Abflussmessungen mit unterschiedlichen Messverfahren Erfahrungsbericht und die Bedeutung für die wasserwirtschaftliche Praxis

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Transkript:

Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik 38. Dresdner Wasserbaukolloquium 2015 Messen und Überwachen im Wasserbau und am Gewässer Abflussmessungen mit unterschiedlichen Messverfahren Erfahrungsbericht und die Bedeutung für Alexander Löcke Marc Scheibel Für die unterschiedlichsten wassermengenwirtschaftlichen Fragestellung betreibt der Wupperverband ein hydrometrischen Messnetz, welches aufgrund seiner historischen Entwicklung und daraus resultierenden messstellenspezifischen Randbedingungen verschiedenste Anforderungen bedienen muss. Für die Ermittlung der Wasserstands - Durchflussbeziehung ist beim Wupperverband unterschiedliche stationäre und mobile Messtechnik im Einsatz. Im Folgenden werden diese anhand einer exemplarischen Messstation und dort vorgenommenen Beispielmessungen diskutiert und der Einfluss der einzusetzenden Messtechnik auf die Ergebnisse unter den gegebenen praktischen Randbedingungen dargestellt. Die Auswirkungen auf konkrete wasserwirtschaftliche Fragestellung werden durch Sensitivitätsanalysen und Verknüpfung mit langjährigen Wasserstandsaufzeichnungen untersucht. Von den gewonnenen Erfahrungen beim Betrieb der Pegelanlagen und durch die intensive Nutzung der Daten wird der daraus resultierende Umgang und weiterentwickelte Maßnahmen aufgezeigt Block A4 Saal 3 Stichworte: Abflussmessungen, Radarmessung, Messgenauigkeit, Abflussspendenstatistik, Messdatenmanagementsystem, Brauchwassermanagement, Hochwasserschutz 1 Einleitung Der Wupperverband betreibt im 813 km² großem Verbandsgebiet 12 Talsperren, 11 Kläranlagen und weitere wasserwirtschaftliche Anlagen (z.b. Fischaufstiege, Hochwasserrückhaltebecken und Regenbecken). Ferner werden ca. 2.300 km Fließgewässer unterhalten und im Hinblick auf Niedrig- und Hochwasserabflüsse, unter Berücksichtigung der Ziele nach der EU-Hochwasserrisikomanagement- und Wasserrahmenrichtlinie, bewirtschaftet. Ziel des Wupperverbandes ist es, dabei für eine ausgewogene und auf die verschiedensten Nutzungsansprüche abgestimmte Wassermengenwirtschaft Sorge zu tragen. Dies

222 Abflussmessungen mit unterschiedlichen Messverfahren Erfahrungsbericht und die Bedeutung für beinhaltet für das Einzugsgebiet der Dhünn auch die Rohwasserbereitstellung in der mit 80 Mio. m³ größten Trinkwassertalsperre im Westen Deutschlands. Für die verschiedensten wassermengenwirtschaftlichen Fragenstellungen (Planung, Bau und Betrieb) werden hydrometrische Daten an ca. 60 Pegelmessstellen (siehe Abbildung 1) erfasst. Für den planerischen Bereich werden die Abflussganglinien für die Bestimmung von statistischen Bemessungskenngrößen für die verschiedenen wasserwirtschaftlichen Anlagen (z.b. Talsperren, Hochwasserrückhaltebecken, Fischaufstiege, Wehre etc.) und für die Kalibrierung von Wasserbilanz- und Hydraulikmodellen genutzt. Zu den operationellen Nutzungen der Abflussdaten sind vor allem die Vorgaben zur Steuerung der Talsperren, der Input für das hydrologische Vorhersagemodell sowie der Hochwassermeldedienst zu nennen. Abbildung 1: Pegelanlagen im Wupperverbandsgebiet 2 Hydrometrisches Messnetz Das Messnetz im Verbandsgebiet ist historisch durch die Entwicklung der Wasserwirtschaft insbesondere den Bau von Anlagen (Talsperren, Kläranlagen), der Entwicklung der Siedlungsentwässerung und Fließgewässer gewachsen. Neben den, durch die verschiedenen Fließgewässertypen und Einzugsgebietscharakteristika natürlich bedingten Unterschieden (wie Sohle und Profil) bei den Pegelmessstrecken, sind diese ferner auch durch Vorgaben beim Bau der Pegelanlagen (z.b. mit oder ohne Niedrigwassergerinne) bestimmt. In der nachfolgenden Abbildung 2 sind exemplarisch zwei Pegelmessstellen dargestellt. Die

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 53 38. Dresdner Wasserbaukolloquium 2015 Messen und Überwachen im Wasserbau und am Gewässer 223 unterschiedlichen Charakteristika (naturnahes oder naturfernes Profil, Fließgeschwindigkeiten, Breiten-Höhenverhältnisse etc.) haben wesentlichen Einfluss auf die einzusetzende Messtechnik und die zu erzielende Messgenauigkeiten. Abbildung 2: Messstellen unterschiedlicher Charakteristika (links Pegel Müllensiepen: ausgebautes Profil mit Niedrigwasserrinne, rechts Pegel Hummelsheim: begradigtes Gewässer, jedoch mit Geschiebetrieb) Block A4 Saal 3 Die vorhandenen hydraulischen und betrieblichen Randbedingungen sind inhomogen und erfordern den Einsatz jeweils angepaßter Messmethodik zur Bestimmung der Fließgeschwindigkeit und der entsprechenden Bewertung der berechneten Abflussganglinien. So sind durch ein ausgebautes definiertes Niedrigwassergerinne wie am Pegel Müllensiepen (vgl. Abbildung 2 links) eben höhere Genauigkeiten zu erzielen als bei Messungen am Pegel Hummelsheim (vgl. Abbildung 2, rechts), wo ein nicht durchgehend befestigtes Durchflussprofil mit einer ungleichmäßigen, sich verändernden Sohle vorliegt. Die dazu beim Wupperverband zum Einsatz kommenden stationären und mobilen Messsysteme werden exemplarisch anhand von Vergleichsmessungen untersucht. 3 Abflussmessungen Eine wesentliche Bedeutung hat immer noch die klassische zeitintensive Rastermessung mit Flügeln, welche detailliert das Geschwindigkeitsprofil und die durchströmte Fläche erfasst. Seit einigen Jahren hat sich zudem die Durchflussmessung mit dem ADCP - Messboot (akustische Doppler-Strömungs- Messgeräten) in der Praxis bewährt. Das ADCP-Messboot kommt aufgrund seiner Messgrenzen vor Allem bei den größeren Fließgewässern und bei Mittelund Hochwasserabflüssen zum Einsatz. Um auch bei Hochwasserabflüssen von kleinen Gewässereinzugsgebieten mit sehr hohen Fließgeschwindigkeiten und Treibgut Messungen durchführen zu können, kommt beim Wupperverband seit 2013 auch eine Radarmessmethode (stationär und mobil) zum Einsatz und ergänzt die bewährten Messmethoden. Durch die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten

224 Abflussmessungen mit unterschiedlichen Messverfahren Erfahrungsbericht und die Bedeutung für (z.b. Führung an Brückengeländern siehe Abbildung 3 links, Stativen oder an Seilkrananlangen) ist diese Methode effizient einsetzbar und ermöglicht eine gerade bei Hochwasser günstige berührungslose Messung. Die Methodik und deren praktische Durchführung wird im Folgenden ausführlicher beschrieben und die erzielten Ergebnisse anschließend mit den anderen Messverfahren anschaulich an einem Beispiel verglichen und bewertet. 3.1 Radarmessung Das Messprinzip bei der Ermittlung der Oberflächengeschwindigkeit basiert auf dem Prinzip des Doppler-Effekts. Das Radargerät sendet dabei mit einer konstanten Frequenz Signale zur Wasseroberfläche, die dort reflektiert werden. Durch die Bewegung der Wasseroberfläche wird die Frequenz verschoben (Doppler-Effekt). Durch den Vergleich der gesendeten und empfangnen Frequenz kann die lokale Fließgeschwindigkeit an der Oberfläche bestimmt werden. Voraussetzung für eine auswertbare Dopplerfrequenzmessung ist, dass die Wasseroberfläche eine raue Struktur aufweist (vgl. Abbildung 3 rechts). Abbildung 3: Links: Durchführung einer Radarmessung über das Messsteggeländer am Pegel Hummelsheim Rechts: Raue, für die Radarmessung geeignete Struktur der Wasseroberfläche Beim Wupperverband ist der RP 30 Radarprofiler der Firma Sommer im Einsatz. Die minimal erforderliche Wellenhöhe wird vom Hersteller dabei mit 3 mm angegeben, der Messbereich mit 0,3 bis 15 m/s. Aus Morgenschweiss 2010 ist zu entnehmen, dass von anderen Herstellern Mindestfließgeschwindigkeiten von 0,5 m/s angegeben werden und nach Sommer 2013 erhöht sich die Genauigkeit mit der Höhe der Fließgeschwindigkeiten. Das Messprofil wird ähnlich wie bei der Flügelmessung in verschiedene Sektoren eingeteilt, das Radargerät wird

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 53 38. Dresdner Wasserbaukolloquium 2015 Messen und Überwachen im Wasserbau und am Gewässer 225 dann in der Mitte des jeweiligen Sektors positioniert und die Messung ausgelöst. Der Abfluss wird für jeden einzelnen Sektor mittels Software (siehe Abbildung 4) separat anhand der Oberflächengeschwindigkeit, des K-Wertes und des zuvor eingegebenen Querprofils berechnet. Der K-Faktor ist dabei ein dimensionsloser Korrekturfaktor, welcher die Oberflächengeschwindigkeit in die mittlere Fließgeschwindigkeit des jeweiligen Messsektors umrechnet. Er kann entweder durch hydraulische Modellierung oder als feste Vorgabe (z.b. aus Vergleichsmessungen mit dem hydrometrischen Flügel) bestimmt werden. Die zum Gerät gehörende Software RPcommander empfängt über eine Bluetooth-Schnittstelle die Messungen vom Radarsensor und führt die Berechnungen des Abflusses für die einzelnen Sektoren und die Summe für den gesamten Fließquerschnitt durch. Durch die Möglichkeit die geplante Abflussmessungen ausreichend vorzubereiten - durch Eingabe und Festlegung der Querprofilgeometrie, Rauhigkeiten, Stationierung und Vorgabe der Messlotrechte und die leichte Handhabung ist die Radarmessung effizient und schnell durchführbar. Im nachfolgenden Kap. 3.2 werden die Messergebnisse der Radarmessung - insbesondere der Teilkomponenten Oberflächengeschwindigkeiten, K-Faktoren, Querprofilgeometrie - anhand von Vergleichsmessungen mit Rastermessung und ADCP-Messung exemplarisch zur Verdeutlichung verglichen, sowie die Anwendungsgrenzen dargestellt und bewertet. Block A4 Saal 3 3.2 Vergleich und Bewertung mit unterschiedlichen Messverfahren Um die Verfahren hier vergleichen zu können, wurden an denselben fünf Messlotrechten Radar- (2 Durchgänge) und Flügelmessungen (1 Durchgang) durchgeführt. Höhen unter Wasseroberfläche in cm 0-5 -10-15 -20-25 -30-35 -40 Station in Meter -14,85-14,20-12,10-10,10-8,05-6,00-4,80 MLR 1 0,488 0,47 0,37 0,30 0,19 MLR 2 0,666 0,656 0,53 0,45 0,40 0,681 0,66 0,58 0,41 0,38 MLR 3 MLR 4 0,61 0,53 0,368 0,27 MLR 5 0,46 0,48 0,39 0,29 Sohle HuS 1 HuS 2 HuS 3 HuS 4 HuS 5 Abbildung 4: Durchflussprofil Pegel Hummelsheim Ergebnisse der Flügelmessung

226 Abflussmessungen mit unterschiedlichen Messverfahren Erfahrungsbericht und die Bedeutung für Abbildung 4 zeigt die Einzelmessungen des Laborflügels mit den entsprechenden Geschwindigkeiten im Raster und Abbildung 5 links Auswertungen mit der Software RPCommander der Firma Sommer der Radarmessung. Um im ersten Schritt die Qualität der Radarmessungen bewerten zu können, wurden die Messungen der Oberflächengeschwindigkeiten von Radar- und Rastermessung verglichen. Abbildung 5 rechts zeigt die entsprechenden Oberflächengeschwindigkeiten der einzelnen Messlotrechten. Oberflächengeschwindigkeit in m/s 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 Flügelmessung Radarmessung 1 Radarmessung 2 0 MLR 1 MLR 2 MLR 3 MLR 4 MLR 5 Abbildung 5: Links: Radarmessung und Auswertung mit der Software RPCommander (Sommer) Rechts: Vergleich der Oberflächengeschwindigkeiten von Radar- und Flügelmessung Gute bis sehr gute Übereinstimmungen zeigen die Auswertungen der Lotrechten 2 bis 4. Hier liegen die Oberflächengeschwindigkeiten deutlich über den erforderlichen Mindestfließgeschwindigkeiten von 0,3 bis 0,5 m/s. In den Lotrechten des Uferbereichs (Messlotrechte 1 und 5) werden höhere Abweichungen von über 20 Prozent festgestellt hier liegt die Flügelmessung auch knapp unter dem Grenzwert nach Morgenschweiss 2010 von 0,5 m/s. Tabelle 1 Vergleich von Radar- und Flügelmessung Messlotrechte Fläche Flügelmessung Radarmessung Abweichung Abweichung Vo Vm K-Wert Q Vo Vm K-Wert Q Vo vm und Q m² m/s m/s % m³/s m/s m/s % m³/s % % MLR 1 0,62 0,48 0,37 77 0,23 0,61 0,46 76 0,29 21 20 MLR 2 0,75 0,66 0,48 72 0,36 0,71 0,57 80 0,43 7 16 MLR 3 0,65 0,68 0,56 83 0,36 0,71 0,56 79 0,37 5 1 MLR 4 0,46 0,62 0,48 78 0,22 0,63 0,49 78 0,23 2 2 MLR 5 0,24 0,49 0,40 81 0,09 0,66 0,47 72 0,11 25 17 Summe 2,72 Summe 1,27 Summe 1,42 12 10

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 53 38. Dresdner Wasserbaukolloquium 2015 Messen und Überwachen im Wasserbau und am Gewässer 227 Für die Ermittlung der Abflussanteile reduzieren sich die Abweichungen jedoch, da die durch hydraulische Berechnung ermittelten K-Faktoren bei der Auswertung der Radarmessung niedriger ausfallen. In der Tabelle 1 sind die Mess- und Berechnungsergebnisse der Vergleichsmessungen für jede Messlotrechte aufgelistet. Insgesamt zeigen die Auswertungen, dass die Messlotrechten 3 und 4 in der Mitte des Fließgewässers sehr gute Übereinstimmungen zwischen Flügelund Radarmessung aufzeigen. Ob die Abweichung bei den Messlotrechten 1, 2 und 5 aufgrund der messstellenspezifischen Randbedingungen (Oberflächenstruktur, Ufernähe, Ableitung der K-Werte) oder nur der zu niedrigen Oberflächengeschwindigkeit geschuldet ist, gilt es durch weitere Messungen und Dialog mit dem Gerätehersteller zu untersuchen und in der langfristigen Messkonzeption zu berücksichtigen. Im nächsten Schritt werden mittels einer ADCP-Messung (3 Durchgänge mit Mittelwertbildung) die Messergebnisse aus Flügel und Radarmessung verglichen. Dabei wurde mit der ADCP-Messung ein fast exakt gleicher Abfluss wie bei der Flügelmessung ermittelt (siehe Tabelle 2). Dabei hoben sich die Abweichungen der (mit dem jeweiligen Verfahren ermittelten) durchflossenen Querprofilfläche und der mittleren Fließgeschwindigkeit gegeneinander auf. Die Abweichungen in der Querprofilfläche des nicht ausgebauten Profils am Pegel Hummelsheim zeigen den für niedrige Wasserstände hohen Einfluss des hydraulischen Radius auf den Abfluss. Block A4 Saal 3 Tabelle 2 Ergebnisse der Vergleichsmessungen am Pegel Hummelsheim W Q vm Fläche cm m³/s m/s m² Laborflügel 36 1,27 0,48 2,72 Radarmessung 1 36 1,49 0,52 2,72 Radarmessung 2 36 1,51 0,53 2,72 ADCP Messboot 36 1,30 0,53 2,5 4 Bewertung für Um die Auswirkungen auf die Verwendung der Daten (aus den Unsicherheiten und Abweichungen der durchgeführten Vergleichsmessungen) vornehmen zu können, werden Sensitivitätsbetrachtungen am Pegel Hummelsheim vorgenommen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Messdaten für konkrete wasserwirtschaftliche Fragestellungen z.b. das Brauchwassermanagement einer Talsperre oder die Nutzung der Daten für Bemessungsfragen relevant sind und daher die Sensitivitäten eingeordnet werden müssen.

228 Abflussmessungen mit unterschiedlichen Messverfahren Erfahrungsbericht und die Bedeutung für 4.1 Sensitivität Durchflussprofil Um die Sensitivität beispielsweise durch Verlandung nach einem Hochwasserereignis oder Messungenauigkeiten bei der Aufnahme des Messprofils einschätzen zu können, wurde die Wasserstands-Durchflusskurve jeweils um 2 cm (Mittelwert für die Genauigkeit bei Lattenpegel, Morgenschweiss 2010) nach oben und unten verschoben. Mit den drei abgeleiteten Kurven wurde die langjährige Wasserstandsganglinie hinsichtlich der Relevanz auf Hochwasser und Niedrigwasserabflüsse ausgewertet. In Abbildung 6 links sind die Hochwasserscheitelabflüsse in der Streuung (jeweils die jährlichen Serie) dargestellt. Mit Ausnahme vom höchsten Ereignis (hier ist der Sprung der Abflusstafel durch die beginnende Ausuferung größer) liegt der Effekt bei unter 5 Prozent und im Bereich der in Kapitel 3 dargestellten Messungenauigkeiten. Ein größerer Einfluss ergibt sich bei Niedrigwasserabflüssen: So liegt die Varianz der Hüllkurvenbetrachtung bei 200 l/s, was z.b. bei der Niedrigwasserstatistik oder Steuerung des Niedrigwasserabflusses zu berücksichtigen ist. 1,6 1,5 1,4 1,3 Abfluss - Hüllkurve + 2 cm Abfluss Pegel Hummelsheim Abfluss - Hüllkurve - 2 cm Abfluss in m³/s 1,2 1,1 1 0,9 0,8 200 l/s 0,7 0,6 0,5 0,4 01.04.2013 00:00 08.04.2013 00:00 15.04.2013 00:00 22.04.2013 00:00 29.04.2013 00:00 Abbildung 6: Einfluss von Hüllkurven auf die Abflusskurve (links Hochwasserstatistik, rechts Niedrigwasserabfluss) 4.2 Sensitivität Abflusskurven beim Hochwasserereignis 2011 In 2010 wurde am Pegel Hummelsheim eine Ultraschalllaufzeitanlage eingebaut, vor allem um bei höheren Abflüssen die Geschwindigkeit zu messen und den Hochwasserabfluss abgesicherter (Hysterese, Rückstau etc.) bestimmen zu können. Nach den Erkenntnissen des Hochwasserereignisses am 13.01.2011 wurde die Abflusstafel im Mittel- und Hochwasserbereich überarbeitet. Die ältere Abflusstafel wurde seinerzeit auf Basis von Flügelmessungen und einer eindimensionalen hydraulischen Berechnung aufgestellt (vgl. Abbildung 7 links). In der Abbildung 7 rechts ist neben den Abflusskurven auf den Sekundärachsen der Effekt, den die unterschiedlichen Abflusskurven auf die Bestimmung der

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 53 38. Dresdner Wasserbaukolloquium 2015 Messen und Überwachen im Wasserbau und am Gewässer 229 Hochwasserganglinie haben, abgebildet. Durch ergänzende 2-dimensionale Berechnungen und den Vergleich mit den in der Realität festgestellten Überflutungen konnte die Qualität der aktuellen Abflusskurve bestätigt werden und zeigt die Bedeutung der eingesetzten Messtechnik, gerade an nicht ausgebauten Messstrecken. Wasserstand in cm über PNP 240 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 AK Ultraschallanlage AK Flügelmessung / Hydraulik Flügelmessung ADCP - Messbot - streampro (Aufstau) W-Q aus Ultraschallanlage 0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 Abfluss m³/s Wasserstand in cm über PNP 240 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 AK Ultraschallanlage AK Flügelmessung / Hydraulik HW-2011 - AK Flügelmessung / Hydraulik in m³/s HW 2011 - AK aus Ultraschallanlage in m³/s 0 0 0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 Abfluss m³/s / Zeit in Stunden 60 50 40 30 20 10 Abfluss in m³/s Block A4 Saal 3 Abbildung 7: Einfluss der unterschiedlichen Abflusstafeln beim Hochwasserabfluss 2011 4.3 Wichtige Erkenntnisse und Ableitung von Maßnahmen beim Wupperverband Im hydrometrischen Messnetz des Wupperverbandes ist, aufgrund der verschiedensten Anforderungen, unterschiedliche Messtechnik - sowohl stationär als auch mobil - im Einsatz. Detailuntersuchungen zeigen, dass die unterschiedlichen Messtechniken sinnvoll miteinander kombiniert werden können. Dennoch müssen aufgrund messstellenspezifischer Randbedingungen die Anwendungsgrenzen für konkrete Fragestellung Berücksichtigung finden und dem Nutzer der Daten kommuniziert werden. Die Erfahrungen zeigen, dass Messtechnik alleine keine zielführenden Ergebnisse liefert, sondern durch begleitende Maßnahmen unterstützt werden muss. So wurde durch die Aufstellung von messstellenspezifischen Pegelpflegeplänen, dessen Umsetzen durch lokale im Wasserbau tätige Unternehmer erfolgt, die Voraussetzung für Abflussmessungen durch die Herstellung von möglichst gleichmäßigen hydraulischen Bedingungen verbessert. Ferner wird die Übertragung und zentrale Auswertung von Einzelmessungen (Fließgeschwindigkeiten, Profilflächen, K-Faktoren etc.) und fachlicher Bewertung durch vorhandene, heute vorliegende oder im Aufbau befindliche 2- dimensionale hydraulische Modelle weiter fortgesetzt. Bei der Nutzung der Daten (z.b. für die Kalibrierung von Wasserbilanzmodellen) müssen letztendlich die verschiedensten Daten miteinander verglichen, durch Verschneidung von weiteren Informationen (z.b. Einzugsgebietscharakteristika, Spendenanalyse)

230 Abflussmessungen mit unterschiedlichen Messverfahren Erfahrungsbericht und die Bedeutung für Bewertungen vorgenommen werden und sollten schließlich zu einer effektiven Entscheidungshilfe in Planung, Bau und Betrieb führen. 5 Literatur Morgenschweis, G. (2010): Hydrometrie, Theorie und Praxis der Durchflussmessung in offenen Gerinnen. Spinger Verlag Heidelberg Sommer GmbH (2013): Manuel RpCommander, Stand 24.09.2013 Autoren: Dipl. Ing. Alexander Löcke Dipl. Ing. Marc Scheibel Wupperverband Wassermengenwirtschaft und Hochwasserschutz Untere Lichtenplatzer Str. 100 42289 Wuppertal E-Mail: loe@wupperverband.de schei@wupperverband.de