger lehnen sie ab, wohl wissend, dass die muslimischen Vereine und Verbände in der Regel eben nicht organisationsstrukturell zur Erlangung des Körperschaftsstatus befähigt sind. Im Klartext: Ihr Änderungsvorschlag kommt praktisch bis auf weiteres einem Verzögerungs-, nein, Verhinderungsgesetz für muslimische Friedhöfe in Eigenbetrieb gleich. Was wollen Sie diesen Bürgerinnen und Bürgern und damit letztlich uns allen mitteilen? Infolge der Verabschiedung der Bestattungsgesetzesnovelle werden wir in Wuppertal demnächst das kleine Wunder der Vereinigung dreier Weltreligionen nach dem Tod erfahren dürfen, drei Friedhöfe, ein christlicher, ein jüdischer, ein muslimischer werden unmittelbar aneinander grenzen und der eine des anderen direkter Nachbar sein. Stolz und glücklich bin ich, dies erleben zu dürfen. Die Betreibergemeinschaft will den Friedhof auf einem ehemaligen Grundstück des Evangelischen Kirchenkreises errichten. Diesem gewollten Wunder ist 2002 ein anderes in Wuppertal vorausgegangen: die Beheimatung der neuen Bergischen Synagoge auf dem Grundstück der reformierten Gemarker Kirche, buchstäblich Wand an Wand und bundesweit einmalig.

6 Keine Rede, kein Text kann stärker sein als diese beiden Bilder der Wirklichkeit. Sie zeigen, dass die religiöse Vielfalt eine Heimat in diesem Land gefunden hat und unwiderruflich Realität geworden ist. Erweisen wir uns dieser Realität als würdig.