Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg Windmessungen in Stuttgart Am Neckartor und Anwendung der Ergebnisse in einem Boxmodell Erste Messergebnisse des Ultraschallanemometers; Juli bis Dezember 2007
BEARBEITUNG LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden- Württemberg Postfach 100163, 76231 Karlsruhe Referat 33 Luftqualität, Lärmschutz Referat 61 Messnetzzentrale Luft DOKUMENTATION-NR. 61-12/2008 STAND April 2008 BERICHTSUMFANG 10 Seiten Bearbeiter: Dr. Dieter Ahrens Dipl. Met. Corinna Humpert-Zerulla Dipl. Met. Helmut Scheu-Hachtel poststelle@lubw.bwl.de www.lubw.baden-wuerttemberg.de Berichte und Anlagen dürfen nur unverändert weitergegeben werden. Eine auszugsweise Veröffentlichung ist ohne schriftliche Genehmigung der LUBW nicht gestattet.
Erste Ergebnisse der Messungen mit dem Ultraschallanemometer in Stuttgart Am Neckartor und Abschätzung der PM10-Konzentration mit einem Boxmodell Die Spotmessstelle Stuttgart Am Neckartor weist die höchsten Schadstoffkonzentrationen von Stickstoffdioxid (NO 2 ) und Feinstaub der Fraktion PM10 in Baden-Württemberg auf. Begleitend zu den Schadstoffmessungen wurden im Jahr 2007 Windmessungen mit einem dreidimensionalen Ultraschallanemometer aufgenommen. Einerseits sollte untersucht werden, inwieweit die vor Ort gemessene Windgeschwindigkeit einen Einfluss auf das Schadstoffniveau hat; andererseits sollte untersucht werden, inwieweit die Verwirbelung durch die vorbeifahrenden Fahrzeuge einen Beitrag zur Schadstoffbelastung bzw. entlastung leistet. Die Daten des auf dem Dach der Messstation installierten Ultraschallanemometers liegen ab dem 3. Juli 2007 vor. Neben den Winddaten wird in dieser ersten Auswertung auch die über die Messung ermittelte turbulente kinetischen Energie, die ein Maß für die Turbulenz und damit auch für die Verwirbelung ist, ausgewertet. Bevor die Messungen des Ultraschallanemometers in Zusammenhang mit den Schadstoffmessungen betrachtet werden, erfolgt eine Auswertung der Winddaten auch im Vergleich zu den beiden Stationen im städtischen Hintergrund von Stuttgart. Der Verlauf der Tagesmittelwerte der Windgeschwindigkeit zeigt ein deutlich niedrigeres Niveau an der Station Stuttgart Am Neckartor (mittlere Windgeschwindigkeit 0,5 m/s) im Vergleich zu den beiden Stationen Stuttgart-Bad Cannstatt (1,1 m/s) und Stuttgart-Zuffenhausen (1,4 m/s) (Abbildung 1). Die Messungen am Neckartor folgen im Verlauf dem des großräumigen Geschehens mit geringerer Amplitude. Die Windgeschwindigkeit an der Station Stuttgart Am Neckartor beträgt etwa 1/3 der Windgeschwindigkeit an der Station Stuttgart-Zuffenhausen (Abbildung 2). Die Windrosen zeigen deutlich die kanalisierenden Effekte vor Ort (Abbildung 3). Am Neckartor zeigt sich deutlich der Straßenverlauf von Südwest nach Nordost. Bei der Windrosenberechnung wurde von einer gerätespezifischen Schwelle für die Windstille ausgegangen (Ultraschallanemometer 0,1 m/s; Schalenkreuzanemometer 0,4 m/s). In der turbulenten kinetischen Energie bildet sich die mittlere Windgeschwindigkeit ab (Abbildung 4). Werden die Tagesmittelwerte von Stickstoffdioxid und PM10 (ß-Absorption ohne Standortfaktor) der kinetischen turbulenten Energie gegenüber gestellt, so zeigt sich, dass bei einer höheren turbulenten kinetischen Energie (bessere Durchmischung) die Konzentrationen niedriger sind (Abbildung 5). Ein eindeutiger funktionaler Zusammenhang ergibt sich hieraus jedoch nicht (Abbildung 6). An den Wochenenden sind die PM10- Tagesmittelwerte tendenziell niedriger; dies ist auf das geringere Verkehrsaufkommen zurückzuführen. Jedoch gibt es auch an einem Wochenende zwei deutlich erhöhte Werte, die mit einer erhöhten städtischen Hintergrundbelastung während einer anhaltenden austauscharmen Hochdruckwetterlage in Verbindung stehen. 61-12/2008 Seite 3 von 10
Bei Betrachtung der Einzelwerte während einer Hochdruckphase im Dezember 2007 zeigt sich vormittags ein Ansteigen der turbulenten kinetischen Energie mit der Windgeschwindigkeit (Abbildung 7, Abbildung 9). In den frühen Nachmittagsstunden nimmt die turbulente kinetische Energie wieder deutlich ab, während die Windgeschwindigkeit je nach Tag deutlich später zurück geht. Die turbulente kinetische Energie geht trotz des hohen Verkehrsaufkommens zurück. Der Tagesgang der PM10-Konzentration zeigt zwei Maxima, die zeitlich mit den Maxima der Verkehrsstärke einher gehen (Abbildung 8). Die Windgeschwindigkeit und die turbulente kinetischen Energie modifizieren diesen Verlauf. Jedoch wird die Dominanz der Verkehrsstärke in den Morgenstunden deutlich. Trotz besserer Durchmischung nimmt die PM10-Konzentration deutlich zu. In den späten Nachmittagsstunden nimmt die PM10-Konzentration mit abnehmender turbulenter kinetischer Energie zu. Vor allem wirkt sich in diesem Zeitraum wiederum die zunehmende Verkehrsstärke aus. Beide Einflussgrößen, Verkehrsstärke und turbulente kinetische Energie, wirken in diesem Zeitabschnitt in die gleiche Richtung. Aus den Untersuchungen hat sich darüber hinaus ergeben, dass die turbulente kinetische Energie des Ultraschallanemometers durch die meteorologischen Größen wie Windgeschwindigkeit und Strahlung bestimmt wird. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen turbulenter kinetische Energie und Verkehrsstärke ist nicht erkennbar. Im Folgenden wird die Feinstaubkonzentration auf Grund der modellierten und gemessenen mittleren Windgeschwindigkeit mit einem Boxmodell abgeschätzt. Die synthetische Windrose 1 für die Spotmessstelle Stuttgart Am Neckartor zeigt am Ausgang des Stuttgarter Talkessels eine deutliche Kanalisierung der Windrichtung durch die Randberge auf den Richtungsverlauf der Neckartorstraße (Abbildung 10). Die mittlere Windgeschwindigkeit ist bereits regional mit 1,3 m/s sehr gering, obwohl das zugrundeliegende mesoskalige Berechnungsmodell nur eine pauschale Oberflächenrauigkeit und keine konkreten Baustrukturen kennt. Im Straßenraum selbst ergibt sich lokal eine weitere Abschwächung des Windes auf nur noch 0,5 m/s im Mittel durch die vorhandene Bebauung und den hohen Baumbestand des Parks. Dieser Umstand wird durch die lokale Messung mit dem Ultraschallanemometer im Straßenbereich sehr gut belegt. Es handelt sich also um einen typischen Straßencanyon, welcher nur längs durchströmt werden kann. Folgende Annahmen wurden zur Abschätzung der Feinstaubkonzentration mit einem Boxmodell getroffen: Abmaße der Box: Länge 1000 m, Breite 80 m, Höhe 20 m Volumen: 1 600 000 m³ DTV (Flottenzusammensetzung 2005) PM10-Emission nach HBEF 2 in der Box: Windgeschwindigkeit: 90 000 Kfz, davon 3500 SNFz, 4870 g*km/d (entsp. 3,04 mg/m³) 0,5 m/s entspricht einer Durchströmzeit von 2000 sec (etwa ½ Std.), d.h. 48 mal pro Tag wird das Boxvolumen ausgetauscht Das führt im Tagesmittel zu einer Feinstaubkonzentration von 63 µg/m³ im Straßenraum. 1 http:/www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/20413/ 2 HBEF: Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs Vers. 2.1 (2004) Seite 4 von 10 61-12/2008
Dieser Wert wird allein aufgrund der Auspuffemissionen erreicht, wobei der Luftaustausch mit reiner Umgebungsluft erfolgt, was im Stadtgebiet Stuttgart sicher nicht gegeben ist. Auch alle weiteren PM10-Quellen (Abrieb, Heizungen, Vegetation) werden nicht berücksichtigt. Diese einfache Rechnung soll zeigen, dass sich allein aus den standardmäßig im HBEF ausgewiesenen Auspuffemissionen die Anfälligkeit des Messortes Stuttgart Am Neckartor für erhöhte Staubkonzentrationen erklären lässt. Ursache ist die extrem schlechte Durchlüftung des Straßenraumes (Mittelwert 0,5 m/s), die Kanalisierung dieser geringen Strömungsgeschwindigkeit auf die Richtung des Straßencanyons und die damit verbundenen langen Luftaustauschzeiten (Abbildung 3). Dieser Umstand wurde bisher vermutet, ist aber jetzt erstmalig durch die Messungen nachgewiesen. 61-12/2008 Seite 5 von 10
Abbildung 1: Verlauf Tagesmittelwerte der Windgeschwindigkeit an der Spotmessstelle Stuttgart Am Neckartor und den Messstellen des städtischen Hintergrundes Stuttgart-Bad Cannstatt und Stuttgart-Zuffenhausen vom 01.07. bis 31.12.2007 Abbildung 2: Korrelation der Tagesmittelwerte der Windgeschwin digkeit an den Stationen Stuttgart-Zuffenhausen und Stuttgart Am Neckartor im Zeitraum 01.07.-31.12.2007; Angaben in m/s Abbildung 3: Häufigkeitsverteilung der Windrichtung an den Stationen Stuttgart Am Neckartor, Stuttgart-Bad Cannstatt und Stuttgart-Zuffenhausen im Zeitraum 01.07.-31.12.2007 Seite 6 von 10 61-12/2008
Abbildung 4: Verlauf der turbulenten kinetischen Energie und dem Tagesmittel der Windgeschwindigkeit an der Station Stuttgart Am Neckartor; Zeitraum: 01.07.-31.12.2007 Abbildung 5: Verlauf der Tagesmittelwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub PM10 sowie der turbulenten kinetischen Energie für den Zeitraum 01.07.-31.12.2007; Angaben in µg/m³; kinetische Energie in m²/s² Abbildung 6 Zusammenhang der Tagesmittelwerte von Feinstaub PM10 und der turbulenten kinetischen Energie an Tagen ohne Niederschlag für den Zeitraum 01.07.-31.12.2007 61-12/2008 Seite 7 von 10
Abbildung 7: Verlauf der Halbstundenmittelwerte der turbulenten kinetischen Energie, der Feinstaub PM10-Konzentration und Stickstoffdioxidkonzentration in Stuttgart Am Neckartor für den Zeitraum 18.12.-21.12.2007 Abbildung 8: Halbstündliche Anzahl der Fahrzeuge an der Spotmessstelle Stuttgart Am Neckartor im Zeitraum 18.12.-21.12.2007 Abbildung 9: Verlauf der Halbstundenmittelwerte der turbulenten kinetischen Energie, der Windgeschwindigkeit und des lokalen Beitrags an der Spotmessstelle zur Feinstaub PM10-Konzentration für den Zeitraum 18.12.-21.12.2007 Seite 8 von 10 61-12/2008
Abbildung 10: Synthetische Windrose für das Gebiet der Straße Am Neckartor (Berechnungsraster 500x500 Meter) 61-12/2008 Seite 9 von 10
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