ABWÄRMENUTZUNG IN DER INDUSTRIE Prof. Dr.-Ing. Jens Hesselbach 1
Abwärme & Endenergieverbrauch in PJ/a Abwärmeaufkommen der deutschen Industrie 2000 1765 1600 1200 Spannweite des wissenschaftlich fundierten Abwärmeaufkommens 800 706 400 127 218 252 0 Gesichertes Aufkommen (1) Extrapolierte Werte Variante 1 (1) Extrapolierte Werte Variante 2 (1) Maximales Aufkommen (3) Endenergieverbrauch Industrie & GHD 2008 (ohne Strom) (4) (1) Brückner 2016: gesichertes Aufkommen auf Basis ausgewerteter Emissionsdaten aus 15 Bundesländern, extrapolierte Werte durch Übertragung der Ergebnisse auf zuvor nicht erfassten Industrieteil (3) Utlu 2015: Wert berechnet mit höchstem Abwärmefaktor (40%) in der Literatur und nach (1) sinnvolle Obergrenze (4) AG Energiebilanzen 2014 Quelle: eigene Darstellung angelehnt an Brückner (2016) 2
Abwärmeaufkommen nach Sektoren Herstellung von Holz-Flecht-Korbund Korkwaren (ohne Möbel) 3% Herstellung von Papier, Pappe und Waren daraus 10% Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln 3% Sonstige 12% Metallerzeugung und -bearbeitung 29% 3 Sektoren mit größtem Anteil: Metallerzeugung und bearbeitung, Herstellung von Glas, Keramik, Steinen und Erde Herstellung von chemischen Erzeugnissen Herstellung von chemischen Erzeugnissen 19% Herstellung von Glas und Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden 24% Quelle: Brückner (2016) 3
Strom Brennstoff Wärme Wärmerückgewinnung und Abwärmenutzung Abwärme für externe Nutzung Wärme Industrielle Abwärme Abwärme für interne Nutzung Produktionsprozess Wandlung Strom Kälte Wärmerückgewinnung Abwärmenutzung 4
Grundprinzipien der Abwärmenutzung 1. Abwärmevermeidung bzw. -minimierung Dimensionierung Prozesssteuerung (z.b. Auslastung, kein Standby-Modus) Temperaturniveau Anlagenisolierung Instandhaltungsmaßnahmen Prozess/ Maschine 2. Prozessrückführung auf gleichem Temperaturniveau 3. Prozessrückführung auf niedrigerem Temperaturniveau Wärmerückgewinnung 4. Abwärmenutzung Betriebliche Energieversorgung 5
Definition Abwärmepotenzial Theoretisches Abwärmepotenzial Physikalische Einschränkungen techn. Daten der produzierenden Anlage & gesetzl. Auflagen des BimSchG Technisches nutzbares Abwärmepotenzial Technische Einschränkungen Handhabbarkeit & Temperaturniveau Technisch-wirtschaftlich nutzbares Abwärmepotenzial Wirtschaftliche Einschränkungen Wirtschaftlichkeitsanalyse Quelle: eigene Darstellung angelehnt an Brückner (2016) 6
Kriterien von Abwärmequellen und -senken Was ist zur Bestimmung des Abwärmepotenzials eines Unternehmens nach der bottom-up-methode notwendig? Erfassung von: Temperaturniveau Leistung Medium (gasförmig, flüssig, Verunreinigungen) Zeitliche Verfügbarkeiten bzw. Bedarfe (kontinuierlich oder schwankend, saisonal, Anzahl der Volllaststunden pro Jahr) Verfügbare bzw. benötigte Energiemenge Lage (Distanzen zwischen Quelle und Senke) Abwärmequellen & Abwärmesenken sowie Abwärmenutzungstechnologien anhand der Kriterien verknüpfen Quelle: dena (2014) 7
Übersicht zu Technologien der Abwärmenutzung Quelle: Hirzel (2013) 8
Spannungsfeld Energieversorgung und Abwärmeintegration am Beispiel Komponentenwerk Automobil Bei permanenter und ungeregelter Einspeisung von Prozessabwärme in die Wärmeversorgung tritt diese in Konkurrenz zu der von den KWK-Anlagen erzeugten Wärme und es kommt zu Verdrängungseffekten Quelle: Bornemann 9
Abwärmeanalyse Identifizierung und Kategorisierung von Abwärmequellen 2.1 2.2 2.3 2.4 3.1 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 2.5 2.6 1.3 1.2 1.1 3.2 3.3 Quelle: Bornemann 10
Abwärmeanalyse Evaluation definierter Abwärmepotenziale Quelle: Bornemann 11
Abwärmeanalyse Visualisierung identifizierter Abwärmepotenziale technisch nutzbar technischwirtschaftlich nutzbar 10 kw th 65 kw th 200 kw th 400 kw th 0 m 100 m 200 m 0-500 C Quelle: Bornemann 12
Wärme Strombedarf Wärmebedarf Studie zur Abwärmeintegration Technisches Simulationsmodell Evaluationsmodul Bedarfsinformationen Zeit Zeit Kessel Bewertungskriterien BHKW Abwärme therm. Speicher Simulationswerkzeug ökonomisch ökologisch Energieversorger Strom BHKW primärenergetisch Quelle: Bornemann 13
Möglichkeiten der Abwärmeintegration keine Abwärmeeinspeisung (K) ungeregelte Abwärmeeinspeisung (U) geregelte Abwärmeeinspeisung (G) Quelle: Bornemann 14
Abwärmepotenzialanalyse Quelle: Bornemann 15
Fazit der Simulationsstudie Geregelte Abwärmeeinspeisung ist bei dezentralen Energieversorgungssystemen von Produktionsstandorten der Automobilindustrie grundsätzlich zu bevorzugen Innerhalb des konstituierten Analysehorizonts ist diese ökonomisch am vorteilhaftesten Zusätzliche Verminderung der Treibhausgasemissionen bzw. des Primärenergiebedarfs, bezogen auf Systemzustand ohne Abwärmenutzung Ungeregelte Abwärmeintegration ist nur dann am attraktivsten, wenn die Reduktion von Umweltauswirkungen im Fokus steht auf Grund von Verdrängungseffekten der KWK-Anlage resultiert eine wirtschafltiche Verschlechterung, bezogen auf Ausgangssituation ohne Abwärmenutzung durch vollständige Ausnutzung der verfügbaren Abwärmemenge ist diese jedoch ökologisch und primärenergetisch am vorteilhaftesten Quelle: Bornemann 16
Nachverstromung Komponentenwerk Automobil Investition in Ihre Zukunft Investitionen dieses Unternehmens wurden von der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und vom Land Hessen kofinanziert. Abwärmequelle Industrieofen Zuschnitt Transfer Wärmebehandlung Transfer Umformen und Härten Transfer Lasern eigene Darstellung, angelehnt an (Alsmann, Barden et al., 2015, S.11) Direktes Presshärten wärmebehandelte Platine wird in der Presse verformt und dabei abgekühlt Kontinuierlich betriebener Ofen 17
Heizleistung in kw Temperatur in C Forschungsprojekt zur Nachverstromung Heizleistung und Abgastemperatur eines Rollenherdofens 2500 600 2000 500 1500 400 300 1000 200 500 100 0 6.6.16 0:01 6.6.16 15:01 7.6.16 6:01 7.6.16 21:01 8.6.16 12:01 9.6.16 3:01 9.6.16 18:01 10.6.16 9:01 11.6.16 0:01 11.6.16 15:01 12.6.16 6:01 12.6.16 21:01 0 Heizleistung in kw Abgastemperatur in C 18
Forschungsprojekt zur Nachverstromung Konzept Investition in Ihre Zukunft Investitionen dieses Unternehmens wurden von der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und vom Land Hessen kofinanziert. Bau eines geschlossenen & isolierten Abgasrohrsystems Erhöhung der Abgastemperaturen Einbau von Frequenzumrichtern in Abgasventilatoren Senkung des Strombedarfs & Erhöhung der Abgastemperaturen Energiedatenerfassung mit Energiemonitoringsystem zur Bewertung Kosteneinsparungen 230.000 /a* Investition 768.000 /a Interne Verzinsung 30 %/a *angenommener Strompreis 0,15 /kwh, Gaspreis 0,04 /kwh 19
Investitionskosten Nachverstromungsanlagen Unterschiedlicher Aufwand bei nichtindustrieller und industrieller Einbindung NT ORC Anlage 23 kw HT SRC Anlage 31 60 kw Mehraufwand bei der industriellen Einbindung einer ORC-/SRC-Anlage zur Nutzung von Prozessabwärme Nachverstromung Biogasanlagen 1 x ORC 9% 91% Anlagenkosten Anbindungskosten CONPOWER CONPOWER Industrielle Nachverstromung 2 x SRC zur Nutzung von Ofenabwärme 54% 46% Anlagenkosten Anbindungskosten Kein Grüne-Wiese-Projekt Umbaumaßnahmen im Prozess bzw. an der Anlage (z.b. Abgasgasführung bei Öfen) Integration der Kondensatorabwärme in das oder die bestehende/n Wärmenetz/e (Wärmeübertrager mit Regeleinheiten) Festlegung der Stromeinspeisung und zusätzliche elektrische Versorgung Die bestehende Infrastruktur bedarf einer individuellen Anbindung der Anlagen. Die Folgen sind hohe Kosten, die ein Investitionshemmnis darstellen. 20
Zwiebelschalenmodell Energieeinsparung von innen nach außen denken, also vom Prozess über die TGA bis zur Versorgung. Andernfalls sind später geplante Effizienzmaßnahmen oft nicht wirtschaftlich darstellbar. 21