Predigt am ; 3. Advent in der Johanneskirche; Thema: Tröstet, tröstet mein Volk! Michael Paul

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Transkript:

Predigt am 16.12.18; 3. Advent in der Johanneskirche; Thema: Tröstet, tröstet mein Volk! Michael Paul Jesaja 40,1-5 1 Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. 2 Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat die volle Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden. 3 Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! 4 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; 5 denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat's geredet. Liebe Gemeinde, in diesen Tagen hat bei einer Versteigerung in New York ein Brief seinen Besitzer gewechselt. Nicht irgendein Brief, sondern jener, den Albert Einstein 1954 an den deutschen Philosophen Erich Gutkind geschrieben hat. Darin bekennt der berühmte Physiker seinen Glauben: dass es Gott nicht gebe. Das Wort Gott, schreibt er, ist für mich nichts als Ausdruck und Produkt menschlicher Schwächen, die Bibel eine Sammlung ehrwürdiger, aber reichlich primitiver Legenden. Keine noch so feinsinnige Auslegung kann für mich daran etwas ändern. Religionen sind für Einstein die Inkarnation primitiven Aberglaubens. Dieser Brief hat den neuen Besitzer ganz schön viel gekostet. 2,9 Mio. Dollar. Ein hoher Einsatz für nichts anderes als Nichts. Kein Trost in Trauer und Tod, keiner, der uns will und liebt, wenn wir auf dieser Welt nicht gewollt oder wirklich geliebt werden. Keiner, der Sünden vergibt. Keiner, der unsere tiefe Sehnsucht stillt, wie es Tucholski einmal gesagt hat: Die Welt ist eine Nummer zu klein geraten, um die unendliche Sehnsucht des Menschen stillen zu können. 2,9 Mio. Dollar für Nichts! Ganz anders der Prophet Jesaja: Tröstet, tröstet mein Volk! Es gibt Trost in Deiner Traurigkeit und Angst. Es gibt einen, der da ist in Deiner Einsamkeit. Es gibt Brot in Deinem Hunger und Wasser in Deinem unstillbaren Durst nach Leben. Es gibt Heimat auf Deiner ewigen Flucht, der Flucht vor Tyrannen oder uralten Verletzungen oder auch der Flucht vor Deinen eigenen Abgründen. Es gibt Frieden in Deiner Ruhelosigkeit und ein Ankommen in Deinen ewigen Aufbrüchen. Es gibt wirkliche Liebe in dieser Welt des Raffens und Jagens und Vergebung, wo Du schon lange nicht mehr darauf hoffst. GOTT, Ihr Lieben, ist unterwegs auf sein Volk zu. Der Herr kommt gewaltig! Der Wochenspruch vom 3. Advent. Jesaja sieht Gott kommen. Die Exilierten, ins babylonische Exil Gezwungenen, aus dem Heiligen Land Verstoße-

nen, scheinbar von Gott Verlassenen und Vergessenen dürfen ihre gesenkten Köpfe erheben, weil sich ihre Erlösung naht. Ich muss denken an meinen Besuch in einem Krankenhaus vor vielen Jahren. Ein Gemeindeglied hatte mir erzählt von dieser schwer krebskranken Frau. Ich klopfte an die Zimmertür und öffnete. Und nachdem ich mich als der Gemeindepfarrer vorgestellt hatte, sagte diese Frau: Und wir hatten uns gerade darüber unterhalten, dass Gott uns wohl vergessen hat. Und jetzt kommen Sie! Alles riecht nach einem Leben ohne letzte Hilfe. Sind die Flüchtlinge nicht den Gerichten und menschlicher Willkür erbarmungslos ausgesetzt? Sind die Kranken nicht ihrer Krankheit ausgeliefert? Müssen die Erfolglosen und Schwachen nicht leben mit ihrer Looser-Situation? Und müssen die Schuldigen nicht ewig an ihrer Last tragen? Nein, Gott kommt tatsächlich. Er ist nicht das Produkt menschlicher Schwächen. Der Prophet Jesaja überschlägt sich fast in seinem Rufen. Tröstet, tröstet meine Volk! Wen ruft er hier auf? Die anderen Propheten, seine Kollegen? Vielleicht! Menschen aus dem Gottesvolk, die ebenso den Blick auf Gott gerichtet haben wie er? Eventuell! Menschen, die sich verkrochen haben, und die nun wieder aus ihren Verstecken herauskommen sollen, um die frohe Botschaft zu verkündigen! Ja, gewiss auch die. Aber noch mehr: Der Himmel wird aufgerufen, die himmlischen Heerscharen, alle, die irgendwie rufen, schreien, erscheinen können: Tröstet, tröstet mein Volk! Eine Wende, Ihr Lieben! Gott kommt! Sprecht mit Jerusalem freundlich! Warum freundlich mit den Bürgern Jerusalems und mit den ins Exil Verstoßenen? Haben sie denn Gott durch ihr Leben gelobt, ihm gedient, ihm gelebt? Haben sie ihm gedankt und die Nächstenliebe gelebt? Alles im Prophetenbuch spricht dagegen! Wo sind die, die sich von diesem Propheten, von dem wir so wenig wissen, rufen lassen? Die Menschen schließen sich ein, vergraben sich in ihrem Leid, versuchen ihre innerste Leere mit äußeren Erfolgen oder mit ein wenig Wohlstand auszugleichen. Und doch: Sprecht freundlich! Warum? Woher kommt diese Wende, diese Zuwendung Gottes? Predigt, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist. Man muss es so sagen: Die Wende vollzieht Gott. Die Initiative kommt von ihm, allein von ihm. ER vergibt Schuld. Das ist der Anfang. Ohne Vergebung kein neuer Weg für das Gottesvolk. Ohne Vergebung bleibt uns der Himmel verschlossen, gibt es kein Tröstet, tröstet mein Volk!. Ohne Vergebung bleiben wir in unseren Fesseln, in unserer tiefsten, letzten Einsamkeit. Wir haben uns Gottes Kommen nicht verdient. Wenn er kommt, geschieht es aus seiner Güte, aus seiner unendlichen Liebe zu seinen Menschenkindern heraus, die uns nicht lassen kann, obwohl wir so egoistisch, den Nächsten vergessend, die Umwelt zerstörend, um uns selbst kreisen. Wer darüber noch nicht gestaunt hat, dass Gott in diese Welt kommt, in der sogar die Religion missbraucht wird, um Weihnachtsmärkte zu terrorisieren, der hat noch nichts begriffen. Wir haben uns an Advent, an Gottes Ankunft gewöhnt. Aber wirklich Advent kann es nur dann bei uns werden, wenn wir wieder zu staunen beginnen, dass der Heilige,

Allgütige, Herrliche in diese Welt kommt, wenn uns diese Botschaft in der Tiefe erschüttert. So sagt es Pater Delp: Advent ist eine Zeit der Erschütterung, in der der Mensch wach werden soll zu sich selbst. Gottes Kommen geht immer mit Vergebung einher. Predigt ihr, dass ihre Schuld vergeben ist. Aber wie geht Vergebung, Ihr Lieben? Wie oft reden wir von Vergebung und im Nachhinein merken wir, dass wir nicht wirklich vergeben haben. Ich bin meistens skeptisch, wenn zu schnell Hände der Vergebung gereicht werden. So lesen wir auch hier: denn die Tochter Zion hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des Herrn. 70-80 Jahre liegen zwischen dem Wegführen ins babylonische Exil und diesem: Tröstet, Tröstet mein Volk! Die Schuld Israels wird nicht zugekleistert, kleingeredet, mit einem leichten Wisch weggewischt. Nehmen wir es doch ernst, dass die Verletzung, mit der andere an uns schuldig wurden, wehtut, Konsequenzen in unserem Leben zeitigt, dass solche Schuld unser ganzes Leben verändern kann. Wer die Schuld nicht ernst nimmt, kennt auch keine wirkliche Vergebung. Gott geht nicht einfach über die Schuld seines Volkes locker hinweg, sondern spricht hier von doppelter Strafe, 70-80 Jahre Exil. Und wie geht Gott mit unserer Schuld um? Exil? Strafe? Es ist derselbe Prophet, der ein paar Kapitel später vorausschauend sagt: Die Strafe liegt auf IHM, damit wir Frieden hätten. Und durch SEINE Wunden sind wir geheilt. (Jes.53) Gott schickt sein Volk nicht mehr ins Exil. Er hat einen anderen, unfassbaren Weg gefunden, einen Weg, den wir wohl nie in der Tiefe ausloten und begreifen können: Er lässt seinen Sohn Jesus die Last unserer Schuld tragen. Hiermit wird die Sünde Ernst genommen mit ihrer ganzen zerstörerischen, verletzenden, kaputtmachenden Macht. Aber wir müssen nicht selbst dafür bezahlen. Gott bezahlt für unsere Sünden und Du bist frei. Kannst Du darüber noch staunen? Musst Du das Staunen wieder neu lernen. Advent ist eine Zeit der Erschütterung, in der der Mensch wach werden soll zu sich selbst! Horch!, ruft der Prophet. Hört ihr es nicht? Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg! Advent ist Bauzeit, eine riesengroße Baustelle. Wer baut? Zu wem ist das gesagt: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg! Sollst Du das tun, Gott den Weg in Dein Herz bereiten? Ursprünglich ist an eine große Prachtstraße gedacht, eine Straße von Babylon her nach Israel. Die Erlösten werden über diese Prachtstraße mitten durch die syrisch-arabische Wüste in das Heilige Land zurückkehren. Wer soll diese Prachtstraße bereiten? Israel? Die schafften es ja noch nicht einmal, den Tempel wieder aufzubauen, nachdem sie zurück in Jerusalem waren. Hier werden nicht die Menschen, die Israeliten angesprochen. Hier werden die Himmelmächte aufgerufen. Baut Israel, baut meinem geliebten Volk in der Wüste eine Straße, damit nichts sein Heimkommen in Heilige Land verhindern kann! Wie oft versuchen wir, uns selbst einen Weg durch unsere Wüste zu bahnen. Wir denken, wir müssten Gott den Weg bereiten! So hören wir es doch oft in

der Adventszeit. Und wie kläglich scheitern wir daran. Da muss man neben all dem vielen, was man sonst noch tut, auch noch Muße finden, Stille suchen, sich Gott öffnen. Aber ich glaube, dass es hier anders gemeint ist: Gott ruft die himmlischen Mächte auf, seinem Volk den Weg zu bereiten. Gott bahnt selbst den Weg zu Dir und mir. ER rettet sein Volk aus der Fremde, aus der Gottesferne, aus dem Drehen um sich selbst. Alle Himmelsmächte bringt er in Bewegung, um Dich durch deine Wüste ins Heilige Land zu führen. ER tut und Du darfst ruhen. ER sendet seinen Sohn, bahnt sich den Weg in Dein Herz, und Du darfst es Dir einfach zusprechen lassen: Euch ist heute der Heiland geboren. Er trägt Dein Kreuz und Du darfst es abgeben. Du musst nicht mehr fragen, wie Du durch Deine Wüsten kommst, wie Du es schaffst, Dir einen Weg ins Heilige zu bahnen. Du musst nicht mehr ächzen unter der Last Deines Sollens, Deiner Ansprüche, die Du sowieso nicht erfüllst. Er ruft seine Heerscharen auf den Plan und kommt zuletzt sogar Wunder aller Wunder selbst, trägt Deine Last, bahnt den Weg durch Deine Wüste. Alle Täler sollen erhöht werden. Die Täler: Dort, wo Du in einem Loch steckst, nicht mit eigener Kraft herauskommst. Ich merke es im eigenen Leben und am eigenen Leib immer wieder, dass ich nicht einfach mit eigener Willensanstrengung aus meinen Tälern herauskomme. Gott selbst erhöht meine Täler, er kommt in meine Tiefe, besucht mich in meinem Stall, legt sich in die Krippe meines bebenden Herzens und zieht mich so sachte und immer wieder heraus, damit die Straße ins Heilige Land, das Land des Lebens eben wird. Das einzige, was ich dabei tue, ist: Ihn an mich heranzulassen, ihm mein Herz zu öffnen, immer wieder neu. Alle Hügel sollen erniedrigt werden. das Stolze und Hohe in Dir, das nach außen hin Glänzende, aber in Wirklichkeit überdeckst Du mit diesem Glanz nur Deine Angst, es könnte ans Licht kommen, was wirklich in Dir ist. Dass unsere Berge oft mehr der Straße ins Heilige Land im Wege stehen als unsere Täler, bringt Dietrich Bonhoeffer in seinem Glaubensbekenntnis zum Ausdruck: Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass Gott es nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Unsere Guttaten, unsere Berge, halten uns manchmal mehr vom Land des Lebens fern als unsere offenbaren Sünden. Unser Text schließt mit einem Gotteslob: Denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat's geredet. Gottes Herrlichkeit zeigt sich nicht zuerst an seinem eigenen Glanz. Seine Herrlichkeit zeigt sich in dieser Welt daran, dass er sein Volk, die Juden und dann auch noch die Christen in Heiliges Land führt, in das Land des Lebens, der Liebe und der Freiheit vom Tanz um das eigene Egoismus-Ich. Wir sind noch nicht da, nein. Aber wir sind auf der Straße dorthin, auf der Straße mitten durch unsere Wüsten. ER geht uns voran, nein, er

trägt die Seinen auf dieser Straße wie ein Hirte seine verlorenen Schafe trägt. Wir sind es, die er gewonnen hat durch seine Liebe. Unser Lieben, Glaube und Hoffen sind nur die Früchte, die aus seinem Kommen und Lieben erwachsenen. Lasst uns dieser Früchte nicht dadurch beraut werden, dass wir unser Vertrauen diesem Gott entziehen. Lasst uns nicht unsicher werden durch Brieworte z.b. eines Albert Einsteins, Briefworte, die 2,9 Mio Dollar kosten und doch Nichts sind. Denn wenn Gott wirklich nur, wie Einstein schreibt, das Produkt menschlicher Schwäche wäre, wer soll uns dann den Weg durch unsere Wüsten bahnen, wer soll dann unsere Täler erhöhen und unsere Berge erniedrigen? Wir selbst? Oder die selbsternannten Führer diese Welt? Ganz anders die Worte von Blaise Pascal, einem ebensolchen Denker wie Albert Einstein. Es sind die Worte aus seinem berühmten Memorial, die er sich selbst in sein Rockfutter hat einnähen lassen, damit er sie immer bei sich trüge. Sie stammen aus der Nacht, in der er endlich seines Glaubens gewiss wurde, weil sich Gott ihm im Gebet und in der Beschäftigung mit seinem Wort gezeigt hat: Jahr der Gnade 1654. Montag, den 23. November. Ungefähr eine halben Stunde nach Mitternacht. Feuer! Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs. Nicht der Philosophen Gott. Gewissheit! Gewissheit! Empfinden: Freude! Friede! Gott Jesu Christi! Darum: Tröstet, tröstet mein Volk! Amen